Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 06.06.2008, Az.: 6 U 13/08

Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung durch Fehler bei der Durchführung eines Zwangsversteigerungsverfahrens; Mangelnder Eintritt der Rechtskraft des Wertfeststellungsbeschlusses wegen nicht erfolgter Zustellung an den Schuldner und damit einhergehende wirksame Zuschlagserteilung als pflichtverletzende Verzögerung des Versteigerungsverfahrens

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
06.06.2008
Aktenzeichen
6 U 13/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 38486
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2008:0606.6U13.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 19.12.2007 - AZ: 5 O 986/07
nachfolgend
BGH - 22.01.2009 - AZ: III ZR 172/08

In dem Rechtsstreit
...
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..............,
den Richter am Oberlandesgericht ...........................und
den Richter am Oberlandesgericht ...................
auf die mündliche Verhandlung vom 23.05.2008
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 19.12.2007 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (oder Hinterlegung) in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1

I.

Die Parteien streiten um die Leistung von Schadensersatz wegen einer (angeblichen) Verletzung der Amtspflicht.

2

Der Kläger hatte gegen den Schuldner J................T...........einen Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehns in Höhe von 500.000 DM (= 255.645,94 EUR). Am 16.04.1998 unterzeichnete T................ ein notarielles Schuldanerkenntnis über den Betrag von 500.000 DM nebst Zinsen in Höhe von 8,25% per anno seit dem 22.04.1998. Ferner trat er an den Kläger eine in das Grundbuch von B.............. Blatt 202 unter laufender Nr. 9 einzutragende Eigentümergrundschuld über 300.000 DM nebst Zinsen ab.

3

Da es dem Schuldner nicht gelang, das Darlehen zurückzuführen, beantragte der Kläger am 21.12.1998 die Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens, wobei sich der Antrag auf den (damals noch) im Eigentum des Schuldners stehenden Miteigentumsanteil an dem Grundstück in B.............. (Grundbuch von B...............Band 7 Blatt 202) bezog. Des Weiteren hatte er Konkursantrag gestellt.

4

Das Zwangsversteigerungsverfahren wurde (ferner) betrieben durch die R..................-V............U.................-R............, die mit vorrangig gegenüber dem Kläger dinglich abgesicherten Forderungen in Höhe von 691.000 ,- DM ( = 353.302,69 EUR) im Grundbuch vermerkt war.

5

Nachdem der Konkursverwalter bereits vergeblich versucht hatte, dem Schuldner gehörende Ländereien im Wege des freihändigen Verkaufs zu veräußern, erteilte er mit Schreiben vom 10.05.1999 die Freigabe des Grundbesitzes in B.............(Band 9 Bl. 295 und Band 7 Blatt 202) sowie in Spols (Band 4 Blatt 102). Per Beschluss vom 20.07.1999 ordnete das Amtsgericht Leer durch den damals zuständigen Rechtspfleger die Zwangsversteigerung der im Grundbuch von B............... Band 7 Blatt 202 eingetragenen Grundstücke an. Zugleich sollte ein Gutachten über den Verkehrswert dieses Grundbesitzes erstellt werden.

6

Dem Kläger wurden die durch einen Sachverständigen ermittelten Verkehrswerte der einzelnen Grundstücke mitgeteilt, die sich auf einen Gesamtwert von 1.525.100 DM addierten. Ferner wurden die Verkehrswerte in dem Beschluss vom 12.01.2000 festgesetzt und Zwangsversteigerungstermin auf den 31.03.2000 bestimmt, jeweils durch den am 31.12.2001 aus dem Dienste des beklagten Landes ausgeschiedenen Rechtspfleger H............... Dem Schuldner wurde der Wertfestsetzungsbeschluss nicht zugestellt.

