Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 28.12.2016, Az.: 1 Ws 305/16
Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 28.12.2016
- Aktenzeichen
- 1 Ws 305/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 35033
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2016:1228.1WS305.16.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 20.10.2016 - AZ: 51 StVK 227/16
Rechtsgrundlagen
- StGB § 63
- StGB § 67d
- StGB § 67h
Amtlicher Leitsatz
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur bei der Anordnung der Maßregel, sondern integrativ auch bei der Prüfung der Aussetzungsreife zu berücksichtigen. Eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Maßregel setzt daher nicht zwingend voraus, dass keinerlei Straftaten mehr zu erwarten sind, sondern kommt auch schon dann in Betracht, wenn deren Gewicht nicht die Schwelle erreicht, bei der das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit den Freiheitsanspruch des Einzelnen überwiegt.
2. Ob erhebliche Taten tatsächlich zu erwarten sind, hat das Gericht im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei kommen insbesondere den während des Vollzugs der der Maßregel veränderten Umständen und den Wirkungen der im Fall der Aussetzung eintretenden Führungsaufsicht und der damit verbundenen möglichen Weisungen einschließlich einer etwaigen Krisenintervention besondere Bedeutung zu.
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bremen wird der Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 20. Oktober 2016 aufgehoben.
Die weitere Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird mit Wirkung zum 01. April 2017 zur Bewährung ausgesetzt. Mit der Aussetzung des Maßregelvollzugs tritt Führungsaufsicht ein.
Die Zeit des Maßregelvollzuges wird nach Maßgabe des § 67 Abs. 4 StGB auf die im Urteil des Landgerichts Bremen vom 08. Juni 1999 verhängte Freiheitsstrafe von 15 Jahren angerechnet. Die Vollstreckung des verbleibenden Strafrestes wird zur Bewährung ausgesetzt.
2. Die weitergehende sofortige Beschwerde der Staatanwaltschaft Bremen wird als unbegründet verworfen.
3. Die Dauer der Bewährungs- und der Führungsaufsichtszeit wird auf 5 Jahre festgesetzt.
4. Der Untergebrachte wird der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt, der noch namentlich benannt werden wird.
5. Die nähere Ausgestaltung von Auflagen und Weisungen im Rahmen der Bewährungs- und Führungsaufsicht und die Auswahl/Benennung des Bewährungshelfers wird der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen übertragen.
6. Die Belehrung über die Bedeutung und das Wesen der Strafaussetzung zur Bewährung sowie der Führungsaufsicht wird dem Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen in Moringen übertragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Untergebrachten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Der heute 39jährige Untergebrachte wurde durch Urteil des Landgerichts Bremen vom 07.06.1999 wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Hierneben wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und es wurde bestimmt, dass vor der Maßregel vier Jahre der erkannten Straße zu vollstrecken sind.
Zu dem strafrechtlichen Werdeganges des Untergebrachten stellte das Landgericht fest, dass er erstmals im Alter von 16 Jahren eine zweijährige Jugendstrafe u.a. wegen gemeinschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung (Überfall auf eine Tankstelle mit einem Gasrevolver) zu verbüßen hatte, deren Vollstreckung im Dezember 1994 zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach einer weiteren Verurteilung 1995 (Jugendstrafe von 6 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung wegen gemeinschaftlichen Raubes und gemeinschaftlichen Diebstahls in zwei Fällen) belegte ihn die Jugendkammer des Landgerichts Bremen dann 1996 unter Einbeziehung der vorgenannten sowie einer weiteren Verurteilung mit einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und verbotenem Erwerb von Betäubungsmitteln. Dem lag zugrunde, dass der Untergebrachte der Angestellten eines Tabakladens eine Bierflasche derart auf den Kopf geschlagen hatte, dass diese Schädel- und Jochbeinfrakturen erlitt, sich dann Geld aus der Ladenkasse nahm und hiermit Heroin erwarb. Diese Strafe wurde 1998 durch das Jugendschöffengericht Bremen wegen Gefangenenmeuterei auf vier Jahre und acht Monate erhöht, bevor die Strafvollstreckung mit Wirkung zum 31.07.1998 zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts Bremen ereigneten sich die beiden hier zugrunde liegenden Taten nur wenige Wochen nach dieser vorzeitigen Strafaussetzung. Zunächst verletzte der damals 21jährige Untergebrachte am 10.09.1998 seinen Bekannten M., indem er ihm einen Motorradhelm derart gegen den Kopf schlug, dass er eine linksseitige Stirnhöhlenvorderwand- und Jochbeinfraktur erlitt. Danach nahm er ihm Portemonnaie und Handy ab, um diese Gegenstände zur Durchsetzung seiner Ansprüche (er hatte für Herrn M. zuvor Mofaersatzteile im Wert von 100,00 DM verauslagt) zu behalten. Herr M. musste für mehrere Tage stationär im Krankenhaus behandelt werden, u.a. wurde ihm operativ eine Metallplatte eingesetzt. Etwa zwei Wochen später, zu einer nicht genauer bestimmbaren Zeit zwischen den Abendstunden des 26.09.1998 und den frühen Morgenstunden des 27.09.1998, tötete der Untergebrachte M. dann, indem er ihm mit einem spitzen Gegenstand u.a. sechs Stiche in die linke vordere seitliche Brustpartie und einen langen Schnitt sowie mindestens 16 weitere Stiche bzw. Schnitte in den Hals zufügte. Hierbei verletzte er die linke Herzkammer und die linke Halsschlagader seines Opfers, das innerhalb weniger Minuten verstarb und danach von dem Untergebrachten in einem Bettkasten verstaut wurde. Bei dieser Tat war der Untergebrachte von dem Verlangen getrieben, um jeden Preis Geld oder einen verwertbaren Gegenstand zu erlangen, um sich Heroin kaufen zu können. So nahm er aus der Wohnung des Getöteten eine Kassette, in der er Geld vermutete, sowie einen Videorekorder mit, den er später für 50,00 DM verkaufte.
Zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit führte die durch die psychiatrische und psychologische Sachverständige Dr. R. beratene Kammer aus, dass dem Untergebrachten eine spätestens seit 1995 bestehende Polytoxikomanie (ICD 10: F 19.2, insb. Abhängigkeit von Heroin und Heroinersatzstoffen mit Beikonsum von u.a. Benzodiazepinen, Kokain und Alkohol) sowie eine dissoziale, histrionische und drogenbedingt verstärkte Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren sei (ICD 10: F60.2 und 60.4), die als schwere andere seelische Abartigkeit einzustufen sei. Diese habe seine Steuerungsfähigkeit in den Tatzeitpunkten erheblich eingeschränkt, aber nicht vollständig aufgehoben. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sei notwendig, da andernfalls weitere schwere Übergriffe auf Mitmenschen zu erwarten seien. Aufgrund der Persönlichkeitsstörung würden schon kleinere Konflikte ausreichen, um den Untergebrachten zu reizen und zu neuen schweren Straftaten zu führen. Als Konfliktfaktor spiele zusätzlich die Polytoxikomanie eine Rolle, die die Persönlichkeitsstörung verschlimmere. Ohne eine vorherige Behandlung der Persönlichkeitsproblematik wäre eine Behandlung der Abhängigkeitsproblematik jedoch nicht erfolgversprechend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts Bremen vom 07.06.1999 Bezug genommen (Bl. 1 ff. Bd. I d. VH).
Nach dem angeordneten vierjährigen Vorwegvollzug wurde die Maßregel ab dem 17.10.2002 im Zentralkrankenhaus Bremen Ost vollzogen. Nach einem eher wechselhaften Verlauf schlugen Erprobungsversuche im offenen Maßregelvollzug mehrfach fehl, weil es jeweils in Krisensituationen zu Unzuverlässigkeiten des Untergebrachten bis hin zu einer zweiwöchigen Entweichung im Mai 2014 kam. Hierneben waren über die Jahre auch insgesamt sechs Drogenrückfälle zu verzeichnen, zuletzt im April 2015. Am 30.07.2015 wurde der Untergebrachte in das Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen in M. verlegt, wo die Unterbringung seitdem und auch aktuell noch vollzogen wird. Zuvor hatte das Landgericht Bremen noch ein externes psychiatrisches Sachverständigengutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. v. d. H. in Auftrag gegeben, das dieser am 19.01.2016 vorlegte.
In diesem Gutachten (SH Gutachten) bestätigt der Sachverständige die Diagnosen einer dissozialen Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 60.2) sowie eines Abhängigkeitssyndroms von Heroin (ICD 10: F 11-2) mit Beikonsum von zuletzt Cannabinoiden, wobei die ausgeprägte Persönlichkeitsstörung mit deutlich ich-strukturellen Defiziten im Mittelpunkt stehe. Der Untergebrachte könne infolgedessen Gefühle, Wünsche, Empfindungen, Vorstellungen und emotionale Wahrnehmungen nur begrenzt erkennen und differenzieren. Dies beziehe sich sowohl auf seine eigene Person als auch auf andere. Zudem sei sein Blick für die Zukunft nur eingeschränkt vorhanden, was seine Fähigkeit begrenze, planerisch und zukunftsgerichtet zu handeln. Dies führe zugleich dazu, dass schwierige Situationen erst spät erkannt und dann teilweise bereits übermächtig wirken würden, mit der Folge, dass auf alte Verhaltensmuster (Drogenkonsum) zurückgegriffen werde. Zugleich überschätze der Untergebrachte immer wieder seine eigenen Fähigkeiten. Auch die aktuell zu beobachtenden Sozialisationsdefizite seien keine Folge eines sog. Hospitalisierungssyndroms, sondern aus der Beurteilung der Lebensgeschichte und der Gesamtpersönlichkeit abzuleiten. Andererseits seien im Laufe der Therapie aber auch wesentliche Fortschritte erreicht worden. So sei die zu Beginn beschriebene Impulsivität innerhalb der Einrichtung deutlich weniger zu spüren und es gelinge dem Untergebrachten zunehmend besser, sich selbst zu steuern und spätestens nach einer gewissen Verzögerung die Hilfe anderer Personen anzunehmen. Auch wenn immer noch narzisstische und manipulative Züge erkennbar seien, scheine er im Rahmen der Unterbringung doch die Macht- und Autoritätsverhältnisse akzeptieren zu können. Zudem habe sich die Beziehungsfähigkeit in gewissem Maße weiterentwickelt. Im Bereich der Arbeitsleistung scheine die Therapie dagegen noch keinen nennenswerten Erfolg gebracht zu haben. Wesentlich sei aber, dass es nicht wieder zu aggressiven Handlungen gekommen sei. So habe sich die Rückfälligkeit in alte Verhaltensmuster ausschließlich auf Drogenrückfälle, verbunden mit einem Rückzug aus therapeutischen Beziehungen, bezogen. Über stützende und positiv beeinflussende Personen außerhalb des Maßregelvollzuges verfüge der Untergebrachte wegen seiner Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung nicht. Ein stabilisierendes und förderndes soziales Umfeld müsse daher von außen angestoßen werden. Ein weiterer Risikofaktor sei die Heroinabhängigkeit, wobei es dem Untergebrachten allerdings auch gelungen sei, nach einem Drogenkonsum nicht direkt in das Vollbild der Abhängigkeit zurückzufallen. Die grundlegenden Schwierigkeiten, dass das Selbstbild von der Fremdeinschätzung abweiche und der Untergebrachte seine Möglichkeiten des eigenständigen Lebens selbst deutlich günstiger beurteile, wären nur begrenzt veränderbar. Der gesamte Therapieverlauf zeige jedoch, dass es