Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.11.2017, Az.: 9 W 86/17
Gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers hinsichtlich Pflichtverletzungen von Vorstand und Aufsichtsrat im Zusammenhang mit der sogenannten Abgasthematik
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.11.2017
- Aktenzeichen
- 9 W 86/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 26546
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerfG - 20.12.2017 - AZ: 1 BvR 2754/17
Rechtsgrundlage
- AktG § 142 Abs. 2
Fundstellen
- AG 2018, 42-44
- AR 2018, 13
- BOARD 2018, 42-43
- DB 2017, 2726-2729
- DStR 2017, 10
- EWiR 2017, 749
- Konzern 2018, 71-74
- NJW 2017, 8
- NJW-RR 2017, 1511-1513
- NJW-Spezial 2017, 721
- NZG 2017, 7
- NZG 2017, 1381-1383
- ZIP 2017, 2301-2303
- ZRFC 2018, 135
Redaktioneller Leitsatz
Es besteht der Verdacht, dass von einer verantwortungsvollen Produktausgangskontrolle und einem oder mehreren Mitglied/Mitgliedern des Vorstands bemerkt wurde, dass über einen langen Zeitraum eine Vielzahl von Diesel-Pkw mit manipulierter Motorsteuerung gebaut und in mehrere Staaten mit verschiedenen nationalen Abgasanforderungen ausgeliefert wurden, ohne diesen tatsächlich zu genügen. Dieser Verdacht rechtfertigt die Bestellung eines Sonderprüfers gem. § 142 AktG.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen vom 27. Juli 2017 (Bl. 382 ff. d. A.) wird der Beschluss der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 23. Juni 2017 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.
Folgendes wird angeordnet:
Es ist zu prüfen, ob Vorstand und Aufsichtsrat der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der sogenannten Abgasthematik seit dem 22. Juni 2006 ihre Pflichten verletzt und der Antragsgegnerin einen Schaden zugefügt haben, insbesondere wann der Vorstand erstmals Kenntnis von der sogenannten Abgasthematik hatte oder hätte haben müssen und ob der Vorstand gegen die ad-hoc-Publizitätspflicht verstoßen hat, indem er den Kapitalmarkt nicht rechtzeitig über die sogenannte Abgasthematik aufklärte.
Zum Sonderprüfer wird bestellt: Wirtschaftsprüfer/Steuerberater R. R., c/o ..., in D.
Die Gerichtskosten und die Kosten der Sonderprüfung trägt die Antragsgegnerin.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 500.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die jeweils durch die D. S. f. W. vertretenen Antragstellerinnen sind drei Fonds amerikanischen Rechts, die unstreitig in das Quorum für eine Sonderprüfung übersteigender Zahl Aktien der Antragsgegnerin halten. Ihre in der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 22. Juni 2016 erfolglos gebliebenen Anträge auf Bestellung eines Sonderprüfers gemäß § 142 Abs. 1 AktG verfolgen die Antragstellerinnen nunmehr gemäß § 142 Abs. 2 AktG weiter.
Hintergrund der Anträge der Antragstellerinnen ist die Verwendung einer Software in von der Antragsgegnerin hergestellten und vertriebenen Diesel-PKW, die erkannte, wann Fahrzeuge sich im Prüfzyklus befanden und die nur für diesen Fall dazu führte, dass die vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte eingehalten wurden ("defeat device").
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Anträge auf Bestellung eines aktienrechtlichen Sonderprüfers zurückgewiesen.