7

In dem Termin vom 31.03.2000 konnte für die Grundstücke (Gemarkung S............. und B..............) ein Gesamterlös in Höhe von 1.398.800,- DM (=715.195,08 EUR) erzielt werden. Gegen die im Versteigerungstermin erteilten Zuschlagsbeschlüsse legten der Kläger und der Schuldner jeweils Beschwerde ein. Das Landgericht Aurich hob daraufhin die Zuschlagsbeschlüsse auf, weil das geringste Gebot eines der versteigerten Grundstücke zu niedrig angesetzt worden sei. Die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige weitere Beschwerde einer (weiteren) Gläubigerin wies der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg zurück. Dabei hat das OLG Oldenburg die Aufhebung der Zuschlagsbeschlüsse - abweichend vom Landgericht - damit begründet, dass der Wertfestsetzungsbeschluss vom 12.01.2000 nicht rechtskräftig sei; denn der Beschluss sei lediglich dem Konkursverwalter, nicht jedoch dem Schuldner selbst zugestellt worden. Erforderlich gewesen wäre jedoch eine Zustellung an den Schuldner.

8

Unter dem 21.11.2000 wurde die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens angeordnet und es folgten weitere Zwangsversteigerungstermine am 31.05.2001 sowie am 23.05.und 27.05.2002; in letzterem wurde dem Kläger als Mit- und Meistbietender schließlich der Zuschlag für sämtliche zur Versteigerung stehende Grundstücke in B...............erteilt.

9

In dem Zwangsversteigerungstermin vom 31.05.2001 war dem Kläger hinsichtlich der Grundbesitzung "S................" bereits gegen das höchste Gebot (120.153,59 EUR) der Zuschlag erteilt.

10

Der Versteigerungserlös betrug für sämtliche (weiteren) zur Versteigerung stehenden Grundstücke ("großes" Grundbuch von B.................) 536.000,- EUR.

11

Der Kläger hat dann später die von ihm ersteigerten (insgesamt 8) Grundstücke für 800.000,- EUR veräußert.

12

Mit der Klage begehrte er (zunächst) die Leistung von Schadensersatz, den er im einzelnen auf insgesamt 229.042,57 EUR beziffert hat.

13

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Rechtspfleger H............. habe infolge der Nichtbeachtung der im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens geltenden Verfahrensvorschriften eine ihm gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt. Die fehlerhafte Vorbereitung des Versteigerungstermins habe eine Verzögerung des Versteigerungsverfahrens und einen damit einhergehenden Schaden bedingt. Der Rechtspfleger habe die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und erkennen können und müssen, dass die unterbliebene Zustellung an den Schuldner der Rechtskraft des Wertfeststellungsbeschlusses und damit einer wirksamen Zuschlagserteilung entgegen gestanden habe. Bei ordnungsgemäßer Zustellung des Wertfestsetzungsbeschlusses wären die erteilten Zuschlagsbeschlüsse vom 31.03.2000 wirksam gewesen und nicht mehr einer Aufhebung zugänglich gewesen.

14

Infolge einer um 2 Jahre verspätet erfolgten Zuschlagserteilung sei ihm ein Schaden in nicht unerheblicher Höhe entstanden, der in der Differenz zwischen dem möglichen Versteigerungserlös am 31.03.2000 und dem faktischen Versteigerungserlös (= 101.848,82 EUR) sowie in einem Zinsschaden (127.193,75 EUR) bestehe.

15

Das beklagte Land hat sich vollumfänglich auf das Schreiben vom 08.01.2007 bezogen und sich den Inhalt ausdrücklich zu eigen gemacht.

16

Des Weiteren hat das beklagte Land die Ansicht vertreten, die vom Kläger beanstandeten Maßnahmen seien nicht als objektiv unvertretbar einzustufen. Auch wenn eine förmliche Zustellung des Wertfestsetzungsbeschlusses nicht erfolgt sei, so habe der Schuldner den Beschluss erhalten, und der Sinn des Zustellungserfordernisses (Ermöglichung eines Rechtsmittels nach § 74 a Abs. 5 Satz 3 ZVG) sei erreicht worden.

17

Weiterhin falle der vom Kläger geltend gemachte Schaden nicht in den Schutzbereich der verletzten Norm.

18

Das Landgericht hat - ohne Beweisaufnahme - mit dem am 19.02.2007 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Anspruch des Klägers aus § 839 BGB, Art. 34 GG auf Leistung von Schadensersatz scheitere daran, dass die von dem Kläger geltend gemachten Schadenspositionen bereits deshalb nicht zuzuerkennen seien, weil die Amtspflicht zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften im Zwangsversteigerungsverfahren nicht den Schutzzweck habe, die Erwartung der Gläubiger auf Befriedigung in bestimmter Höhe aufgrund eines bestimmten Zuschlags zu schützen. Sämtliche Schadenspositionen seien vom Schutzzweck der verletzten Amtspflicht nicht erfasst.

