Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 23.07.2014, Az.: 12 B 1217/14
Haft; Malta; systemische Mängel; Überstellung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 23.07.2014
- Aktenzeichen
- 12 B 1217/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 42527
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 27a AsylVfG
- § 34a AsylVfG
- EGV 343/2003
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Nach der aktuellen Erkenntnismittellage ist die Beantwortung der Frage, ob das Asyl- und Aufnahmeverfahren nach Malta mit systemischen Mängeln behaftet ist, als offen anzusehen.
2. Vor diesem Hintergrund ist nach der vorzunehmenden Interessenabwägung von einer Überstellung nach Malta abzusehen.
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (12 A 1216/14) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3. Februar 2014 wird angeordnet.
Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits trägt die Antragsgegnerin.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von dem Antragsteller erhobenen Klage (12 A 1216/14) gegen die Anordnung der Abschiebung nach Malta in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 3. Februar 2014 ist gem. § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG zulässig. Er ist insbesondere fristgerecht gestellt worden.
Der Antrag ist auch begründet.
Für eine nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Entscheidung ist maßgebend, ob das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Vollzug des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorrangig zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 - 4 VR 1005/04 -, BVerwGE 123, 241 und juris). Hat der Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg, weil der angegriffene Verwaltungsakt offenbar fehlerhaft ist, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache keinen Erfolg haben wird, insbesondere, wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist. Bei offenem Ausgang der Hauptsache sind die Folgen, die einträten, wenn die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet würde, die Klage aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Anordnung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg versagt bliebe (vgl. BVerfG in ständiger Rechtsprechung, u.a. Beschluss vom 12. Januar 2014 - 1 BvR 3606/13 -, NVwZ 2014, S. 329 und juris). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob nicht rückgängig zu machende Beeinträchtigungen zu befürchten sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Dezember 2009 - 2 BvR 2879/09 -, NVwZ 2010, S. 318 und juris). Im vorliegenden Fall der Überstellung eines Asylsuchenden in einen anderen Mitgliedstaat stehen sich dabei das öffentliche Interesse an der wirksamen und effektiven Durchsetzung der Regelungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, insbesondere der Dublin-Verordnungen, und die mögliche Verletzung der grundrechtlich geschützten Positionen des Asylsuchenden, wie sie insbesondere in Art. 3 EMRK und Art. 4 Grundrechtscharta niedergelegt sind, gegenüber.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier zu Gunsten des Antragstellers aus. Nach der sich dem Gericht derzeit darbietenden Sach- und Rechtslage sind die Erfolgsaussichten der Klage als offen zu beurteilen, so dass das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers wie dargelegt abzuwägen ist.
Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34 a Abs. 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt dann, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Gem. § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Anordnung der Abschiebung als Zwangsmittel beruht vorliegend auf der vollziehbaren Grundverfügung im Bescheid des Bundesamtes, dass der Asylantrag des Antragstellers gem. § 27 a AsylVfG unzulässig ist, weil Malta für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Grundverfügung ist vollziehbar, weil die Klage des Antragstellers gegen diese Entscheidung gem. § 75 Abs. 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung hat.
Malta ist für die Durchführung des Asylverfahrens zwar nach den einschlägigen Vorschriften grundsätzlich zuständig.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (ABl. L 50 vom 25. Februar 2003, S. 1) - Dublin II-VO. Die Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung) (ABl. L 180 vom 29. Juni 2013, S. 31) - Dublin III-VO - auf Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, weiterhin Anwendung. Hier hat der Antragsteller am 5. August 2013 in der Bundesrepublik einen Asylantrag gestellt. Aufgrund der Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO, nach der bei der Bestimmung des nach den Kriterien der Dublin II-VO zuständigen Mitgliedsstaats von der Situation ausgegangen wird, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt, ist Malta zuständig, da der Antragsteller ausweislich des Wiederaufnahmegesuchs der Antragsgegnerin vom 29. November 2013 am 2. August 2012 in Malta seinen ersten Asylantrag gestellt hat (Art. 13 Dublin II-VO).
