Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.06.1997, Az.: 4 M 2495/97

Möglichkeit des Verweises auf den Besuch einer Sonderschule trotz Geeignetheit des Besuches eines Regelschule (Realschule); Bestehen einer positiven Prognose zur Erreichung des Bildungsziels mit der begehrten Hilfe

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.06.1997
Aktenzeichen
4 M 2495/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 24737
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1997:0611.4M2495.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 08.04.1997 - AZ: 3 B 182/97.Hi

Verfahrensgegenstand

Sozialhilfe (Eingliederungshilfe)
- Antrag auf Zulassung der Beschwerde -.

Der 4. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat
am 11. Juni 1997
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragsgegners auf Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - 3. Kammer Hildesheim - vom 8. April 1997 wird abgelehnt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

1

Der Antrag hat keinen Erfolg.

2

Der Senat hat nicht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Er macht sich die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses zu eigen und verweist deshalb auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das weitere Vorbringen des Antragsgegners rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, daß der Antragsgegner den Antragsteller nicht auf den Besuch der Sonderschule verweisen kann, solange die Schulbehörden - wie hier - der Meinung sind, er sei geeignet, eine Regelschule (Realschule) zu besuchen. Die Auffassung des Antragsgegners, § 12 Nr. 3 EingliederungsVO setze voraus, daß der Antragsteller ohne die streitige Eingliederungshilfe das Bildungsziel der Realschule erreichen werde, verkennt die Aufgabe der Eingliederungshilfe, die gerade vorhandene Behinderungen beseitigen oder mildern soll (§ 39 Abs. 3 BSHG). Maßgebend ist vielmehr die Prognose, ob das Bildungsziel mit der begehrten Hilfe erreicht werden kann. Dies ist beim Antragsteller nach den bisher erbrachten schulischen Leistungen und den vorliegenden Gutachten zu erwarten. Die vom Antragsteller begehrte Hilfeleistung ist auch Eingliederungshilfe im Sinne des Gesetzes. Sie besteht in einer Hilfe zur Vermittlung des Unterrichtsstoffes, soweit der Antragsteller aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage ist, dem Unterricht - akustisch - zu folgen. Damit wird durch die Betreuung lediglich seine Behinderung ausgeglichen, nicht aber zusätzlicher Förderunterricht erteilt. Der Betreuer wird im Ergebnis als "qualifizierte Hörhilfe" und nicht als Lehrer tätig.

3

Soweit der Antragsgegner die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und die besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) aus der Frage herleiten will, ob für die hier begehrte Maßnahme der Sozialhilfeträger oder die Schulbehörde zuständig ist, rechtfertigt dies die Zulassung der Beschwerde nicht. Denn unabhängig von dieser Frage ergibt sich die Verpflichtung des Antragsgegners zur Leistung schon aus § 44 BSHG. Steht spätestens 4 Wochen nach Bekanntwerden des Bedarfs beim Träger der Sozialhilfe nicht fest, ob ein anderer Sozialleistungsträger als der Träger der Sozialhilfe oder welcher andere zur Hilfe verpflichtet ist, hat der Träger der Sozialhilfe die notwendigen Maßnahmen unverzüglich durchzuführen, wenn - wie hier -zu befürchten ist, daß sie sonst nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt werden. Ob ein anderer als der Träger der Sozialhilfe vorrangig verpflichtet ist, steht erst fest, wenn der andere diese seine Hilfepflicht anerkennt (Mergler/Zink, BSHG, Stand: Mai 1996, § 44 Rdnr. 11; Schmidt, BSHG, Stand: März 1996, § 44 Rdnr. 4). Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 17.10.1989 - 4 M 92/89 -, FEVS 39, 289) kann sich der Hilfesuchende darauf verlassen, daß der (andere) Leistungsträger es zu Recht, abgelehnt hat, endgültig oder vorläufig zu leisten. Um dem Einwand des Trägers der Sozialhilfe zu begegnen, der Hilfe stehe § 2 Abs. 1 BSHG entgegen, braucht der Hilfesuchende insbesondere nicht gegen den (anderen) (Sozial-)Leistungsträger vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (Beschl. d. Senats v. 12.12.1996 - 4 M 3334/96 -). Im übrigen hat der Antragsteller - wie er vorträgt - inzwischen auch Klage gegen die Schulbehörden erhoben.

4

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.

5

Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Klay
Willikonsky
Müller