Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.04.2015, Az.: 1 Ws 426/14

Aufhebung eines dinglichen Arrestes wegen Nichtförderung des Ermittlungsverfahrens

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.04.2015
Aktenzeichen
1 Ws 426/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 25573
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0420.1WS426.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 19.07.2013
AG Hannover - 20.06.2013

Fundstellen

  • NJW 2015, 8
  • StV 2016, 13
  • wistra 2016, 44-47

Amtlicher Leitsatz

Auch wenn die Rückgewinnungshilfe zugunsten geschädigter Opfer von Straftaten erfolgt, handelt es sich bei der vorläufigen Sicherungsmaßnahme gem. § 111b Abs. 5 StPO gleichwohl um einen staatlichen Eingriff, der sich wie jeder andere am Prinzip der Angemessenheit messen lassen muss. Die Nichtförderung eines Ermittlungsverfahrens kann daher dazu führen, dass die Aufrechterhaltung eines dinglichen Arrestes aufzuheben ist.

Tenor:

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 20. Juni 2013 in der Form des Beschlusses vom 19. Juli 2013 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens und die dem Beschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hannover erließ am 20. Juni 2013 wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betruges zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe den dinglichen Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beschuldigten in Höhe von 28.738,59 €.

Dem zugrunde lagen zunächst zahlreiche Strafanzeigen von geschädigten Kunden, die über die Websites www.c. bzw. www.f. Kontakt zur Firma C. GmbH & Co. KG (im Folgenden: C.) aufgenommen hatten, um dort vergünstigte Handys etc. zu erwerben bzw. im Zusammenhang damit neue Telekommunikationsverträge abzuschließen, die über die C. vermittelt wurden. Teilweise wurden von diesen Kunden für die Handys Zuzahlungen auf im Internet angegebene Konten überwiesen. Während sodann die Provider, mit denen die Telekommunikationsverträge abgeschlossen wurden, ihre Leistungen bereits den Kunden in Rechnung stellten und von den Konten der Kunden entsprechende Beträge abbuchten, warteten die Kunden in der Folgezeit vergeblich auf die Lieferung der bestellten Geräte. In einigen Fällen lagen die eingezogenen Beträge auch deutlich über dem, was nach dem Vertragsinhalt vereinbart worden war. Teilweise hatten die Kunden sogar vom Abschluss eines Vertrages nach Eingabe ihrer Daten abgesehen und erhielten dennoch Rechnungen der Provider für vermeintliche Telekommunikationsleistungen. In einigen Fällen hatten Geschädigte noch nicht einmal die benannten Webseiten aufgesucht. Gleichwohl sind den Providern weitere vermeintliche Vertragsabschlüsse zur Durchführung eines Vertrages über Telekommunikationsdienstleistungen durch die C. angezeigt und von diesen anschließend den vermeintlichen Kunden in Rechnung gestellt worden. In den Fokus der Ermittlungen geriet dadurch der Mitbeschuldigte W., der das Unternehmen am 1. Juni 2012 vom Beschwerdeführer übernommen hatte und seitdem Geschäftsführer der C. war.

Aufgrund Ermittlungen gegen den Beschuldigten wegen eines Verstoßes gegen die AO fand am 13. Juli 2012 eine Durchsuchung der vom Beschuldigten benutzten Räumlichkeiten statt. Dabei sind Geschäftsunterlagen der Firma C. (E-mail-Verkehr, Kontoauszüge) gefunden worden, die auch den Zeitraum nach dem vermeintlichen Verkauf des Unternehmens betrafen. Dadurch entstand der Verdacht bei den Ermittlungsbehörden, der Mitbeschuldigte W. sei nur als Strohmann des Beschuldigten zur Verschleierung betrügerischer Aktivitäten eingeschaltet worden.