langsam zu einer Anpassungsleistung und dann zu einer Akzeptanz der angebotenen professionellen Hilfe gekommen sei. Zur Anwendung der gängigen Prognoseverfahren führte der Sachverständige aus, dass er im PCL-R Verfahren (Psychopathy Checklist) für den Untergebrachten einen Summenwert von 28 Punkten ermittelt habe, was einer hohen Ausprägung von Psychopathie entspreche. Straftäter mit Kennwerten von 25 Punkten oder mehr wiesen gegenüber solchen mit Werten unter 25 Punkten eine doppelt so hohe Chance auf, erneut ein Gewaltdelikt zu begehen. Zusammenfassend sei eine Entlassung aus dem Maßregelvollzug noch nicht zu verantworten. Dem stünden die personengebundenen Schwierigkeiten, die sich insbesondere in der Beziehungsgestaltung und dem Aufbau eines sozialen Umfeldes zeigten, entgegen. Empfehlenswert sei, erneut ein Probewohnen zu ermöglichen, und zwar in einer betreuten Einrichtung mit hoher Betreuungsdichte, die eine Kontrolle auf Suchtmittel beinhalte. Zuvor müsse ein Mitarbeiter der Klinik jedoch einen tragfähigen therapeutischen Kontakt zu dem Untergebrachten aufbauen, der dann bei der anschließenden Außenorientierung genutzt werden könne. Diese Zeit der Vertrauensbildung könne auch dazu dienen, dem Untergebrachten seine Schwierigkeiten im Arbeitsverhalten deutlich zu machen, damit sich hieraus weitere Schritte der sozialen Integration ergeben könnten. Ein soziales Netzwerk werde mindestens für einen mittelfristigen Zeitraum durch professionelle Helfer übernommen werden müssen. Eine zeitliche Perspektive für eine Entlassung sei aus therapeutischer Sicht daher aktuell noch nicht erkennbar, jedoch sei die Aufnahme eines erneuten und zunächst stärker strukturierten Probewohnens innerhalb einer mehrmonatigen Frist verantwortbar.
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 25.04.2016 ordnete die 51. große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen die Fortdauer der Unterbringung an.
Am 17.05.2016 kam es zu einer erneuten Entweichung des Untergebrachten, der nach einem Termin zur ambulanten Therapie beim Lukaswerk nicht in die Einrichtung zurückkehrte. In der Nacht auf den 28.05.2016 wurde er nach einer umfangreichen Fahndung durch die Polizei in Bremen verhaftet und in die Klinik zurückgebracht.
Mit Schreiben vom 25.07.2016 (Bl. 130 ff. Bd. III d. VH) beantragte seine Verteidigerin für ihn die umgehende Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Fortdauer der Unterbringung. Diese seien nicht mehr gegeben, hilfsweise sei die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig. Von dem Untergebrachten gehe keine Gefahr erheblicher Straftaten mehr aus. Hinsichtlich der dissozialen Persönlichkeitsstörung seien erhebliche Therapieerfolge erzielt worden und eine chronische Heroinabhängigkeit bestehe bereits seit 1998 nicht mehr. Zwar sei es in der Vergangenheit zu Drogenrückfällen gekommen, es handele sich insoweit jedoch nicht um eine latente Sucht. Zudem habe das Wegfallen von Kontrolle selbst in Stresssituationen nicht mit unmittelbarem Konsum korrespondiert. So habe der Untergebrachte während seiner Flucht im Mai 2016 kein Heroin konsumiert, sondern scheine den Konsum vielmehr bei Lockerungen als Rückkehrmöglichkeit in den Maßregelvollzug zu nutzen. Die Abhängigkeit zu kontrollieren, könne letztlich nur gelingen, wenn es ihm möglich wäre, stabilisierende Faktoren wie eine konstante Beziehung, Kontakt zu seinen Kindern und eine konstante Erwerbstätigkeit selbständig aufzubauen. Das Ziel einer vollständigen Abstinenz könne dagegen voraussichtlich nie erreicht werden. Bei dem Untergebrachten bestünde jedoch das Bewusstsein, dass seine Stabilität von der Heroinabstinenz abhängt. Er habe erlernen können, dass es notwendig sei, sich ein soziales Netzwerk für seine Drogenproblematik aufzubauen und sich deshalb entschieden, sich im Fall der Erledigung bei einem Hausarzt mit Substitutionsschwerpunkt anzubinden, überdies habe er sich eine Klinik mit Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen gesucht und Kontakt zu Selbsthilfegruppen und Psychotherapeuten aufgenommen. Zu einer Steigerung seiner aggressiven Impulse, die bei der Verurteilung als entscheidender Risikofaktor für Übergriffe auf Mitmenschen angenommen worden seien, sei es nicht mehr gekommen. Es liege daher nicht die für eine Fortdauer erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür vor, dass er künftig erhebliche Taten begehen werde. Seit seiner Verhaftung 1998 habe er weder im Straf- noch im Maßregelvollzug Straftaten verübt. Insbesondere sei es auch in Konfliktsituationen zu keinen körperlichen Angriffen gekommen. Die Dauer des Freiheitsentzuges überschreite mittlerweile auch deutlich die verhängte Freiheitsstrafe. Der Untergebrachte sei zum Zeitpunkt der Tat gerade 21 Jahre alt gewesen, habe keinen festen Wohnsitz gehabt, keine feste Paarbeziehung und sei keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern vielmehr chronisch heroinabhängig gewesen. Mittlerweile habe er gezeigt, dass er sich auf langfristige Beziehungen einlassen könne und habe auch eine positive Bindung zu seinem Sohn. Nach 18 Jahren biete der Maßregelvollzug für ihn keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr.