Es hat gemeint, die Anträge seien unbegründet. Zwar lägen die formellen Voraussetzungen für die Einsetzung eines Sonderprüfers vor, die Anträge seien insgesamt auch nicht rechtsmissbräuchlich. Es fehle aber an den materiellen Voraussetzungen eines Anspruchs gemäß § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG. Es fehle zwar nicht an Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigten, dass bei den zu untersuchenden Vorgängen Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen seien. In ausreichender Weise hätten die Antragstellerinnen in ihrer Antragsschrift mehrere Vorgänge aus den Jahren 2006 bis 2015 geschildert, wonach Organe der Antragsgegnerin von der "defeat device" Kenntnis erhalten haben könnten, was für den erforderlichen Verdacht nach § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG ausreiche, was näher ausgeführt wird. Dann, wenn der Einbau der "defeat device" über mehr als zehn Jahre von Organen der Antragsgegnerin unentdeckt geblieben sein sollte, folge daraus zwangsläufig, dass es auf der Compliance-Ebene der Antragsgegnerin zu schweren Versäumnissen gekommen sei.
Allerdings habe die Sonderprüfung wegen Unverhältnismäßigkeit zu unterbleiben, weil die im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Fragen Gegenstand von Untersuchungen der von der Antragsgegnerin beauftragten Anwaltskanzlei J. D. seien. Nach durchgeführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sei zweifelhaft, ob durch die Bestellung eines Sonderprüfers noch zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten sei.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragstellerinnen mit ihrer Beschwerde, mit der sie ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgen.
Die Antragsgegnerinnen beantragen (Bl. 384 f. d. A.),
1. den Beschluss des Landgerichts Hannover vom 23.6.2017, Az. 15 O 28/16 aufzuheben, und
a) einen Sonderprüfer zu bestellen gemäß § 142 Abs. 2 AktG zur Prüfung der Fragen, ob Vorstand und Aufsichtsrat der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der sogenannten Abgasthematik seit dem 1.1.2005 ihre rechtlichen Pflichten verletzt und der Gesellschaft einen Schaden zugefügt haben, insbesondere wann der Vorstand erstmals Kenntnis von der sogenannten Abgasthematik hatte oder hätte haben müssen und ob der Vorstand gegen die ad-hoc-Publizitätspflicht verstoßen hat, indem er den Kapitalmarkt nicht rechtzeitig über die sogenannte Abgasthematik aufklärte;
b) als Sonderprüfer wird die B. ... AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, D. (Herr Wirtschaftsprüfer ... R. R., ... D.) bestellt,
hilfsweise:
a) es wird ein Sonderprüfer bestellt gemäß § 142 Abs. 2 AktG zur Prüfung der Fragen, ob Vorstand und Aufsichtsrat der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der sogenannten Abgasthematik seit dem 15.5.2014 ihre rechtlichen Pflichten verletzt und der Gesellschaft einen Schaden zugefügt haben, insbesondere wann der Vorstand erstmals Kenntnis von der Abgasthematik hatte oder hätte haben müssen und ob der Vorstand gegen die ad-hoc-Publizitätspflicht verstoßen hat, indem er den Kapitalmarkt nicht rechtzeitig über die sogenannte Abgasthematik aufklärte;
b) als Sonderprüfer wird die B. ... AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, D. (Herr Wirtschaftsprüfer ... R. R., ... D.) bestellt.
2.
a) es wird ein Sonderprüfer bestellt gemäß § 142 Abs. 2 AktG zur Prüfung der Fragen, ob die Antragsgegnerin hinsichtlich der sogenannten Abgasthematik die notwendigen Anpassungen am eingerichteten Risikomanagement- und Compliance-System getroffen hat, um künftige, ähnlich gelagerte Fälle frühzeitig zu unterbinden bzw. aufzudecken oder ob Vorstand und Aufsichtsrat der Antragsgegnerin ihre rechtlichen Pflichten verletzt und der Gesellschaft einen Schaden zugefügt haben.
Hierbei ist insbesondere der Frage nachzugehen, ob die Anpassung am eingerichteten Risikomanagement- und Compliance-System geeignet ist, um zu verhindern, dass handelnde Personen der V. AG bei der Manipulation von Abgaswerten oder sonstigen Manipulationen technischer Art mitwirken können oder durch bewusstes Verschweigen von Tatsachen eine frühere Aufdeckung der Manipulation verhindern können;
b) als Sonderprüfer wird die B. ... AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, D. (Herr Wirtschaftsprüfer ... R. R. ..., D.) bestellt.
