Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.04.2015, Az.: 1 Ws 135/15

Keine Kostenerstattung eines Privatgutachtens zur Frage der Verjährung nach deutschem Recht

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.04.2015
Aktenzeichen
1 Ws 135/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 20063
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2015:0420.1WS135.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 26.02.2015

Fundstellen

  • RENOpraxis 2015, 203
  • RVGreport 2016, 149-150
  • StRR 2015, 243
  • ZAP EN-Nr. 624/2015
  • ZAP 2015, 814
  • wistra 2015, 366

Amtlicher Leitsatz

Kosten eines Angeklagten für ein von ihm veranlasstes privates Rechtsgutachten, das sich allein mit der Frage eingetretener Verjährung einer zur Last gelegten, im Inland begangenen Geldwäsche befasst, gehören nicht zu seinen notwendigen Auslagen.

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des ehemaligen Angeklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Stade vom 26. Februar 2015 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 5.950,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Anklage vom 29. September 2006 warf die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer Unterstützung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) und Geldwäsche (§ 261 Abs. 1, 2. Alt. StGB) vor. Konkret legte sie ihm zur Last, zu Gunsten einer Gruppe von 17 Mitangeklagten im Zeitraum 1996 bis Dezember 1999 von Litauen aus über ein Offshore-Konto seiner Firma S. Ltd. auf G. Geldtransfers zur Verschleierung illegaler Erlöse aus dem Verkauf von Deutschland nach Litauen geschmuggelter Zigaretten durchgeführt zu haben.

Die Wirtschaftsstrafkammer eröffnete das Hauptverfahren mit Beschluss vom 14. Oktober 2008. In einer Schutzschrift vom 27. Oktober 2008 machte der Verteidiger des Beschwerdeführers u.a. Verfolgungsverjährung geltend und legte dazu ein von ihm zur Frage der Verjährung eingeholtes, 14 Seiten umfassendes Rechtsgutachten des Prof. Dr. B. aus P. vom 22. Oktober 2008 vor. Außerdem beantragte er die Nachholung des rechtlichen Gehörs gemäß § 33 a StPO, weil der Eröffnungsbeschluss vor Ablauf der ihm gewährten Einlassungsfrist gefasst worden war. Zu einer Entscheidung über diesen Antrag kam es nicht mehr; denn das Landgericht stellte mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Beschwerdeführers das Verfahren mit Beschluss vom 28. Oktober 2014 gemäß § 153 StPO ein, wobei die dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen der Landeskasse auferlegt wurden.

Der Verteidiger des Beschwerdeführers beantragte am 7. Februar 2015 beim Landgericht die Festsetzung der dem Beschwerdeführer zu erstattenden Auslagen. Darin waren auch 5.950,00 € für das Rechtsgutachten enthalten. Die Erstattung der Auslagen für das Rechtsgutachten lehnte das Landgericht mit Beschluss vom 26. Februar 2015 ab, weil es sich insoweit nicht um Kosten der notwendigen Rechtsverteidigung handele.

Gegen den - seinem Verteidiger am 3. März 2015 zugestellten - Beschluss legte der ehemalige Angeklagte am 9. März 2015 sofortige Beschwerde ein, soweit die Erstattung der Auslagen für das Rechtsgutachten abgelehnt worden ist. Das Gutachten sei wegen der für den Verjährungsbeginn wichtigen und umstrittenen Rechtsfrage der Zuordnung des Geldwäschetatbestands zu den abstrakten oder konkreten Gefährdungsdelikten zur Herstellung der Waffengleichheit mit der Staatsanwaltschaft und einer effektiven Verteidigung erforderlich gewesen. