Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.04.2020, Az.: 9 W 69/19

Abänderung der Anordnung einer Sonderprüfung und Bestellung eines anderen Sonderprüfers wegen Überschreiten der Altersgrenze durch den zunächst bestellten Sonderprüfer

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.04.2020
Aktenzeichen
9 W 69/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 21726
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2020:0428.9W69.19.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 06.06.2019 - AZ: 25 O 3/19

Fundstellen

  • AG 2020, 553-554
  • FGPrax 2020, 176-178
  • NJW-RR 2020, 862-865
  • NZG 2020, 865-867

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Lehnt nach gerichtlicher Anordnung einer Sonderprüfung gemäß § 142 Abs. 2 AktG der zunächst bestellte Sonderprüfer die Durchführung der Sonderprüfung ab, weil er die Altersgrenze erreicht hat, liegt darin eine nachträgliche wesentliche Änderung der Sachlage.

  2. 2.

    Diese nachträgliche wesentliche Änderung der Sachlage ermöglicht es jedenfalls dann, gemäß § 48 Abs. 1 FamFG den Beschluss betreffend die Anordnung einer Sonderprüfung abzuändern und einen anderen Sonderprüfer zu bestellen, wenn nichts dafür ersichtlich ist, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Sonderprüfung zwischenzeitlich entfallen sein könnten.

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen vom 25. Juli 2019 wird der Beschluss der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 6. Juni 2019 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

  1. 1.

    Der Beschluss des Senats vom 8. November 2017 - 9 W 86/17 - wird dahingehend abgeändert, dass anstelle des ursprünglich persönlich benannten Sonderprüfers, Herrn WP/StB R. R., c/o ..., nunmehr Herr WP/StB ... C. Z., c/o ..., zum Sonderprüfer bestellt wird.

  2. 2.

    Für den Fall der Verhinderung des Herrn WP/StB C. Z. wird Herr WP/StB K. P., c/o ..., zum Ersatzsonderprüfer bestellt.

II. Die Gerichtskosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz hat die Antragsgegnerin zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

IV. Der Beschwerdewert wird auf € 500.000,- festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 8. November 2017 (9 W 86/17, juris), auf den wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, hat der Senat gemäß § 142 Abs. 2 AktG die Durchführung einer Sonderprüfung bei der Antragsgegnerin angeordnet. Zum Sonderprüfer ist seinerzeit Wirtschaftsprüfer/Steuerberater R. R. bestimmt worden. Dieser hat indes, nachdem er sich bereits zuvor gegenüber den Antragstellerinnen entsprechend geäußert hatte, auf Nachfrage des Senats vom 20. Februar 2018 (Bl. 26 Bd. I d.A.) mit Schreiben vom 22. Februar 2018 (Bl. 28 f. Bd. I d.A.) mitgeteilt, dass er "für die Annahme [seiner] Bestellung als Sonderprüfer bei der V. AG nicht zur Verfügung stehe", weil er aus Altersgründen aus der ihn unterstützenden B. T. G. ausgeschieden sei.

Aufgrund dieser - ihnen bereits zuvor zu einem nicht näher vorgetragenen Zeitpunkt bekannt gewordenen - Ablehnung der Annahme der Bestellung durch den ursprünglich benannten Sonderprüfer haben die Antragstellerinnen bereits mit - der Antragsgegnerin nur formlos zur Kenntnis gegebenem (vgl. Ziff. 3 der Verfügung vom 13. Februar 2018, Bl. 15 Bd. I d.A.) - Schriftsatz vom 9. Februar 2018 (Bl. 2 ff. Bd. I d.A.) zunächst zum ursprünglichen, abgeschlossenen Verfahren zu 9 W 86/17 gegenüber dem Senat beantragt, einen anderen namentlich benannten Sonderprüfer sowie für den Fall auch dessen Verhinderung einen Ersatzsonderprüfer zu bestellen. Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2018 (Bl. 44 Bd. I d.A.) haben sie mit diesen Anträgen sodann das Landgericht Hannover angerufen und in diesem Zuge auch ihre an den Senat gerichteten Anträge schließlich mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2018 (Anlage A 14 im Anlagenhefter "ASt.") ausdrücklich zurückgenommen.