Die Antragsgegnerin und der beteiligte Aufsichtsrat beantragen (Bl. 470, 509 d. A.) unter Anregung, eine weitere mündliche Verhandlung durchzuführen,
die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt deren Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 20. Januar 2017 (Bl. 249 d. A.) sowie den angefochtenen Beschluss verwiesen.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 142 Abs. 5 Satz 2, Abs. 8 AktG, §§ 58 ff. FamFG) der Antragstellerinnen hat im Wesentlichen Erfolg.
Aus den nachstehend darzulegenden Gründen ist ein Sonderprüfer gemäß § 142 Abs. 2 AktG zu bestellen. Die Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung treffen, abgesehen von dessen seinerzeit auf anderer Tatsachengrundlage getroffenen Ausführungen zur Unverhältnismäßigkeit der Sonderprüfung, zu; die Beschlüsse des BVerfG zur derzeitigen (nämlich vorläufigen) Unverwertbarkeit der bei Anwaltskanzlei J. D. beschlagnahmten Unterlagen waren bei Beschlussfassung des Landgerichts noch nicht ergangen.
§ 142 Abs. 2 S. 1, 2 AktG bestimmt, dass dann, wenn die Hauptversammlung einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern zur Prüfung eines nicht über fünf Jahre zurückliegenden Vorgangs bei der Geschäftsführung ablehnt, das Gericht auf Antrag von Aktionären, deren Anteile bei Antragstellung zusammen den hundertsten Teil des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000 € erreichen, Sonderprüfer zu bestellen hat, wenn Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind. Dies gilt auch für nicht über zehn Jahre zurückliegende Vorgänge, sofern die Gesellschaft zur Zeit des Vorgangs börsennotiert war. Die Antragsteller haben nachzuweisen, dass sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tag der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind und dass sie die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag halten.
1. Der Antrag der Antragstellerinnen ist in zulässiger Weise erhoben.
a) Die Antragstellerinnen sind antragsberechtigt. Das hierfür erforderliche Quorum in Höhe von zumindest 1/100 des Grundkapitals bzw. von einer anteiligen Beteiligung in Höhe von mindestens 100.000 € (§ 142 Abs. 2 Satz 1 AktG) wird unstreitig durch die Antragstellerinnen erreicht und ist bereits gegenüber dem Landgericht ausreichend nachgewiesen worden.
Mit dem Landgericht hält der Senat es nicht für ausschlaggebend, dass das depotführende Institut eine Erklärung zur Aktieninhaberschaft der Antragstellerinnen nur gegenüber dem zunächst angerufenen, letztlich aber unzuständigen Landgericht Braunschweig abgegeben hat.
b) Der Senat erachtet die Antragstellerinnen auch als beteiligtenfähig.
Zweifel daran hat die Antragsgegnerin im Hinblick darauf aufgeworfen, dass die Antragstellerinnen als Vermögensmassen amerikanischen Rechts ohne eigene juristische Persönlichkeit den im Streitfall geltend gemachten Rechtsschutz nicht beanspruchen könnten.
Die von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Beteiligtenfähigkeit richtet sich nach § 8 FamFG. Die Vorschrift zeigt, indem sie neben natürlichen und juristischen Personen auch weitere "Beteiligtenfähige", nämlich auch Behörden und Vereinigungen sowie Personengruppen, nennt, dass es auf formelle Rechtsfähigkeit nicht zwingend ankommt. Bei Ausländern wird für die Frage der Beteiligtenstellung auf deren Heimatrecht abgestellt. US-amerikanische Gesellschaften sind nach dem Recht zu beurteilen, nach dem sie gegründet wurden (s. a. Musielak-Weth, ZPO, 14. Aufl., § 50 Rn. 31 a. E.).
