Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 06.11.2017, Az.: 7 B 8130/17

ASD; Vorhofseptumdefekt; Behandlungsniveau; Behandlungsstandard; Gesundheit; Gesundheitliche Versorgung; Herzkrankheit ASD; Krankheit; Medizinische Behandlung; Roma; Serbien; Sicherer Herkunftsstaat

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
06.11.2017
Aktenzeichen
7 B 8130/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53991
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Grundsätzlich sind in Serbien alle Erkrankungen (hier: Vorhofseptumdefekt ASD) und auch Störungen psychischer Art in Serbien (auch für Roma) behandelbar und können grundsätzlich das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht begründen.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ist es nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist.

Einen Anspruch darauf, dort auf demselben Niveau und mit denselben Standards wie in Deutschland behandelt zu werden, gibt es nicht.

Fortführung der ständigen Rechtsprechung aus den folgenden Entscheidungen (jeweils juris) insbesondere:
- Beschluss vom 9. April 2015 - 7 B 1548/15 -,
- Beschluss vom 27. Januar 2016 - 7 B 283/16 -,
- Beschluss vom 1. Juni 2016 - 7 B 1888/16 -,
- Urteil vom 25. November 2016 - 7 A 5498/16 - und
- Gerichtsbescheid vom 19. September 2017 - 7 A 6230/17-.

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Der Antrag, die nach § 75 Abs. 1 AsylG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 27. Oktober 2017 (Az.: 7 A  8129/17) nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO iVm § 29a, 30 Abs.1, 36 Abs. 3 und 4 AsylG anzuordnen, über den nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG der Einzelrichter entscheidet, ist zulässig, insbesondere fristgerecht, aber unbegründet.

Die im angegriffenen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Oldenburg, vom 19. Oktober 2017 durch Ziff. 5 seines Tenors mit einer Frist von einer Woche verfügte Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung nach Serbien erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wie auch der Bescheid im Übrigen rechtmäßig ist und der mit der Klage im Hauptsacheverfahren allein noch weiterverfolgte Anspruch auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 AufenthG unbegründet ist, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Ausgesetzt werden darf eine Abschiebung nur dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Diese sind dann zu bejahen, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94,166). Insoweit ist der Bescheid der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden; es liegen aber auch darüber hinaus nicht nur keine ernstlichen Zweifel im zuvor bezeichneten Sinne, sondern insgesamt keine Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit vor.

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Anträge der Antragstellerin auf Anerkennung als Asylberechtigte sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abzulehnen, begegnet insgesamt keinen rechtlichen Bedenken. Eine solche Offensichtlichkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 bis 5 oder - wie insbesondere hier - des § 29a AsylG erfüllt sind oder wenn nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) eine Ablehnung des Antrages geradezu aufdrängt (BVerfG, Beschlüsse vom 20. April 1988 - 2 BvR 1506/87 -, NVwZ 1988, 717, und vom 8. November 1991 - 2 BvR 1351/91 -, InfAuslR 1992, 72 [BVerfG 04.12.1991 - 2 BvR 657/91]). Dies wird bei Geltendmachung einer kollektiven Verfolgungssituation in der Regel nur bei gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung in Betracht kommen und ausnahmsweise bei Erkenntnissen, die auf regelmäßig eindeutigen und widerspruchsfreien Auskünften und Stellungnahmen sachverständiger Stellen beruhen (BVerfG, Beschlüsse vom 12. Juli 1983 - 1 BvR 1470/82 -, BVerfGE 65, 76, und vom 13. Oktober 1983 - 2 BvR 888/93 -, InfAuslR 1993, 390 [BVerfG 13.10.1993 - 2 BvR 888/93]). Bei der Geltendmachung von Einzelverfolgungsmaßnahmen kann sich eine Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich aufdrängen, wenn die im Einzelfall geltend gemachte Gefährdung des Asylsuchenden den von Art. 16a Abs. 1 GG vorausgesetzten Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht, die behauptete Verfolgungsgefahr allein auf nachweislich gefälschten oder widersprüchlichen Beweismitteln beruht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als unglaubhaft oder unschlüssig erweist (BVerfG, Beschlüsse vom 12. Juli 1983, a.a.O., und vom 27. Februar 1990 - 2 BvR 186/89 -, InfAuslR 1990, 199). Dies gilt auch hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft und für den subsidiären Schutz.

