Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 27.02.2018, Az.: 4 A 2574/16

Asylantragstellung; begründete Furcht vor Verfolgung; Bürgerkrieg; Damaskus; Flüchtlingsanerkennung; Herkunftsort; illegale Ausreise; Issam Zahreddine; Jaramanah; Kriegsverbrechen; längerer Auslandsaufenthalt; Militärdienst; politische Verfolgung; Reservist; soziale Gruppe; Sunniten; Syrien; Wehrdienstentziehung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
27.02.2018
Aktenzeichen
4 A 2574/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74104
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Allein eine illegale Ausreise, ein längerer Aufenthalt im westlichen Ausland und eine Asylantragstellung in Deutschland begründen keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung durch das syrische Regime. Angesichts der großen Anzahl von Flüchtlingen ist davon auszugehen, dass auch dem syrischen Staat bekannt ist, dass die weit überwiegende Anzahl der Flüchtlinge aus Angst vor dem Bürgerkrieg und den daraus resultierenden Folgen das Land verlassen haben. Die Äußerungen des Generalmajors Issam Zahreddine ändern daran nichts, weil er nicht repräsentativ für das syrische Regime steht.

2. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ergibt sich auch nicht aus der sunnitischen Religionszugehörigkeit der Kläger.

3. Auch der Herkunftsort der Kläger (Damaskus und Jaramanah) begründen keine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit. Insbesondere die Flucht der Kläger aus diesen Gebieten spricht gegen eine Unterstützung einer ggf. dort agierenden Opposition.

4. Männlichen Syrern droht infolge einer Wehrdienstentziehung ebenfalls keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungshandlung. Gegen eine solche sprechen bereits die hohen Verluste in der syrischen Armee und der enorme Bedarf an Soldaten, denen das syrische Regime in den letzten Jahren verstärkt durch Zwangsrekrutierungen, Amnestien und Einziehungen jenseits des wehrpflichtigen Alters zu begegnen versucht.

5. Misshandlungen und Folter durch das syrische Regime stellen eine seit Jahrzehnten in Syrien herrschende Brutalität dar, die willkürlich und wahllos erfolgt und daher einer Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund entgegenstehen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren von der Beklagten die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Der am R. 1972 in Damaskus (Syrien) geborene Kläger zu 1. und seine am S. 1987 ebenfalls in Damaskus (Syrien) geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2., sind die Eltern der 2011, 2013 und 2014 in Damaskus (Syrien) geborenen Kläger zu 3. bis 5. Die Kläger sind syrische Staatsangehörige mit arabischer Volks- und sunnitischer Glaubenszugehörigkeit.

Sie reisten nach eigenen Angaben am 06.11.2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und meldeten sich am 18.11.2015 asylsuchend. Am 01.09.2016 stellten sie einen (förmlichen) Asylantrag. Im Rahmen der am gleichen Tag erfolgten Anhörung beschränkten die Kläger ihren Asylantrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung subsidiären Schutzes. Darüber hinaus gaben sie im Wesentlichen an, aufgrund des Krieges in Syrien ausgereist zu seien. Es gebe keine Sicherheit mehr, insbesondere für ihre Kinder nicht. Sie hätten bis 2012 in Damaskus (Stadtteil Saidat Zainab) gelebt und seien anschließend nach Jaramanah geflohen, da es dort sicherer gewesen sei. Im Jahr 2014 sei neben dem Kläger zu 1. eine Granate eingeschlagen, ihm sei aber nichts weiter geschehen. Darüber hinaus wolle der Kläger zu 1., der nach eigenen Angaben von 1992 bis 1994 seinen Wehrdienst geleistet habe, nicht als Reservist eingezogen werden.

Mit Bescheid vom 20.09.2016, zugestellt am 22.09.2016, erkannte die Beklagte den Klägern subsidiären Schutz zu, lehnte ihre Asylanträge im Übrigen aber ab. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus vorlägen, weil davon auszugehen sei, dass den Klägern in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 Asylgesetz (AsylG) drohe. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft seien dagegen nicht gegeben. Die Kläger würden keines der als Verfolgungsgrund in Frage kommenden Anknüpfungsmerkmale verwirklichen. Dies gelte sowohl für die Kriegszustände und Bombenabwürfe in Gebieten unter staatlicher Hoheit als auch für die Furcht des Klägers zu 1., Militärdienst leisten zu müssen. Insbesondere habe der Kläger zu 1. keine Einberufung zum Militär vorgelegt.

Mit ihrer am 06.10.2016 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung verweisen sie auf ihr Vorbringen im behördlichen Verfahren. Die Beklagte habe sich mit der Furcht des Klägers zu 1., zum Militärdienst eingezogen zu werden, nicht auseinandergesetzt. Die Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts (OVG) vom 27.06.2017 (2 LB 91/17) stehe dem nicht entgegen. Gediente Wehrpflichtige müssten auch nach Beendigung des Wehrdienstes unter Umständen bis zu einem Alter von 50 oder 60 Jahren als Reservist mit ihrer Einberufung rechnen. Entlassungen aus dem Militärdienst seien eher die Ausnahme. Jegliche Wehrdienstentziehung stehe unter Strafandrohung, wobei im Falle einer Desertion im Angesicht des Feindes sogar die Todesstrafe drohe. Er, der Kläger zu 1., müsse zudem im Falle seiner Einziehung mit der Beteiligung an Kriegsverbrechen rechnen. Denn die syrische Armee begehe systematisch und massiv Handlungen, die unter § 3 Abs. 2 AsylG fielen. Soweit das Nds. OVG eine plausible Darlegung hinsichtlich des konkreten Militäreinsatzes fordere, stehe dies der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 26.02.2015 – C-472/13) entgegen. Im Übrigen sei der vom Nds. OVG entschiedene Fall nicht mit dem vorliegenden vergleichbar, weil der Kläger zu 1. bereits den Grundwehrdienst durchlaufen habe.

Ergänzend tragen die Kläger vor, dass ihnen für den Fall der Rückkehr wegen ihrer illegalen Ausreise, Asylantragstellung sowie ihrem längeren Auslandsaufenthalt eine Festnahme und Folter drohe, weil davon auszugehen sei, dass einer vermuteten Einstellung gegen das derzeitige politische System in Syrien nachgegangen werde. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft habe (weiterhin) für alle syrischen Flüchtlinge zu erfolgen. Sie verwiesen auf die Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. September 2016 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung.

Aufgrund des gewährten subsidiären Schutzes haben die Kläger von der zuständigen Ausländerbehörde eine (befristete) Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (§ 25 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) erhalten.

In der mündlichen Verhandlung am 27.02.2018 sind die Kläger zu 1. und 2. informatorisch angehört worden. Wegen des Inhalts der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten - Beiakte 006 - sowie der Ausländerbehörde - Beiakten 001 bis 005 und 007 bis 011 - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht trotz des Ausbleibens der Beklagten über die Klage verhandeln und entscheiden.

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Gemäß § 113 Abs. 5 VwGO spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist und wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn der Bescheid der Beklagten vom 20.09.2016 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz (AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

I. Nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, und wenn er keine Ausschlusstatbestände nach § 3 Abs. 2 und 3 sowie 4 Halbsatz 2 AsylG erfüllt.

Gemäß § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953 - EMRK -) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Als Verfolgung in diesem Sinn können unter anderem gelten: Die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (Nr. 1); gesetzliche administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (Nr. 2); unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (Nr. 3); die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung (Nr. 4); die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 fallen (Nr. 5) und Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind (Nr. 6).

Die befürchtete Verfolgung muss wegen eines Merkmals nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erfolgen und zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i. V. m. den in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).

Nach § 3b Abs. 1 Ziffer 5. AsylG ist unter dem Begriff der politischen Überzeugung insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist. Ebenfalls unerheblich ist es, ob er tatsächlich die persönlichen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).

Ob eine begründete Furcht vor politischer Verfolgung vorliegt, beurteilt sich anhand einer Prognose, die eine zusammenfassende Bewertung des gesamten Lebenssachverhaltes verlangt. Die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe ist bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Asylsuchenden in sein Heimatland abzuschätzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.03.1990 - 9 C 14.89 -, juris Rn. 13). Die Prognose stützt sich grundsätzlich auf das bisherige (Verfolgungs-)Schicksal des Schutzsuchenden. Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war (Vorverfolgung), ist ein ernsthafter Hinweis auf die Begründetheit seiner Furcht vor Verfolgung. Die begründete Furcht vor Verfolgung kann allerdings auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung und Ausrichtung ist (§ 28 Abs. 1a AsylG).