Die weiteren Ermittlungen haben ergeben, dass sowohl der Beschuldigte als auch seine Lebensgefährtin, die Zeugin K., über das Geschäftskonto der C. Nr. xxxxxx bei der H. Volksbank auch nach dem 1. Juni 2012 allein verfügungsberechtigt gewesen sind und zwar bis zur Auflösung des Kontos am 17. Juli 2012. Eine Befragung der Mitarbeiter der Firma C. ergab, dass von den dortigen Beschäftigten niemand etwas von einem Verkauf des Unternehmens im Vorfeld mitbekommen habe. Insbesondere der täglich von 9 bis 19 Uhr in den Räumlichkeiten der C. anwesende Zeuge M. hat niemals jemanden vor Ort angetroffen, der sich über das Unternehmen oder die Arbeitsabläufe erkundigt hatte. Hinsichtlich des Mitbeschuldigten W. handelt es sich um einen polnischen Staatsangehörigen, der bislang für die Ermittlungsbehörden nicht greifbar ist. Nach Angaben von Zeugen spricht er kein Deutsch und ist regelmäßig von einer weiteren Person zu Vertragsgesprächen mit dem Vermieter der von ihm angemieteten Wohn- und Geschäftsräume sowie zu Bankgeschäften begleitet worden. Diese Person - von der die Ermittlungsbehörden ausgehen, es handele sich um den Beschuldigten - hat für den Mitbeschuldigten W. bei den Gesprächen Übersetzungstätigkeit geleistet. Die hierbei angegebene Wohn- bzw. Geschäftsanschrift existiert jedoch nicht real. Ein dort angebrachter Briefkasten wurde im August 2012 schon wieder abmontiert. Zudem handelt es sich bei dem Namen W. aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Aliaspersonalie, da einer namensgleichen Person in Polen der Ausweis abhanden gekommen ist und dieser offensichtlich zur Vorlage diverser Geschäfte unter Verwendung eines verfälschten Lichtbildes vorgelegt wurde. Zudem hat der Beschuldigte am 8. August und 10. September 2012 die Umsatzsteuervoranmeldung für Mai 2012 zugunsten der C. eingereicht und dabei auch Umsätze im Zeitraum vom 1. Juni bis 17. Juli 2012, also nach dem Verkauf des Unternehmens, erklärt. Bei der Durchsuchung seines PCs ist im Übrigen u. a. ein Ordner mit der Bezeichnung "FAKE"-Kunden gesichtet worden, bei dem anzunehmen ist, dass mehrere der vermittelten Verträge über Telekommunikationsleistungen zur Erzielung der damit verbundenen Provisionen schlichtweg erfunden worden sind.

Gestützt auf diese Ermittlungsergebnisse hat das Amtsgericht Hannover den benannten dinglichen Arrest gegen den Beschuldigten angeordnet. Diesen Beschluss hat es am 19. Juli 2013 korrigiert, weil versehentlich zwei weitere Personen als Beschuldigte dieses Verfahrens aufgenommen wurden, gegen die sich die Ermittlungen vorliegend aber nicht richten. Der dringende Tatverdacht ergebe sich danach aus den oben benannten Umständen. Im Übrigen lägen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Taten von langer Hand vorbereitet worden seien, um Gelder aus dem Unternehmen zu ziehen und dieses sodann in die Insolvenz zu führen. Die fingierte Anschrift des Mitbeschuldigten W. sei bereits im April 2012 im Internet als Anbieterkennung verwendet worden, obwohl der Verkauf des Unternehmens erst zum 1. Juni 2012 erfolgt ist. Damit lägen Gründe für die Annahme vor, dass die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz nur deshalb nicht gegeben sind, weil den Verletzten aus den Taten ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde. Ausgehend von einer von den Polizeibehörden gefertigten Tabelle ergebe sich aufgrund der dort dargestellten 264 Fälle eine Schadenssumme von 28.738,59 €. Es bestehe auch die Besorgnis der Vereitelung der Zwangsvollstreckung, da nicht anzunehmen sei, dass der Beschuldigte untätig bleibe, wenn er die Gefahr der Rückgewinnungshilfe erkenne. Aufgrund seiner trickreichen und konspirativen Vorgehensweise seien eher weitere Vermögensverschiebungen zu erwarten.

