Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.03.2014, Az.: 4 K 298/13

Altenteilsleistungen als Sonderausgaben

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
13.03.2014
Aktenzeichen
4 K 298/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 18082
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2014:0313.4K298.13.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 12.05.2015 - AZ: IX R 32/14

Fundstellen

  • EFG 2014, 1088-1089
  • EStB 2014, 455
  • KÖSDI 2014, 18911
  • ZEV 2014, 388
  • ZEV 2014, 602

Tatbestand

1

Streitig ist, ob Altenteilsleistungen als Sonderausgaben abgezogen werden können.

2

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielt aus der Verpachtung landwirtschaftlich nutzbaren Grundbesitzes Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die sich im Streitjahr 2011 auf 19.683 EUR beliefen. Der Grundbesitz gehörte ursprünglich zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, der von dem Vater des Klägers zum 1. Januar 199... aufgegeben worden war. Durch notariellen Vertrag vom 1. Februar 2007 wurde der Grundbesitz im Wege vorweggenommener Erbfolge vom Vater des Klägers auf diesen übertragen. Dabei behielt der Vater sich und für den Überlebensfall seiner Ehefrau - der Mutter des Klägers - ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht an den übertragenen Wirtschaftsgütern vor. Nach dem Übertragungsvertrag konnten die Nießbrauchsberechtigten jederzeit durch schriftliche Erklärung auf ihr Nießbrauchsrecht verzichten. Für den Fall des Verzichts war ihnen "ein monatlich wiederkehrender Betrag zu zahlen, der der Höhe nach etwa den erzielbaren Netto-Pachteinnahmen des übertragenen Grundbesitzes entsprechen [...] und in der Form einer dauernden Last des Steuerrechts" vereinbart werden sollte.

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Durch notariellen Vertrag vom 5. Oktober 2010 verzichteten die Eltern des Klägers diesem gegenüber auf ihr Nießbrauchsrecht und vereinbarten mit ihm ein jährliches Baraltenteil von 12.000 EUR ab 1. Januar 2011. Für den Fall, dass sich die Nettopachteinnahmen gegenüber den Verhältnissen des 1. Januar 2011 um mehr als 10 Prozent ändern sollten, wurde jedem der Vertragsbeteiligten das Recht eingeräumt, eine Anpassung dieses Betrags zu verlangen.

4

In der Einkommensteuererklärung machten die Kläger die im Streitjahr erbrachten Altenteilsleistungen als Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Durch Einkommensteuerbescheid vom 31. Januar 2013 lehnte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) den Abzug ab.

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Mit dem am 13. Februar 2013 eingelegten Einspruch machten die Kläger geltend, dass bei Ablösung eines Nießbrauchsrechts, das in einem vor dem 1. Januar 2008 geschlossenen Überlassungsvertrag vereinbart worden sei, § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der vor dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung anwendbar bleibe. Daher seien die Altenteilsleistungen im Streitfall ohne Rücksicht darauf abziehbar, dass sie im Zusammenhang mit der Übertragung von Privatvermögen vereinbart worden seien.

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Durch Einspruchsbescheid vom 31. Oktober 2013 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus:

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Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung könnten Versorgungsleistungen nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs stünden. Im Streitfall seien die Altenteilsleistungen jedoch im Zusammenhang mit der Übertragung von Privatvermögen vereinbart worden. Zwar seien nach Randnummer 85 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 11. März 2010 (BStBl. I 2010, 227) bei der Ablösung eines Nießbrauchs gegen Versorgungsleistungen die Vorschriften des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der vor dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung weiter anwendbar, wenn die Ablösung selbst und ihr Zeitpunkt bereits im Übertragungsvertrag verbindlich vereinbart worden seien. Diese Voraussetzung sei im Streitfall aber nicht erfüllt, weil der Übertragungsvertrag vom 1. Februar 2007 keinen konkreten Zeitpunkt für die Ablösung des Nießbrauchs vorgesehen habe.

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Hiergegen richtet sich die am 2. Dezember 2013 erhobene Klage. Zu deren Begründung führen die Kläger aus:

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Der Sonderausgabenabzug der Altenteilsleistungen richte sich im Streitfall nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der vor dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Juni 1992 X R 147/88 werde der sachliche Zusammenhang der Altenleistungsleistungen mit der vorangegangenen Vermögensübertragung durch das zunächst vereinbarte Nießbrauchsrecht nicht unterbrochen.