Die Zuständigkeit Maltas ist auch nicht nach den Vorschriften über die Wiederaufnahme ausnahmsweise auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Die Modalitäten des Wiederaufnahmeverfahrens sind vorliegend gem. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ebenfalls anhand der Dublin II-VO zu prüfen, da das Wiederaufnahmegesuch der Antragsgegnerin an Malta am 29. November 2013 gestellt worden ist. Die unabhängig vom Zeitpunkt der Asylantragstellung ab dem 1. Januar 2014 vorgesehene Anwendbarkeit der Dublin III-VO für Aufnahme- und Wiederaufnahmegesuche bezieht sich jedenfalls nicht auf - wie hier - bereits vor diesem Stichtag gestellte (und abgeschlossene) Gesuche. Die zuständige maltesische Behörde hat dem Gesuch ausdrücklich zugestimmt, so dass die Zuständigkeit Maltas Art. 20 Abs. 1 d Dublin II-VO begründet worden ist.
Es liegen jedoch Umstände vor, die die Zuständigkeit Maltas in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen lassen könnten.
Dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 83/389 vom 30. März 2010), des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S. 559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S. 685, ber. S. 953, in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2010 (BGBl. II S. 1198)) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - zukommt.
Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u. C-493/10 -, NVwZ 2012, S. 417 [EuGH 21.12.2011 - Rs. C-411/10; C-493/10] u. juris; ders.: Urteil vom 14. November 2013 - C-4/11 -, NVwZ 2014, S. 129 u. juris) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 u. 2315/93 -, BVerfGE 94, S. 49 = NJW 1996, S. 1665 u. juris) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn den Mitgliedstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem zuständigen Mitgliedstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, a.a.O.; ders.: Urteil vom 14. November 2013, a.a.O.). In einem solchen Fall ist die Prüfung anhand der Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnungen fortzuführen, um festzustellen, ob anhand der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrages zuständig bestimmt werden kann; ist zu befürchten, dass durch ein unangemessen langes Verfahren eine Situation, in der Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, verschlimmert wird, muss der angegangene Mitgliedstaat den Asylantrag selbst prüfen (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, a.a.O.; ders.: Urteil vom 14. November 2013, a.a.O.).
Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. Bank/Hruschka, Die EuGH-Entscheidung zu Überstellungen nach Griechenland und ihre Folgen für Dublin-Verfahren (nicht nur) in Deutschland, ZAR 2012, S. 182; OVG Rheinland-Platz, Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris).
Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 GR-Charta ist gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 GR-Charta einschließlich der Erläuterungen hierzu (ABL. C 303/17 vom 14. Dezember 207) i. V.m. Art. 6 Abs. 1 S. 3 EUV vom 7. Februar 1992 (ABl. C 191, S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (ABl. C 306, S. 1, ber. ABl. 2008 C 111 S. 56 u. ABl. 2009 C 290 S. 1) an Art. 3 EMRK auszurichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR (Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243) ist eine Behandlung dann unmenschlich, wenn sie absichtlich über Stunden erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Als erniedrigend ist eine Behandlung dann anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen. Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers.