Maßstab für die Prognose einer politischen Verfolgung ist, ob dem Ausländer in seinem Heimatland die von ihm geltend gemachten Folgen und Sanktionen mit beachtlichen Wahrscheinlichkeit tatsächlich drohen. Dies setzt voraus, dass nach einer zusammenfassenden Würdigung diejenigen Umstände ein größeres Gewicht besitzen, die für eine Verfolgung sprechen, als diejenigen, die gegen eine solche sprechen. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob ein vernünftig denkender, besonnener Mensch berechtigterweise Furcht vor einer Verfolgung entwickeln würde oder nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23/12 –, juris Rn. 32) und eine Rückkehr in den Heimatsstaat gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden, nach Abwägung aller bekannten Umstände, als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht aber die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus, da ein vernünftig denkender Mensch sie außer Betracht lassen wird. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten. Denn ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs und bestehende Anwendungsmöglichkeiten in seine Betrachtung einbeziehen. Ein Zuwarten ist auch dann nicht zumutbar, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden konnte, dass es zeitlich in nächster Nähe bevorsteht.

Nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es dabei Sache des Asylsuchenden, seine Gründe für eine politische Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, B. v. 26.10.1989 - 9 B 405/89 -, juris Rn. 8). Für die Frage, welche Anforderungen diesbezüglich an den Nachweis asylbegründender Tatsachen zu stellen sind, ist nicht vorrangig entscheidend, ob die jeweilige Tatsache vor oder nach dem Verlassen des Heimatlandes eingetreten ist. Vielmehr ist bei dieser Bewertung ein sachtypischer Beweisnotstand des Asylbewerbers zu berücksichtigen. Dieser betrifft insbesondere asylbegründende Vorgänge außerhalb des Gastlandes, für die deswegen in der Regel die Glaubhaftmachung genügt. Für Vorgänge innerhalb des Gastlandes ist dagegen grundsätzlich der volle Nachweis zu erbringen. Dabei erstreckt sich die Erforderlichkeit vollen Beweises auf die Tatsachen, aus denen der Asylbewerber die Gründe für die Furcht vor politischer Verfolgung herleitet (vgl.BVerwG, Urt. v. 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, juris Rn. 15).

II. Dies zu Grunde gelegt, können die Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht beanspruchen. Ihr Vorbringen sowie die dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel rechtfertigen weder die Annahme einer Vorverfolgung der Kläger noch die Annahme, dass sie im Falle einer (hypothetischen) Rückkehr in ihre Heimat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung ausgesetzt sein werden.

1. Es liegen keine Anknüpfungspunkte für eine Vorverfolgung der Kläger vor.

a) Das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, zwei Brüder des Klägers zu 1. seien für 60 Tage inhaftiert gewesen sowie ein Bruder der Klägerin zu 2. sei im Juli 2012 verschleppt und zwei weitere ihrer Brüder im Dezember 2012 bei einer Straßenkontrolle verhaftet und seitdem nicht mehr gesehen worden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen bestehen bereits erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben, weil die Kläger diese Vorfälle im Rahmen ihrer Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) nicht vorgebracht haben. Vielmehr hat die Klägerin zu 2. dort vorgetragen, sie habe lediglich zwei Brüder in Syrien, von denen einer bereits verstorben und der andere verschwunden sei. Zum anderen ist aber auch nicht ersichtlich, dass den Klägern - allein aufgrund der Verhaftungen der Brüder der Klägerin zu 2. und des Bruders des Klägers zu 1. - ebenfalls eine Verhaftung droht. Im Übrigen sei der Vorfall im Juli 2012 im Stadtteil Saidat Zainab in Damaskus erfolgt. Die Kläger haben aber vorgetragen, dass sie Damaskus im Jahr 2012 (gerade aufgrund der vorgetragenen Spannungen mit den Schiiten) verlassen haben und nach Jaramanah geflohen sind. Dass sie in den drei Jahren, die sie dort vor ihrer Ausreise gelebt haben, verhaftet worden sind, haben weder sie selbst vorgetragen, noch ist dies ersichtlich.

b) Soweit sie darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung (erstmals) vorgetragen haben, der Kläger zu 1. sei zu Beginn des Bürgerkrieges für 20 Tage inhaftiert sowie geschlagen und gefoltert worden, vermag dies nicht die Annahme einer Vorverfolgung zu rechtfertigen. Das Vorbringen der Kläger ist schon nicht glaubhaft. Dass der Kläger zu 1. habe gestehen sollen, an Demonstration teilgenommen zu haben, obwohl dies gar nicht der Fall gewesen sei, ist nicht plausibel. Denn es ist nicht ersichtlich, dass er oder ein Familienmitglied politisch aktiv gewesen ist und sich daraus der (nachvollziehbare) Verdacht einer oppositionellen Tätigkeit hätte gegeben können. Warum das syrische Regime gerade den Kläger zu 1. ohne ersichtlichen Verdacht habe verhaften sollen, erschließt sich dem Gericht nicht. Darüber hinaus ist das Vorbringen auch deshalb nicht glaubhaft, weil die Kläger diesen Vorfall im Rahmen ihrer Anhörung beim Bundesamt nicht erwähnt haben. Dass ihnen von Landsleuten empfohlen worden sei, keine Einzelheiten über die religiösen Auseinandersetzungen zu erzählen, und sie deshalb im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt nichts vom Vorfall erwähnt hätten, sie inzwischen aber Deutsche kennengelernt hätten, die ihnen gesagt hätten, dass sie frei über dieses Thema sprechen könnten, überzeugt nicht. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Verhaftung einen religiösen Hintergrund hatte. Soweit sie vorgetragen haben, den Krieg als solchen zwischen den religiösen Gruppen anzusehen, hätten sie dann vor dem Bundesamt keinerlei Angaben machen dürfen. Gleichwohl haben sie sich in der Anhörung beim Bundesamt zur Lebenssituation in ihrer Heimat, zur Sicherheit und zur Frage des Wehrdienstes geäußert. Warum sie dann Angaben zu diesen Umständen, nicht aber zu einer einschneidenden Inhaftierung verbunden mit Schlägen und Folter gemacht haben, ist nicht nachvollziehbar. Auch dass der Dolmetscher den Klägern erzählt haben soll, dass er Schiit und in Deutschland geboren worden sei sowie im Libanon lebende Eltern habe, die hin und wieder einen schiitischen Schrein besuchen sollen, ist nicht plausibel. Denn hierbei handelt es sich um persönliche Angaben, die regelmäßig nicht Gegenstand einer offiziellen Anhörung beim Bundesamt (auch nicht davor oder danach) sein dürften und auch unbekannten Personen in der Regel nicht erzählt werden. Ungeachtet dessen erschließt sich dem Gericht aber auch bei – unterstellter – Annahme, dass der Dolmetscher tatsächlich Schiit war, nicht, warum dies zu einer Einschüchterung der Kläger geführt haben sollte. Allenfalls wäre dies mit Blick auf die vorgetragenen Auseinandersetzungen zwischen den Schiiten und den Sunniten im Stadtteil Saidat Zainab in Damaskus nachvollziehbar, weil der Vater der Klägerin zu 2. noch immer in diesem Stadtteil wohne. Nicht nachvollziehbar ist aber eine Einschüchterung in Bezug auf die Verhaftungen der Brüder der Klägerin zu 2., des Bruders des Klägers zu 1. und auch nicht in Bezug auf die Verhaftung des Klägers 1., weil selbst die Kläger nicht vorgetragen haben, dass Schiiten an den Vorfällen beteiligt gewesen seien.

Ungeachtet dessen, dass die Angaben der Kläger schon nicht glaubhaft sind, fehlt es auch an einem Zusammenhang zwischen der Inhaftierung des Klägers 1. und der Ausreise. Denn die Verhaftung des Klägers zu 1. soll bereits Anfang des Bürgerkrieges, also 2011/2012, erfolgt sein. Die Kläger haben Syrien allerdings erst im Oktober 2015 verlassen.