Das Landgericht hat die Anträge der Antragstellerinnen mit dem Antragstellervertreter am 26. Juni 2019 zugestelltem (Bl. 234 Bd. I d.A.) Beschluss vom 6. Juni 2019 (Bl. 224 ff. Bd. I d.A.), auf den wegen des Wortlauts der gestellten Anträge und der näheren Einzelheiten des Sachverhalts sowie der Gründe Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Abänderung des ursprünglichen Bestellungsbeschlusses gemäß § 48 Abs. 1 FamFG komme nicht in Betracht, weil es an der erforderlichen Dauerwirkung der Sonderprüferbestellung fehle. Auch andere, von den Antragstellerinnen bemühte Rechtsgrundlagen für eine Abänderung des Ursprungsbeschlusses, insbesondere § 318 Abs. 4 Satz 2 HGB in analoger Anwendung, hat die Kammer für nicht einschlägig erachtet.

Dagegen richtet sich die am 25. Juli 2019 bei Gericht eingegangene Beschwerde der Antragstellerinnen vom selben Tag (Bl. 235 Bd. I ff. d.A.), mit der diese ihr ursprüngliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgen und beantragen,

1. den Beschluss des Landgerichts vom 6. Juni 2019, Az. 25 O 3/19, aufzuheben;

2. den Beschluss des OLG Celle (9. Zivilsenat) vom 8. November 2017, Az. 9 W 86/17, dieser bestätigt durch [auf eine Gehörsrüge der Antragsgegnerin hin ergangenen] Beschluss des OLG Celle vom 23. November 2017, dahingehend abzuändern, dass anstelle des ursprünglich persönlich benannten Sonderprüfers Herrn WP/StB R. R., c/o ..., nunmehr Herr WP/StB C. Z., c/o ..., als Sonderprüfer gemäß §§ 142 Abs. 2 und 143 Abs. 1 Nr. 2 AktG bestellt wird;

3. für den Fall der Verhinderung des Herrn WP/StB C. Z. bereits jetzt Herrn WP/StB K. P., c/o ..., zum Ersatzsonderprüfer zu bestellen;

4. hilfsweise unter Abänderung des Beschlusses des OLG Celle vom 8. November 2017, Az. 9 W 86/17, bestätigt mit Beschluss vom 23. November 2017, eine andere Person als Sonderprüfer zu bestellen.

Die Antragsgegnerin und der beteiligte Aufsichtsrat verteidigen die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird neben der angefochtenen Entscheidung auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1.) Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, obwohl das Landgericht das Abhilfeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat.

Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, der Beschwerde, wenn es sie für begründet erachtet, abzuhelfen bzw. sie anderenfalls dem Beschwerdegericht vorzulegen. Unter "Gericht" in diesem Sinne ist der Spruchkörper zu verstehen, der die angefochtene Entscheidung erlassen hat (Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 68 Rn. 10). Die Kammer für Handelssachen hätte daher in voller Besetzung und nicht, wie geschehen (vgl. Bl. 289 Bd. II d.A.), durch den Vorsitzenden allein über die (Nicht-) Abhilfe entscheiden müssen.

Dennoch macht der Senat von der Möglichkeit, das Verfahren zur Herbeiführung einer ordnungsgemäßen Abhilfeentscheidung an das Landgericht zurückzugeben, keinen Gebrauch. Die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist nämlich nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren; auch grobe Verfahrensverstöße oder ein völliges Fehlen des Abhilfeverfahrens stehen seiner Durchführung daher nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2017 - XII ZB 462/16 -, juris Rn. 13; OLG Köln, Beschluss vom 10. Dezember 2014 - 6 W 187/14 - juris Rn. 6; Keidel/Sternal, a.a.O., § 68 Rn. 34).

2.) Die Beschwerde ist statthaft. Die Anträge der Antragstellerinnen stützen sich auf § 48 Abs. 1 FamFG und haben insofern ein neues Verfahren eingeleitet (vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 48 Rn. 2). Die im ersten Rechtszug ergangene Endentscheidung dieses neuen Verfahrens unterliegt gemäß § 58 Abs. 1 FamFG der Beschwerde (vgl. auch BeckOK/Obermann, FamFG, 34. Edition, Stand: 01.04.2020, § 48 Rn. 25).