10

Die Kläger beantragen,

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unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2011 vom 31. Januar 2013 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 31. Oktober 2013 die Einkommensteuer auf den Betrag herabzusetzen, der sich unter Berücksichtigung von Altenteilsleistungen in Höhe von 12.000 EUR als Sonderausgaben ergibt.

12

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hält an der seinem Einspruchsbescheid zugrunde liegenden Beurteilung fest und führt aus:

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Eine unter Randnummer 85 des BMF-Schreibens in BStBl. I 2010, 22 fallende gleitende Vermögensübergabe liege nur vor, wenn die Ablösung des Nießbrauchs durch Versorgungsleistungen bereits in dem Übergabevertrag nach Grund und Zeitpunkt festgelegt worden sei. Daran fehle es im Streitfall, weil es im freien Belieben der Nießbrauchsberechtigten gestanden habe, ob und wann sie von der Ablösungsmöglichkeit Gebrauch machten.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet. Die Versorgungsleistungen, die der Kläger aufgrund des Vertrags vom 5. Oktober 2010 an seine Eltern erbracht hat, sind als Sonderausgaben abziehbar.

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1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 2007 (BGBl. I 2007, 3150) - neue Fassung (n.F.) - sind auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende, lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, als Sonderausgaben abziehbar, wenn der Empfänger unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG n.F. gilt dies aber nur für Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft, die eine Tätigkeit im Sinne der §§ 13, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 EStG ausübt (Buchstabe a), im Zusammenhang mit der Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs (Buchstabe b) oder im Zusammenhang mit der Übertragung eines mindestens 50 Prozent betragenden Anteils an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wenn der Übergeber als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernimmt (Buchstabe c). Keine dieser Voraussetzungen liegt im Streitfall vor, weil der Vater des Klägers seinen landwirtschaftlichen Betrieb bereits zum 1. Januar 199... aufgegeben hatte und die von ihm durch Vertrag vom 1. Februar 2007 auf den Kläger übertragenen Wirtschaftsgüter daher Privatvermögen waren.

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Nach § 52 Abs. 23g Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung (jetzt: § 52 Abs. 23h Satz 1 EStG) ist § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG n.F. auf alle Versorgungsleistungen anzuwenden, die auf nach dem 31. Dezember 2007 vereinbarten Vermögensübertragungen beruhen. Für Versorgungsleistungen, die auf vor dem 1. Januar 2008 vereinbarten Vermögensübertragungen beruhen, ist daher - abgesehen von dem im Streitfall nicht vorliegenden Ausnahmefall des § 52 Abs. 23g Satz 2 EStG (jetzt § 52 Abs. 23h Satz 2 EStG) - § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der Fassung vor der Änderung durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 2007 (alte Fassung - a.F. -) weiter anzuwenden.

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2. Entgegen der von dem FA vertretenen Auffassung beruhen die von dem Kläger an seine Eltern gezahlten Versorgungsleistungen auf dem Übergabevertrag vom 1. Februar 2007, sodass sich der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. richtet.

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In dem Übergabevertrag selbst waren zwar noch keine Versorgungszahlungen zugunsten der Eltern des Klägers vereinbart worden. Vielmehr hatte sich der Vater des Klägers darin den Nießbrauch an den übertragenen Wirtschaftsgütern verbunden mit dem Recht vorbehalten, zu einem späteren Zeitpunkt durch Verzicht auf den Nießbrauch den Anspruch auf Versorgungszahlungen zu begründen. Hierdurch wird der Zusammenhang der den in dem Vertrag vom 5. Oktober 2010 vereinbarten Versorgungszahlungen mit der vorangegangenen Vermögensübertragung aber nicht ausgeschlossen.