2. Die Kläger sind im Falle einer (hypothetischen) Rückkehr in ihre Heimat auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung ausgesetzt.

a) Soweit die Kläger vortragen, dass ihnen durch ihre illegale Ausreise, ihren Aufenthalt im westlichen Ausland und ihren Asylantrag in Deutschland eine Festnahme und Folter drohe, weil davon auszugehen sei, dass einer vermuteten Einstellung gegen das derzeitige politische System in Syrien nachgegangen werde, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Denn allein diese Umstände begründen keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung (so auch: OVG des Saarlandes, Urt. v. 18.01.2018 - 2 A 287/ 17 -, juris Rn. 21; Hamburgisches OVG, Urt. v. 11.01.2018 - 1 Bf 81/17.A -, juris Rn. 50; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22.11.2017 - OVG 3 B 12.17 -, juris Rn. 20; Nds. OVG, B. v. 12.09.2017 - 2 LB 750/17 -, juris Rn. 104; Urt. v. 27.06.2017 - 2 LB 91/17 -, juris Rn. 43; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rn. 42 ff.; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 23.11.2016 - 3 LB 17/16 -, juris Rn. 38).

(1) Es fehlen bereits zureichende Anhaltspunkte für eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungshandlung seitens des syrischen Regimes. Die Kläger haben Syrien vorrangig wegen des dort herrschenden Bürgerkrieges und den sich daraus für ihre Familie ergebenden Folgen verlassen. Insbesondere habe es für ihre Kinder keine Sicherheit gegeben. Nach Überzeugung des Gerichts ist angesichts der erheblichen Zahl der insbesondere in den vergangenen Jahren aus Syrien ausgereisten Personen davon auszugehen, dass auch dem syrischen Staat bekannt ist, dass die weit überwiegende Anzahl der Flüchtlinge - und so auch die Kläger - aus Angst vor dem Bürgerkrieg und den daraus resultierenden Folgen ihr Heimatland verlassen haben. Allein eine illegale Ausreise, Asylantragstellung und/oder ein Auslandsaufenthalt im westlichen Ausland vermögen indes keine Anzeichen für eine oppositionelle Gesinnung zu sein (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 -, juris Rn. 44; OVG für das Land Schleswig-Holstein, Urt. v. 23.11.2016 – 3 LB 17/16 -, juris Rn. 40; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, B. v. 06.10.2016 – 14 A 1852/16.A -, juris Rn. 18).

Aus den Erkenntnismitteln geht hervor, dass es kaum konkrete Informationen über die Behandlung von Rückkehrern nach Syrien gibt (vgl. United Nations High Commissioner for Refugees - UNHCR -, Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien, dt. Version 4/2017, S. 5; Schweizerische Flüchtlingshilfe - SFH -, Syrien: Rückkehrer, 21.03.2017, S. 6; Deutsches Orient-Institut, Auskunft an den Hess. VGH vom 01.02.2017, S. 1). Gegen eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungshandlung spricht schon der Umstand, dass der UNHCR Flüchtlinge, die im Ausland um Asyl nachsuchen, nicht als eigenständige Risikogruppe einstuft (vgl. UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung, November 2015, S. 25 ff.). Dem Auswärtigen Amt (AA) liegen ebenfalls keine Informationen vor, nach denen allein das Stellen eines Asylantrages zu einer Verfolgungsmaßnahme bzw. härteren Bestrafung führt (vgl. Amtshilfeersuchen in Asyl- und Rückführungsangelegenheiten, Stellungnahme an das VG Düsseldorf vom 02.01.2017, 508-9-516.80; Stellungnahme an das OVG Schleswig-Holstein vom 07.11.2016, S. 1). Vielmehr sind Fälle bekannt, in denen syrische Staatsangehörige nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus dem Bundesgebiet für mehrere Monate nach Syrien zurückgekehrt sind (vgl. AA, Stellungnahme an das VG Düsseldorf vom 02.01.2017, 508-9-516.80/48840, S. 5). Auch der Botschaft Beirut liegen keine Erkenntnisse vor, dass Rückkehrern ausschließlich aufgrund des vorangegangenen Auslandsaufenthalts Übergriffe/Sanktionen zu erleiden haben. Fälle, in denen Rückkehrer befragt, zeitweilig inhaftiert oder dauerhaft verschwunden sind, standen überwiegend im Zusammenhang mit oppositionsnahen Aktivitäten und nicht geleistetem Militärdienst (vgl. Auskunft des Referates 313 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 03.02.2016, S. 1).

Die zudem vielfach beobachtete Landeinreise über die Staatsgrenzen (u. a. aus Jordanien, Irak und der Türkei) lässt zwar keine zwingenden Rückschlüsse auf die Umstände einer Einreise aus dem westlichen Ausland über einen der Flughäfen zu, stellt aber ein Indiz dafür dar, dass jedenfalls die Rückkehrer selbst nicht umfängliche Repressalien befürchten. Im Juli 2015 sollen ca. 2.300 aus dem Irak, im August 2015 mehrere tausend Personen über die syrisch-jordanische Grenze und bis Februar 2017 insgesamt 24.000 syrische Flüchtlinge nach Jarabulus zurückgekehrt sein (vgl. SFH 21.03.2017, S. 5, Deutsches Orient-Institut, Auskunft an den VGH Baden-Württemberg vom 22.02.2017, S. 1; Auskunft an den Hess. VGH vom 01.02.2017, S. 1). Angaben des UNHCR zufolge kam es zudem zur Rückkehr von mehr als 440.000 Binnenvertriebenen und mehr als 57.000 Flüchtlingen aus benachbarten Ländern. Seit 2015 sollen insgesamt ca. 260.000 Flüchtlinge zurückgekehrt sein (vgl. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic, Update V, 11/2017, S. 26; UNHCR meldet Anstieg bei Rückkehr nach Syrien, 30.06.2017, abrufbar unter: http://www.unhcr.org/dach/de/15457-unhcr-meldet-anstieg-bei-rueckkehrern-nach-syrien.html, Stand: 20.02.2018). Obgleich dadurch keine zuträglichen Verhältnisse eingekehrt sind (das Hauptmotiv für die Rückkehr dürfte die Sorge um Familienangehörige sowie um das zurückgelassene Hab und Gut gewesen sein), darf diese Entwicklung bei der Auswertung der anderen Erkenntnismittel nicht unberücksichtigt bleiben.

Entgegen der Ansicht der Kläger ergibt sich auch nichts Anderes aus dem Bericht des UNHCR vom November 2017. Denn soweit darin eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung der Risikogruppen angenommen wird, wird dies lediglich in Abhängigkeit der individuellen Umstände des Einzelfalles gesehen (vgl. S. 5, 34 und 39). Die Annahme einer politischen Verfolgung allein aufgrund der pauschalen Zuordnung zu einer oder mehreren Risikogruppen, ergibt sich auch daraus nicht, zumal die im Ausland um Asyl Suchenden schon nicht als eigene Risikogruppe eingestuft werden (siehe auch oben).

Soweit auf die große Anzahl verschwundener und in der Regel unter Misshandlungen getöteter Syrer verwiesen wird, lässt sich den Erkenntnissen nicht entnehmen, dass darunter in nennenswerter Zahl auch rückkehrende Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem westlichen Ausland waren. Gegen eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungshandlung spricht, dass das syrische Regime ein gemäßigtes Verhalten an den Tag legen dürfte, weil es auf seine Reputation - zumindest gegenüber ausländischen Staaten - bedacht ist. Ferner sind die (hypothetisch) aus dem westlichen Ausland Zurückkehrenden zu einem großen Teil namentlich bekannt und stehen unter Beobachtung der rückführenden Staaten und/oder humanitärer Organisationen, was ebenfalls gegen eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungshandlung durch das syrische Regime spricht (so auch: Nds. OVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 -, juris Rn. 50).

Die an Flüchtlinge gerichtete Äußerung von Issam Zahreddine, Generalmajor und einer der wichtigsten Militärs der syrischen Armee: „Kehrt nicht zurück! Selbst wenn der Staat euch vergibt, wir werden niemals vergessen und verzeihen“ (vgl. Spiegel online vom 11.09.2017, Assads Top-General droht Flüchtlingen, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-krieg-top-general-issam-zahreddine-droht-fluechtlingen-a-1167093.html, Stand: 20.02.2018), vermag nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. Zum einen ist er am 18.10.2017 ums Leben gekommen (vgl. Deutsches Orient-Institut, Auskunft an das VG Freiburg vom 29.11.2017, S. 1). Zum anderen kommt Äußerungen einzelner militärischer Befehlshaber dann kein entscheidendes Gewicht zu, wenn - wie vorliegend - aufgrund von Äußerungen anderer höherrangiger Vertreter des syrischen Regimes ersichtlich ist, dass er nicht repräsentativ für das Regime spricht (vgl. Nds. OVG, B. v. 12.09.2017 – 2 LB 750/17 -, juris Rn. 104). Im Übrigen hat der genannte Generalmajor seine Aussage selbst relativiert. Schließlich geht bereits aus der o. g. Äußerung hervor, dass diese nicht repräsentativ für das Regime steht, weil eine Verfolgung auch für den Fall angedroht wird, in dem der Staat (also das syrische Regime) den Flüchtlingen vergibt.