Das Rechtsmittel ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

3.) In der Sache erweist sich die Beschwerde als begründet. Das Landgericht hat die auf Bestellung eines anderen Sonderprüfers sowie eines Ersatzsonderprüfers gerichteten Anträge der Antragstellerinnen zu Unrecht zurückgewiesen.

a) Die Anträge sind in zulässiger Weise erhoben.

aa) Die Antragstellerinnen sind beteiligtenfähig. Insofern hat der Senat in der die Durchführung einer Sonderprüfung anordnenden Ausgangsentscheidung vom 8. November 2017 - 9 W 86/17 - ausgeführt:

Zweifel daran [sc. an der Beteiligtenfähigkeit] hat die Antragsgegnerin im Hinblick darauf aufgeworfen, dass die Antragstellerinnen als Vermögensmassen amerikanischen Rechts ohne eigene juristische Persönlichkeit den im Streitfall geltend gemachten Rechtsschutz nicht beanspruchen könnten.

Die von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Beteiligtenfähigkeit richtet sich nach § 8 FamFG. Die Vorschrift zeigt, indem sie neben natürlichen und juristischen Personen auch weitere "Beteiligtenfähige", nämlich auch Behörden und Vereinigungen sowie Personengruppen, nennt, dass es auf formelle Rechtsfähigkeit nicht zwingend ankommt. Bei Ausländern wird für die Frage der Beteiligtenstellung auf deren Heimatrecht abgestellt. US-amerikanische Gesellschaften sind nach dem Recht zu beurteilen, nach dem sie gegründet wurden (s. a. Musielak-Weth, ZPO, 14. Aufl., § 50 Rn. 31 a. E.).

Der Senat erachtet die Antragstellerinnen für das streitgegenständliche Verfahren als beteiligtenfähig im Sinne von § 8 FamFG. Weder die Antragsgegnerin noch der Aufsichtsrat haben bezweifelt, dass die Antragstellerinnen in erheblichem Umfang insoweit Rechte und Pflichten innehaben können, als sie Aktien erwerben konnten. Spiegelbildlich zu der rechtlich unzweifelhaften Möglichkeit, dass die Antragstellerinnen Aktien erwerben konnten, müssen sie, ohne dass es dazu eines Sachverständigengutachtens über die Rechtsfähigkeit der Antragstellerinnen nach US-amerikanischem Recht bedürfte, im Rahmen des § 142 Abs. 2 AktG in der Lage sein, aus den erworbenen Aktien auch die sich aus dem Aktienbesitz ergebenden Rechte wie dasjenige auf Einsetzung eines Sonderprüfers wahrzunehmen. Gerade im Lichte des Regelungszwecks des § 142 AktG, nämlich dem Minderheitenschutz Rechnung zu tragen (vgl. OLG München, 31 Wx 14/10, Beschluss vom 11. Mai 2010, Rn. 5 bei juris; KG, 2 W 95/11, Beschluss vom 5. Januar 2012, Rn. 29 bei juris; OLG Frankfurt, 21 W 16/11, Beschluss vom 13. Januar 2011, Rn. 66 bei juris, m. w. N), und des allgemeinen Rechtsstaatlichkeitsgebots des Grundgesetzes erscheint eine andere Auslegung nicht denkbar. Andernfalls würde diese Gruppe von Aktienerwerbern rechtlos gestellt werden.

Ein auf den konkreten Sachverhalt zugeschnittener Beteiligtenbegriff trägt auch dem grundrechtlich geschützten Justizgewährleistungsanspruch Rechnung. Aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes ist die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten. Der Zugang zu den Gerichten darf nicht in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Weise erschwert werden. Das Interesse der Antragsgegnerin wird im Streitfall nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Es erschiene vielmehr sachwidrig, von den Antragstellerinnen zu verlangen, sich in einer solchen Weise neu zu organisieren, dass sie unzweifelhaft den Status einer juristischen Person, den § 8 FamFG nicht einmal zwingend vorschreibt, [zu] erlangen.