Im gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts liegen gemäß § 29a AsylG unwiderlegt die Voraussetzungen für die Asylanerkennung, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutzes offensichtlich nicht vor. Dazu wird auf die weitgehend zutreffende Begründung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Oktober 2017 Bezug genommen, der das Gericht insoweit folgt (Feststellung gem. § 77 Abs. 2 AsylG). Dieser Bescheid geht zutreffend davon aus, dass Serbien grundsätzlich und von der Antragstellerin für ihren Einzelfall unwiderlegt sicher im Sinne von § 29a, 30 Abs. 1 AsylG ist, auch wenn im Text von „Albanien“ die Rede sein mag, und bewegt sich auch im Übrigen überwiegend im Rahmen der maßgeblichen Rechtsprechung, wie sie sich insbesondere aus den folgenden Entscheidungen des Gerichts, die in juris dokumentiert sind, ergibt:

Beschluss vom 9. April 2015 - 7 B 1548/15 -,
Beschluss vom 27. Januar 2016 - 7 B 283/16 -,
Beschluss vom 1. Juni 2016 - 7 B 1888/16 -,
Urteil vom 25. November 2016 - 7 A 5498/16 -, und
Gerichtsbescheid vom 19. September 2017 - 7 A 6230/17-.

An ihre Offensichtlichkeits-Entscheidungen hat die Antragsgegnerin zu Recht unter Abschiebungsandrohung nach Serbien die kurze Ausreisefeist von einer Woche geknüpft, § 36 Abs. 1 AsylG, zumal zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse hier nicht vorliegen.

Insgesamt vermag die Antragstellerin demgegenüber nicht mit ihrem Vorbringen, auch nicht demjenigen aus der Antragsschrift, durchzudringen. Dies gilt insbesondere, soweit sie sich auf Rechtsprechung aus anderen Bundesländern (Hamburg) bezieht, ohne deren Verhältnis zur o.a. std. Rspr. des beschließenden Gerichts hinreichend zu beleuchten, und auf das (im Übrigen unbeachtliche) Vorbringen ihrer Mutter verweist, ohne dieses zumindest wiederzugeben und/oder dessen Bedeutung für das vorliegende Verfahren herauszuarbeiten, weil nämlich das Gericht in früheren Verfahren entsprechende Begehren der Mutter bereits abgelehnt hat (vgl. z.B. 7 B 4403/17, Beschluss vom 9. Juni 2017) und weil der angegriffene Bescheid in seinen Gründen darauf hinweist, dass über deren Begehren bereits per Bescheid entschieden sei, ohne dass die Antragstellerin dies erwähnt oder gar würdigt.

Ergänzend hält das Gericht ferner Folgendes fest:

Der Antragstellerin droht bei einer Rückkehr nach Serbien keine Verfolgung wegen der behaupteten Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma. Es gibt keine Anzeichen für eine Gruppenverfolgung von Roma in Serbien [weder durch staatliche noch durch nichtstaatliche Akteure (vgl. Auswärtiges Amt, „Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien“ vom 15. Dezember 2014 - Lagebericht -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 8 LA 129/14 –, juris; std. Rspr. in der Kammer, s.o.)]. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin im Falle eines Aufenthalts in Serbien asyl- oder flüchtlingsrelevanten staatlichen oder nichtstaatlichen Maßnahmen zu rechnen hätte, sind nicht ersichtlich. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des individuellen Vorbringens bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und im gerichtlichen Verfahren, erst Recht, weil Serbien sicherer Herkunftsstaat ist, Anl. II AsylG (zu § 29a; vgl. dazu die o.a. Rspr.). Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser gesetzgeberischen Entscheidung hat das Gericht nicht (ebenda).

Ein individuelles Verfolgungsschicksal im Sinne der Anforderungen des § 3ff. AsylG hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht und wird sie angesichts ihres Lebensalters und Aufenthalts seit Geburt in Deutschland nicht können. Insoweit wird ebenfalls auf die überwiegend zutreffende Begründung des angegriffenen Bescheides Bezug genommen, der das Gericht auch insoweit folgt (Feststellung gem. § 77 Abs. 2 AsylG). Auch liegen Abschiebungshindernisse hinsichtlich der Antragstellerin nicht vor.