Maßstab sind die in der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen - Aufnahmerichtlinie (ABl. L 180 S. 96) genannten Mindeststandards für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Mitgliedsstaaten. In Art. 8 bis 11 sind die Grundvoraussetzungen und Bedingungen, unter denen eine Inhaftierung von Schutzsuchenden zulässig ist, niedergelegt. Haft darf danach nicht allein deswegen angeordnet werden, weil der Betroffene einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat, sondern nur in Ausnahmefällen, insbesondere zur Überprüfung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit, bei Fluchtgefahr im Falle notwendiger Beweissicherung, zur Prüfung des Einreiserechts, zur Durch- oder Fortführung eines Abschiebeverfahrens, wenn die Gefahr der Verzögerung oder der Vereitelung durch den Betroffenen besteht und bei Gefahr für die nationale Sicherheit und Ordnung (Art. 8 Abs. 3, vgl. auch Art. 31 Abs. 2 Genfer Flüchtlingskonvention, Art. 5 EMRK). Die Inhaftierung darf nur für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange, wie die Gründe gemäß Art. 8 Abs. 3 bestehen, angeordnet werden (Art. 9 Abs. 1 S. 1). Die Haftanordnung ist zu begründen (Art. 9 Abs. 2); bei einer Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde ist eine zügige Überprüfung durch ein Gericht herbeizuführen (Art. 9 Abs. 3). In diesem Fall soll dem Betroffenen unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Verfügung stehen (Art. 9 Abs. 6). Auch im Übrigen ist eine turnusmäßige Haftüberprüfung von Amts wegen vorzusehen (Art. 9 Abs. 5). Die Schutzsuchenden sind in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen, auf jeden Fall aber getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen (Art. 10 Abs. 1). Sie haben ein Recht auf Zugang zu frischer Luft (Art. 10 Abs. 2) sowie auf Besuch durch Mitarbeiter des UNHCR, Rechtsbeiständen, Beratern und Familienangehörigen (Art. 10 Abs. 3 u. 4). Die Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen ist nur im Ausnahmefall und unter weiteren sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig (Art. 11).
Der EGMR hat im Hinblick auf den Schutzbereich von Art. 3 EMRK in seiner Entscheidung vom 23. Juli 2013 (Aden Achmed gegen Malta, Nr. 55352/12, HUDOC) ausgeführt, Haftbedingungen müssten die Menschenwürde der Gefangenen berücksichtigen und dürften diese nicht Leid und Not aussetzen. Sie müssten ohne Überschreitung eines unvermeidbaren Maßes an Leid, welches der Inhaftierung an sich anhafte, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Betroffenen sicherstellen. Hierbei sei insbesondere die Länge der Haft zu bedenken. Auch der extreme Mangel an Platz in einer Gefängniszelle sei ein gewichtiger Aspekt in Bezug auf die in Art. 3 EMRK angesprochene „erniedrigende Behandlung“. Für die Entscheidung, ob eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorliege, sei in Bezug auf einen Mangel an Raum für den Einzelnen Folgendes zu berücksichtigen:
- Jeder Gefangene müsse einen eigenen Schlafplatz haben.
- Jeder Gefangene müsse über mindestens 3 qm Bodenfreiheit verfügen.
- Die Größe der Zelle insgesamt müsse es jedem Gefangenen erlauben, sich frei zwischen den Möbeln zu bewegen.
Das Fehlen nur einer dieser Vorgaben begründe die starke Vermutung einer erniedrigenden Behandlung und einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Andere unverzichtbare Aspekte seien die Möglichkeit der Bewegung an frischer Luft, angemessene Belüftung/Ventilation und Beheizbarkeit der Räume, die Möglichkeit, allein eine Toilette zu benutzen und eine Basisausstattung der sanitären Anlagen sowie mit Hygieneartikeln.
Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss ihnen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. März 2014, a.a.O.; OVG Sachsen Anhalt, Beschluss vom 14. November 2013 - 4 L 44/13 -, juris; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23/12 -, BVerwGE 146, S. 67 und juris; OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O., juris).
Der Mitgliedsstaat, der die Überstellung des Asylsuchenden vornimmt, ist im Fall der Widerlegung der Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat im Einklang mit den Erfordernissen der GFK und der EMRK steht, verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedsstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
Gemessen an diesen Maßgaben spricht bei der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und möglichen summarischen Prüfung einiges dafür, dass die Abschiebungsanordnung bezüglich Maltas rechtswidrig ist, weil erhebliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass in Malta systemische Mängel im Asyl- und Aufnahmeverfahren vorliegen. Die Beantwortung dieser Frage ist daher derzeit als offen anzusehen.
Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln liegen hinreichende Erkenntnisse dazu vor, dass die Haftpraxis Maltas Migranten und damit auch Asylbewerbern gegenüber und die Haftbedingungen nicht im Einklang mit internationalem und europäischem Recht stehen.
Verschiedene NGOs und insbesondere der UNHCR (Global Detention Project „Immigration Detention in Malta“ vom Januar 2014; gemeinsame Publikation UNHCRs und des Europäischen Parlaments „knowthefacts“ vom 9. April 2014; AIDA, Asylum Information Database, “National Country Report Malta” vom Dezember 2013; UNHCR „UNHCR`s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta“ vom 18. September 2013; United Nations - General Assembly; Human Rights Council, Working Group on the Universal Periodic Review, Stellungnahmen vom 23. Juli 2013, 30. Juli 2013 und 7. August 2013; Jesuits Refugee Service Europe (JRS) „Protection Interrupted, National Report Malta“ vom Juni 2013; UNHCR „Universal Periodic Review Malta“ vom März 2013) berichten, dass in Malta Flüchtlinge, die in aller Regel ohne die erforderlichen Papiere irregulär und damit illegal einreisen, trotz jahrelanger Bemühungen von UNHCRs, die Regierung Maltas zum Einsatz von Haftalternativen zu bewegen, systematisch und routinemäßig inhaftiert würden. Rechtsgrundlage hierfür sei das Migrationsgesetz Maltas, welches nicht zwischen Migranten und Flüchtlingen, die um internationalen Schutz nachsuchen, bzw. Asylbewerbern unterscheide. Danach würden alle irregulär Eingereiste als Personen ohne Einreise- bzw. Aufenthaltsbefugnis gelten. Ihnen gegenüber ergehe auf der weiteren Grundlage der Verwaltungsvorschrift „Policy Documents 2005“ eine Zugangsverweigerungs- oder Ausweisungsverfügung mit Haftanordnung von unbestimmter Dauer. Das Migrationsgesetz enthalte keine Bestimmung zur maximalen Haftdauer. Sei über einen Asylantrag innerhalb eines Jahres noch nicht entschieden, erfolge die Freilassung des Antragstellers aufgrund einer Verwaltungsbestimmung, die dem Betroffenen den Zugang zum Arbeitsmarkt nach zwölf Monaten zuerkenne. Abschiebehaft sei ebenfalls auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften auf maximal 18 Monate begrenzt. Die Praxis routinemäßiger Inhaftierung treffe (zunächst) auch die Gruppe von Schutzsuchenden mit besonderem Bedürfnissen („Verletzliche“) wie unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Familien mit (minderjährigen) Kindern, Menschen mit Behinderungen etc., so lange, bis das Verfahren zur Anerkennung ihrer Verletzlichkeit abgeschlossen sei, was je nach Erkennbarkeit dieses Umstandes kürzer oder länger dauern könne. Dabei würden diejenigen Betroffenen, deren besonderer Status nicht ohne Weiteres erkennbar sei, wie unter Umständen psychisch Kranke oder ältere Minderjährige zunächst zusammen mit Flüchtlingen ohne besondere Bedürfnisse untergebracht. Die sofortige Unterbringung in offenen Lagern oder besonderen Einrichtungen gleich nach Ankunft erfolge nur für Flüchtlinge, die erkennbar zur Gruppe der Verletzlichen gehörten oder die vor ihrem Aufgriff einen Asylantrag gestellt haben, was in aller Regel nur auf legalem Wege Eingereisten gelinge. Inhaftierung von unbestimmter Dauer des anschließenden Verfahrens treffe grundsätzlich auch Dublin-Rückkehrer, weil sie entweder in den Stand vor ihrer Ausreise - also in aller Regel als illegal Eingereiste - versetzt würden oder sogar wegen Flucht aus der Haft in Malta wegen illegaler Ausreise zur Strafhaft verurteilt würden (so z.B. im Fall Aden Ahmed gegen Malta, Entscheidung des EGMR vom 23. Juli 2013, a.a.O.).