19

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der zugleich die Klage erweitert hat.

20

Der Kläger ist - in (teilweiser) Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens - der Ansicht, die angefochtene Entscheidung widerspreche mit der gegebenen Begründung Recht und Gesetz und die tragenden Gründe würden sich auch nicht der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.09.2001 entnehmen lassen.

21

Er unterfalle dem Schutzweck der Amtspflicht, da er bei ordnungsgemäßen Ablauf des Zwangsversteigerungsverfahrens und rechtskräftigem Zuschlagsbeschluss am 31.03.2000 voll befriedigt worden wäre. Die Einhaltung der Regeln der Wertfestsetzung (nach dem ZVG) bezwecke auch den Schutz der Vollstreckungsgläubiger, weil diese den Antrag gestellt und Auslagenvorschüsse gezahlt hätten; ferner diene die Zwangsvollstreckung den Gläubigerinteressen. Das Landgericht habe den Schutzzweck nicht konkret heraus gearbeitet. Der ihm entstandene Schaden beziffere sich auf 245.695,23 EUR.

22

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 19.12.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Oldenburg (5 O 986/07) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 245.695,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2007 sowie weitere 1.368,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2007 zu zahlen.

23

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

24

Das beklagte Land verteidigt das abgefochtene Urteil und bezieht sich auf das erstinstanzliche Vorbringen.

25

Unzutreffend sei die Auffassung der Berufung, der vermeintlich verfahrensfehlerhaft behandelte Informationsanspruch des Schuldners über die Wertfestsetzung verfolge auch den Zweck, den Kläger in seiner Stellung als Gläubiger im vorangegangenen Zwangsversteigerungsverfahren und in seinen vermögensrechtlichen Erwartungen zu schützen. Die (verfehlte) Rechtsansicht der Berufung im Hinblick auf eine Haftung liefe auf eine unabsehbare, unbegrenzte, nicht zu kalkulierende und damit unerträgliche Haftungsausweitung hinaus, die mit allen Grundsätzen sachgerecht begrenzter Amtspflichten und begrenzten Drittschutzes unvereinbar wäre.

26

II.

Die (zulässige) Berufung ist sachlich nicht gerechtfertigt.

27

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

28

Der geltend gemachte Anspruch des Klägers gegen das beklagte Land auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 245.695,23 EUR gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist nicht begründet.

29

Der Rechtspfleger H............ hat hinsichtlich des ersten Zwangsversteigerungstermins am 31.03.2000 eine (auch) dem Kläger als Vollstreckungsgläubiger gegenüber obliegende verletzt. Der vom Kläger (in der Berufungsinstanz) geltend gemachte Schaden fällt jedoch nicht in den Schutzbereich der Amtspflicht. Deshalb bedarf es im Ergebnis auch keiner Entscheidung durch den Senat, ob die Klageerweiterung nach§ 264 Nr. 2 ZPO unter Zugrundelegung einer anderen Schadensberechnung nach § 533 ZPO zulässig ist.

30

1.

Von der Verletzung einer dem Rechtspfleger H..........obliegenden Amtspflicht - vom Landgericht offen gelassen - kann ohne weiteres ausgegangen werden. Unter Berücksichtigung der vom 2. Zivilsenat am 13.07.2000 erlassenen Entscheidung musste der vom Rechtspfleger erlassene Wertfestsetzungsbeschluss vom 12.01.2000 infolge eines Verfahrensfehlers aufgehoben werden. Nach dem Inhalt dieses OLG - Beschlusses war - nach Freigabe der Grundstücke durch den Konkursverwalter - der Schuldner (wieder) Beteiligter (§ 9 ZVG) des Zwangsversteigerungsverfahrens. Ein vom Rechtspfleger erlassener Wertfestsetzungsbeschluss musste deshalb dem Schuldner T.................. förmlich (§ 329 Abs. 3 ZPO) zugestellt werden (vgl. Zeller/ Stöber, ZVG, 16. Auflage 1999, § 74 a Anm. 7.18). Die unterbliebene Zustellung des Wertfestsetzungsbeschlusses führte dazu, dass dieser nicht rechtkräftig wurde. Der Zuschlag musste deshalb versagt werden, weil eine derjenigen Vorschriften verletzt worden ist, die den Schutz der Beteiligten bezwecken.