Dass die ins westliche Ausland Geflohenen bei ihrer Rückkehr nach Syrien leicht identifiziert werden und auch nur über bestimmte Flughäfen einreisen können, führt ebenso wenig zu einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungshandlung, wie eine grüppchenweise (hypothetische) Rückkehr der Geflohenen (so aber: VG Göttingen, Urt. v. 23.08.2017 – 3 A 546/17 -, juris Rn. 15). Denn auch in diesen Fällen besteht für das syrische Regime keine Veranlassung zu einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungshandlung, wenn es - wovon das Gericht ausgeht - annimmt, dass Grund für die Ausreise die Furcht vor dem Bürgerkrieg und seinen Folgen war. Diese Annahme wird durch die stetig wachsende Zahl der Flüchtlinge gestützt, da auch das syrische Regime angesichts dieser Zahlen nicht ernsthaft in jedem Flüchtling einen politischen Oppositionellen sehen kann. Nach Angaben des UNHCR vom 13.12.2017 sind mehr als 6,4 Mio. Syrer auf der Flucht, davon ca. 1 Mio. syrische Flüchtlinge im westlichen Europa (vgl. Hamburgisches OVG, Urt. v. 11.01.2018 – 1 Bf 81/17.A -, juris Rn. 130).

(2) Selbst wenn eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungshandlung angenommen werden würde, fehlt es an der notwendigen Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i. V. m. § 3b AsylG. Denn die Übergriffe erfolgen wahllos und willkürlich. Dafür, dass die Handlungen des syrischen Regimes allein aufgrund der eingeschränkten Informationslage nach außen hin willkürlich erscheinen (so etwa: VG Göttingen, Urt. v. 23.08.2017 - 3 A 546/17 -, juris Rn. 16), bestehen keine zureichenden Anhaltspunkte.

Nach Auswertung der Erkenntnismittel bestehen keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass das syrische Regime mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Rückkehrer wegen ihrer illegalen Ausreise und/oder der Asylantragstellung und/oder dem längeren Aufenthalt im westlichen Ausland eine abweichende politische Gesinnung zuschreiben wird. Dem syrischen Staat muss auch in diesem Zusammenhang gegenwärtig sein, dass es sich angesichts der großen Vielzahl der Flüchtenden mehrheitlich nicht um Oppositionelle, sondern um „schlichte“ Bürgerkriegsflüchtlinge handelt, die gerade den militärischen Konflikten in ihrem Heimatland ausweichen wollten (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 -, juris Rn. 52).

Dies bestätigt auch die Stellungnahme des Immigration and Refugee Board of Canada - IRB - vom 19.01.2016, wonach Rückkehrer vom syrischen Staat nicht ohne weiteres als Regimegegner angesehen werden. Denn danach sollen jedes Jahr hunderttausende Flüchtlinge aus den Anrainerstaaten nach Syrien einreisen, um dort persönliche Angelegenheiten zu regeln, nach ihrem Hab und Gut zu schauen oder Dokumente einzuholen, bevor sie wieder in die benachbarten Länder zurückkehren (vgl. S. 1 unter Nr. 1 „Überblick“). Eine solch umfangreiche Reisetätigkeit zeigt, dass die in die benachbarten Länder Geflohenen trotz des (extrem) repressiven Charakters des syrischen Staates davon ausgehen, im Rahmen der Grenzübergänge zu Syrien keiner gravierenden Gefährdung ausgesetzt zu sein (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 21.02.2016 - 14 A 2316/16.A -, juris Rn. 53).

Die Annahme, erfolglose Asylbewerber aus dem westlichen Ausland würden - im Gegensatz zu den in die Anrainerstaaten Syriens Geflüchteten - deshalb (unterschiedslos) als Oppositionelle betrachtet, weil die syrische Regierung eine von außen organisierte und finanzierte Verschwörung gegen das Land für den Ursprung des Bürgerkriegs verantwortlich mache, ist reine Spekulation. Während eine solche Sichtweise vor 2011 aufgrund der damals geringen Flüchtlingszahlen noch nachvollziehbar war (obgleich auch nach dem Bericht des AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien, 27.09.2010, S. 21, bereits zum damaligen Zeitpunkt allein eine Asylantragstellung oder längerfristiger Auslandaufenthalt kein Grund für Verhaftungen oder Repressalien war), kann dies mit Blick auf die inzwischen hohe Zahl der ins westliche Ausland geflüchteten und hypothetisch zurückkehrenden Syrer nicht mehr ernsthaft angenommen werden. Zudem ist die Beteiligung zahlreicher (Groß-)Mächte an den Auseinandersetzungen mittlerweile offenkundig (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.06.2017 - 2 LB 91/17 -, juris Rn. 59).

Soweit teilweise eine politische Verfolgung durch staatliche Kräfte bei einer Rückkehr nach Syrien angenommen wird (vgl. UNHCR 4/2017, S. 30), fehlen Erkenntnisse dahingehend, dass das syrische Regime allen Rückkehrern dem Grunde nach eine oppositionelle Haltung zuschreiben würde. Zum einen beruhen die dem UNHCR zu Grunde liegenden Einschätzungen lediglich auf Berichten/Wertungen einzelner Personen und dabei vor allem auf „Hörensagen“, nicht aber auf zurechenbaren Äußerungen von Personen, die aus eigener Erfahrung über verschiedene Einzelfälle berichten können. Einzelschicksale sind danach gerade nicht nachprüfbar. Sowohl die Äußerungen einer emeritierten Professorin für Anthropologie und erzwungener Migration an der Oxford Universität als auch die des Executive Direktors des Syria Justice and Accountability Center sind lediglich Wiedergaben von deren Einschätzungen der Lage; sie benennen aber selbst keine konkreten Einzelfälle. Soweit danach Rückkehrer vom syrischen Regime teilweise gefoltert würden, um Informationen über andere Asylbewerber/Oppositionelle zu gewinnen, offenbart dies lediglich ein wahllos routiniertes Zugreifen mit dem Ziel, überhaupt erst verwertbare Informationen über regimegegnerische Bestrebungen zu erlangen. Eine auf einen Verfolgungsgrund gerichtete Maßnahme vermag dies nicht darzustellen. Die Äußerung eines Gastwissenschaftlers des Kings College London trägt die Annahme des UNHCR schon deshalb nicht, weil dieser lediglich erklärt hat, ein rückkehrender Asylbewerber könne festgenommen werden, was aber nicht automatisch erfolge: Während einige Regierungsmitarbeiter Rückkehrer als Regierungskritiker betrachten würden, würden andere Regierungsmitarbeiter anerkennen, dass es auch andere Gründe gebe, das Land zu verlassen (vgl. UNHCR 4/2017, S. 30 FN 146).

Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des UNHCR zum IRB vom 19.01.2016 gilt nichts anderes, da dem dort unter Nr. 3 geschilderten Fall eines aus Australien rückkehrenden Asylbewerbers besondere Umstände zu Grunde liegen, die über die bloße illegale Ausreise und Asylantragstellung im Ausland hinausgehen, indem er wegen seiner Herkunftsregion und des mitgeführten Geldes in den Verdacht eines Revolutionsfinanciers gekommen war (vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16.OVG -, juris Rn. 91-93). Auch das vom UNHCR 4/2017 weiter zitierte US Departement of State bleibt in seinem „Country Report on Human Rights Practices for 2015“ für Syrien (S. 34) konkrete Einzelfälle schuldig. Dass dem Grunde nach jeder rückkehrende Asylbewerber als vermeintlicher Oppositioneller vom syrischen Staat Verfolgungshandlungen zu befürchten hat, ergibt sich daraus auch deshalb nicht, weil der Bericht auf ein Gesetz verweist, das denjenigen mit Verfolgung bedroht, der in einem anderen Land Zuflucht sucht, um einer Strafe in Syrien zu entgehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 21.02.2016 - 14 A 2316/16.A -, juris Rn 54 ff.). Soweit schließlich zum Teil auf Quellen aus der Zeit vor 2011 verwiesen wird (vgl. UNHCR, 4/2017, S. 30 FN 146), die die Gleichstellung einer illegalen Ausreise und Asylantragstellung mit einer regimefeindlichen Gesinnung belegten, sind diese Einschätzungen bereits aufgrund der inzwischen gravierenden Veränderung der politischen Situation und des infolgedessen - ohne die ca. 6,6 Mio. Binnenflüchtlinge - auf rd. 4,8 Mio. angewachsenen Flüchtlingsstroms (vgl. Amnesty International - AI -, Amesty Report 2017, Syrien, 22.02.2017, S. 2) - Ende 2011 waren es lediglich ca. 19.900 - überholt (im Ergebnis ebenso: OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 29.03.2017 - 3 L 249/16 -, juris Rn. 10 f.).