Die dargestellten Haftbestimmungen und ihre Umsetzung in der Praxis verletzen die genannten Mindeststandards für die Aufnahme von Asylsuchenden. Die gilt zum einen für die systematische und routinemäßige Inhaftierung aller Schutzsuchenden. Das maltesische Migrationsgesetz knüpft zwar formal an die illegale Einreise an. Davon sind aber faktisch alle Schutzsuchenden in Malta betroffen, so dass letztlich allein die Tatsache, dass der Betroffene um internationalen Schutz nachsucht, der Grund der Inhaftierung ist. Das widerspricht den Grundvoraussetzungen und Grundbedingungen der Aufnahmerichtlinie. Das folgt auch aus der gesetzlich nicht geregelten Haftdauer. Auch diese Nichtbegrenzung der Haftdauer zeigt, dass allein die Schutzsuche der Grund der Haftanordnung ist. Der EGMR weist in der Entscheidung vom 27. Juli 2010 (Massoud gegen Malta, a.a.O.) darüber hinaus ebenfalls auf sein Befremden hin, dass die Behörden der kleinen Insel Malta, von der die Flucht übers Meer nur unter Lebensgefahr möglich sei und über den Luftweg unter strikter Kontrolle stehe, nicht über andere Maßnahmen als die Inhaftierung der Antragsteller zur Sicherstellung einer evtl., in absehbarer Zeit aber nicht anstehenden Rückführung, verfüge. Der Gerichtshof hat zwar lediglich für einen Einzelfall eine Verletzung des Art. 3 EMRK festgestellt (Entscheidung vom 23. Juli 2013, Aden gegen Malta,a.a.O.). Die Begründung bezieht sich aber im Allgemeinen auf die Haftanordnungen und damit auf einen systemischen Mangel der Aufnahmebedingungen von Asylsuchenden.
Ist im Hinblick auf die oben genannten Grundsätze bereits problematisch, dass das Migrationsgesetz keine Bestimmung zur Höchstdauer der Haft vorsieht, die Haftanordnungen in der Praxis ohne zeitliche Begrenzung ergehen und die Haft bis zu 12 Monate (bei laufendem Asylverfahren) bzw. 18 Monate (Abschiebehaft) aufrecht erhalten bleibt, so ist die Haftpraxis Maltas im Hinblick auf Art. 3 EMRK erst recht vor dem Hintergrund der bestehenden Haftbedingungen und des Umstandes, dass keine effektiven rechtlichen Beschwerdemöglichkeiten bestehen, bedenklich.