31

Nach Inkrafttreten des § 85 a ZVG ist in jedem Falle die rechtskräftige Festsetzung des Grundstückswertes vor der Erteilung des Zuschlags erforderlich. War die Wertfestsetzung bei der Versteigerung noch nicht rechtskräftig, so ist die Entscheidung über den Zuschlag bis nach Rechtskraft der Wertfestsetzung auszusetzen. Ein etwa vor rechtskräftiger Wertfestsetzung ergangener Zuschlagsbeschluss ist auf Beschwerde hin aufzuheben (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1981, 235; OLG Hamm RPfl. 2000, 120). Der fehlende Eintritt der formellen Rechtskraft des Wertfestsetzungsbeschlusses gegenüber dem Schuldner als Beteiligten im Sinne von § 9 ZVG begründet einen Zuschlagsversagungsgrund i.S.v. § 83 ZVG. Dieses Ergebnis ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung weitgehend anerkannt (vgl. OLG Hamm RPfl. 2000, 120, 121unter Hinweis auf OLG Düsseldorf RPfl. 1981, 69 und OLG München RPfl. 1969, 250; OLG Oldenburg RPfl. 1992, 209), wobei der Senat die Einordnung als Zuschlagversagungsgrund nach § 83 Nr. 1 oder nach 83 Nr. 3 ZVG als nicht entscheidungserheblich offen lassen kann (vgl. dazu OLG Hamm RPfl. 2000, 120 <121> mit weiteren Nachweisen).

32

Die Verfahrensweise, die einen Beteiligten von dem Gebrauch des in § 74 a Abs. 5 Satz 3 ZVG vorgesehenen Rechtsmittels (faktisch) ausschließt, verletzt dessen Recht, mit einer möglichen anderweitigen Wertfestsetzung im Beschwerdeverfahren das Ergebnis der Versteigerung und die Entscheidung über den Zuschlag beeinflussen zu können.

33

Der Amtsträger hat die Pflicht zur gesetzmäßigen Verwaltung, d.h. er hat die ihm übertragenen Aufgaben und Befugnisse im Einklang mit dem objektiven Recht wahrzunehmen, insbesondere Verfahrensvorschriften zu beachten (vgl. Palandt - Sprau, BGB, 67. Auflage, § 839 Rn 33). Gleichfalls obliegt dem Amtsträger die Pflicht zu rücksichtsvollem Verhalten, und zwar auch dann, wenn er nur im Interesse der Allgemeinheit oder eines bestimmten Dritten tätig wird. Er hat ihm anvertraute fremde Belange auch verfahrensmäßig sorgfältig zu behandeln. Soweit in rechtlicher Hinsicht Zweifel bestehen, hat er den für den Betroffenen sichersten Weg zu wählen (vgl. Palandt - Sprau, a.a.O., § 839 Rn 39).

34

2.

Diese Amtspflicht bestand auch gegenüber dem Kläger als Vollstreckungsgläubiger; denn er ist als Dritter im Sinne der Bestimmung des § 839 Abs. 1 BGB anzusehen.

35

Dritter ist jeder, dessen Interessen die Amtspflicht dient und in dessen Rechtskreis durch die Pflichtverletzung eingegriffen wird, auch wenn er nur mittelbar oder unbeabsichtigt betroffen oder zu einem Eingriff in seine Rechtsstellung veranlasst wird. Der Kreis der geschützten Personen geht somit über den Kreis der bei einem Amtsgeschäft unmittelbar Beteiligten hinaus (vgl. BGH NJW 2005, 1865 [BGH 03.03.2005 - III ZR 273/03]). Abzustellen ist auf das im Einzelfall berührte Interesse (vgl. BGH NJW 1994, 2415 [BGH 05.05.1994 - III ZR 78/93]). Dieser persönliche Schutzbereich ist nur dann gegeben, wenn zwischen der verletzten Amtspflicht und dem jeweiligen Geschädigten eine besondere Beziehung besteht (vgl. BGH NJW 1991, 2696 [BGH 06.06.1991 - III ZR 221/90] ; WM 2004, 1648 [BGH 29.06.2004 - IX ZR 201/98]<1653>). Unerheblich ist, ob sich die Ausübung der Amtspflicht für die Interessen des Dritten mehr oder weniger nachteilig auswirkt (vgl. Palandt - Sprau, a.a.O., § 839 Rn 44).

