Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 15.05.2002, Az.: 8 A 178/01

Außenbereich; Bebauungszusammenhang; Erschließungsbeitrag; Erschlossensein; Sportplatzgrundstück; unbeplanter Innenbereich

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
15.05.2002
Aktenzeichen
8 A 178/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 41853
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein im unbeplanten Gebiet gelegenes Sportplatzgrundstück ist wegen seiner Ausdehnung regelmäßig dem Aussenbereich zuzuordnen, scheidet deshalb aus dem Kreis der durch eine beitragsfähige Erschließungsanlage i.S. des § 131 Abs 1 BauGB erschlossenen Grundstücke aus und ist unfähig, einer Erschließungsbeitragspflicht nach § 133 Abs 1 BauGB zu unterliegen.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 29.12.1999 und der Widerspruchsbescheid vom 29.01.2000 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flurstück der Flur in der Gemarkung Groß T. Das Grundstück wird als Sportplatz genutzt und ist von der Klägerin mit Vertrag von 1981 für 99 Jahre an die Gemeinde Groß T. verpachtet worden. Bis zum Jahre 1999 stellte die Beklagte die Gemeindestraße Im Kamp, an die das Sportplatzgrundstück angrenzt, (teilweise) her.

2

Mit Bescheid vom 29.12.1999 zog die Beklagte die Klägerin zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 62.399,74 DM heran. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und führte aus, das Abrechnungsgebiet sei unrichtig gebildet und das Grundstück sei nicht beitragspflichtig, weil es im Außenbereich gelegen sei. Es sei schließlich auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Erschließungsanlage Im Kamp nur teilweise ausgebaut worden sei. Eine Abschnittsbildung sei nicht erfolgt, und bei natürlicher Betrachtungsweise reiche die Anbaustraße im Sinne von § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB weiter als der bisherige Ausbau.

3

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2000 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und führte aus, das Grundstück liege nicht im Außenbereich, da die baulichen Anlagen im hinteren Bereich des Sportplatzgeländes die geschlossene bauliche Dorflage abrundeten. Das klägerische Grundstück nehme zweifellos am Eindruck der Geschlossenheit teil. Der Sportplatz werde auch ausschließlich über die abgerechnete Erschließungsanlage erschlossen. Die Klägerin verkenne den Begriff des "Baulandes" i.S. von § 133 Abs. 1 Satz 2 BauGB. Wesentlich sei, dass es sich um eine Nutzung handele, die Ziel- und Quellverkehr verursache. Die Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung komme nicht in Betracht, da die gesamte Grundstücksfläche im unbeplanten Innenbereich gelegen sei. Die Erschließungsanlage Im Kamp sei in ihrer vollen Ausdehnung erstmalig hergestellt worden. Der weiter nach Osten verlaufende Teil der Anlage sei nicht zum Anbau bestimmt und dem Außenbereich zuzuordnen. Er erschließe als typischer Wirtschaftsweg die landwirtschaftlichen Ackerflächen. Weitergehende Planungsabsichten für diesen Abschnitt bestünden seitens der Gemeinde Groß T. nicht. Deshalb sei auch eine Abschnittsbildung nicht erforderlich.

4

Daraufhin hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren vertieft. Ergänzend führt die Klägerin aus, ihr sei zwar eine Stundung in voller Höhe gewährt worden. Gleichwohl sei für sie die Feststellung bedeutsam, ob ihr Grundstück dem Grunde nach beitragspflichtig sei oder nicht. Dies habe im Übrigen selbstverständlich auch erhebliche Auswirkungen auf die Höhe der Beitragslast für die übrigen Grundstückseigentümer, welche in die Abrechnung einbezogen worden seien. Ihr dränge sich der Eindruck auf, dass durch die nicht gerechtfertigte Einbeziehung des übergroßen Sportplatzgrundstückes bei gleichzeitiger Gewährung einer Stundung in erster Linie die Beitragslast für die übrigen Grundstückseigentümer niedrig gehalten werden solle.

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Die Klägerin beantragt,

6

den Bescheid vom 29.12.1999 und den Widerspruchsbescheid vom 29.01.2000 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin aus den Gründen des Widerspruchsbescheides entgegen.

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Auf den in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beweisbeschluss hat das Gericht die Erschließungsanlage Im Kamp sowie die Belegenheit des klägerischen Grundstücks in Augenschein genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Verhandlungsprotokoll verwiesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die bei der Verhandlung und Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29.12.1999 i.d.G. des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2000 ist rechtswidrig und deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Die Beklagte hat zu Unrecht das als Sportplatzfläche genutzte Grundstück der Klägerin mit der Flurbezeichnung in den Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke mit einbezogen.