Gegen diesen Beschluss hat der Beschuldigte Beschwerde erhoben, die er aber nicht begründet hat. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Hannover die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der amtsgerichtlichen Anordnung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beschuldigten. Dringende Gründe liegen seiner Ansicht nach nicht vor. Er habe die Firma zum 1. Juni 2012 veräußert und sämtliche EC-Karten und zugehörigen PINs für das Geschäftskonto sowie die Zugangsdaten für die Webseiten www.c. und www.f. an den Mitbeschuldigten W. übergeben. Zwar sei er nach dem Verkauf über das Geschäftskonto der C. noch verfügungsberechtigt gewesen, habe aber nicht mehr verfügt. Soweit Unterlagen aus der Zeit nach der Übertragung der Firma bei ihm festgestellt worden seien, die der C. zugeordnet werden können, seien davon Vorgänge betroffen, die aus einer Zeit stammen, in der er noch Geschäftsführer der C. war. So seien beispielsweise Zahlungsverpflichtungen Ende Mai 2012 entstanden, die aber erst im Juni 2012 mit Rechnungsstellung durch ihn beglichen worden seien. Selbstverständlich habe er insoweit noch Unterlagen gehabt. Im Übrigen sei die Anbieterkennung, in der die Adresse des Mitbeschuldigten W. benannt worden ist, erst zum 8. Juni 2012 geändert worden.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 18. September 2014 der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen und sich auf eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 10. September 2014 bezogen. Danach sei bei der Durchsuchung beim Beschuldigten u. a. ein E-Mail-Ausdruck der C. vom 10. Juli 2012 gefunden worden, der jedenfalls für die Begleichung von Rechnungen aus Mai 2012 nicht notwendig gewesen sei. Es sei auch wenig plausibel, dass der Beschuldigte auch die Zugangsdaten zur Website www.f. an den Mitbeschuldigten W. weitergegeben haben will, weil der Beschuldigte die Firma F. GmbH nie veräußert habe. Die überwiegende Zahl der geschädigten Kunden habe auch über die Firma F. ihre Bestellungen getätigt. Auf das Geschäftskonto der C. seien im Juni 2012 noch Eingänge in Höhe von 196.500 € und im Juli 2012 von 96.084 € vorgenommen worden, bevor das Konto am 17. Juli 2012 aufgelöst worden sei. Bis dahin seien der Beschuldigte und seine Lebensgefährtin allein verfügungsberechtigt gewesen. Das neue Geschäftskonto der C. sei erst am 10. Juli 2012 eingerichtet worden. Das Privatkonto des Mitbeschuldigten W., auf das ebenfalls Kundengelder eingegangen seien, sei bereits am 25. Mai 2012 eingerichtet worden. Gemäß eines telefonischen Auftrags des Beschuldigten seien am 5. Juni 2012 von dem ursprünglichen Geschäftskonto der C. bei der H. Volksbank 235.000 € auf das Privatkonto des Beschuldigten überwiesen und am 29. Juni 2012 weitere 56.378,12 € umgebucht worden. Angesichts dieser Umstände sei unerheblich, dass der Wechsel der Anbieterkennung tatsächlich erst zum 8. Juni 2012 erfolgt sei.

Der Vorgang ging am 26. September 2014 beim Oberlandesgericht in Celle ein und wurde unter dem 29. September 2014 zur Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vorgelegt. Diese gewährte unter dem 24. Oktober 2014 dem Verteidiger Akteneinsicht für 3 Tage. Der Vorgang wurde mit einer Stellungnahme sowie dem Antrag, den dinglichen Arrest aufrechtzuerhalten, durch die Generalstaatsanwaltschaft dem Senat am 30. März 2015 zur Entscheidung zurückübersandt. Telefonische Nachfrage des Berichterstatters bei der zuständigen Dezernentin der Staatsanwaltschaft ergab, dass seit Weiterleitung des Vorgangs an das Landgericht Hannover am 16. September 2014 keine weitere Ermittlungstätigkeit von dort mehr durchgeführt worden ist.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO), und hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss und die Anordnung des dinglichen Arrestes durch das Amtsgericht Hannover waren aufzuheben.

1. Nachdem der zum Zweck der Rückgewinnungshilfe angeordnete dingliche Arrest bereits länger als 12 Monate andauerte, kam eine Aufrechterhaltung der Maßnahme nur beim Vorliegen dringender Gründe für die Annahme, der Beschuldigte habe aus den ihm vorgeworfenen Taten etwas erlangt, auf das die Geschädigten im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen könnten, in Betracht (§ 111 b Abs. 5, Abs. 2, Abs. 3 Satz 3 StPO).