Der Senat erachtet die Antragstellerinnen für das streitgegenständliche Verfahren als beteiligtenfähig im Sinne von § 8 FamFG. Weder die Antragsgegnerin noch der Aufsichtsrat haben bezweifelt, dass die Antragstellerinnen in erheblichem Umfang insoweit Rechte und Pflichten innehaben können, als sie Aktien erwerben konnten. Spiegelbildlich zu der rechtlich unzweifelhaften Möglichkeit, dass die Antragstellerinnen Aktien erwerben konnten, müssen sie, ohne dass es dazu eines Sachverständigengutachtens über die Rechtsfähigkeit der Antragstellerinnen nach US-amerikanischem Recht bedürfte, im Rahmen des § 142 Abs. 2 AktG in der Lage sein, aus den erworbenen Aktien auch die sich aus dem Aktienbesitz ergebenden Rechte wie dasjenige auf Einsetzung eines Sonderprüfers wahrzunehmen. Gerade im Lichte des Regelungszwecks des § 142 AktG, nämlich dem Minderheitenschutz Rechnung zu tragen (vgl. OLG München, 31 Wx 14/10, Beschluss vom 11. Mai 2010, Rn. 5 bei juris; KG, 2 W 95/11, Beschluss vom 5. Januar 2012, Rn. 29 bei juris; OLG Frankfurt, 21 W 16/11, Beschluss vom 13. Januar 2011, Rn. 66 bei juris, m. w. N), und des allgemeinen Rechtsstaatlichkeitsgebots des Grundgesetzes erscheint eine andere Auslegung nicht denkbar. Andernfalls würde diese Gruppe von Aktienerwerbern rechtlos gestellt werden.
Ein auf den konkreten Sachverhalt zugeschnittener Beteiligtenbegriff trägt auch dem grundrechtlich geschützten Justizgewährleistungsanspruch Rechnung. Aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes ist die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten. Der Zugang zu den Gerichten darf nicht in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Weise erschwert werden. Das Interesse der Antragsgegnerin wird im Streitfall nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Es erschiene vielmehr sachwidrig, von den Antragstellerinnen zu verlangen, sich in einer solchen Weise neu zu organisieren, dass sie unzweifelhaft den Status einer juristischen Person, den § 8 FamFG nicht einmal zwingend vorschreibt, zu erlangen.
2. Der Antrag ist auch - überwiegend - begründet.
a) Die formellen Voraussetzungen für die Einsetzung eines Sonderprüfers nach § 142 Abs. 2 AktG liegen vor.
aa) Ein ablehnender Hauptversammlungsbeschluss ist am 22. Juni 2016 ergangen.
Eine besondere Frist für die Antragstellung schreibt das Gesetz nicht vor.
bb) Bereits der Prüfungsgegenstand des Hauptantrages der Antragsteller ist, soweit der Senat ihm mit Ausnahme geringer Einschränkungen stattgibt, ausreichend konkret gefasst.
An die Bestimmtheit des Prüfungsgegenstandes dürfen nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden. Es muss sich um bestimmte Vorgänge bei der Geschäftsführung handeln, die Prüfung der gesamten Geschäftsführung ohne Beziehung zu einzelnen Vorgängen kann nicht verlangt werden (vgl. LG München, 5 HK O 20117/07, Urteil vom 31. März 2008, Rn. 20 bei juris, m. w. N.).
Dem ist genügt; die Antragstellerinnen machen eine Prüfung lediglich im Zusammenhang mit der - längst hinlänglich bekannten und ausreichend konkret umrissenen - Abgasthematik geltend.
cc) Mit dem Landgericht ist schließlich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht von einem Rechtsmissbrauch der Antragstellerinnen durch die Einleitung eines Gerichtsverfahrens zur Bestellung eines Sonderprüfers auszugehen. Zwar kommt ein Rechtsmissbrauch insbesondere dann in Betracht, wenn mit dem Verfahren ein Lästigkeitswert aufgebaut und mit diesem Druckmittel Zahlungen an den/die jeweiligen Antragsteller durchgesetzt werden sollen. Es fehlt vorliegend aber an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Antragstellerinnen ausschließlich sachfremde Zwecke verfolgen.
b) Weiter nimmt der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht an, dass die materiellen Voraussetzungen für die Einsetzung eines Sonderprüfers vorliegen.