21

Hauptanwendungsfall der nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. als Sonderausgaben abziehbaren dauernden Lasten waren seit jeher lebenslängliche Versorgungsleistungen, die anlässlich der Übertragung von Vermögen im Wege vorweggenommener Erbfolge vereinbart wurden (BFH-Beschluss vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl. II 1992, 78, unter C. II.3.). Der für die Abziehbarkeit als dauernde Last erforderliche sachliche Zusammenhang mit der Vermögensübergabe wurde nach der Rechtsprechung des BFH nicht dadurch unterbrochen, dass sich der Übergeber zunächst den Nießbrauch an dem übertragenen Vermögen vorbehalten hatte und der Nießbrauch später durch Versorgungszahlungen abgelöst wurde. Dies galt nicht nur für den Fall, dass die Ablösung des Nießbrauchs durch eine Versorgungsrente bereits in dem Übergabevertrag fest vereinbart war (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1992 X R 14/89, BFHE 169, 25, BStBl. II 1993, 23), sondern auch dann, wenn diese auf einem erst später gefassten Entschluss beruhte (BFH-Urteil vom 3. Juni 1992 X R 147/88, BFHE 169, 27, BStBl. II 1993, 98). Denn in beiden Fällen wird mit der Ablösung des Nießbrauchs durch die Versorgungsrente ein weiterer Schritt zur endgültigen Vermögensübergabe hin vollzogen, weil der Übergeber der Notwendigkeit enthoben wird, die Erträge des Vermögens selbst zu erwirtschaften, und stattdessen vom Übernehmer des Vermögens versorgt wird. Der wirtschaftliche Gehalt der ursprünglichen Vereinbarung - die Erträge des übertragenen Vermögens ganz oder teilweise dem Übergeber vorzubehalten - wird dadurch nicht verändert.

22

Die Maßstäbe, nach denen unter der Geltung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. der sachliche Zusammenhang der Versorgungsleistungen mit einer Vermögensübergabe beurteilt wurde, müssen auch für die Beurteilung der Frage gelten, ob Versorgungsleistungen im Sinne des § 52 Abs. 23g Satz 1 EStG auf einer vor dem 1. Januar 2008 vereinbarten Vermögensübertragung "beruhen". Entgegen der in Randnummer 85 des BMF-Schreibens in BStBl. I 2010, 22 vertretenen Auffassung kann die Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. bei Ablösung eines Nießbrauchs nach dem 31. Dezember 2007 deshalb nicht auf den Fall beschränkt werden, dass die Ablösung und deren Zeitpunkt bereits in dem Übertragungsvertrag verbindlich vereinbart wurden.

23

Dies gilt im Streitfall umso mehr, als der Kläger bei Abschluss des Versorgungsvertrages vom 1. Februar 2007, mit dem er seinem Vater das Recht zur Ablösung des Nießbrauchs eingeräumt hatte, darauf vertrauen durfte, die Erträge des übernommenen Vermögens auch in diesem Fall nur insoweit versteuern zu müssen, als sie ihm - nach Abzug der Versorgungsleistungen - endgültig verblieben. Demgegenüber hätte er die Erträge bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG n.F. auch insoweit zu versteuern, als er sie in Gestalt der Versorgungsleistungen an seine Eltern weiterleiten muss. Hierdurch würde der wirtschaftliche Gehalt der Ablösungsvereinbarung zu Lasten des Klägers verschoben, obwohl dieser bei Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung überhaupt nicht mehr in der Lage war, eine von dem Vater begehrte Ablösung des Nießbrauchs abzuwenden.

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3. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. für den Sonderausgabenabzug der Versorgungsleistungen liegen vor. Wie unter 2. dargelegt, bilden Versorgungsleistungen in sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe den Hauptanwendungsfall der in dieser Vorschrift genannten "auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende[n] Renten und dauernde[n] Lasten". Die Versorgungsleistungen sind auch keine unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG fallenden "Zuwendungen", weil sie nicht höher sind als die langfristig erzielbaren Erträge des übernommenen Vermögens (vgl. Randnummer 19 des BMF-Schreibens vom 16. September 2004, BStBl. I 2004, 922). Schließlich stellen sie - in voller Höhe abziehbare - dauernde Lasten dar, weil jeder Vertragsbeteiligte im Fall einer ins Gewicht fallenden Änderung der Pachteinnahmen eine Anpassung des vereinbarten Betrags verlangen kann und die Zahlungen damit der Höhe nach veränderlich sind.

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4. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2011 vom 31. Januar 2013 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 31. Oktober 2013 ist die Einkommensteuer daher auf den Betrag herabzusetzen, der sich unter Berücksichtigung von Versorgungsleistungen in Höhe von 12.000 EUR als Sonderausgaben ergeben (§ 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Berechnung der Steuer kann dem FA übertragen werden (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

26

Die Kosten sind dem FA als unterlegenem Beteiligten aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1 FGO). Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen an die Stelle eines Nießbrauchs tretende Versorgungsleistungen auf einer vor dem 1. Januar 2008 vereinbarten Vermögensübertragung, hat grundsätzliche Bedeutung.