In ihrer aktuellen Stellungnahme vom 12.10.2016 bestätigt das Maßregelvollzugszentrum erneut die Diagnosen einer dissozialen Persönlichkeitsstörung sowie einer Heroinabhängigkeit mit einem Beikonsum von zuletzt Cannabinoiden. Der Behandlungsverlauf habe sich insgesamt äußerst turbulent gestaltet. So habe der Untergebrachte sehr schnell eine Beziehung zu einer Frau von der Suchtstation aufgenommen und nach Beendigung dieser Beziehung sofort eine neue Freundin, ebenfalls eine Patientin, gehabt. Ende März habe er dann seine Arbeit in der hausinternen Cafeteria verloren, da er sich nur um seine Freundin gekümmert habe anstatt seine Arbeit zu erledigen. Im April sei es zu Unregelmäßigkeiten bei einer Fahrt nach Northeim gekommen und in der klinikeigenen WG habe er sich überhaupt nicht auf die Gruppensituation einlassen können. Seit dem ersten Tag der Gewährung weitergehender Lockerungen - Anmeldung in einem Fitnessstudio, Teilnahme an Veranstaltungen der Lukaswerke - habe es Unregelmäßigkeiten bei den Ausgängen gegeben. Zusätzlich sei am 14.05.2016 bekannt geworden, dass der Untergebrachte mit zwei Mitpatientinnen parallel sexuelle Kontakte gehabt habe. Er habe deshalb von einem Ausgang zurückgeholt werden sollen, um diesbezüglich eine Klärung herbeizuführen, sei jedoch weggelaufen und erst neun Tage später wieder aufgegriffen worden. Insgesamt sei eine sinnvolle, begleitete Entlassungsplanung so nicht realistisch. Die Vorerfahrungen sowie der Verlauf des letzten Jahres stünden einer verbindlichen und auf Vertrauen gründenden Zusammenarbeit entgegen. In sehr klar strukturierter Umgebung sei der Untergebrachte sozial kompetent, unauffällig und könne gut mitarbeiten. Im Bereich der Rehabilitation, insbesondere auch im Zusammentreffen mit ebenfalls schwer gestörten Frauen, verliere er sich aber in Beziehungen und beginne dann, sich nicht regelkonform zu verhalten, wobei die Verantwortung dafür aus seiner Sicht stets bei anderen liege. Abweichend von der Einschätzung des externen Sachverständigen Herrn Dr. v. d. H. sei die Kombination von Lockerungen und Beziehungsaufbau daher nicht zielführend. Es sei trotz verschiedener Angebote auch nicht gelungen, einen guten therapeutischen Kontakt aufzubauen, da der Untergebrachte die meisten Mitarbeiter nur als begrenzende, seine Beziehung zerstören wollende Ordnungskräfte erlebe. Es gebe daher letztlich zwei mögliche Modelle des weiteren Arbeitens: Das eine würde bedeuten, dass der Untergebrachte noch sehr lange im Maßregelvollzug bleiben würde, bis es gelungen sei, wirklich vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen, um dann erneut mit Lockerungen zu beginnen. Dies würde u.U. jedoch Jahre dauern und es bliebe zweifelhaft, ob die Lockerungen dann absprachegemäß verlaufen würden. Bei dem anderen Modell würde der in Zusammenarbeit mit seiner Verteidigerin erstellten Planung des Untergebrachten gefolgt werden, die darauf abziele, eigenständig ein Netzwerk zu erarbeiten, das ihn bei einer Entlassung tragen könne. Dieses Konzept umfasse wesentliche Teile dessen, was auch Dr. von der Haar für notwendig erachtet habe. Hinsichtlich erneuter Straftaten sei von einem mittleren Risiko zum Beispiel für Eigentumsdelikte im Zusammenhang mit Suchtmittelkonsum auszugehen. Zu aggressiven Handlungen sei es während der Unterbringung in Moringen nicht gekommen, und zwar trotz zum Teil extrem angespannter und schwieriger Beziehungskonstellationen, in denen auch er selbst Opfer von Angriffen geworden sei. Auch seien während der Entweichung keine neuen Straftaten bekannt geworden. Der Untergebrachte befinde sich nunmehr seit 18 Jahren in der Maßregel und habe zum ersten Mal eigenständig ein Entlassungskonzept erarbeitet, das nach erster Einschätzung durchaus sinnvoll erscheine. Hinzu komme, dass die Maßregel von ihm seit Jahren instrumentalisiert werde, um letztendlich keine Verantwortung für sich selbst und sein Handeln übernehmen zu müssen. Es werde daher eine Erledigung der Maßregel mit dem erarbeiteten Entlassungskonzept als Bewährungsauflage empfohlen.