a. Jedenfalls für den gesamten arrestierten Betrag in Höhe von 28.738,59 € lagen diese Voraussetzungen nicht vor. Die von den Ermittlungsbehörden erarbeitete Tabelle, die dem genannten Betrag zugrunde liegt, berücksichtigt teilweise nämlich nicht nur vom Beschuldigten vermeintlich durch Betrugshandlungen erlangte Zahlungen, sondern in vielen Fällen auch Schadenspositionen, bei denen der Schaden den betroffenen Kunden durch Kontoabbuchung von Beträgen infolge erbrachter oder vermeintlicher Telekommunikationsleistungen entstanden ist (Fallakten 13, 42, 49, 51, 62, 68, 86, 89, 91, 98, 100, 109 (teilweise), 115 (teilweise), 116, 119, 132, 134, 143, 145, 148, 153, 163, 166, 180 (teilweise), 212 (teilweise)). Dass der Beschuldigte an den eingezogenen Beträgen, die den Providern zugeflossen sind, partizipiert hat, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls von den Geschädigten ebenfalls keine Zahlungen erlangt hat der Beschuldigte in den Fallakten 4, 12, 17, 24, 47, 48, 99, 101, 108, 112, 139, 147, 149, 152, 155, 160, 175, 177, 178, 181, 182, 183, 243 und 255. Insoweit handelt es sich nämlich um nur scheinbar zustande kommende Verträge zwischen den Providern und den Geschädigten, denen von ihren Konten Beträge für Leistungen aus nur vermeintlich geschlossenen Verträgen über Telekommunikation abgebucht worden sind. Zuzahlungen an den Beschuldigten, die der Rückgewinnungshilfe unterfallen könnten, sind dabei nicht erfolgt. Insoweit käme allenfalls ein Betrug des Beschuldigten zu Lasten der Provider in Betracht, die für die Vermittlung vermeintlicher Telekommunikationsleistungsverträge Provisionen an die Firma C. ausgeschüttet haben und für die ebenfalls Rückgewinnungshilfe betrieben werden könnte. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft ausweislich ihres Vermerkes vom 18. Juni 2013 (SH VE S. 21) gerade davon absehen wollen, zugunsten der Provider entsprechende Sicherungsmaßnahmen anordnen zu lassen, weil inzwischen eine geraume Zeit verstrichen sei, nicht geklärt wäre, ob bzw. in welcher Höhe tatsächlich ein Schaden entstanden ist und es sich bei den geschädigten Firmen um größere Unternehmen handele, die in der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen erfahren und rechtskundig seien. Insoweit ist in dem dem Senat vorliegenden Vorgang auch nicht erkennbar, dass die Ermittlungen gegen den Beschuldigten hinsichtlich möglicher Betrugshandlungen zu Lasten der beteiligten Provider weiterverfolgt worden sind. Nach Abzug des in der Tabelle unter Fallakte 47 verbuchten Betrages, der bereits bei Fallakte 1 berücksichtigt worden ist, verbleibt damit schließlich ein Betrag von 20.603,27 €, der durch 170 vollendete Fälle des gewerbsmäßigen Betruges der Rückgewinnungshilfe unterliegen könnte.