Die Voraussetzungen des Anspruchs aus § 60 Abs. 7 AufenthG sind hinsichtlich der Antragstellerin insbesondere nicht erfüllt, soweit es ihren geltend gemachten Herzfehler (ASD, ein Vorhofseptumdefekt des Herzens) anbelangt.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese ist u.a. dann gegeben, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit alsbald nach der Rückkehr ins Heimatland die wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlimmerung einer Krankheit zu erwarten ist (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG; vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.97 - BVerwGE 105, 383 <387> juris), wobei in zeitlicher Hinsicht ein Prognosezeitraum von etwa einem Jahr angemessen ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. März 2006 - 10 LA 287/05 - <Seite 6>). Zu berücksichtigen ist dabei, ob dem Ausländer die erforderlichen therapeutischen Maßnahmen individuell zugänglich sind, insbesondere finanziert werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1.02 - NVwZ-Beilage 2003, 53, juris). Es ist aber nicht erforderlich, dass die Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Die Gefahr muss zudem nicht nur im Heimatort des Betroffenen, sondern landesweit bestehen (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG; vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 1997 - 9 C 38.96 - BVerwGE 104, 265 <267>). Diese Voraussetzungen decken sich insoweit mit der bisherigen ständigen Rechtsprechung in der Kammer (vgl. Urteil vom 8. November 2016 - 7 A 3449/16 -, Vnb., Beschlüsse vom 9. April 2015 - 7 B 1548/15 -, vom 27. Januar 2016 - 7 B 283/16 -, vom 1. Juni 2016 - 7 B 1888/16 -, und Urteil vom 25. November 2016 - 7 A 5498/16 -, jeweils  juris; siehe auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. August 2016 - 8 ME 87/16 - juris).

Weiter ist zu beachten, dass § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse erfasst. Dem Ausländer müssen also im Abschiebezielstaat (hier: Serbien) erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Dies kann u.a. dann anzunehmen sein, wenn er bereits in Deutschland an einer Krankheit leidet, die sich im Falle der Rückkehr in sein Heimatland verschlimmert, weil sie dort nicht hinreichend behandelt werden kann. Dabei ist jedoch weiter zu berücksichtigen, dass der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht dazu dient, eine bestehende Krankheit optimal zu behandeln. Insbesondere gewährt die Vorschrift keinen allgemeinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard der medizinischen Versorgung in Deutschland. Grundsätzlich muss sich der Ausländer vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung seines Herkunftsstaates verweisen lassen, auch wenn diese nicht dem Niveau in Deutschland entspricht (VG Arnsberg, Urteil vom 4. Januar 2007 - 7 K 1150/06.A -, juris).

Dies verkennt die Antragstellerin voraussichtlich, soweit sie in ihrer Klage- und Antragsschrift ausdrücklich auf den „Standard“ in Deutschland abstellt, auf den sie aber gerade nicht Anspruch hat. Insoweit und soweit die Antragstellerin mit den beiden der Antragsschrift beigefügten Attesten der Praxis für Kinder- und Jugendmedizin, Pädiatrische Kardiologie, ….., vom 7. September und 23. Oktober 2017 einen bestimmten Therapiebedarf geltend machen sollte, was wegen der mangelnden Aussagekraft dieser äußerst lapidar und mit jeweils nur knapp drei Textzeilen viel zu kurz gehaltenen und daher insgesamt wertlosen Bescheinigungen nur mutmaßlich und eventuell der Fall sein könnte, so gilt Folgendes (VG Augsburg, Beschluss vom 11. August 2017 – Au 6 S 17.34036 –, juris), woran die Antragstellerin sich festhalten lassen muss:

 „Nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ist es aber nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist.
Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – juris Rn. 9).
Ausweislich des vorgelegten Attests wie auch der Berichte der Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtung, in der sie derzeit wohnt, leidet die Antragstellerin nicht an einer Krankheit mit der von § 60 Abs. 7 AufenthG vorausgesetzten Schwere. Sie mag entwicklungsverzögert, lernschwach oder mit einer unterdurchschnittlichen Intelligenz ausgestattet sein. All das aber stellt keine Krankheit dar und erfordert keine medikamentöse oder therapeutische medizinische Behandlung – eine akute Behandlungsbedürftigkeit wurde auch nicht nachgewiesen (vgl. § 60a Abs. 2c AufenthG) –, sondern eine schulische, soziale und therapeutische Förderung.
Selbst wenn diese Förderung im Fall ihrer Rückführung in den Kosovo nicht in demselben Maße fortgeführt würde wie im Bundesgebiet, ihr Lern- und Entwicklungsstand also sich nicht in demselben Maße weiterentwickeln würde wie derzeit, wäre auch dies kein Rechtsgrund für die Annahme eines Abschiebungsverbots, denn sie kann sich nicht auf die Fortsetzung einer im Bundesgebiet begonnenen Therapie berufen: Für Krankheiten ist geklärt, dass ein Ausländer im Bundesgebiet eine über die erforderliche Grund- und Notversorgung hinausgehende Therapie nicht beanspruchen kann, sondern sich auf das im Herkunftsstaat vorhandene Behandlungsniveau verweisen lassen muss (vgl. auch BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12BVerwGE 146, 12/20 f. Rn. 23 ff.), das zumindest eine professionelle Grundversorgung umfasst (vgl. Lagebericht a.a.O. S. 24, 28). Die Beschränkung auf das im Herkunftsstaat vorhandene Behandlungsniveau gilt entsprechend auch für pädagogische und andere Therapieformen.“