In Malta bestehen derzeit für die Inhaftierung von Migranten und Flüchtlingen drei Haftzentren: in Hal Far, Lyster Baracks – Hermesblock und in Safi, Safi Baracks – Warhouse 1 und B-Block (vgl. hierzu und für die folgende Darstellung der Ausstattung und baulichen Aufteilung: Global Detention Project „Imigration Detention in Malta“ vom Juni 2014). Bei den Zentren handelt es sich um ehemalige Militärbaracken. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln haben sich die Zustände in den Haftzentren in den letzten Jahren zwar (teilweise) verbessert. In vielen Bereichen sei die Versorgung der Grundbedürfnisse jedoch noch lückenhaft und vor allem bei der immer wieder regelmäßig vorkommenden Überbelegung bei entsprechendem Flüchtlingsansturm zum Teil inakzeptabel. Während der Hermes-Block in den Lyster Baracks in Hal Far nach Renovierung 380 Plätze in fünf Zonen für verschiedene Gruppen - Männer, Frauen, Familien - mit jeweils drei bis fünf Schlafsälen mit bis zu 20 Schlafplätzen in Etagenbetten, einen kleinen Erholungsbereich draußen, der täglich zwei Stunden aufgesucht werden könne, einen Gemeinschaftsraum mit Tischen, Bänken und einem Fernseher, eine Küche mit Kochgelegenheiten und alles in allem akzeptable Bedingungen aufweise, sei die Unterbringung in Safi von deutlich schlechterer Qualität. Der B-Block verfüge über 160 Plätze in Sammelzellen mit Etagenbetten nur für Männer einschließlich Minderjährige, einen Gemeinschaftsraum mit Tischen, Bänken und einem Fernseher sowie einen kleinen Hof und eine Küche. Im Warhouse 1 gebe es 200 Plätze für Männer in einem offenen Raum mit halbhohen Teilabtrennungen zwischen den Reihen der Etagenbetten. Am Eingang befinde sich ein Gemeinschaftsbereich mit Tischen, Bänken und einem Fernseher; am Ende führe ein Ausgang in einen schmalen Außenbereich, der mit einem Drahtzaun abschließe. Für Kranke stehe das Mount Carmel Hospital zur Verfügung. Die Belegung der Haftzentren fluktuiere je nach den Flüchtlingszahlen und der Bereitstellung von Mitteln durch die Regierung stark.
Die Haftbedingungen in den Haftzentren werden im Einzelnen von verschiedenen NGOs kritisiert (Darstellung bei Global Detention Project, a.a.O.; UNHCR vom 18. September 2013, a.a.O.; United Nations - General Assembly; Human Rights Council, Working Group on the Universal Periodic Review, Stellungnahmen vom 23. Juli 2013, 30. Juli 2013 und 7. August 2013). Das CRC (UN Committee on the Rights oft he Child) beobachtete Anfang 2013 die Unterbringung von ledigen Frauen und Männern sowie Kindern im gleichen Gebäude mit gemeinsamer Nutzung von Duschen und Toiletten. HRW stellte bei seinem Besuch im April/Mai 2012 fest, dass die sanitären Anlagen und Hygienebedingungen bei Überbelegung von nicht ausreichender Qualität seien und es nur einen zeitlich begrenzten Zugang zum Erholungsbereich draußen gebe, rotierend für die verschiedenen Gruppen von Inhaftierten. CoE-CPT (European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment) bemängelte nach seinem Besuch im September 2011 die extreme Überbelegung im Warhouse 1 mit nur sieben mobilen Toiletten sowie sieben mobilen Duschen, die im Hof aufgestellt und in einem erbärmlichen Zustand seien. Auch JCJ (International Commission of Jurists) bemängelte im gleichen Beobachtungszeitraum die Überfüllung von Warhouse 1 und führte aus, es bestehe nicht einmal eine minimalste Privatsphäre; die Bettenreihen stünden so eng, dass nur eine Person dazwischen stehen könne; es gebe nur einige Wasserbecken draußen, an denen die Betroffenen sich waschen, Wäsche waschen und trinken könnten. Draußen seien auch Duschen und als unhygienisch anzusehende Chemietoiletten aufgestellt; die Anzahl sei nicht ausreichend.
Auch der EGMR äußerte in seiner Entscheidung Aden Ahmed gegen Malta vom 23. Juli 2013 (Nr. 55352/12, a.a.O.) zu den von der Antragstellerin geschilderten Haftbedingungen von sehr vielen Menschen in einem Raum ohne jegliche Privatsphäre, großer Hitze im Sommer und Kälte im Winter mangels ausreichender Belüftung bzw. Heizung, keiner Versorgung mit angemessener Nahrung, einem Mangel an weiblichem Personal in Haftbereichen für Frauen und einer Sperre des Zugangs nach draußen über Monate hinweg, ernsthafte Bedenken. Insbesondere das Leiden unter extremer Hitze oder Kälte dürfe nicht unterschätzt werden, da es die Gesundheit gefährden könne. Zwar gebe es wohl Deckenventilatoren; es fehle aber an ausreichenden Decken gegen die Kälte.