Der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH v. 21.03.2017 Syrien: Rückkehr, S. 6 ff.) sind ebenfalls keine konkreten Einzelfälle zur Behandlung von Rückkehrern zu entnehmen. Sie verweist ihrerseits lediglich u. a. auf das IRB Canada vom 19.01.2016 und auf die darin erwähnten Informationen sowie auf die Stellungnahme des US Department of State. Im Übrigen ergibt sich aber auch aus ihr, dass in Syrien Willkür herrscht, vieles unvorhersehbar ist und die Risiken bei der Grenzüberquerung von den jeweiligen Umständen abhängen und sich von Fall zu Fall unterscheiden (S. 9).

Den Verfassungsschutzberichten lässt sich eine systematische Beobachtung aller mittlerweile im Bundesgebiet lebenden Syrer ebenfalls nicht entnehmen. Ungeachtet dessen, dass eine solche angesichts der großen Zahl der hier lebenden syrischen Flüchtlinge bereits faktisch ausgeschlossen ist, betrifft die Beobachtung vorrangig oppositionelle Tätigkeiten (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 - juris, Rn. 121).

Die generell nicht auszuschließende Misshandlung oder Folter bei der Rückkehr stellt als solches kein wesentliches Indiz für eine politische Motiviertheit der Verfolgung dar. Denn dieses Verhalten ist nicht erst anlässlich der aktuellen bürgerkriegsähnlichen Situation seit 2011 anzutreffen, sondern ist bereits aufgrund des seit 1963 bestehenden Ausnahmezustandes zu beobachten. Das syrische Regime hat schon in der Vergangenheit systematisch Gewalt angewandt, ohne parlamentarischen oder gerichtlichen Kontrollmechanismen unterworfen zu sein. Schon unter Hafis al-Assad wurde jegliche Opposition brutal unterdrückt, wobei in der Zeit von 1980 bis 2010 ca. 17.000 Personen verschwunden sein sollen (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien, 27.09.2010, S. 17; Lange, „Ein historischer Überblick“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2013 S. 37, 42 f.).

Jene Übergriffe erfolgen aber ohne Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund, weil sie unterschiedslos, letztlich wahllos erfolgen (vgl. BVerwG, B. v. 27.04.2017 - 1 B 63/17 -, juris Rn. 11, OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rn. 90). Denn soweit Rückkehrer unter Drangsalierungen bis hin zur Folter befragt werden sollten, würde es sich dabei um ein willkürliches Verhalten des syrischen Regimes handeln, das von keiner irgendwie gearteten Gerichtetheit bestimmt ist. Durch dieses wahllos-routinierte Vorgehen sollen überhaupt erst Hinweise gewonnen werden, aufgrund derer eine Zuschreibung von Verfolgungsgründen erfolgen könnte (vgl.OVG des Saarlandes, Urt. v. 09.11.2017 - 2 A 232/17 -, juris Rn. 29). Danach werden Personen ohne bestimmten Grund entsprechend der weit verbreiteten Willkür und des Machtmissbrauchs durch Sicherheitsbeamte inhaftiert und misshandelt, wobei das System äußerst unvorhersehbar agiert. Alle Personen sind einem Misshandlungsrisiko durch Grenzbehörden ausgesetzt, die einzelnen regierungstreuen Sicherheitsbereiche hätten gleichsam freie Hand erhalten (vgl. UNHCR-Bericht 4/2017, S. 6 FN 32 und S. 18). Das willkürliche Vorgehen zeigt sich auch darin, dass die Sicherheitskräfte im Zuge der Bekämpfung der Opposition von dem syrischen Regime eine „carte blanche“ erhalten haben und jeder für sich im rechtsfreien Raum agiert (vgl. AA, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien, 17.02.2012, S. 11). Syrische Sicherheitsbeamte würden nach Belieben Menschen verhaften und verschwinden lassen (vgl. SFH v. 21.03.2017, S. 9).

b) Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus einem der Gründe des § 3 AsylG ergibt sich auch nicht aus der sunnitischen Religionszugehörigkeit der Kläger. Soweit Mitglieder religiöser Gruppen wie der Sunniten in eine Risikogruppe eingestuft werden (vgl. UNHCR v. November 2015, S. 26), führt dies nicht zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer hier notwendigen Verfolgung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22.11.2017 - OVG 3 B 12.17 -, juris Rn. 39). Denn nach dem UNHCR werden nahezu alle Einwohner Syriens als religiöse Risikogruppen angesehen (Sunniten, Alawiten, Ismailis, Zwölfer-Schiiten, Drusen, Christen und Jesiden), was dessen Aussagekraft schwächt. Darüber hinaus fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass Sunniten verfolgt werden. Die Sunniten machen den größten Teil der syrischen Bevölkerung aus, wobei sie auch in der Mittelschicht und teilweise in der Wirtschaftselite vertreten sind. Im Übrigen erscheint eine Verfolgung durch das syrische Regime auch deshalb nicht beachtlich wahrscheinlich, weil es selbst einer religiösen (Minderheits-)Gruppe, nämlich den Alawiten, angehört (so auch: Nds. OVG, Urt. v. 27.06.2017 - 2 LB 91/17 -, juris Rn. 69).

c) Ebenso wenig führt der Umstand, dass die Kläger aus Damaskus stammen und (nach eigenen Angaben) 2012 nach Jaramanah gegangen seien, zur Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus einem der in § 3 AsylG genannten Gründen. Zwar stuft der UNHCR Personen, die aus (vermeintlich) regierungsfeindlichen Gebieten stammen, als Risikogruppe ein, wobei im Falle der Wiedererlangung der Kontrolle durch die syrische Regierung zahlreiche Personen aufgrund der ihnen zugeschriebenen Sympathie für regierungsfeindliche Gruppen festgenommen werden (UNHCR 4/2017, S. 18 ff.; UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung, November 2015, S. 13 f. und 26). Ungeachtet dessen, dass Damaskus (nunmehr wieder) und Jaramanah unter der Kontrolle des syrischen Regimes stehen, widerspricht es aber auch der Lebenserfahrung, dass diejenigen, die vor den Auseinandersetzungen in ihrer Region (ins Ausland) fliehen, vom syrischen Regime als Bedrohung angesehen werden. Denn diese sind dem Konflikt gerade aus dem Weg gegangen, was insbesondere auch gegen eine Unterstützung oppositioneller Gruppen spricht (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 -, juris Rn. 71; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 – 1 A 10922/16 -, juris Rn. 167). Ebenso spricht die Vielzahl von Binnenvertriebenen, die sich auf ca. 6,3 Mio. Personen beläuft, gegen eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung (vgl. Hamburgisches OVG, Urt. v. 11.01.2018 – 1 Bf 81/17.A -, juris Rn. 54). Eine Vielzahl von ihnen dürfte ursprünglich aus Regionen stammen, die derzeit oder zeitweise während des Bürgerkrieges in der Hand regierungsfeindlicher Gruppen waren bzw. sind. Inzwischen sind im 1. Halbjahr 2017 ca. 440.000 der Vertriebenen in ehemals von regierungsfeindlichen Gruppen gehaltene Gebiete zurückgekehrt, insbesondere nach Hama, Homs und Damaskus (vgl. UNHCR, UNHCR meldet Anstieg bei Rückkehr nach Syrien, 30.06.2017, a. a. O.).

d) Soweit der Kläger zu 1. vorträgt, seine Heimat aus Furcht vor einer Einberufung zum Militärdienst verlassen zu haben, führt dies ebenfalls nicht zur Annahme einer Verfolgung im oben dargelegten Sinn. Denn ihm droht aufgrund seiner Wehrdienstentziehung keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungshandlung.

