Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.09.1976, Az.: P OVG B 10/76
Feststellung der Verpflichtung der Kostenübernahme für die Tätigkeit des Personalrates durch die Dienststelle; Anspruch auf zur Verfügung Stellung einer Loseblattsammlung mit allen Nachlieferungen; Geschäftsbedarf eines Personalrats; Umfang des zur Verfügung zu stellenden Geschäftsbedarfs eines Personalrats
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 14.09.1976
- Aktenzeichen
- P OVG B 10/76
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1976, 14765
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1976:0914.P.OVG.B10.76.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 18.05.1976 - AZ: PB 4/75
Rechtsgrundlage
- § 44 Abs. 2 BPersVG
In der Personalvertretungssache
hat der Fachsenat für Bundes-Personalvertretungssachen beim Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
im Termin zur Anhörung am 14. September 1976 in Lüneburg,
an dem teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Schilling,
Oberregierungsrat Calm,
Postoberamtsrat Brüning,
Polizeihauptmeister im BGS Fischer,
Posthandwerker Bracht,
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen - vom 18. Mai 1976 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Dem Rechenzentrum der Bundeswehr gehören 107 Beschäftigte, davon 104 Angestellte an. Die Dienststelle wird von der Standortverwaltung ... personell und wirtschaftlich versorgt. Ihr Standort ist rund 6-7 km von den anderen Dienststellen der Bundeswehr in ... entfernt. Täglich findet Verkehr mit Kraftfahrzeugen zwischen dem Rechenzentrum und den anderen Dienststellen der Bundeswehr statt.
Der Personalrat bei dem Rechenzentrum verfügt über den "Kommentar zum Bundesangestelltentarifvertrag" von ... der in Loseblattform erscheint und durch Nachtragslieferungen fortlaufend ergänzt wird.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 1975 forderte die Wehrbereichsverwaltung den Dienststellenleiter mit Rücksicht auf die schwierige Haushaltslage auf, weitere Ergänzungslieferungen abzubestellen, weil diese für die Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Dienstbetriebes nicht erforderlich seien. Gegenvorstellungen des Leiters des Rechenzentrums blieben erfolglos. Die Wehrbereichsverwaltung II teilte mit, daß ab 1. Januar 1976 Mittel für Ergänzungslieferungen nicht mehr zur Verfügung gestellt würden. Darauf hat das Rechenzentrum die Nachtragslieferungen zu dem Kommentar abbestellt.
Der Antragsteller hat das Verwaltungsgericht angerufen und vorgetragen: Er könne die ihm nach dem BPersVG obliegenden Aufgaben nur dann ordnungsgemäß erledigen, wenn ihm die Loseblattsammlung mit allen Nachlieferungen zur Verfügung stünde. Bei über hundert Angestellten müsse er genau über alle Änderungen und Ergänzungen zu den einzelnen Tarifverträgen informiert sein. Es könne ihm nicht zugemutet werden, die bei anderen Dienststellen vorhandenen Exemplare mit zu benutzen.
Der Antragsteller hat beantragt festzustellen,
daß das Rechenzentrum der Bundeswehr ... verpflichtet sei, ihm die im Moll-Verlag, Stuttgart, erscheinenden Ergänzungslieferungen zum "Kommentar zum Bundesangestelltentarifvertrag" (Verfasser: Clemens, Scheuring, Steingen, Görner, Opalke) zur Verfügung zu stellen.
Der Leiter des Rechenzentrums hat sich den Ausführungen des Antragstellers angeschlossen und keinen Antrag gestellt.
Die Fachkammer bei dem Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluß vom 18. Mai 1976 zurückgewiesen und zur Begründung der Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Der Personalrat könne Geschäftsbedarf nur in dem erforderlichen Umfang verlangen. Bei der Ermittlung des erforderlichen Geschäftsbedarfs müsse das allgemein zu beachtende Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel berücksichtigt werden. Hier könne der Bedarf in zumutbarer Weise auf andere Art gedeckt werden. Drei Exemplare dieser Loseblattausgabe befänden sich bei anderen Dienststellen der Bundeswehr in ... Dem Personalrat könne es zugemutet werden, sich über Einzelheiten, die sich aus neuen Tarifsänderungen ergeben könnten, bei diesen Dienststellen zu informieren.
Gegen diesen dem Antragsteller am 2. Juni 1976 zugestellten Beschluß richtet sich die am 15. Juni 1976 bei Gericht eingegangene Beschwerde des Antragstellers. Er trägt vor: Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, den von ihm angeführten Gedanken der Sparsamkeit im öffentlichen Dienst auf seinen Effekt hin zu untersuchen. Der Preis für zwei jährliche Lieferungen würde in Zukunft allenfalls 100,- DM ausmachen. Diesem Aufwand würden wiederholte Zeitversäumnisse von Mitgliedern des Personalrats gegenüberstehen, wenn sie bei anderen Dienststellen Einsicht in die dortigen Exemplare nehmen müßten. Hinzu käme der Verlust der Grundsubstanz. Das bei dem Antragsteller befindliche Hauptwerk würde in Kürze völlig wertlos werden.
Es sei auch nicht berücksichtigt worden, daß die Beteiligten sich über die Notwendigkeit der Fortführung der Loseblattsammlung einig seien. Die Dienststelle weigere sich lediglich noch, die nach § 74 BPersVG zu ziehenden Konsequenzen aus dieser Einigkeit zu ziehen.
Der Antragsteller beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Fachkammer für Personalvertretungssachen - vom 18. Mai 1976 festzustellen, daß der Beteiligte verpflichtet ist, dem Antragsteller die im Moll-Verlag, Stuttgart, erscheinenden Ergänzungslieferungen zum Kommentar zum Bundesangestelltentarifvertrag (Verfasser: Clemens, Scheuring, Steingen, Görner, Opalke, Wiese) jeweils nach ihrem Erscheinen (ab 40. Auflage) zum Dauergebrauch zur Verfügung zu stellen.
Der Beteiligte stellt keinen Antrag.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Nach § 44 Abs. 2 BPersVG hat die Dienststelle für Sitzungen, Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang u.a. den Geschäftsbedarf zur Verfügung zu stellen. Zum Geschäftsbedarf gehören auch die für die Arbeit des Personalrats notwendigen Gesetzestexte, Tarifverträge und Dienstvorschriften. Den Personalvertretungen großer Dienststellen (nach Grabendorf-Windscheid-Ilbertz, BPersVG, 3. Aufl., § 44 RdNr. 30 etwa ab 150 Beschäftigten) werden auch kommentierte Gesetzestexte zur Verfügung zu stellen sein. Was im einzelnen in Betracht kommt, kann nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei ist davon auszugehen, daß sich das Maß des Geschäftsbedarfs nach dem Umfang der Aufgaben des Personalrats und der Dienststelle richten muß; der Bedarf des Personalrats muß in einem angemessenen Verhältnis zu der entsprechenden Ausstattung der Dienststelle selbst stehen. Unterlagen, die dem Dienststellenleiter nicht zur Verfügung stehen, benötigt in aller Regel auch nicht der örtliche Personalrat, weil das gesetzliche Beteiligungsrecht auf die Zuständigkeit des Leiters der Dienststelle abgestellt ist.
Der Senat teilt zwar die Auffassung des Antragstellers, daß Gründe der Sparsamkeit die Abbestellung der Ergänzungslieferung nicht rechtfertigen. Entscheidend für den Umfang des zur Verfügung zu stellenden Geschäftsbedarfs ist aber seine Erforderlichkeit für die Arbeit des Personalrats. Die Fachkammer hat insoweit mit zutreffenden Erwägungen entschieden, daß die von dem Personalrat begehrten Ergänzungslieferungen nicht zum "erforderlichen" Geschäftsbedarf des Personalrats der relativ kleinen Dienststelle gehören. Dem Antragsteller steht als Grundausstattung der Kommentar mit dem im Jahre 1975 neugefaßten BAT und der neuen Vergütungsordnung weiterhin zur Verfügung. Änderungen und Ergänzungen des Tarifvertrages können den - nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten - in der Dienststelle vorhandenen Veröffentlichungsblättern entnommen werden.