Es müssen Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass in den letzten zehn Jahren Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind.
Die Antragsteller müssen die erforderlichen Tatsachen nachvollziehbar behaupten, allerdings weder beweisen noch glaubhaft machen. Ergibt der Vortrag einen Verdacht für eine Unredlichkeit oder eine grobe Verletzung von Gesetz oder Satzung, ist ein Sonderprüfer zu bestellen, dessen Aufgabe es ist, sodann den Sachverhalt zu untersuchen und dabei zu klären, ob es tatsächlich zu einer Unredlichkeit oder groben Pflichtverletzung gekommen ist.
Nach jedenfalls ganz überwiegender Meinung ist über den Wortlaut von § 142 Abs. 2 AktG hinaus zwar nicht jeder Verdacht, sondern nur ein qualifizierter Verdacht ausreichend, um die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers entgegen dem Votum der Mehrheit der Aktionäre in der Hauptversammlung begründen zu können. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Folgen einer Sonderprüfung für die betroffene Gesellschaft regelmäßig vielfältig und erheblich sein werden (vgl. BT-Drucks 15/5092, S. 18). Folglich reicht die bloße Möglichkeit von Verfehlungen keinesfalls aus. Erforderlich ist vielmehr, wie auch das Landgericht zutreffend angenommen hat, ein hinreichender Verdacht. Dieser ist dann gegeben, wenn bei Berücksichtigung aller der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen im Ergebnis mehr für als gegen das Vorliegen einer Unredlichkeit oder einer groben Pflichtverletzung spricht. Dies entspricht der Auffassung des Gesetzgebers, wonach hohe Anforderungen an die Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen der Tatsachen zu stellen sind (vgl. BT-Drucks 15/5092, S. 18).
An einem solchen Verdacht fehlt es vorliegend nicht; bereits das Landgericht hat sein Vorhandensein zutreffend angenommen und begründet. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Beschluss verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen.
Wie es möglich gewesen sein soll, dass über einen langen Zeitraum eine Vielzahl von Diesel-PKW mit manipulierter Motorsteuerung gebaut und in mehrere Staaten mit verschiedenen nationalen Abgasanforderungen ausgeliefert wurden, ohne diesen tatsächlich zu genügen, und ohne dass dies von einer verantwortungsvollen Produktausgangskontrolle und einem oder mehreren Mitglied/Mitgliedern des Vorstands bemerkt wurde, erhellt der Vortrag der Antragsgegnerin auch in der Beschwerdeerwiderung nicht. Die Antragsgegnerin räumt zwar im Hinblick auf die USA, einem wichtigen Absatzmarkt mit einem Umsatzanteil von rund 17 %, ein, dass dort besonders strenge Emissionsgrenzwerte hätten eingehalten werden müssen, trägt aber nichts dazu vor, durch welche wie gearteten Vorkehrungen diesem Umstand Rechnung getragen worden sein soll. Die Einschätzung, dass das gezielte, auf Manipulation ausgerichtete Handeln von Mitarbeitern der Antragsgegnerin dem Vorstand nicht insgesamt unbekannt war, wobei es auf eine mögliche Veranlassung durch den Vorstand nicht entscheidend ankommt, ist auch im Zusammenhang mit den Klagen betroffener Fahrzeugeigentümer von Gerichten vertreten worden (s. z. B. LG Krefeld, 7 O 147/16, Urteil vom 19. Juli 2017, zit. nach juris). Zum Fehlen oder Vorhandensein einer Produktkontrolle (und der organisatorischen Maßnahmen zur Sicherstellung von deren Tätigkeit seit 2006), die die Einhaltung der jeweiligen nationalen Abgasanforderungen überprüft hätte und die eingeräumte Entscheidung einer Ingenieursgruppe im Jahr 2006 zur Gestaltung einer bestimmten Abgassoftware hätte erkennen und aufdecken müssen, verhält sich die Antragsgegnerin nicht.