Die genannten NGOs berichteten weiterhin, dass es zwar entsprechende gesetzliche und administrative Regelungen gebe (vgl. die Darstellungen bei UNHCR vom 18. September 2013, sowie EGMR, Entscheidung vom 27. Juli 2010, Massoud gegen Malta, No. 24340/08 und vom 23. Juli 2013, Musa gegen Malta, No. 42337/12, beide HUDOC), diese den Inhaftierten jedoch keine effektiven und zügig durchgeführten Verfahren zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit und Angemessenheit der Haft(anordnungen) böten. Der EGMR hat nach Prüfung der einzelnen Beschwerdetatbestände festgestellt, dass das maltesische Gesetzessystem kein Verfahren bereitstelle, das fähig wäre, die Gefahr willkürlicher (Abschiebe-)Haft zu vermeiden; im konkreten Fall hat es eine Verletzung von Art. 5 EMRK festgestellt (Entscheidung vom 27. Juli 2010, Massuod gegen Malta, a.a.O.). Die Auffassung hat es in seinen Entscheidungen vom 23. Juli 2013 (Entscheidungen vom 23. Juli 2013, Musa gegen Malta, a.a.O. und Aden gegen Malta, a.a.O.) auch für die Haft der Betroffenen während des Laufs ihrer Asylverfahren bestätigt.
Vor dem Hintergrund der genannten Rechtslage, der Inhaftierungspraxis der maltesischen Behörden und den geschilderten Haftumständen, insbesondere im Fall immer wieder vorkommender Überfüllung der Haftzentren, wird die Haftpraxis gegenüber Asylbewerbern in Malta vom UNHCR wie vom Europäischen Parlament als ungesetzlich und willkürlich bewertet (UNHCR vom 18. September 2013, UNHCR und Europäisches Parlament „knowthefacts“ vom 9. April 2014). Seine Initiative für die Jahre 2014 bis 2019 „UNHCR calls for end to detention of asylums seekes and refugees“ (Bericht vom 3. Juli 2014) betrifft auch Malta. Der in Malta tätige Jesuits Refugees Service Europe spricht entsprechende Empfehlungen aus (vgl. JRS, a.a.O.).
Nach Auffassung des Gerichts spricht viel dafür, dass es sich bei den geschilderten Haftbedingungen nicht nur um Einzelfälle handelt, die Schutzsuchende vereinzelt oder zufällig treffen. Die geschilderte Vielzahl der Vorfälle, die Einschränkungen der Privatsphäre, die fehlenden Belüftungs- und Heizsysteme und die unzureichende Ausstattung der sanitären Anlagen sowie die mangelhaften hygienischen Bedingungen sind deutliche Anzeichen für eine objektiv vorhersehbare Situation, die jeden Asylsuchenden treffen kann. Die Tatsache, dass sich die Betroffenen gegen die Haftbedingungen nicht effektiv gerichtlich zur Wehr setzen bzw. eine Verbesserung der Bedingungen erreichen können, verstärkt die Anzeichen systemischer Mängel der Aufnahmebedingungen. Angesichts dieser Erkenntnislage kann von der angeführten Vermutung, dass den Asylsuchenden in Malta eine Behandlung zukommt, die den Erfordernissen der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht, nicht mehr ohne weiteres ausgegangen werden, weil hinreichende Mängel des Aufnahmeverfahrens und seiner Aufnahmebedingungen vorliegen.