b. Auch hinsichtlich dieses Betrages bestehen nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen indessen Zweifel, ob von einem über den Tatverdacht hinausgehenden dringenden Grund für die Annahme, der Beschuldigte habe die Zahlungen aufgrund eines gewerbsmäßigen Betruges zu Lasten der Kunden der C. erlangt, die Rede sein kann. Mit Ausnahme der Fälle FA 14, 77, 79, 141, 144, 171, 172, 174, 176, 179, 184, 189, 198, 204, 208, 223 und 228 sind die Zahlungen geschädigter Kunden auf Konten erfolgt, auf die der Beschuldigte zunächst keinen Zugriff hatte. Ein dringender Grund für die Annahme von Rückgewinnungshilfe kann daher nur dann angenommen werden, wenn der Mitbeschuldigte W. durch den Beschuldigten nur als Strohmann für die Geschäftsführung eingesetzt worden ist und die gezahlten Beträge ihm trotz fehlender Berechtigung im Außenverhältnis zugeflossen sind. Soweit die Kammer in ihrer Nichtabhilfeentscheidung, der Staatsanwaltschaft folgend, einen dringenden Grund weiterhin für gegeben hält und dabei auf den Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 10. September 2014 verweist, ist die dort vorgenommene Argumentation nicht in allen Punkten stichhaltig. Dass etwa die meisten Kunden über die Firma F. - die nichtveräußerte Firma des Beschuldigten - die Handys bestellt hätten, trifft nicht zu. Die Annahme beruht offenbar auf einem Fehlverständnis der von den Ermittlungsbehörden zusammengestellten Tabelle. Dieser ist lediglich zu entnehmen, dass die Mehrheit der Geschädigten den Kontakt zur C. über die Webseite www.f. hergestellt haben. Nach den bisherigen Ermittlungen vertrieb die Firma C. ihre Handys aber auch und vorwiegend über die Website www.f., ohne dass die Firma F.-GmbH an diesen Geschäften beteiligt gewesen ist. Gegen die Annahme der Staatsanwaltschaft, dass die Deutsch sprechende Begleitung des Mitbeschuldigten W. bei seinen Bankgeschäften der Beschuldigte selbst war, spricht, dass es ausweislich Bl. 4 des Sonderheftes am 29. Juni 2012 eine Besprechung des Mitbeschuldigten W., seiner deutschsprachigen Begleitung und den Bankangestellten der H. Volksbank eG gegeben hat, in dem der Mitbeschuldigte W. darauf hingewiesen worden ist, dass die Umsätze auf seinem Privatkonto gewerblicher Herkunft seien und dieser deswegen aufgefordert wurde, die erforderlichen Unterlagen für eine gewerbliche Nutzung zu vervollständigen. Am nächsten Tag habe die Begleitung des Mitbeschuldigten W. mitgeteilt, dass es zwar ein Geschäftskonto der Firma C. gebe, der ehemalige Eigentümer, nämlich der Beschuldigte, sich aber weigere, dieses zu übergeben, da noch Provisionszahlungen zu seinen Gunsten ausstünden und diesem Konto gutgeschrieben würden. Die Annahme, dass der Beschuldigte zusammen mit dem Mitbeschuldigten W. in diesem Gespräch seine wahre Identität verschleiern wollte, um mit dem Mitbeschuldigten W. konspirativ bei der Beseitigung des Vermögens der C. zusammenzuarbeiten, erscheint nach gegenwärtiger Beurteilung eher unwahrscheinlich. Ein solches Vorgehen wäre nämlich gar nicht notwendig gewesen. Wäre der Mitbeschuldigte W. nur Strohmann, wäre es zur Täuschung viel effektiver gewesen, sämtliche Aktivitäten in Bezug auf die C. zum 1. Juni 2012 einzustellen, auch auf das Geschäftskonto bei der H. Volksbank gar nicht mehr zuzugreifen und stattdessen die erlangten Einnahmen anschließend verdeckt über den Strohmann ausgekehrt zu bekommen. Es liegt jedenfalls nicht außerhalb des Denkbaren, dass der Beschuldigte tatsächlich den Verkauf der C. an den Mitbeschuldigten W. als günstige Gelegenheit gesehen hat, das Unternehmen mit gewinnbringendem Erfolg abzustoßen, dabei aber auch noch versucht zu haben, sich die vermeintlich ihm noch zustehenden, ausstehenden Zahlungseingänge noch zu verschaffen. Dies würde dann auch mit seinen Angaben korrespondieren, warum bei ihm noch Unterlagen der C. aus der Zeit nach dem 1. Juni 2012 aufgefunden worden sind, warum er Geld von dem Konto der C. auch noch nach dem 1. Juni 2012 auf sein Privatkonto transferieren ließ und warum er noch im August und September 2012 bei der Umsatzsteuervoranmeldung Mai 2012 für die C. Einnahmen aus der Zeit nach dem 1. Juni 2012 deklarierte. Insbesondere letzter Punkt, Einnahmen aus der Zeit nach dem vermeintlichen Verkauf des Unternehmens zu erklären, steht im Widerspruch zur Annahme, der Beschuldigte habe verschleiern wollen, auf Zahlungen nach dem 1. Juni 2012 zugreifen zu können.