Die Staatsanwaltschaft Bremen hat am 19.10.2016 beantragt, die Maßregel nicht für erledigt zu erklären. Der Verurteilte habe sich gerade in jüngerer Vergangenheit als nicht absprachefähig erwiesen, sei aus dem Maßregelvollzug entwichen und habe Drogen konsumiert. Es sei daher nicht erkennbar, weshalb er sich an ein Bewährungskonstrukt halten sollte. Schon unter den Bedingungen des Maßregelvollzuges sei er nur unzureichend zu kontrollieren, so dass zu erwarten sei, dass er nach einer Entlassung noch schlechter für therapeutische Interventionen erreichbar sei. Es sei auch unverständlich, wie die Maßregelvollzugseinrichtung einerseits keine Möglichkeit einer zeitnahen Lockerung sehe und andererseits eine umgehende Entlassung befürworte. Allein die eigenständige Erarbeitung eines Entlassungskonzepts könne eine Entlassung nicht rechtfertigen. Der Umstand, dass es in der kontrollierten Umgebung des Maßregelvollzuges und während der kurzen Flucht nicht zu erneuten Gewalttaten gekommen sei, erlaube keine belastbare Prognose hinsichtlich des künftigen Verhaltens.
Der Untergebrachte wurde am 20.10.2016 im Beisein seiner Verteidigerin, des psychiatrischen Sachverständigen Herrn Dr. v. d. H. sowie der Stationsärztin Frau R. von der Kammer persönlich angehört. Dabei wies er darauf hin, dass er sich außerhalb der Klinik Kontakte aufgebaut habe und überreichte verschiedene Unterlagen, aus denen sich u.a. ergibt, dass er bei dem Dipl.-Psychologen N.-D. in O. wegen der bestehenden Persönlichkeitsstörung therapiert werden, nach einer Entlassung bei seiner Mutter wohnen und bei der Firma G. aus Bremen im Falle einer außergewöhnlich großen Auftragslage beschäftigt werden könnte (Bl. 179 - 181 Bd. III d.VH). Dr. v. d. H. erklärte, dass aus therapeutischer Sicht der begonnene Weg an sich weiter gegangen und vor allem an der Beziehungsfähigkeit gearbeitet werden müsse. In der Unterbringung sei jedoch keine Weiterentwicklung mehr zu erwarten. Nach einer Entlassung müsste insbesondere bei Drogenrückfällen jemand auf den Untergebrachten zugehen können, ideal wäre eine Anbindung an die Forensische Institutsambulanz. Es könnte in der Zukunft zu Beschaffungskriminalität kommen, die von nicht-aggressiv auch in aggressive Kriminalität wie räuberische Erpressungen umschlagen könnte. Es sei aber nicht anzunehmen, dass es unabhängig hiervon zu Körperverletzungen kommen könnte. Der Untergebrachte habe sein Gewaltpotenzial in der Hand und der Schlüssel für seine weitere Entwicklung liege bei ihm. Frau R. erklärte, dass kürzlich ein Brief mit Spice gefunden worden sei. Aus ihrer Sicht werde eine Kontrolle über die Klinik nicht funktionieren, da dies den Untergebrachten darin bestärken würde, selbst keine Verantwortung zu übernehmen. Abschließend erklärte der Untergebrachte, dass er lieber in den Strafvollzug gehen würde als weiter im Maßregelvollzug zu bleiben.
Mit Beschluss vom 20.10.2016 hat die 51. große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 67d Abs. 6 S. 3 StGB für erledigt erklärt und es sogleich abgelehnt, die Vollstreckung des nach Anrechnung der im Maßregelvollzug verbrachten Zeit verbleibenden Strafrestes zur Bewährung auszusetzen. Die mit der Entlassung aus der Unterbringung eintretende Führungsaufsicht wurde auf fünf Jahre festgesetzt, der Untergebrachte wurde der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und ihm wurde eine Meldeauflage erteilt. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Kammer aus, dass sich der Untergebrachte mittlerweile seit mehr als zehn Jahren in der Maßregel befinde und eine nennenswerte Gefahr, dass er nach seiner Entlassung erneut ein Tötungsdelikt oder andere Delikte, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, begehen werde, gegenwärtig nicht festgestellt werden könne. Andererseits könne ihm aber auch keine günstige Kriminalprognose gestellt werden, die eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung erlaubt hätte. Ein ausreichender therapeutischer Erfolg hätte nicht erzielt werden können und mit dem externen Sachverständigen und den Behandlern im Maßregelvollzugszentrum gehe auch die Kammer von einem mittleren Risiko für erneute Straftaten, überwiegend im Bereich der Beschaffungskriminalität, aus. Das vom Untergebrachten vorgelegte Konzept sei nicht ausreichend, um dieses Risiko hinreichend zu verringern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss Bl. 192 ff. Bd. III d.VH Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss, der der Staatsanwaltschaft Bremen am 07.11.2016 zugestellt wurde, hat die Staatsanwaltschaft mit bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 14.11.2016 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die medizinischen Eingangsvoraussetzungen für die Unterbringung weiterhin fortbestünden und der Sachverständige Dr. v. d. H. noch Behandlungsmöglichkeiten gesehen habe. Hinsichtlich der Frage, ob der Untergebrachte zukünftig noch erhebliche Straftaten begehen werde, lasse der Beschluss die erforderliche umfassende Würdigung auch der erheblichen Vorstrafen und des gesamten Unterbringungsverlaufes mitsamt der mehrfachen Entweichungen und der nach wie vor bestehenden Drogenabhängigkeit vermissen. Zu neuen Gewalttaten sei es lediglich deshalb nicht gekommen, weil der Untergebrachte aufgrund des engen Settings im Vollzug der Maßregel bzw. während der kurzen Entweichungen keine Gelegenheit gehabt habe, wieder massiv in die Sucht abzugleiten und in eine neue Spirale des Suchtdrucks zu geraten. Es sei zu befürchten, dass er - wie in der Vergangenheit bereits geschehen -, in der Haft wieder massiv in die Sucht abgleite und sich nach einer Entlassung relativ schnell der im Rahmen der Führungsaufsicht angeordneten Betreuung entziehen werde. Hinzu komme, dass er über kein stabilisierendes Umfeld verfüge und keinerlei berufliche Perspektive habe. Es drohe deshalb jederzeit die Gefahr, dass er neue Gewalttaten zur Finanzierung seiner Sucht begehen werde, die Leib und Leben der Opfer schwer beeinträchtigten. Diese Gefahr habe auch Dr. v. d. H. im Anhörungstermin am 20.10.2016 bestätigt.