(1) Gemäß Art. 40 der syrischen Verfassung müssen männliche Staatsangehörige ab 18 Jahren einen obligatorischen Militärdienst leisten. Sie sind bis zu einem Alter von 42 Jahren wehrpflichtig. Seit einigen Jahren ist eine Verschiebung der Altersgrenzen zu beobachten. So werden Reservisten teilweise bis zu einem Alter von 60 Jahren rekrutiert; auch Minderjährige werden zum Militärdienst herangezogen, wobei teilweise von rekrutierten Kindern im Alter von 13 Jahren, teilweise aber auch von siebenjährigen Kindern berichtet wird. Während die Militärdienstzeit ursprünglich bis zu 21 Monaten betrug, ist sie inzwischen nicht mehr begrenzt (vgl. SFH, Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentzug, Desertion, 23.03.2017, S. 4 f.). Es gibt weder Möglichkeiten, den Wehrdienst zu verweigern (UNHCR 4/2017, S. 23), noch offizielle Entlassungen aus dem Militärdienst, die letzte Entlassungsrunde hat im Jahr 2011 stattgefunden. Möglichkeiten der Freistellung und des Aufschubs des Militärdiensts (insbesondere für Studenten und Staatsangestellte) wurden mit der Zeit immer stärker eingeschränkt (SFH, Vorgehen der syrischen Armee bei der Rekrutierung, 18.01.2018, S. 4; Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015, S. 3 und 5; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Österreich, Fact Finding Mission Report Syrien, August 2017, S. 19).

Wehrdienstentziehung und Desertion stehen in Syrien unter Strafandrohung. Gemäß Art. 68 des Military Penal Code von 1950, der 1973 angepasst wurde, werden Personen, die sich der Einberufung entziehen, in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten und in Kriegszeiten mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. Wer das Land, ohne eine Adresse zu hinterlassen, verlässt und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft. Desertion wird mit Haftstrafen von fünf bis 15 Jahren geahndet. Wer im Angesicht des Feindes desertiert, wird gem. Art. 102 mit lebenslanger Haft bestraft. Exekution ist gemäß Art. 102 im Falle des Überlaufens zum Feind und nach Art. 105 bei geplanter Desertion im Angesicht des Feindes vorgesehen (SFH v. 23.03.2017, S. 8 f.).

Wehrdienstpflichtige Männer unterliegen in Syrien zudem bestimmten Ausreisebeschränkungen. Wer die Ausstellung eines Passes begehrt, bedarf der Bewilligung der Armee bzw. seines Rekrutierungsbüros. Seit März 2012 bedarf auch die Ausreise selbst der Bewilligung durch die Armee. Ab Oktober 2014 musste neben der Ausreisebewilligung durch die Armee zudem ein Depot von 50.000 syrischen Pfund hinterlegt werden, das erst bei der Rückkehr wieder ausgehändigt wurde. Darüber hinaus muss eine Person (Beamter oder Kaufmann) die Rückkehr des Ausreisewilligen garantieren. Am 20.10.2014 trat sodann ein generelles Ausreiseverbot für zwischen 1985 und 1991 geborene Männer in Kraft (SFH v. 23.03.2017, S. 13 f.).

(2) Dies zu Grunde gelegt, kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger zu 1. bei (hypothetischer) Rückkehr nach Syrien Gefahr läuft, wegen Wehrdienstentziehung bestraft und/oder dem Militärdienst zugeführt zu werden. Denn eine Entziehung von der Pflicht setzt den Erhalt eines Einberufungsbescheids voraus (vgl. Hamburgisches OVG, Urt. v. 11.01.2018 – 1 Bf 81/17.A -, juris Rn. 102). Dass der Kläger zu 1. einen solchen erhalten hat, hat er nicht vorgetragen. Darüber hinaus unterfällt der 1972 geborene Kläger nicht dem generellen Ausreiseverbot, da dieses nur für zwischen 1985 und 1991 geborene Männer gilt. Auch hat er das eigentliche Wehrdienstalter (42 Jahre) bereits überschritten. Zudem hat er weder vorgetragen, noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er über besondere Qualifikationen verfügt, die ihn für die syrische Armee besonders begehrt erscheinen lassen (vgl. Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Fact Finding Mission Report Syrien, August 2017, S. 22 und The Danish Immigration Service, Syria: Recruitment Practices in Government-controlled Areas and in Areas under Opposition Control, Involvement of Public Servants and Civilians in the Armed Conflict and Issues Related to Exiting Syria, August 2017, S. 10, wonach sich die Rekrutierung auch nach den besonderen Qualifikationen des Einzelnen richtet). In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1. zwar erklärt, bei einer Sonder-/Spezialeinheit seinen Grundwehrdienst abgeleistet zu haben. Ungeachtet bestehender Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben aufgrund der sehr allgemein gehaltenen Angaben, ergeben sich aus einer Tätigkeit in der Telekommunikationsabteilung einer Sonder-/Spezialeinheit nicht ohne Weiteres besondere Fähigkeiten. Gleichwohl müsste auch der derzeitig 45jährige Kläger zu 1. aufgrund der allgemeinen Erhöhung der Altersgrenze und der stetig wachsenden Rekrutierungspraxis des syrischen Regimes mit einer künftigen Einziehung rechnen. Denn im Falle seiner Einreise über die staatlich kontrollierten Flughäfen wird ein Abgleich mit Datenbanken und Kontrolllisten zu wehrdienstpflichtigen Personen durchgeführt (vgl. SFH v. 18.01.2018, S. 3; Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Syrien, 05.01.2017, S. 7; S. 24).

(a) Anders als der Kläger aber meint, führt der Umstand, dass er – nach eigenen Angaben – bereits seinen Grundwehrdienst geleistet habe, nicht zu einer von Nichtgedienten abweichenden Beurteilung. Insbesondere ist die Gefahr von Verfolgungshandlungen deshalb bei ihm nicht höher einzustufen. Denn eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung ist grundsätzlich unabhängig davon, ob der Betroffene erstmals oder als Reservist einberufen wird bzw. mit einer Einberufung konkret rechnen muss, zu verneinen (vgl. Nds. OVG, B. v. 12.09.2017 – 2 LB 750/17 -, juris Rn. 57; Urt. vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17 -, juris Rn. 72). Im Übrigen vermag das Gericht keinen nennenswerten Unterschied zwischen erstmals Einberufenen und Reservisten zu erkennen. Zwar dürften Reservisten aufgrund ihrer durch den bereits geleisteten Militärdienst erworbenen Vorkenntnisse für die syrische Armee grundsätzlich von höherem Interesse sein. Gleichwohl zeigen die dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel, dass vor dem Hintergrund der hohen Verluste der syrischen Armee und des erheblichen Interesses an ihrer Stärkung, auch zahlreiche bisher Ungediente (auch jenseits der eigentlichen Altersgrenzen) zum Militärdienst herangezogen werden. Eine nennenswerte Unterscheidung dahingehend, dass vorrangig bereits Gediente eingezogen werden und bei ihnen die Gefahr einer Einberufung signifikant höher ist, ergibt sich aus ihnen nicht.

(b) Darüber hinaus vermag allein die Einberufung zum Militärdienst als solches keine politische Verfolgung darzustellen (vgl. Nds. OVG, B. v. 08.02.2018 - 2 LA 1784/17 -, juris Rn. 11; Urt. v. 27.06.2017 - 2 LB 91/17 -, juris Rn. 77; OVG des Saarlandes, Urt. v. 18.05.2017 - 2 A 176/17 -, juris Rn.28). Grundsätzlich hat jeder souveräne Staat das Recht, seine Staatsangehörigen zum Wehr- und Militärdienst einzuziehen. Die Bestrafung derjenigen, die sich dem Militärdienst gezielt durch ihre illegale Ausreise entziehen, führt nicht zur Annahme einer politischen Verfolgung. Denn die Strafbarkeit allein genügt selbst dann nicht für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgungshandlungen, wenn sie von einem totalitären Regime ausgeht. Sie schlägt erst dann in politische Verfolgung um, wenn die Behörden aufgrund der Verwirklichung des Straftatbestandes auf eine Regimegegnerschaft schließen und die strafrechtliche Sanktion nicht (nur) der Ahndung des Unrechts, sondern auch der Bekämpfung des politischen Gegners dient (vgl. BVerwG, B. v. 24.04.2017 – 1 B 22/17 -, juris Rn. 14; Urt. v. 25.06.1991 – 9 C 131.90 –, juris Rn. 19; Urt. v. 19.09.1986 – 9 C 322/85 -, juris Rn. 11). Zudem vermag eine ordnungsrechtliche Sanktion für die Verletzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht nicht als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung angesehen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.02.2009 – 10 C 50.07 -, juris Rn. 24). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die zu erwartenden Maßnahmen des syrischen Regimes die Intensität einer Verfolgungshandlung erreicht. Die Heranziehung des Klägers zu 1. zum Wehrdienst ist Ausdruck einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht, die grundsätzlich auch totalitäre Staaten von ihren Staatsbürgern einfordern können. Dass das syrische Regime Zwangsrekrutierungen durchführt, vermag hieran nichts ändern. Denn hierbei handelt es sich um eine übliche Staatspraxis, um in Kriegszeiten eine ausreichend große Streitmacht vorhalten zu können. Auch die kurze Ausbildungszeit und der Umstand, dass häufig unverzüglich eine Verschickung an die Front erfolgt (SFH v. 28.03.2015, S. 4), ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass das syrische Regime in weiten Teilen des Landes Kampfeinsätzen nachgeht. Eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungshandlung kann aus alledem nicht geschlossen werden (vgl. Hamburgisches OVG, Urt. v. 11.01.2018 – 1 Bf 81/17.A -, juris Rn. 141; Nds. OVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 -, juris Rn. 82).