Auch daran scheitert hier der geltend gemachte Anspruch.

Allerdings übersieht das Gericht nicht, dass sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung mit einzubeziehen sind, also insbesondere die tatsächliche Nichterlangbarkeit einer an sich vorhandenen medizinischen Behandlungsmöglichkeit aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen oder die Gefahr des Hinzutretens von weiteren Erkrankungen im Zielstaat (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1.02 - juris). Aber grundsätzlich und im Falle der Antragstellerin ist eine Behandlung in Serbien auch tatsächlich möglich und erreichbar, wie es sich auch hinsichtlich ihrer geltend gemachten Herzerkrankung(en) (vorauss. ASD) insbesondere ergibt aus dem „Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG (Stand: November 2015)“ des Auswärtigen Amtes vom 23. November 2015, vgl. ausführlich Beschluss vom 1. Juni 2016 (7 B 1888/16, juris), und insbesondere dem weiterhin aktuellen „Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG (Stand: September 2016)“ des Auswärtigen Amtes vom 1. November 2016, vgl. ausführlich Gerichtsbescheid vom 19. September 2017 – 7 A 6230/17 –, juris.

Anerkannte Sozialhilfeempfänger und ihre Familienangehörigen sind in der gesetzlichen Pflichtversicherung krankenversichert, wobei in Serbien Erkrankungen beinahe ausnahmslos grundsätzlich behandelbar sind (vgl. VG München, Urteil vom 5. August 2011 - M 17 K 10.31171 -, juris; Lageberichte des Auswärtigen Amtes). Es ist auf Grund der aktuellen Erkenntnislage zur medizinischen Versorgung in Serbien (vgl. nur Lageberichte des Auswärtigen Amtes) davon auszugehen, dass selbst schwere physische und zudem auch psychische Erkrankungen, z. B. Depressionen, Traumata, Schizophrenie und posttraumatische Belastungsstörungen, in Serbien grundsätzlich behandelbar sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht dazu dient, eine bestehende Krankheit optimal zu behandeln, s.o.; insbesondere gewährt die Vorschrift keinen allgemeinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard der medizinischen Versorgung in Deutschland, vielmehr muss sich der Betreffende auf den Standard der Gesundheitsversorgung seines Herkunftsstaates verweisen lassen, auch wenn diese nicht dem Niveau in Deutschland entspricht (VG Arnsberg, Urteil vom 4. Januar 2007 - 7 K 1150/06.A -, juris). Dabei verkennt das Gericht nicht, dass sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung mit einzubeziehen sind, also insbesondere die tatsächliche Nichterlangbarkeit einer an sich vorhandenen medizinischen Behandlungsmöglichkeit aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen oder die Gefahr des Hinzutretens von weiteren Erkrankungen im Zielstaat (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1.02 - juris). Auch Roma haben in Serbien grundsätzlich Zugang zu allen staatlichen Einrichtungen und Dienstleistungen einschließlich der Sozialhilfe und der medizinischen Grundversorgung. Ärztliche Notfallversorgung ist grundsätzlich auch für nicht registrierte Personen gewährleistet. Kinder unter 18 Jahren werden grundsätzlich kostenfrei behandelt, wenn sie registriert sind (Lagebericht, S. 12). Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln ist für bisher nicht registrierte Personen mit Gesetz vom 31. August 2012 die Grundlage für eine nachträgliche Eintragung ins Personenstandsregister unter vereinfachten Bedingungen geschaffen worden. Damit soll der rechtliche Status insbesondere der Roma verbessert werden. In dem Ende 2011 in Kraft getretenen neuen Meldegesetz ist darüber hinaus eine Regelung aufgenommen worden, Personen, die nicht über einen Personalausweis verfügen, die Anmeldung zu erleichtern. Auch diese Regelung zielt darauf, bisher nicht registrierten Roma die Anmeldung zu ermöglichen. Roma werden auch