Daran hält der Senat fest. Soweit die Antragsgegnerin in einer u.a. auch gegen die vorstehenden Ausführungen gerichteten Gehörsrüge im Ausgangsverfahren darauf verwiesen hat, die Fähigkeit der Antragsgegnerinnen, Aktien zu halten, bestritten zu haben, bzw. diese Fähigkeit auch im vorliegenden Verfahren nach wie vor bestreitet, hat der Senat mit Beschluss vom 23. November 2017 (9 W 86/17) bereits Folgendes ausgeführt:

Soweit die Antragsgegnerin mit abstrakten Erwägungen und Verweisen auf Rechtsgutachten beanstandet, der Senat habe zu Unrecht die Aktionärsei-genschaft der Antragstellerin[nen] angenommen und sei ihrem auf rechtliche Erwägungen zum Beteiligtenbegriff gestützten Bestreiten nicht nähergetreten, stehen diese Überlegungen der vom Senat in den Vordergrund gestellten, am Tatsächlichen orientierten Auslegung des Beteiligtenbegriffs nicht entgegen.

aa) Die Antragsgegnerin trägt im Verfahren nicht dazu vor, wem sie in den Hauptversammlungen die Ausübung der Aktionärsrechte aus den Aktienpaketen, aus denen die Antragstellerinnen vorgehen, gestattet. Der Senat ist davon ausgegangen, dass die Aktionärsrechte jedoch tatsächlich ausgeübt werden und die Antragsgegnerin kraft dieser Umstände tatsächliche Erkenntnisse darüber hat, mit Hilfe welcher von wem aufgestellter Nachweise sie die Stimmrechtsausübung in ihren Hauptversammlungen geschehen lässt.

In Ermangelung von Ausführungen zur eigenen tatsächlichen Handhabung hinsichtlich der Hauptversammlungen der Antragsgegnerin hat der Senat die seitens der Antragsgegnerin in den Raum gestellten abstrakten Rechtsfragen nicht für aufklärungsbedürftig erachtet, zumal diese in der Folgerung womöglich dazu führen könnten, dass die Antragsgegnerin hinsichtlich der Sonderprüfungsfrage davon profitierte, dass aus einer Vielzahl von Aktien tatsächlich Minderheitenrechte nicht wirksam ausgeübt werden könnten.

Auch diese Ausführungen gelten fort, zumal die Antragsgegnerin sich zwar nach wie vor auf ein die Rechtsfähigkeit der Antragstellerinnen (auf die es gar nicht entscheidend ankommt) verneinendes Parteigutachten beruft, jedoch weiterhin nichts dazu vorträgt, ob und ggf. wie sie die Wahrnehmung der mit den von den Antragstellerinnen gehaltenen Aktien (vgl. Anlagen K 8 - K 10 in gesonderter Heftung) verbundenen Gesellschafterrechte anderweitig handhabte.

bb) Auch die Ausführungen zum Erreichen des nach § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG erforderlichen Quorums durch die Antragstellerinnen im Beschluss des Senats vom 8. November 2017 (dort unter II.1.a) gelten fort, zumal diese unbestritten vorgetragen haben, nach wie vor entsprechende Stückzahlen von Aktien zu halten.

cc) Schließlich sind die Anträge der Antragstellerinnen als Abänderungsanträge gemäß § 48 Abs. 1 FamFG auch insoweit zulässig, als sie sich gegen eine rechtskräftige Endentscheidung - nämlich den Beschluss des Senats vom 8. November 2017 zu 9 W 86/17 - richten, der - wie das Landgericht zu Unrecht verneint hat - Dauerwirkung zukommt.

Dauerwirkung im Sinne der genannten Vorschrift ist gegeben, wenn nicht eine einmalige Rechtsfolge angeordnet, sondern eine Regelung getroffen wird, die unbegrenzt gilt oder sich auf einen Zeitraum bezieht, der zum Zeitpunkt des Abänderungsverfahrens noch nicht abgelaufen ist (Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Aufl. 2020, FamFG § 48 Rn. 4; vgl. auch Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 48 Rn. 6).

Gemessen an diesem Maßstab kann die Dauerwirkung der vorgenannten, eine Sonderprüfung anordnenden Ausgangsentscheidung keinem Zweifel unterliegen und insbesondere nicht, wie das Landgericht und die Antragsgegnerin meinen, damit verneint werden, dass die Anordnung einer Sonderprüfung lediglich punktuellen Charakter aufweise und an einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Sachverhalt anknüpfe. Denn Letzteres ist Tatbestand, nicht Rechtsfolge der Norm des § 142 Abs. 2 AktG.