c. Gleichwohl kann auf der anderen Seite nicht übersehen werden, dass das Auffinden auch von Unterlagen, die deutlich nach dem Verkauf der C. erstellt worden sind, dafür spricht, dass der Beschuldigte auch nach dem 1. Juni 2012 noch Einfluss auf die Tätigkeit der C. gehabt hat. Zudem sind in mindestens 17 Fällen Zahlungen der geschädigten Kunden weiterhin auf das Konto der C. bei der H. Volksbank geflossen, auf das allein der Beschuldigte und seine Lebensgefährtin Zugriff hatten. Schließlich konnte keiner der bei der C. beschäftigten Zeugen Angaben zu üblicherweise beim Verkauf eines Unternehmens stattfindenden Vorgesprächen machen. Unter Berücksichtigung auch des Umstandes, dass ausweislich des beim Beschuldigten aufgefundenen "FAKE"-Ordners dem Beschuldigten ein kriminelles Verhalten nicht fernzuliegen scheint, liegen weiterhin Indizien vor, die dafür sprechen, dass der Beschuldigte eines gewerbsmäßigen Betruges in einer Vielzahl von Fällen verdächtig ist. Ob dies letztlich die Annahme auch eines dringenden Tatverdachts zu begründen geeignet ist, kann vorliegend aber dahingestellt bleiben.

2. Denn für die nach § 111 d Abs. 2 StPO i. V. m. § 917 ZPO erforderliche Gefahr der Vereitelung einer späteren Zwangsvollstreckung reicht es nicht, dass der Beschuldigte weiter auf sein Vermögen zugreifen könne. Diese ganz pauschale Erwägung, mit der sich in so gut wie allen Fällen des Verdachts einer Straftat, bei der eine Wertersatzeinziehung oder Rückgewinnungshilfe in Betracht kommt, ein dinglicher Arrest begründen ließe, reicht nicht aus (vgl. OLG Oldenburg, StV 2008, 241). Der dingliche Arrest im Ermittlungsverfahren ist keine regelmäßig kurzerhand anzuordnende Maßnahme, sondern ein Sicherungsmittel, das im Einzelfall nach sachgerechter Prüfung und pflichtgemäßem Ermessen einzusetzen ist. Wegen des in der Arrestanordnung liegenden schwerwiegenden staatlichen Grundrechtseingriffs zu Lasten eines einer Straftat nur erst Verdächtigen müssen hierfür - über den Tatverdacht als solchen und nie ausschließbare ganz allgemeine Möglichkeiten hinausgehend - in objektiver Hinsicht oder im Hinblick auf das Verhalten des Beschuldigten konkrete Umstände vorliegen, die besorgen lassen, dass ohne eine Arrestanordnung der Anspruch auf Wertersatzeinziehung bzw. Rückgewinnungshilfe ernstlich gefährdet wäre (vgl. BVerfG StV 2004, 409; OLG Oldenburg, StraFo 2009, 283 [OLG Oldenburg 26.05.2009 - 1 Ws 293/09]). Solche Umstände sind hier nicht erkennbar. Insbesondere sind keine Anstalten des Beschuldigten zu einer Vermögensverheimlichung, Verschleuderung oder Verschiebung ersichtlich.

3. Darüber hinaus wäre die angeordnete Maßnahme mittlerweile auch aus Verhältnismäßigkeitsgründen aufzuheben gewesen. Auch wenn die Rückgewinnungshilfe zugunsten geschädigter Opfer von Straftaten erfolgt, handelt es sich bei der vorläufigen Sicherungsmaßnahme gleichwohl um einen staatlichen Eingriff, der sich wie jeder andere am Prinzip der Angemessenheit messen lassen muss. Seit der Übersendung des Vorgangs durch die Staatsanwaltschaft an das Landgericht sind die Ermittlungen vorliegend zum Erliegen gekommen. Weder ist das Verfahren vorangeführt worden, noch hat eine Verdichtung des Tatverdachts stattgefunden. Auch wenn anders als bei vorläufigen Maßnahmen beim dinglichen Arrest zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe Opferinteressen zu berücksichtigen sind, stellt sich eine vorläufige Maßnahme nach Ablauf von 7 Monaten, ohne dass es einen Fortschritt in der Verfahrensförderung gegeben hat, als für den Beschuldigten nicht mehr zumutbar dar. Insoweit konnte bei dieser Würdigung auch berücksichtigt werden, dass trotz des nach § 111 e Abs. 3 StPO erfolgten Hinweises - soweit erkennbar - keiner der geschädigten Kunden sich um die Erlangung eines Vollstreckungstitels i. S. des § 111 g StPO bemüht hat, um seine Ansprüche gegen den Beschuldigten durchzusetzen. Ganz im Gegenteil haben eine Vielzahl der geschädigten Kunden bei ihren Zeugenbefragungen mitgeteilt, dass ihnen die geringen Beträge den mühevollen Weg einer Erlangung eines Vollstreckungstitels nicht wert sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 StPO entsprechend.