dann grundsätzlich kostenfrei und ohne finanzielle Eigenbeteiligung in Serbien behandelt, wenn sie dort wegen ihrer traditionellen Lebensweise keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt haben. Mit der "Richtlinie über das Verfahren der Verwirklichung der Rechte aus der Sozialversicherung" ist geregelt, dass Roma im System der Sozialversicherung angemeldet sein können, wenn sie eine persönliche Erklärung abgeben, dass sie Roma sind, und wenn sie eine persönliche Erklärung über den Ort ihres vorläufigen Aufenthalts abgeben (Auswärtiges Amt vom 1. Juli 2014 - 508-516.80/48127). Zwar können Roma u. U. in staatlichen Einrichtungen gelegentlich Opfer diskriminierender Behandlung werden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die auch für Roma eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten in Serbien keinen ausreichenden Schutz gegen eine willkürliche Versagung des Zugangs zu Sozial- und Gesundheitsleistungen bieten (vgl. VG Münster, Urteil vom 11. Mai 2015, a.a.O.). Auch der Umstand, dass in Serbien befristet für neun Monate im Jahr Sozialhilfe bewilligt wird, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts, da in der übrigen Zeit zumindest ein Anspruch auf Nothilfe der Gemeinde besteht (SFH, Serbien: Zugang zu Sozialleistungen für Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 6). Daneben kommt hinreichende medizinische Versorgung zum Zuge. Für die medizinische Versorgung gibt es in Serbien, unter der Voraussetzung der Registrierung, eine gesetzliche Pflichtversicherung. Diese gilt für alle Arbeitnehmer, einschließlich ihrer Familienangehörigen. Gemeldete anerkannte Arbeitslose und anerkannte Sozialhilfeempfänger sowie deren Familienangehörige sind versichert, ohne Versicherungsbeiträge zahlen zu müssen. Gleiches gilt für Angehörige der Volksgruppe der Roma, sofern sie wegen ihrer traditionellen Lebensweise keinen festen Wohnsitz bzw. keinen Aufenthalt in Serbien haben (vgl. Lagebericht, S. 15 f.). Nach den Feststellungen des Lageberichts sind keine nachgewiesenen Fälle von Behandlungsverweigerung in öffentlichen Einrichtungen bekannt (vgl. Lagebericht, S. 15 f.). Sollte dessen ungeachtet nach der Rückkehr eine Behandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung verweigert werden, ist es jedenfalls zuzumuten, unter Zuhilfenahme von Verwandten und der dafür zuständigen Stellen, beispielsweise der Romagesundheitsmoderatoren/-mediatoren, des Republikanischen Krankenversicherungsfonds, oder erforderlichenfalls durch Inanspruchnahme gerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes den Anspruch auf Behandlung gegenüber einem diese rechtswidrig verweigernden Arzt durchzusetzen (vgl. VG Berlin, Urteil vom 29. Januar 2015 - 7 K 476.14 A -, juris). Die damit verfügbare Behandlung bleibt auch nicht hinter dem zurück, was zur Abwendung erheblicher Verschlechterungen des Gesundheitszustandes erforderlich ist. Psychische Krankheiten sind in Serbien behandelbar, und zwar sowohl medikamentös als auch psychotherapeutisch (vgl. Lagebericht, S. 15 ff.). Selbst für den Fall, dass man auf eine Behandlung in Serbien länger warten müssten als im Bundesgebiet und deren Standard hinter dem hiesigen zurückbleibt, genügt dies nicht, um von einer konkreten, d.h. alsbald eintretenden und erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation auszugehen. Zur Überbrückung der Zeit bis zum Beginn der Behandlung in Serbien ist es zudem möglich, die ggf. in Deutschland erhaltenen Medikamente zu gebrauchen. Denn die Gewährung von Abschiebungsschutz gem. § 60 Abs. 7 AufenthG dient nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Schließlich könnte man eventuell benötigte Medikamente auch in Serbien erhalten. Die gesetzliche Pflichtversicherung umfasst auch die Versorgung mit den notwendigen Medikamenten.