Sollte es im Falle des Klägers zu 1. zu einer Strafverfolgung kommen, müsste er mit Blick auf den oben dargelegten Strafrahmen mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße rechnen. Nach Informationen eines hochrangigen syrischen Militärangehörigen werden Wehrdienstentzieher in der Praxis nach zwei Jahren Abwesenheit in einem Verfahren in Abwesenheit von einem Militärgericht zu Haftstrafen von einem halben bis zu einem Jahr verurteilt (vgl. SFH v. 18.01.2018, S. 7). Ungeachtet dessen, dass es sich hierbei um eine Sanktion für die Verletzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht handelt, ist der genannte Strafrahmen als solches nicht zu beanstanden (so auch Nds. OVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 -, juris Rn. 83). Dies gilt jedenfalls für Strafen wegen Militärdienstverweigerung außerhalb der Desertionsfälle, wobei letztere mit Blick auf den Kläger zu 1. keine Rolle spielen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Kläger zu 1. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit darüber hinaus gehende Sanktionen (menschenrechtswidrige Behandlung bis hin zu Folter) drohen. Weder haben die Kläger dies vorgetragen, noch ergibt sich dies aus den vorliegenden Verwaltungsvorgängen. Eine solche Vorgehensweise würde dem Potential, der syrischen Armee dringend benötigte Soldaten zuzuführen, zuwiderlaufen. Mit der Rekrutierung insbesondere von ins Ausland geflohenen Wehrpflichtigen kann die syrische Armee einen Teil ihres erheblichen Bedarfs an einsatzbereiten Soldaten decken (so auch Hamburgisches OVG, Urt. v. 11.01.2018 – 1 Bf 81/17.A -, juris Rn. 124 ff.; Nds. OVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 -, juris Rn. 83; OVG Saarland, Urt. v. 06.06.2017 – 2 A 283/17 -, juris Rn. 31; Urt. v. 18.05.2017 – 2 A 176/17 -, juris Rn. 30; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 – 1 A 10922/16 -, juris Rn.156; VG Düsseldorf, Urt. v. 05.09.2017 – 17 K 9692/16.A -, juris Rn. 112). Während sie ursprünglich über ca. 300.000 Militärangehörige verfügte, waren es im November 2016 nach Schätzungen nur noch ca. 50.000. Um die Verluste zu kompensieren, erließ die syrische Regierung in den letzten Jahren bereits verschiedene Maßnahmen. Sie verhaftete Deserteure und Personen, die sich dem Wehrdienst entzogen haben, und führte Zwangsrekrutierung durch. Bis 2016 erließ sie aber auch mindestens neun Amnestien, die u. a. Deserteuren und Wehrdienstverweigerern Straffreiheit versprachen. Zudem wurde der Soldatensold erhöht, um Anreize für den Eintritt in den Militärdienst zu schaffen (SFH v. 23.03.2017, S. 2 f. und 12). Zur Mobilisierung von Männern, die sich dem Militärdienst entzogen haben, wurden ferner mobile Checkpoints errichtet, wobei Sicherheitsdienste anhand von Fahndungslisten Razzien durchführten. In der Folge kam es im Jahr 2014 zu über 5.400 Verhaftungen von wehrdienstpflichtigen jungen Männern (vgl. SFH, Mobilisierung in die syrische Armee, 28.03.2015, S. 3). Neben zunehmenden Einschränkungen von Freistellungen (z.B. für Studenten), vermehrten Einberufungen von inhaftierten Beamten und religiösen Minderheiten (vgl. SFH v. 18.01.2018, S. 4), rekrutiert die syrische Armee auch zunehmend Personen jenseits der eigentlichen Altersgrenzen (vgl. Bundesamt für Fremdenwegen und Asyl, Österreich, Fact Finding Mission Report Syrien, August 2017, S. 18). Diese Maßnahmen belegen das Bestreben des syrischen Regimes, das Militär zu stärken (so auch: UNHCR, Weitere aktuelle Herkunftslandinformationen zum Themenkreis der Entziehung vom Wehrdienst in Syrien, Stellungnahme an den Hess. VGH – 3 A 3040/16.A -, 30.05.2017, S. 6; UNHCR 4/2017, S. 24). Die teilweise während der Inhaftierung zu verzeichnenden unmenschlichen Behandlungen bis hin zu Folter (vgl. UNHCR 4/2017, S. 23; SFH v. 18.01.2018, S. 7, wo lediglich auf die vom UNHCR beschriebenen Praxis verwiesen wird; Danish Immigration Servie, Syria: Update on Military Service, Mandatory Self-Defence Duty and Recruitment tot he YPG, September 2015, S. 18), vermögen zu keiner anderen Bewertung zu führen. Ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um belastbare Angaben handelt, kann jedenfalls keine politische, den Kläger zu 1. individuell treffende Richtung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgemacht werden. Denn mit ihnen soll der Betroffene zum Wehrdienst angehalten werden, nicht aber für etwaige politische Überzeugungen bestraft werden (so auch VG Düsseldorf, Urt. v. 05.09.2017 – 17 K 9692/16.A -, juris Rn. 103; UNHCR, Weitere aktuelle Herkunftslandinformationen zum Themenkreis der Entziehung vom Wehrdienst in Syrien, Stellungnahme an den Hess. VGH – 3 A 3040/16.A -, 30.05.2017, S. 3, wonach nicht festzustellen ist, ob die Sanktionen als Antwort auf die Straftat der Wehrdienstentziehung oder auf einer unterstellten oppositionellen Überzeugung erfolge).

(c) Selbst wenn eine Verfolgungshandlung als beachtlich wahrscheinlich angenommen werden würde, fehlt es an der notwendigen Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das syrische Regime die Rekruten nach bestimmten Eigenschaften oder politischen Überzeugungen auswählt (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 04.05.2017 - 14 A 2023/16.A -, juris Rn. 70; VG Düsseldorf, Urt. v. 05.09.2017 – 17 K 9692/16.A -, juris Rn. 83). Auch dass die syrische Regierung pauschal in jedem, der sich dem Militärdienst durch illegale Ausreise entzogen hat, einen politischen Gegner sieht, liegen keine gesicherten Hinweise vor. Denn das syrische Regime rekrutiert alle Männer, unabhängig von ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund (vgl. SFH v. 28.03.2015, S. 2) und auch unabhängig davon, ob es sich um Unterstützer des Regimes oder um Oppositionelle handelt (vgl. SFH v. 30.07.2014, S. 7; v. 23.03.2017, S. 7 und The Danish Immigration Service, Syria: Recruitment Practices in Government-controlled Areas and in Areas under Opposition Control, Involvement of Public Servants and Civilians in the Armed Conflict and Issues Related to Exiting Syria, August 2017, S. 8, wonach bei Kapitulationsverhandlungen über Gebiete, die von der Opposition besetzt waren, verlangt wird, dass die jungen Männer der Region in die syrische Armee eintreten). Darüber hinaus kann sich das syrische Regime angesichts der erbitterten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den zahlreichen beteiligten Mächten/Gruppierungen nicht der Annahme verschließen, dass die Furcht von Wehrpflichtigen vor den Gefahren eines Kriegseinsatzes ein erhebliches unpolitisches Motiv für eine Flucht darstellt (vgl. OVG des Saarlandes, Urt. v. 17.10.2017 – 2 A 365/17 -, juris Rn. 26; Nds. OVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17 -, juris Rn. 87; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 04.05.2017 - 14 A 2023/16.A -, juris Rn. 61, OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rn. 159). Dies verdeutlichen auch die Zahlen derjenigen, die sich im Militärdienst entzogen haben. So haben sich im Jahr 2012 von 8.000 dienstpflichtigen Rekruten nur 450 und von 7.000 Reservisten nur 250 zum Dienst gemeldet. Tausende dienstpflichte syrischen Männer halten sich in ländlichen Gebieten versteckt oder sind außer Landes geflohen (SFH v. 28.03.2015, S. 1). Auch das syrische Regime dürfte angesichts dieser Zahlen, die sich in den Folgejahren noch erhöht haben dürften, weder bei allen, noch bei der überwiegenden Anzahl von Wehrdienstentziehern eine oppositionelle Gesinnung annehmen.