14

Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der umlagefähige Erschließungsaufwand auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Der Begriff des Erschlossenseins in der vorgenannten Vorschrift ist ein Rechtsbegriff des Bundesrechts und dient der Abgrenzung zwischen den Grundstücken, auf die der umlagefähige Erschließungsaufwand einer beitragsfähigen Erschließungsanlage zu verteilen ist und denen, für die dies nicht zutrifft. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf die Funktion der jeweiligen Anlage. Ferner darauf, ob die Eigentümer der übrigen Grundstücke nach den bestehenden tatsächlichen Verhältnissen schutzwürdig erwarten können, dass auch "alle" Grundstücke in den Kreis der erschlossenen Grundstücke einbezogen werden müssen und sich so die Beitragsbelastung entsprechend vermindert. Wann ein Grundstück mit einer beitragsfähigen Erschließungsanlage in einer derartigen Beziehung steht, dass es gerechtfertigt ist, dessen Eigentümer Kosten der Erschließung aufzuerlegen, hängt letztlich von der Nutzbarkeit des Grundstücks ab. Unerheblich ist dabei, ob das Grundstück im Eigentum der öffentlichen Hand steht, ob es Privateigentum ist oder ob es privaten oder öffentlichen Zwecken dient.

15

Mit der Berücksichtigung eines Grundstücks bei der Zuschreibung von Anteilen an der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes ist noch nichts darüber gesagt, ob dieses Grundstück sogleich auch der Beitragspflicht nach § 133 Abs. 1 BauGB unterliegt, d.h., ob es angemessen ist, von dessen Eigentümer jetzt schon eine Beitragszahlung zu verlangen. Das ist nur dann der Fall, wenn die hergestellte Anlage von dem Grundstück aus tatsächlich wie rechtlich ungehindert benutzt werden kann und es nach Maßgabe des Bebauungs- und des Bauordnungsrechts bebaubar oder in anderer Weise beachtlich nutzbar ist ("baureif").

16

Hiernach kann auch ein Sportplatzgrundstück als erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 BauGB angesehen werden (BVerwG, Urteil vom 19.08.1994 - 8 C 23/92 -; NVwZ 1996, S. 194). Das gilt aber in der Regel nur für Sportplatzgrundstücke im beplanten Bereich. Sportplatzgrundstücke in unbeplanten Gebieten sind nämlich wegen ihrer Ausdehnung regelmäßig dem Außenbereich zuzurechnen. Als Außenbereichsgrundstücke aber sind sie unfähig, einer Erschließungsbeitragspflicht nach § 133 Abs. 1 BauGB zu unterliegen und scheiden deshalb aus dem Kreis der durch eine beitragsfähige Erschließungsanlage im Sinne des § 131 Abs. 1 BauGB erschlossenen Grundstücke aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.02.1986 - 8 C 115/84 -; NVwZ 1986, S. 568).

17

So liegt es hier. Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung, bei der sich im Wesentlichen das bestätigt hat, was auch aus dem in dem Verwaltungsvorgang (Beiakte A, Seite 1) enthaltenen Plan ersichtlich ist, ist das Grundstück mit der Flurbezeichnung 4/5, ebenso wie das angrenzende Grundstück mit der Flurbezeichnung 4/6, dem Außenbereich zuzuordnen.

18

Nach der von der Kammer beachteten Rechtsprechung fängt der Außenbereich in Abgrenzung zum unbeplanten Innenbereich dort an, wo der im Zusammenhang bebaute Ortsteil aufhört. Als wesentlich für die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich stellt sich das Merkmal des Bebauungszusammenhangs dar. Für das Bestehen eines solchen Zusammenhangs ist ausschlaggebend, inwieweit die aufeinander folgende Bebauung - trotz etwa vorhandener unbebauter Flächen - nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche selbst diesem Zusammenhang noch angehört (vgl. z.B.: BVerwG, Beschl. vom 17.02.1994 - 4 B 29/94 -; Beschl. vom 04.01.1995 - 4 B 273/94 -). Das ist hier nicht der Fall. Die der Klägerin gehörende Grundstücksfläche grenzt lediglich an zwei bebaute Grundstücke, die an der C.straße (B 244) gelegen sind an. Ferner an die Scheune, die auf dem Grundstück am Ende der Erschließungsanlage errichtet ist. Die Beklagte hat nach ihrem Vortrag in der mündlichen Verhandlung davon abgesehen, das Scheunengrundstück mit in den Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke einzubeziehen, weil sie es als landwirtschaftlich genutztes Außenbereichsgrundstück betrachtet. Folglich könnte auch nach Auffassung der Beklagten lediglich das an der nördlichen Grenze des klägerischen Grundstücks gelegene Sportheim sowie der früher als Schießstand genutzte kleinere Schuppen und die Grillhütte mit dem offenen Unterstand einen Bebauungszusammenhang begründen. Davon ist aber nach dem Eindruck der Ortsbesichtigung keinesfalls auszugehen. Selbst wenn man die Scheune auf dem Grundstück I.K. mit in die Betrachtung einbezieht, nimmt das Grundstück der Klägerin bereits wegen seiner beträchtlichen Größe, die um ein Vielfaches die Baugrundstücke im angrenzenden Bebauungsplangebiet übersteigt, an einem Bebauungszusammenhang nicht teilt, sondern ist einer bereits von der vorhandenen Bebauung unabhängigen städtebaulichen Entwicklung zugänglich (BVerwG, Beschl. vom 17.02.1994, aaO.).

19

Ist das Grundstück der Klägerin mithin nicht nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauBG erschlossen, bedarf es keiner weiteren Ausführungen dazu, ob für die Entstehung der Beitragspflicht ein Abschnittsbildungsbeschluss erforderlich gewesen ist und ob das Abrechnungsgebiet im Übrigen zutreffend gebildet wurde.