36

Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken, den Vollstreckungsgläubiger als Verfahrensbeteiligten in den Kreis der amtshaftungsrechtlich geschützten Dritten einzubeziehen. Es mag zutreffen, dass die gerichtliche Wertermittlung und - festsetzung in erster Linie einer Verschleuderung des Grundbesitzes entgegenwirken und die Einhaltung der Untergrenze von 7/10 des Grundstückswertes gewährleisten soll. Das schließt es jedoch nicht aus, dass auch die Interessen des Vollstreckungsgläubigers geschützt werden, und zwar nicht nur im Wege eines bloßen Reflexes, sondern unter Einbeziehung in die insoweit bestehenden drittgerichteten Amtspflichten (vgl. BGH NJW 2006, 1733 [BGH 09.03.2006 - III ZR 143/05]<1734>). Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem Geschädigten (vgl. BGH NJW - RR 2002, 307 <308>).

37

Die Amtspflicht zur Beachtung der Verfahrensvorschriften des Zwangsversteigerungsverfahrens bestand danach auch gegenüber dem Kläger als Vollstreckungsgläubiger. Der Vollstreckungsgläubiger ist Beteiligter des Zwangsversteigerungsverfahrens (§ 9 ZVG), sein Vermögen wird durch den Vollstreckungszugriff tangiert. Schon daraus ergibt sich, dass die Förmlichkeiten der Zwangsvollstreckung, an die das Gesetz die Vollstreckungsorgane bindet und mit denen es die Eingriffe in die Rechte des Gläubigers lenkt und begrenzt, regelmäßig auch seinem Interesse dienen, er also insoweit zum Kreis der geschützten Dritten gehört. Die Versteigerungsbedingungen entscheiden maßgebend über Ausgang und Erfolg der Zwangsversteigerung, die Tilgung möglicherweise mit den dinglichen Rechten verbundener persönlicher Verpflichtungen des Schuldners und die Höhe eines etwaigen dem Vollstreckungsgläubiger zustehenden anteiligen Erlöses. Alles dies berührt unmittelbar nicht nur die Belange des Schuldners, sondern auch die des Vollstreckungsgläubigers. (vgl. BGH NJW 2000, 3358 [BGH 23.03.2000 - III ZR 152/99]< 3359> = DNotZ 2000, 705 ). Der Vollstreckungsgläubiger darf in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen, dass das Versteigerungsgericht bei der Festsetzung des Grundstückwertes, die die Grundlage für die Höhe des Gebots bildet, mit der erforderlichen Sorgfalt verfahren ist.

38

3.

Das Verschulden des Amtsträgers ist weitere Voraussetzung der Ersatzpflicht. Es muss sich nur auf den haftungsbegründenden Tatbestand, nicht auch auf den daraus resultierenden Schaden, insbesondere dessen Vorhersehbarkeit erstrekken (vgl. BGH NJW 2003, 1308 [BGH 20.02.2003 - III ZR 224/01]<1312>).