Der Untergebrachte selbst hat am 08.11.2016 eine schriftliche Erklärung unterzeichnet, aus der sich ergibt, dass ihm der Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 20.10.2016 bekannt gegeben worden ist und er auf Rechtsmittel hiergegen verzichtet. Seiner Verteidigerin wurde der Beschluss am 11.11.2016 zugestellt. Mit bei dem Landgericht Göttingen am 17.11.2016 eingegangenen Schreiben hat sie sofortige Beschwerde eingelegt, die sie mit Schreiben vom 12.12.2016 wieder zurückgenommen hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 18.11.2016 beantragt, den Beschluss des Landgerichts Göttingen aufzuheben und die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen. In Ergänzung der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Bremen weist sie darauf hin, dass der Sachverständige Dr. v. d. H. in seinem schriftlichen Gutachten vom 19.01.2016 unter Berücksichtigung der Ergebnisse des PCL-R Verfahrens keineswegs zu einem mittleren Rückfallrisiko gelangt sei. Außerdem habe der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung hervorgehoben, dass auch eine aggressive Beschaffungskriminalität erfolgen könne. Dem strafrechtlichen Werdegang des Untergebrachten ließen sich insoweit mehrere Raubtaten, die zum Teil zu schwersten Verletzungen der Opfer geführt hätten, entnehmen. Nicht einmal im Maßregelvollzug habe er es geschafft, sich regelkonform zu verhalten. Zudem bestehe die Heroinproblematik fort und mit einer Erledigung der Maßregel würde ihm eine Rückzugsmöglichkeit genommen, in die er sich in der Vergangenheit in Konfliktsituationen immer wieder geflüchtet habe, was einen erneuten Heroinkonsum noch begünstige. Das selbst erarbeitete Konzept mit der Anbindung an einen Hausarzt und eine Suchtmittelgruppe sei in keinster Weise vergleichbar mit der engmaschigen Kontrolle und sofortigen Interventionsmöglichkeit der Maßregelvollzugseinrichtung. Zudem habe sich der Untergebrachte bereits in der Vergangenheit als manipulativ und täuschend erwiesen, so dass die Instrumente der Führungsaufsicht keine wirksame Kontrolle bieten könnten. Schließlich hielten sowohl der externe Sachverständige als auch die klinikinternen Behandler eine weitere Behandlung nicht für aussichtslos.
Der Untergebrachte hat hierzu über seine Verteidigerin am 07.12.2016 Stellung genommen. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Prognose im Rahmen des § 67d Abs. 6 Satz 3 StGB n.F. nicht die gleichen Umstände herangezogen werden könnten wie bei der Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB. Es sei insbesondere auf die Zeit des Maßregelvollzuges abzustellen statt auf die Vorverurteilungen. Der Sachverständige Dr. v. d. H. habe Therapieerfolge bescheinigt und der Untergebrachte habe in dem über 14-jährigen Maßregel- und dem 4-jährigen Vorwegvollzug unter Beweis gestellt, dass er keinerlei Straftaten mehr begeht, und zwar auch nicht bei Lockerungen und Entweichungen. So sei er im Jahr 2010 auf die offene Maßregelvollzugstation verlegt worden, habe über eine reguläre Arbeitsstelle bei einer Umzugsfirma auf 400 €-Basis verfügt, sei 2011 in eine Wohnung in Kliniknähe umgezogen und Ende 2012 sogar in die forensische Nachsorge übergeleitet worden, ohne dass es zu neuen Delikten gekommen wäre. Der einzige Grund, weshalb er immer wieder in Lockerungen gescheitert sei, seien Drogenrückfälle in Krisensituationen gewesen. Er wolle indes eine Suchttherapie machen und in ein Substitutionsprogramm aufgenommen werden, was die Klinik jedoch verweigere. Er könne den Umgang mit Suchtmitteln durchaus erlernen und ein Netzwerk aufbauen, das ihn bei einem Rückfall tragen könne. So verfüge er über soziale Kontakte zu Familienangehörigen und Freunden und wolle insbesondere Verantwortung für seinen Sohn übernehmen. Außerdem habe er bereits Kontakt zu einem Hausarzt aufgenommen, der ebenfalls als Substitutionsarzt tätig sei, ebenso zu der NA Gruppe in B., die er bereits während früherer Lockerungen besucht habe und die ihn wieder aufnehmen könne. Zudem habe er mit dem Ameos Klinikum in B. besprochen, wie der Ablauf wäre, wenn er drogenrückfällig werden würde und sofortige Hilfe benötigen sollte. Auch sei er sich im Klaren darüber, dass nach dem Ende der Maßregel eine fortlaufende Therapie wegen seiner Persönlichkeitsstörung und Konflikt-/Beziehungsbewältigung stattfinden müsse und habe deshalb Kontakt zu einem Therapeuten aufgenommen, der über viele Jahre in der klinischen Forensik gearbeitet und ihn in der Klinik Bremen Ost therapiert habe. Dieser könne sich eine Zusammenarbeit vorstellen. Schließlich sei der Kontakt zu der Umzugsfirma, bei der er während früherer Lockerungen gearbeitet habe, auch heute noch tragfähig, sodass der damalige Arbeitgeber bereit sei, ihn ggf. wieder zu beschäftigen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist nach §§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch sonst zulässig.