Soweit diese Sichtweise teilweise als unzutreffend angesehen wird, weil sie den Charakter des syrischen Regimes nicht würdige, das einen durch Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gekennzeichneten Vernichtungskrieg vornehmlich auch gegen die Zivilbevölkerung führe und dabei nach dem „Freund-Feind-Schema“ vorgehe (so: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.06.2017 – A 11 S 511/17 -, juris Rn. 58 ff.; VG Göttingen, Urt. v. 23.08.2017 – 3 A 546/17 -, juris Rn. 17 ff.), vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Gerade die sich in den letzten Jahren zugespitzte Lage der syrischen Armee und die vom syrischen Regime ergriffenen Maßnahmen zur Machterhaltung sprechen - wie oben dargestellt - gegen eine beachtliche Wahrscheinlichkeit von unmenschlicher Behandlung bis hin zu Folter. Dass Personen, die sich dem Wehrdienst durch Flucht ins Ausland entzogen haben, bei einer Wiedereinreise anhand von Fahndungslisten identifiziert und verhaftet bzw. zwangsrekrutiert werden können, begründet nicht etwa eine beachtliche Wahrscheinlichkeit von Folter (so aber: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.06.2017 – A 11 S 511/17 -, juris Rn. 53), sondern lediglich eine solche für eine Haftstrafe mit anschließender Zuführung zur syrischen Armee.

Selbst wenn es zu erheblichen Misshandlungen kommen sollte, würde auch dies nicht zur Bejahung eines Verfolgungsgrundes führen. Denn Misshandlung bis hin zu Folter sind angesichts der seit Jahrzehnten in Syrien herrschenden Brutalität und Willkür Lasten und Beschränkungen, die ein autoritäres System seinem Volk auferlegt und für sich genommen noch nicht eine politische Verfolgung zu begründen vermögen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.5.1983 - 9 C 36/83 – juris Rn. 34; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 – 1 A 10922/16 -, juris Rn. 152 ff.). Bei einer gebotenen rationalen und plausiblen Betrachtung spricht mehr dafür, dass den Maßnahmen (nur) die Absicht des syrischen Regimes zugrunde liegt, Wehrdienstentziehung im Interesse der Aufrechterhaltung der militärischen Streitmacht umgehend und deutlich zu bekämpfen, um anschließend wieder eine umfassende Gebietsherrschaft zu erlangen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 04.05.2017 - 14 A 2023/16.A -, juris Rn.58). Explizite Erkenntnisse dazu, dass eine Bestrafung erfolgt, weil der syrische Staat die Verweigerung des Militärdienstes als politische Opposition ansieht, liegen nicht vor.Den Erkenntnismitteln ist vielmehr ein willkürliches und wahlloses Vorgehen der syrischen Sicherheitskräfte zu entnehmen, was einer Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund entgegensteht (in die Richtung auch: OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 04.05.2017 - 14 A 2023/16.A -, juris Rn. 83). Bestrafungen hängen häufig von der Position und dem Rang des Betreffenden, aber auch dem Bedarf an der Front ab (vgl. SFH v. 23.03.2017, S. 10). Einige der Verhafteten sind zwar zu Haftstrafen verurteilt und dann eingezogen, andere aber lediglich verwarnt und direkt zum Militärdienst geschickt worden (vgl. SFH v. 28.03.2015, S. 4). Betroffene können sich zudem durch Geldzahlungen vom Wehrdienst freikaufen (vgl. SFH v. 23.03.2017, S. 6 und v. 28.03.2015, S. 4).

(d) Der Kläger zu 1. hat ferner nicht substantiiert vorgetragen, dass er in seiner konkreten militärischen Funktion zumindest mittelbar Verbrechen oder Handlungen begehen werde, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen. Insbesondere hat er nicht hinreichend schlüssig dargelegt, dass er Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG) begehen müsste. Er hat lediglich angeführt, dass die syrische Armee generell Kriegsverbrechen begehe. Dies genügt aber – entgegen der Ansicht der Kläger – nicht, um die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG zu erfüllen. Der um Flüchtlingsschutz Nachsuchende muss vielmehr mit hinreichender Plausibilität darlegen, dass (gerade) seine Militäreinheit Einsätze unter Umständen durchgeführt hat oder durchführen wird, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen und dass er sich bei der Ausübung seiner Funktionen in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müsste, wobei logistische und sonstige Unterstützertätigkeiten ausreichend wären (vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.2015 – C-472/13 -, juris Rn. 33 ff. und 43; Nds. OVG, B. v. 08.02.2018 – 2 LA 1784/17 -, juris Rn. 15; Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17, juris Rn. 102). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Kläger nicht gerecht. Denn in Bezug auf die vom Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Tätigkeit in der Telekommunikationsabteilung einer Sonder-/Spezialeinheit sind Verbrechen im o. g. Sinn nicht hinreichend plausibel gemacht. Neben bestehenden Zweifeln an der Glaubhaftigkeit der Angaben fehlen auch konkrete Angaben zum Einsatzbereich der Sonder-/Spezialeinheit, denn der Kläger zu 1. konnte trotz Nachfragen seines Prozessbevollmächtigten keine weiteren Details zu seiner Tätigkeit darlegen.

e) Die Kläger können sich schließlich auch nicht auf §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG berufen. Denn unter einer „bestimmten sozialen Gruppe“ sind nicht alle von den katastrophalen Zuständen in Syrien Geflohenen und potentiellen Rückkehrer zu fassen, weil es bei ihnen schon an einer abgegrenzten Identität fehlt. Die hier lebenden Syrer werden aufgrund ihrer in Syrien oder anliegenden Ländern lebenden Verwandten nicht als abgegrenzter Teil, sondern weiterhin als Teil der jeweiligen Familie und der Gesellschaft Syriens betrachtet (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.06.2017 – 2 LB 91/17, juris Rn. 111 f.; VG Düsseldorf, Urt. v. 05.09.2017 – 17 K 9692/16.A -, juris Rn. 141 ff.). Das Gleiche gilt in Bezug auf die Gruppe der Männer, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, bei denen es ebenfalls an einer abgegrenzten Identität fehlt (vgl. Hamburgisches OVG, Urt. v. 11.01.2018 – 1 Bf 81/17.A -, juris Rn. 142).

f) Schließlich vermag auch eine umfassende Gesamtwürdigung aller oben dargestellter Umstände nicht zur Flüchtlingszuerkennung zu führen. Denn auch in deren Rahmen muss nach Überzeugung des Gerichts dem syrischen Regime bei lebensnaher Betrachtung bewusst sein, dass die Kläger, insbesondere der Kläger zu 1., keine tatsächlichen/vermeintlichen Oppositionellen, sondern lediglich vor den Bürgerkriegswirren und dessen Konflikten Geflohene sind. Weder haben die Kläger vorgetragen, dass sie aus weiteren Umständen vom syrischen Regime als (vermeintlich) Oppositionelle angesehen werden, noch ergeben sich diesbezügliche Anhaltspunkte aus den dem Gericht vorliegenden Verwaltungsvorgängen (vgl. UNHCR, Weitere aktuelle Herkunftslandinformationen zum Themenkreis der Entziehung vom Wehrdienst in Syrien, Stellungnahme an den Hess. VGH – 3 A 3040/16.A -, 30.05.2017, S. 4, wonach bestimmte weitere Merkmale – z. B. regierungsfeindliche politische Aktivitäten – dazu führen würden, dass eine Person als Oppositioneller angesehen wird; Hamburgisches OVG, Urt. v. 11.01.2018 – 1 Bf 81/17.A -, juris Rn. 123). Vor diesem Hintergrund vermag auch nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass mit Blick auf die erheblichen Rekrutierungsinteressen die Wehrdienstentziehung des Klägers zu einer politischen Verfolgung bei seiner (hypothetischen) Rückkehr führt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11711 Zivilprozessordnung (ZPO).