39

Dabei handelt der Amtsträger fahrlässig, der bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte voraussehen müssen, dass er seiner Amtspflicht zuwiderhandelt. Für den objektivierten Sorgfaltsmaßstab kommt es auf die für die Führung des Amtes im Durchschnitt erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten an. Der Amtsträger hat die Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und sich danach auf Grund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsmeinung zu bilden (vgl. BGH NJW 2003, 3693 [BGH 23.10.2003 - III ZR 9/03]<3696>). Bei richterlichen Entscheidungen sowie bei Entscheidungen des Rechtspflegers (der sachliche Unabhängigkeit genießt, § 9 RPflG ) kommt ein Verschulden nur bei besonders groben Verstößen in Betracht (vgl. BGH NJW 2003, 3052 [BGH 03.07.2003 - III ZR 326/02]<3053> für den Richter ; NJW 2007, 224 [BGH 05.10.2006 - III ZR 283/05]<226 >sowie NJOZ 2005, 3987 - in dieser Entscheidung stellt der BGH auf die Vertretbarkeit der richterlichen Rechtsansicht ab; OLG Frankfurt MDR 2005,1051 in [...] Rn 9) bzw. lässt sich ein Verschulden nur annehmen, wenn die der Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsansicht (des Rechtspflegers) oder dessen Entscheidung objektiv nicht mehr vertretbar erscheint (vgl. BGH NJW 2007, 224 [BGH 05.10.2006 - III ZR 283/05]<226>; OLG Stuttgart NZI 2008, 102 <103>). Der Rechtspfleger als Amtsträger muss die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechtskenntnisse haben oder sich verschaffen.

40

Letztlich kann es dahinstehen, ob ein Verschuldens des handelnden Rechtspflegers festgestellt werden kann, weil nach der bereits zitierten Rechtsprechung sowie der Kommentierung in Zeller/Stöber (a.a.O., der im Zeitpunkt des Wertfestsetzungsbeschlusses und dessen Zustellung die aktuelle Kommentierung darstellte) der Wertfestsetzungsbeschluss auch an den Vollstreckungsschuldner als Beteiligten im Sinne von § 9 ZVG förmlich zuzustellen (§ 329 ZPO) war, und er wegen der Bedeutung der Formalitäten strikt auf die Einhaltung der Formalien im Rahmen der Zwangsversteigerung zu achten hatte sowie durch einfachen Blick in die damals gültige Kommentierung des ZVG (etwa Zeller/Stöber a.a.O. sowie § 74 a Anm. 7.11 mit weiteren Nachweisen) unschwer feststellen konnte, dass die fehlende Zustellung des Wertfestsetzungsbeschlusses an den Vollstreckungsschuldner der Rechtskraft des Beschlusses entgegenstand und dies einen Zuschlagsversagungsgrund darstellte. Der Senat neigt dazu, ein Verschulden des Rechtspflegers anzunehmen, ohne dies aber letztlich entscheiden zu müssen.

41

Nach § 839 BGB führt nämlich nicht jede (schuldhafte) Verletzung von Amtspflichten eines Beamten zu Haftungsansprüchen eines von der Amtspflichtverletzung nachteilig Betroffenen.

42

Maßgebend ist der Schutzzweck, dem die Amtspflicht nach den sie begründenden und umreißenden Bestimmungen und nach der besonderen Natur des Amtsgeschäfts dienen soll (vgl. BGH NJW 2005, 742 [BGH 20.01.2005 - III ZR 48/01]<743>). Erforderlich ist, dass die Amtspflicht gerade das verletzte Rechtsgut ( sachlicher Schutzbereich ) und gerade (auch)dessen Inhaber ( Dritten, persönlicher Schutzbereich ) schützen soll.

43

Es ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll (vgl. BGH MDR 2003, 1113 [BGH 15.05.2003 - III ZR 42/02] = NVwZ - RR 2003, 714 <715>; BGH NJW - RR 2002, 307 <308>).

44

Dieser Schutzzweck bestimmt sich für den Vollstreckungsgläubiger in der Zwangsversteigerung eines Grundstücks danach, vor welchen Nachteilen ihn die auch ihm gegenüber bestehende Amtspflicht des Versteigerungsgerichts zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften über die Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens, von deren Beachtung die Erteilung des Zuschlags oder der Bestand des Zuschlagsbeschlusses abhängen kann, bewahren soll (vgl. BGH NJW - RR 2002, 307 <308>).