Der Antragsteller ist also nicht von seinen Informationsquell abgeschnitten. Er kann die ihm nach dem Personalvertretungsgesetz des Bundes obliegenden Aufgaben auch weiterhin erfülle Soweit ausnahmsweise eine Kommentierung geänderter oder ergänzter Vorschriften in Zukunft benötigt wird, hat er die Möglichkeit, diese bei der Stufenvertretung zur Einsichtnahme anzufordern.
Die Ablehnung des Dienststellenleiters, die Ergänzungslieferungen weiter zu bestellen, verstößt auch nicht, wieder Antragsteller meint, gegen das Benachteiligungsverbot des § 8 BPersVG. Diese Vorschrift verbietet jede unmittelbare Behinderung, wie sie in der unbegründeten Verweigerung der Übernahme der Kosten nach § 44 BPersVG liegen kann. Keine Behinderung ist dagegen die sachlich begründete Abwehr von Forderungen, die nicht für die ordnungsmäßige Aufgabenerfüllung notwendig sind. In diesem Zusammenhang kann über die Frage der Erforderlichkeit hinaus nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Dienststelle an ihre Haushaltsmittel gebunden ist. Diese stehen aber dem Dienststellenleiter für Büchereibedarf nicht zur Verfügung. Darüber hinaus ist der Dienststellenleiter mit Verfügung des Präsidenten der Wehrbereichsverwaltung II vom 16. Oktober 1975 ausdrücklich angewiesen worden, die "BAT-Loseblattsammlung" abzubestellen. An diese Weisung ist der Dienststellenleiter gebunden. Er würde sich der Gefahr aussetzen, eines Dienstvergehens beschuldigt zu werden, wenn er entgegen der Weisung handelte. Er ist daher rechtlich gehindert, dem Anspruch des bei seiner Dienststelle bestehenden Personalrats zu entsprechen.
Daraus folgt auch, daß eine Einigung, die den Dienststellenleiter nach § 74 BPersVG zur Ausführung verpflichten würde, nicht vorliegt. Unerheblich ist, ob der Dienststellenleiter persönlich die Fortführung der Loseblattausgabe für notwendig hält.
Schließlich ist auch nicht entscheidungserheblich, daß der Behördenleiter keine Anträge gestellt hat. Das Beschlußverfahren ist ein objektives Verfahren; es kennt keinen Antragsgegner. Eines Antrages der Beteiligten bedarf es nicht.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Eine Kostenentscheidung entfällt (vgl. BVerwGE IV, 357 [359]; 7, 140).
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung nicht vorliegen.
Gegen diesen Beschluß kann die Rechtsbeschwerde gemäß § 76 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG auch ohne Zulassung eingelegt werden, wenn er von einer in der Rechtsbeschwerdebegründung bezeichneten Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Rechtsbeschwerde ist dann binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses durch Einreichung einer Rechtsbeschwerdeschrift beim Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg, Uelzener Straße 40, oder beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin-Charlottenburg, Hardenbergstraße 31, einzulegen. Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerdeschrift keine Begründung enthält, innerhalb weiterer zwei Wochen zu begründen; die Frist beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde.
Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von einem Anwalt unterzeichnet sein. Die Rechtsbeschwerdeschrift muß den Beschluß bezeichnen, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet ist, und die Erklärung enthalten, daß gegen diesen Beschluß die Rechtsbeschwerde eingelegt wird. Die Rechtsbeschwerdebegründung muß angeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll.
Calm
Brüning
Fischer
Bracht