Die Staatsanwaltschaft verfolgt mit ihrer sofortigen Beschwerde - zum Nachteil des Untergebrachten - das Ziel, die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erreichen.
Das Rechtsmittel führt jedoch zu der aus dem Tenor ersichtlichen Entscheidung zugunsten des Untergebrachten. Diese Entscheidung ist dem Senat gem. § 301 StPO eröffnet, da jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel die Wirkung hat, dass die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Betroffenen abgeändert oder aufgehoben werden kann.
1. Die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung und der damit verbundene Eintritt von Führungsaufsicht beruht auf § 67d Abs. 2 S. 1 und 3 StGB.
Im Ausgangspunkt war dabei zu berücksichtigen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur bei der Anordnung der Maßregel, sondern integrativ auch bei der Prüfung der Aussetzungsreife zu berücksichtigen ist und der Gesetzgeber dem bei der zum 01.08.2016 in Kraft getretenen Neufassung des § 67d Abs. 2 StGB durch die Aufnahme des Zusatzes "erheblich" Rechnung getragen hat (BT-Drucks. 1872/44, S. 29; BVerfG, Beschluss vom 26.08.2013, 2 BvR 371/12). Hiermit soll verdeutlicht werden, dass eine Bewährungsaussetzung nicht nur dann zu erfolgen hat, wenn keinerlei Straftaten mehr zu erwarten sind, sondern schon dann, wenn deren Gewicht nicht die Schwelle erreicht, bei der das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit den Freiheitsanspruch des Einzelnen überwiegt. Die drohenden Taten müssten daher eine Anordnung der Maßregel auch aktuell noch rechtfertigen, wobei die bloße Möglichkeit solcher Taten nicht genügt. Ob derart erhebliche Taten tatsächlich zu erwarten sind, hat das Gericht im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Diese Beurteilung hat sich konkret darauf zu erstrecken, ob und welche rechtswidrigen Taten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Zu erwägen sind insbesondere das frühere Verhalten des Untergebrachten und die bislang von ihm begangenen Taten, aber auch die seit der Anordnung der Maßregel veränderten Umstände, ferner die Wirkungen der im Fall der Aussetzung eintretenden Führungsaufsicht und der damit verbundenen möglichen Weisungen. Ebenso hat das Gericht in seine Überlegungen einzubeziehen, ob die Erwartung gerechtfertigt sein kann, dass es "unter Bewährungsdruck" nicht mehr zu erheblichen Straftaten kommen wird. Hierin kommt insgesamt ein abgestuftes Nebeneinander von § 67d Abs. 2 S. 1 StGB und § 67d Abs. 6 S. 2 StGB zum Ausdruck, das den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt, da so eine übermäßige Belastung von Untergebrachten vermieden wird, bei denen die Gefahr zwar bis zur Aussetzungsreife herabgesetzt, nicht aber bis zur Erledigungsreife entfallen ist (siehe zum Ganzen BT-Drucks. 1872/44, S. 29 f.).
Gemessen an diesen Maßstäben war die seit über 14 Jahren vollzogene Unterbringung nunmehr zur Bewährung auszusetzen. Jedenfalls unter Berücksichtigung der mit der eintretenden Bewährungs- und Führungsaufsicht verbundenen vielfältigen Einwirkungsmöglichkeiten geht der Senat davon aus, dass von dem Untergebrachten keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr zu erwarten sind.
Dabei waren zwar auf der einen Seite die Vorstrafen, denen zumindest teilweise erhebliche Taten zu Grunde liegen, sowie auch das besonders schwere Anlassdelikt eines Mordes zu Ungunsten des Untergebrachten in die Abwägung einzustellen. Auf der anderen Seite treten mit der zunehmenden Dauer der Unterbringung die in der Vergangenheit begangenen Taten immer mehr hinter die im Maßregelvollzug erreichten Veränderungen und das aktuelle Zustandsbild des Untergebrachten zurück. Entsprechend musste hier berücksichtigt werden, dass der Untergebrachte während des nunmehr insgesamt etwa 17-jährigen Freiheitsentzuges keine neuen Straftaten begangen hat, und zwar weder im Straf- noch im Maßregelvollzug und auch nicht während mehrerer, nicht nur ganz kurzfristiger Entweichungen. Der externe Sachverständige Dr. v.d. H. hat ihm in seinem Gutachten vom 19.01.2016 überdies gewichtige Therapieerfolge bescheinigt. So könne der Untergebrachte sich mittlerweile selbst steuern, insbesondere auch seine zu Beginn beschriebene Impulsivität, so dass nicht zu erwarten sei, dass es - außerhalb von Beschaffungskriminalität - zu erneuten Gewaltdelikten kommen könnte. Damit korrespondierend hat die Maßregelvollzugseinrichtung beschrieben, dass es während der gesamten Unterbringung in M. nicht zu aggressiven Handlungen gekommen sei, trotz zum Teil extrem angespannter Beziehungskonstellationen, in denen er auch selbst Opfer von Angriffen geworden sei. Die behandelnden Ärzte nehmen mithin auch lediglich ein mittleres Risiko für künftige Eigentumsdelikte im Zusammenhang mit erneutem Suchtmittelkonsum an.
Der Senat gelangt deshalb in einem ersten Schritt zu der Ansicht, dass von dem Untergebrachten heute nicht mehr mit der für eine Bewährungsversagung erforderlichen Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten, insbesondere Gewaltdelikte, drohen.