45

Das sind grundsätzlich nur die im Vertrauen auf die Gesetzmäßigkeit des bisherigen Verfahrens vorgenommenen Aufwendungen, falls sie sich nachträglich wegen eines Verfahrensmangels als nutzlos erweisen, nicht jedoch die an das Meistgebot außerdem geknüpften Gewinnerwartungen oder die Erwartung des Gläubigers auf Befriedigung in bestimmter Höhe infolge eines Zuschlags (in bestimmter Höhe). Ein Rechtsanspruch auf den Zuschlag nach § 81 Abs. 1 ZVG besteht nur dann, wenn dieser nicht wegen Verfahrensmängeln oder aus sonstigen gesetzlichen Gründen zu versagen ist (§ 83 ZVG - vgl. BGH NJW - RR 2002, 307 <308> für den Meistbietenden in der Zwangsversteigerung). Mit der Durchführung der Versteigerung erzeugt das Versteigerungsgericht daher in einer solchen Fallkonstellation kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass sich etwaige Realisierungsaussichten oder -erwartungen des Vollstreckungsgläubigers auch tatsächlich realisieren lassen; dieser Umstand fällt vielmehr in dessen alleinigen Risiko - und Verantwortungsbereich (vgl. BGH NJW - RR 2002, 307 <308> für den Bieter im Versteigerungsverfahren unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung NJW - RR 1987, 246 = VersR 1987, 256 = MDR 1987, 298 [BGH 02.10.1986 - III ZR 93/85] ).

46

Diese vom Bundesgerichtshof (BGH NJW-RR 2002, 307 [BGH 13.09.2001 - III ZR 228/00]<308> - Urteil vom 13.09.2001) für den Meistbietenden aufgestellten Grundsätze gelten - entgegen der Auffassung des Klägers - gleichermaßen für den Vollstreckungsgläubiger. Dessen Erwartung auf eine Befriedigung seiner Forderungen (in bestimmter Höhe) wird ebenfalls nicht geschützt. Schutzwürdig ist er - ebenso wie der Schuldner -, soweit es um die Einhaltung des förmlichen Verfahrens im Zwangsversteigerungsverfahrens und den Inhalt eines erlassenen Wertfestsetzungsbeschlusses geht. Die Einhaltung der zu beachtenden Verfahrensvorschrift (förmliche Zustellung des Wertfestsetzungsbeschlusses), also des zutreffenden verfahrensmäßigen Weges bis zum Zuschlag, soll unter Beachtung der erfolgten Darlegungen die Interessen des Vollstreckungsgläubigers (sowie die des Schuldners) wahren, weil eine Verschleuderung des Grundbesitzes infolge unrichtiger gerichtlicher Wertfestsetzung auch seine Vermögensinteressen berührt.

47

Die ihm erwachsenen Vermögensnachteile infolge des festgestellten Verfahrensmangels - abgestellt auf den erteilten Zuschlag und den erzielten Erlös - fallen jedoch - wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - nicht in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht. Die schadensverursachende Maßnahme (mangelnde Zustellung des Wertfestsetzungsbeschlusses an den Vollstreckungsschuldner) war zwar verfahrensfehlerhaft, der Wertfestsetzungsbeschluss war (so der 2. Senat) jedoch sachlich richtig. Das Interesse des Klägers als Vollstreckungsgläubiger, dass ihm ein Vermögensschaden infolge des Verfahrensmangels und des daraus resultierenden Zuschlagsverweigerungsgrundes ersetzt wird, ist nicht geschützt. Die Interessenlage des Klägers (als Vollstreckungsgläubiger und Meistbietender) unterscheidet sich nicht grundlegend von der des Meistbietenden. Seine an den Inhalt des Wertfestsetzungsbeschlusses geknüpfte Erwartung, seine Forderung werde in voller Höhe oder annähernd vollständig befriedigt, unterfällt nicht dem (sachlichen) Schutzzweck der verletzten Amtspflicht.

48

Soweit der Kläger hilfsweise einen Zinsschaden in Höhe von 68.745 EUR geltend macht, ist auch ein solcher Schaden nicht erstattungsfähig. Dieser Schaden beruht auf der eigenverantwortlichen Entscheidung des Klägers, im Zwangsversteigerungstermin als Bieter aufzutreten und die Grundstücke (nach vorheriger Darlehensaufnahme) zu ersteigern.

49

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, während sich die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus§§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO herleitet.

50

Der Senat hat die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO geprüft. Sie sind nicht erfüllt. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 und 2 ZPO).