Die Rechtsprechung, die das Vorliegen systemischer Mängel im Asyl- und Aufnahmesystem Maltas verneint, überzeugt das Gericht nicht. Die Entscheidungen werten entweder nur wenige Erkenntnismittel aus (vgl. z.B. VG Potsdam, Beschluss vom 5. Februar 2014 - 6 L 53/14.A -; VG Stade, Beschluss vom 31. März 2014 - 5 B 582/14 -, beide juris) oder kommen nach Auswertung einer Vielzahl von Erkenntnismitteln und zum Teil sehr ausführlicher Darstellung von Missständen im Wesentlichen nur deshalb zu ihrer Bewertung, weil keine Empfehlung des UNHCR, von Überstellungen nach Malta grundsätzlich abzusehen, vorliegt (vgl. z. B. VG Oldenburg, Beschluss vom 17. Februar 2014 - 3 B 6974/13 -, VG Osnabrück, Beschluss vom 7. Mai 2014 - 5 B 104/14 - und VG Lüneburg, Beschluss vom 10. Juni 2014 - 3 B 1/14 -, beide unter Bezugnahme auf die genannte Entscheidung des VG Oldenburg, alle juris). Letzterem vermag das Gericht aus folgenden Gründen nicht beizutreten:
Der UNHCR hat in seiner Stellungnahme „Ergänzende Informationen zur Veröffentlichung der UNHCR – Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien – Juli 2013“ vom März 2014 ausgeführt, dass er bislang lediglich in besonderen Ausnahmefällen die generelle Empfehlung ausgesprochen habe, Asylsuchende nicht im Rahmen des Dublin-Verfahrens in einen bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen. Aus der Tatsache, dass keine Äußerung dazu vorliege, ob systemische Mängel einer Überstellung entgegenstünden, könne nicht geschlossen werden, dass der UNHCR die Auffassung vertrete, dass keine einer Überstellung entgegenstehende Umstände vorlägen. Dies sei nicht zuletzt deswegen der Fall, da sich das Papier in erster Linie mit Empfehlungen zur Verbesserung des Flüchtlingsschutzes an die italienische Regierung richte. Der UNHCR weist damit ausdrücklich auf die Appellfunktion seiner Einschätzungen gegenüber den betroffenen Mitgliedstaaten hin, die an Wirkung verlöre, wenn zur Einstellung von Überstellungen aufgerufen wird. Das OVG Nordrhein-Westfalen misst daher in seinem Urteil vom 7. März 2014 (1 A 21/12.A, juris) dem Nichtvorliegen einer entsprechenden Empfehlung keine Indizwirkung und zwar weder für noch gegen das Vorliegen von systemischen Mängeln zu. Es verbleibe vielmehr bei der dem Gericht obliegenden Bewertung der Informationen aus den Erkenntnismitteln. Dies entspricht der Auffassung des erkennenden Gerichts.
Vor diesem Hintergrund überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Bliebe diesem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage versagt, wäre er der möglichen Gefahr ausgesetzt, über einen längeren Zeitraum lediglich infolge seines Status als Asylsuchender inhaftiert zu werden und unzumutbaren Haftbedingungen ausgesetzt zu sein, ohne dass ihm eine effektive Beschwerdemöglichkeit zur Verfügung stünde. Die damit verbundenen nicht auszuschließenden physischen und psychischen Beeinträchtigungen, auf die der Antragsteller hingewiesen hat und die grundrechtliche Positionen betreffen, wären im Falle einer erfolgreichen Klage und dem damit verbundenen Recht auf Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland auch nicht rückgängig zu machen. Diese Beeinträchtigungen des Antragstellers wiegen schwerer als - im Falle der Stattgabe des Antrages und späterer Klageabweisung - der Aufschub oder auch der Ausfall der Durchsetzung einer Überstellung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat. Die grundsätzliche Wirksamkeit und Effektivität des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wird durch eine sich im Nachhinein als falsch herausstellende Unterbindung einer Überstellung im Einzelfall nicht in Frage gestellt, zumal die Dublin-Verordnungen ein Recht zum jederzeitigen Selbsteintritt der Mitgliedstaaten vorsehen und eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Überstellung nicht besteht (vgl. zu Letzteren: BVerfG, Beschluss vom 22. Dezember 2009, a.a.O.).