Entscheidend ist vielmehr, dass die Anordnung der Sonderprüfung in die Zukunft zielt und Geltung für einen längeren Zeitraum, nämlich bis zum Ende der Prüfung, zu beanspruchen vermag. Dies manifestiert sich nicht zuletzt auch darin, dass durch die Bestellung eines Sonderprüfers zwischen diesem und der Gesellschaft ein Rechtsverhältnis sui generis begründet wird (vgl. Spindler/Stilz/Mock, AktG, 4. Aufl. 2019, § 142 Rn. 44), das jedenfalls für den Zeitraum der Sonderprüfung fortbesteht und in diesem Sinne auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Seine Rechtsgrundlage aber ist die Sonderprüfungsanordnung, die mithin ebenfalls dauerhafte Wirkung entfaltet.

b) Die Anträge auf Bestellung eines neuen Sonderprüfers sowie eines Ersatzsonderprüfers sind auch begründet.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann eine rechtskräftige Endentscheidung mit Dauerwirkung dann abgeändert werden, wenn sich die zugrunde liegende Sach-oder Rechtslage nachträglich wesentlich geändert hat. Dies ist vorliegend der Fall.

aa) Es ist eine Änderung der Sachlage insoweit eingetreten, als der mit Beschluss des Senats vom 8. November 2017 benannte Sonderprüfer, dessen Bereitschaft zur Übernahme des Prüfauftrages der Entscheidung unausgesprochen zugrunde lag, die Übernahme der Prüfungstätigkeit abgelehnt hat.

Diese Änderung ist auch wesentlich, weil sie die Durchführung der Sonderprüfung in der angeordneten Form und damit die Umsetzung des Senatsbeschlusses vom 8. November 2017 in seiner bisherigen Form unmöglich macht.

bb) Die damit gegebene wesentliche Änderung der Sachlage ist auch nachträglich eingetreten. Das ist immer dann der Fall, wenn sich die Verhältnisse nach Erlass desjenigen Beschlusses, in dessen Rahmen die Umstandsänderung letztmalig hätte berücksichtigt werden können, geändert haben und zuvor auch nicht für eine Berücksichtigung ausreichend konkret vorhersehbar waren (MünchKomm/Ulrici, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 48 Rn. 13).

Als im Streitfall entscheidenden Zeitpunkt, zu dem die Veränderung der Sachlage eingetreten ist, erachtet der Senat die ihm gegenüber mit Schreiben vom 22. Februar 2018 (Bl. 28 f. Bd. I d.A.) abgegebene Erklärung des zunächst berufenen Sonderprüfers, den Prüfauftrag nicht zu übernehmen. Denn die Notwendigkeit einer Erklärung des Sonderprüfers über die Annahme seiner Bestellung (vgl. Spindler/Stilz/Mock, a.a.O., § 142 Rn. 180 m.w.N.) ist anerkannt; deren - schon begriffsnotwendig erst nach Erlass des eine Sonderprüfung anordnenden Beschlusses und damit nachträglich mögliche - Ablehnung ist mithin die Tatsache, die die Umsetzung der Ursprungsentscheidung nicht mehr gestattet und deren Abänderung erfordert.

Dass die Ablehnung der Bestellung, wie die Antragsgegnerin behauptet, bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Ursprungsentscheidung (insbesondere für die Antragstellerinnen) vorhersehbar war, bleibt eine durch nichts belegte Spekulation. Insbesondere trägt die Antragsgegnerin nichts dazu vor, dass eine für die berufliche Tätigkeit des zunächst bestimmten Sonderprüfers gesellschaftsvertraglich vereinbarte Altersgrenze den Beteiligten oder gar dem Senat bekannt war. Im Übrigen wäre selbst dann, wenn die Beendigung der beruflichen Tätigkeit des ursprünglich bestimmten Sonderprüfers bekannt gewesen wäre, daraus nicht zwingend der Schluss zu ziehen gewesen, dass dieser auch die Bestellung zum Sonderprüfer im Streitfall ablehnen würde.

c) Nach alldem gestattet § 48 Abs. 1 FamFG die tenorierte Abänderung der Ausgangsentscheidung des Senats vom 8. November 2017. Dabei wird auch die Bestellung eines Ersatzsonderprüfers allgemein für zulässig erachtet (vgl. nur Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, 3. Aufl. 2015, § 142 Rn. 26).