c) Den Zeitraum, auf den sich die Prüfung erstreckt, hat der Senat gemäß § 142 Abs. 2 AktG auf die zulässigen zehn Jahre, bezogen auf das Datum der den Sonderprüfungsantrag ablehnenden Hauptversammlung im Jahr 2016, beschränkt.
d) Entgegen der Ansicht des Landgerichts nimmt der Senat nicht an, dass die Sonderprüfung, deren Voraussetzungen nach § 142 Abs. 2 AktG - wie ausgeführt - gegeben sind, wegen Unverhältnismäßigkeit zu unterbleiben hat.
Es kann jedenfalls nicht (mehr) davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der vom Landgericht angeführten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren in einer solchen Art und Weise Erkenntnisse zu erwarten sind, die die Annahme rechtfertigen, dass durch die Bestellung eines Sonderprüfers kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. Mit Verfügung des Berichterstatters vom 15. August 2017 (Bl. 411 d. A.) ist bereits auf die beiden einstweiligen Anordnungen des BVerfG vom 25. Juli 2017 hingewiesen worden. Die Entscheidungen sind in zwei Verfassungsbeschwerdeverfahren ergangen, die die Anwaltskanzlei J. D. bzw. die Antragsgegnerin angestrengt haben. Die Entscheidungen gehen dahin, dass die im Rahmen der von der Staatsanwaltschaft durchgeführten Durchsuchung der Geschäftsräume der Anwaltskanzlei in M. sichergestellten Unterlagen bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden, längstens für die Dauer von sechs Monaten, bei dem Amtsgericht ... versiegelt zu hinterlegen sind und eine Auswertung oder sonstige Verwertung in diesem Zeitraum zu unterbleiben hat. Damit steht fest, dass voraussichtlich in den nächsten Monaten eine Verwertung nicht stattfinden kann und damit auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass den Antragstellerinnen bereits durch die Tätigkeit der Staatsanwaltschaften ausreichende Erkenntnisse, die die Bestellung eines Sonderprüfers entbehrlich machten, vermittelt werden.
Dass eine Sonderprüfung mit erheblichen Nachteilen für die betroffene Aktiengesellschaft verbunden sein kann, ist nicht zu leugnen. Dieser Gefahr wird aber dadurch Rechnung getragen, dass über den Wortlaut von § 142 Abs. 2 AktG hinaus nicht jeder Verdacht, sondern nur ein qualifizierter Verdacht ausreichend ist, um die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers entgegen der Mehrheit der Aktionäre begründen zu können (s. o.). Anders als die Antragsgegnerin zu meinen scheint, gibt es keinen Grundsatz dergestalt, dass eine Sonderprüfung immer schon dann ausgeschlossen ist, wenn Interessen der Gesellschaft entgegenstehen. Bei einer solchen Auslegung liefe § 142 Abs. 2 AktG leer. Auf die Aktionärsmehrheit kommt es nicht an, denn § 142 Abs. 2 AktG zeigt gerade, dass es unter besonderen Voraussetzungen das durchsetzbare Recht der Aktionärsminderheit ist, sich gegen den im (ablehnenden) Hauptversammlungsbeschluss zum Ausdruck kommenden Mehrheitswillen durchzusetzen und eine Sonderprüfung vornehmen zu können.