In einem zweiten Schritt verkennt der Senat freilich nicht, dass diese Prognose nur vorbehaltlich dessen gilt, dass der Untergebrachte nicht wieder in erheblichen Suchtdruck verfällt, der im Rahmen von Beschaffungskriminalität auch zu neuerlichen aggressiven Durchbrüchen führen könnte. Diese Gefahr ist jedoch derzeit nicht konkret, sondern lediglich mittelbarer Natur, denn sie setzt voraus, dass der Untergebrachte zunächst wieder das Vollbild einer Drogenabhängigkeit erreichen würde. Insoweit ist der Senat jedoch der Auffassung, dass eine solche Entwicklung weder besonders naheliegend noch sogar unvermeidlich ist, sondern dass einem solchermaßen negativen Verlauf durch die bis hin zu einer Krisenintervention (§ 67h StBG) reichenden Mittel der Bewährungs- und Führungsaufsicht ausreichend vorgebeugt werden kann. Dr. v. d. H. hat hierzu ausgeführt, dass es dem Untergebrachten gelungen ist, nach dem Konsum von Drogen nicht direkt wieder in eine Abhängigkeit zurückzufallen und dass er mittlerweile spätestens nach einer gewissen Verzögerung die Hilfe anderer Personen annehmen könne und professionelle Hilfe akzeptiere. Auch das von ihm selbst entwickelte Hilfesystem zeigt, dass er die mit Suchtmittelrückfällen verbundenen Gefahren für sich erkannt und sich damit eingehend auseinandergesetzt hat. Seine Bemühungen für ein Leben nach einer Entlassung stellen unter Beweis, dass er gewillt ist, sich außerhalb des stationären Settings ein eigenes Netzwerk aufzubauen und dieses bei Bedarf auch wirklich in Anspruch zu nehmen. Dabei tragen seine Pläne zugleich dem Umstand Rechnung, dass sowohl die Suchtmittel-, als auch die Persönlichkeitsproblematik noch weiterführender Behandlung bedarf. Sie erscheinen so in ihrer Gesamtheit - im Übrigen auch nach Auffassung der Maßregelvollzugseinrichtung - als tauglicher Ansatzpunkt, um hieran mithilfe der über die Bewährungs- und Führungsaufsicht eröffneten Einwirkungsmöglichkeiten ein stabilisierendes und dabei auch verbindliches Netzwerk anzuknüpfen.
Hierneben ist davon auszugehen, dass der Bewährungsdruck den Untergebrachten zusätzlich in besonders starkem Maße zu einem straffreien Leben motivieren wird. Nach einem siebzehnjährigen Freiheitsentzug in dieser Sache und vorangegangener verbüßter Jugendstrafen wird der nunmehr 39 Jahre alte Untergebrachte, der mittlerweile Vater geworden ist, besonders bemüht sein, einen Widerruf der Aussetzung des Maßregelvollzuges zur Bewährung zu vermeiden, der zur Folge hätte, dass er erneut für unbestimmte Zeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden würde.
Nach alledem erachtet der Senat eine Aussetzung des Maßregelvollzugs zur Bewährung unter flankierenden, im Einzelnen noch näher auszugestaltenden Maßnahmen für vertretbar.
2. Die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe beruht auf § 57 Abs. 1 StGB.
Nach den vorstehenden Ausführungen ist auch eine Aussetzung der Reststrafvollstreckung mit den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit vereinbar. Maßgeblich erschien dabei vor allem, dass es hierfür, aber auch für die Resozialisierung des Untergebrachten kontraproduktiv wäre, wenn die restliche Freiheitsstrafe verbüßt werden müsste, ohne dass während dieser Zeit noch nennenswert an den weiterhin vorhandenen Defiziten gearbeitet werden könnte, während bei einer Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt die Chance besteht, den Untergebrachten mithilfe eines engmaschigen Netzwerkes, das er selbst initiiert hat und mit dem er auch zusammen arbeiten möchte, zu betreuen und zu überwachen.
3. Der Aussetzungszeitpunkt wurde mit Rücksicht darauf festgelegt, dass ein Empfangsraum bislang nicht vorbereitet und das notwendige Hilfesystem noch nicht verbindlich etabliert ist, beides dürfte in der verbleibenden Zeitspanne von drei Monaten indes zu bewerkstelligen sein.
Die Dauer der Bewährungs- und Führungsaufsichtszeit wurde gem. §§ 56a Abs. 1, 68c Abs. 1 StGB auf 5 Jahre bemessen, um angesichts des nach wie vor bestehenden hohen Bedarfs an Kontroll- und Interventionsmöglichkeiten möglichst langfristig auf den Untergebrachten einwirken zu können. Die Beiordnung eines Bewährungshelfers beruht auf § 68a Abs. 1 StGB.
Die nähere Ausgestaltung von Auflagen und Weisungen wird der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen übertragen, da es sich insoweit um Ermessensentscheidungen handelt, die dem Ausgangsgericht vorbehalten bleiben sollen. Rein vorsorglich weist der Senat insoweit darauf hin, dass eine Weisung bezüglich der Kontakthaltungspflicht zum Bewährungshelfer, wie sie im angefochtenen Beschluss unter Ziffer 6 vorgesehen war, zu unbestimmt wäre, da das Gericht diese Kontakthaltungspflicht selbst konkretisieren muss.
III.
Die Entscheidung, dass die Kosten und Auslagen der Landeskasse aufzuerlegen sind, beruht auf § 473 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 StPO (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage 2016, § 473, Rn. 15).