Das Voranstehende gilt insgesamt erst Recht, weil Serbien sicherer Herkunftsstaat ist, Anl. II AsylG (zu § 29a, s.o.), woran es (auch hinsichtlich der Roma und Ashkali) keine rechtlichen Zweifel gibt, VG Oldenburg, Beschluss vom 9. April 2015 - 7 B 1548/15 -, VG Münster, Urteile vom 11. Mai 2015 - 4 K 3220/13.A - und - 4 K 802/13.A -, Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juni 2015 - A 6 S 1259/14 -, jeweils juris und m.w.N. [insbesondere auch sogar wegen der generellen Behandelbarkeit selbst von PTBS in Serbien: wie es das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Urteil vom 29. Januar 2015 (- 7 K 476/15 -, juris), feststellt].

Allerdings muss insoweit berücksichtigt werden, dass die Frage, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz angesichts einer Erkrankung bei dem jeweiligen Ausländer vorliegen, nur einer Beurteilung anhand der jeweiligen Fallumstände, insbesondere des konkreten Krankheitsbildes, der konkreten notwendigen medizinischen Behandlungen und deren individueller Verfügbarkeit im Herkunftsstaat zugänglich ist, die grundsätzlich nicht „abstrakt“ für eine Vielzahl von Fällen gleichsam vorab vorgenommen werden kann (Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes vom 11. August 2015 - 8 LA 145/15 -, V.n.b., m.w.N.). Die insoweit gebotene Einzelfallbetrachtung führt hier zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz hinsichtlich der Antragstellerin nicht vorliegen - bezogen auf ihre Person sind keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 oder Abs. 5 AufenthG anzunehmen.

Unter Zugrundelegung aller vorstehender Kriterien und unter zusammenfassender Betrachtung aller relevanten Umstände und Aspekte ist aber im besonderen Einzelfall der Antragstellerin kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anzunehmen. Es besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin aufgrund der bei ihr attestierten Erkrankungen und der (wenn auch allenfalls ansatzweise) belegten Krankheitsbilder (ASD) bei einer Rückkehr nach Serbien sachgerechte Behandlung erhält, und insbesondere im Hinblick auf die nach rudimentärer Attestlage bestehenden Gefahren nicht etwa alsbald schweren gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt sein würde. So geht das Gericht davon aus, dass in Serbien Herzerkrankungen vorliegender Art behandelbar sind (std. Rspr., s.o.) und auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Grundsatz vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten der Antragstellerin individuell aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich sein würden (siehe oben). Es besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich ihr Gesundheitszustand im Falle ihrer Rückkehr nach Serbien auf Grund der dort vorhandenen Verhältnisse wesentlich verschlechtern wird.

Zusammenfassend hält das Gericht fest:

Herz-Erkrankung(en) und die Herzkrankheit der Antragstellerin (ASD) können nach den vorliegenden Erkenntnissen in Serbien behandelt werden, wobei ggfs. notwendige Medikamente ebenfalls zur Verfügung stehen. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass die notwendige Behandlung für die Antragstellerin in Serbien durchgehend erreichbar ist. Der Zugang zu medizinischen Behandlungen des öffentlichen Gesundheitssystems ist für die Bevölkerung in Serbien unabhängig von der ethnischen Herkunft gewährleistet, s.o.

Dies insgesamt hat die Rechtsprechung so u.a. für Herzkrankheiten schon entschieden, bevor Serbien in den Kreis der Sicheren Herkunftsstaaten aufgenommen wurde, siehe z.B. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. Juli 2013 – 7a K 5834/12.A – (unter Verweis auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien vom schon 29. Januar 2013, die Auskunft der Deutschen Botschaft Belgrad an das VG Sigmaringen vom 7. Oktober 2011, an das VG Düsseldorf vom 24. Februar 2010, an das VG Minden vom 2. Januar 2009 und an das VG Köln vom 3. April 2007), juris, und gilt danach bis heute erst Recht und umso mehr.

Das Gericht sieht zudem, dass die vorgelegten Atteste den Anforderungen an die Substantiierung von Erkrankungen nicht genügen. So hält das Gericht im vorliegenden Einzelfall die vorgelegten Atteste nicht für hinreichend substantiiert, um (zumindest) eine weitere Aufklärung im Hauptsacheverfahren zu rechtfertigen und insoweit den vorläufigen weiteren Aufenthalt der Antragstellerin in Deutschland zu gewährleisten.

Was im Übrigen die im angegriffenen Bescheid ebenfalls enthaltenen Befristungen gesetzlicher und angeordneter Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbote angeht, ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Gegenstand des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wären, da vielmehr allein maßgeblich für den vorläufigen Rechtsschutzantrag der weitere vorläufige Verbleib der Antragstellerin in Deutschland ist. Allerdings begegnen diese Nebenbestimmungen auch keinen rechtlichen Bedenken.