Einer weitergehenden Rechtsgrundlage, die speziell auf die Berufung neuer Sonderprüfer zugeschnitten ist und von Teilen der Literatur in einer analogen Anwendung des § 318 Abs. 4 Satz 2 HGB gesehen wird (vgl. MünchKomm/Arnold, AktG, 4. Aufl. 2018, § 142 Rn. 125; Spindler/Stilz/Mock, a.a.O., § 142 Rn. 220; Lieder, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. VII, 5. Aufl. 2016, § 26 Rn. 155; abl. Schmidt/Lutter/Spindler, a.a.O., § 142 Rn. 69a), bedarf es daher nicht. Denn immer dann, wenn eine vorrangige Rechtsgrundlage für die Abänderung nicht ersichtlich ist, kommt § 48 Abs. 1 FamFG direkt zur Anwendung (vgl. zum Vorrang spezieller Abänderungsvorschriften nur MünchKomm/Ulrici, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 48 Rn. 4 m.w.N.). Mithin fehlt es unabhängig vom (im Einzelnen im Übrigen umstrittenen, vgl. Schmidt/Lutter/Spindler, a.a.O., § 142 Rn. 69a) Vorliegen der Voraussetzungen einer Analogie schon an deren Notwendigkeit (wie hier für eine unmittelbare Anwendung des § 48 Abs. 1 FamFG in Fällen, in denen ein zunächst bestimmter Sonderprüfer seine Bestellung ablehnt, auch Verse/Gaschler, in: Hirte/Mülbert/Roth, AktG Großkommentar, 5. Aufl. 2019, § 142 Rn. 313).

d) Die Eignung der als Sonderprüfer bzw. Ersatzsonderprüfer bestellten Personen i.S.d. § 143 AktG ergibt sich aus den Angaben der Antragstellerinnen im Schriftsatz vom 7. Juli 2018 (dort S. 36 f. = Bl. 130 f. Bd. I d.A.) i.V.m. deren als Anlage A 5 (im Anlagenband "ASt. II" der Beiakte zu 9 W 86/17) vorgelegten Erklärungen, denen die Antragstellerin nicht entgegengetreten ist.

e) Dahinstehen kann schließlich, ob und inwieweit im Abänderungsverfahren nach § 48 Abs. 1 FamFG das unveränderte Vorliegen der Entscheidungsgrundlagen der Ausgangsentscheidung zu prüfen ist (insofern recht weitgehend Zöller/Feskorn, a.a.O., FamFG § 48 Rn. 9; einschränkend hingegen MünchKomm/Ulrici, a.a.O., § 48 Rn. 16, sowie BeckOK/Obermann, FamFG, 34. Edition, Stand: 01.04.2020, § 48 Rn. 22).

Denn jedenfalls sind Gesichtspunkte, die das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerinnen bzw. die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Sonderprüfung im Hinblick auf anderweitige Erkenntnisquellen infrage stellen oder gar entfallen lassen könnten, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere liegt den Aktionären offenbar nach wie vor kein Abschlussbericht der von der Antragsgegnerin mit "internen Ermittlungen" beauftragten Kanzlei J. D. vor bzw. ist jedenfalls nicht öffentlich oder den Aktionären bekannt, obwohl die zur Sonderprüfung Anlass gebenden Geschehnisse inzwischen vor weit mehr als vier Jahren aufgedeckt worden sind. Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang im Schriftsatz vom 14. September 2018 (dort S. 3 f. = Bl. 145 f. Bd. I d.A.) darauf verweist, dass die vom Senat in seiner Ausgangsentscheidung in Bezug genommene einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juli 2017 insoweit nicht mehr als Argument für Anordnung und Durchführung einer Sonderprüfung herangezogen werden könne, als die von der Staatsanwaltschaft bei der Kanzlei J. D. beschlagnahmten Unterlagen inzwischen ausgewertet werden dürfen, dringt sie damit nicht durch, nachdem die Antragstellerinnen unwidersprochen vorgetragen haben, dass ihnen Einsicht in die betreffenden Akten verweigert wird (Schriftsatz vom 25. Oktober 2018, dort S. 11 = Bl. 177 f. Bd. I d.A.).

4.) Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt dem Rechtsgedanken des § 146 AktG. Anlass für eine Erstattung außergerichtlicher Kosten hat der Senat nicht gesehen.

5.) Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG schon deshalb nicht vorliegen, weil es im Streitfall nach bereits rechtskräftig angeordneter Sonderprüfung lediglich um den Austausch der Person des Sonderprüfers geht.