Ohnehin hatte die Antragsgegnerin in den letzten Jahren ausreichend Gelegenheit, die Öffentlichkeit oder jedenfalls ihre Aktionäre in Kenntnis zu setzen, soweit ihr bereits eigene Untersuchungsergebnisse vorliegen. Das aber ist ungeachtet der verstrichenen Zeit nicht geschehen. Es ist dabei auch nicht hinnehmbar, dass sich die Antragsgegnerin zur Rechtfertigung ihrer andauernden Intransparenz auf mutmaßliche Folgen beruft, die im rechtswidrigen Verhalten ihrer eigenen Mitarbeiter gründen. Der Senat versteht den Vortrag der Antragsgegnerin zu einer Vielzahl von laufenden Gerichtsverfahren dahin, dass auch in den nächsten Jahren nicht mit der Herstellung von Transparenz gerechnet werden kann. Mit nur internen Ermittlungen, mögen diese auch noch so umfangreich und schon im September 2015 "auf Hochtouren" gelaufen und "insbesondere auch auf alle Organmitglieder und Mitarbeiter der Antragsgegnerin" bezogen gewesen sein, ist dem Interesse der Aktionäre, und zwar auch der Minderheitsaktionäre, deren Schutz § 142 Abs. 2 AktG zum Ziel hat, nicht gedient. Davon, dass der von der Antragsgegnerin angeblich betriebene "ganz außerordentliche Aufwand" eine Sonderprüfung überflüssig machte, kann jedenfalls so lange keine Rede sein, wie dieser Aufwand ein rein interner Vorgang bleibt. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin in keiner Weise den Inhalt ihres Auftrags an die Anwaltskanzlei J. D. offenbart hat, so dass der Senat nicht ermessen kann, was deren Prüfungsumfang war und inwieweit es der Antragsgegnerin im Rahmen des Auftrags erlaubt ist, auf die Formulierung von deren Ergebnissen Einfluss zu nehmen. Darüber, dass die Abreden des Auftrags an die Kanzlei vorsehen, dass beabsichtigt wäre, die Prüfungsergebnisse jenes vertraglichen Prüfungsvorganges der Hauptversammlung - vergleichbar den Ergebnissen einer Sonderprüfung - zu eröffnen, verhält sich weder der Vortrag der Antragsgegnerin noch ihres Aufsichtsrats. Zu einer solchen Annahme, die das gesetzliche Sonderprüfungsrecht obsolet machen könnte, besteht in der Tat keinerlei Anlass.
3. Der Senat hatte keinen Anlass, über die Hilfsanträge zu entscheiden.
Die Antragstellerinnen sind nämlich mit ihrem Hauptantrag mit Ausnahme dessen Beschneidung auf die zulässige Prüfungsfrist in vollem Umfang durchgedrungen, sodass der von den Antragstellerinnen konkludent beschriebene Hilfsfall, nämlich die Zurückweisung eines inhaltlichen Teils des Hauptantrages, nicht eingetreten ist.
Das gilt auch für den unter "2." gestellten, oben wiedergegebenen Antrag. Dass auch dieser Antrag im Hilfsverhältnis zum Antrag zu "1." stehen sollte, haben die Antragstellerinnen in erster Instanz ausdrücklich erklärt, wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2017, Bl. 249 d. A., ergibt.
4. Die Entscheidung über die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz sowie die Kosten der Prüfung beruht auf § 146 S. 1 AktG i. V. m. § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG. Danach hat die Gesellschaft die Kosten zu tragen, sofern, wie vorliegend, ein Sonderprüfer bestellt wurde.
Dass dem Hauptantrag nur teilweise, wenn auch überwiegend stattgegeben worden ist, steht einer weitgehenden Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin nicht entgegen (vgl. OLG Frankfurt, 21 W 16/11, Beschluss vom 13. Januar 2011, Rn. 66 bei juris, m. w. N).
Von der ausnahmsweisen Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen in der vorliegenden Angelegenheit hat der Senat nach Abwägung aller Gesichtspunkte abgesehen.
5. Den Wert hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht, gegen dessen Festsetzung im angefochtenen Beschluss Bedenken nicht erhoben worden sind, auf 500.000 € festgesetzt.
6. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist von Gesetzes wegen ausgeschlossen; § 142 Abs. 6 S. 3, 2. Halbsatz AktG.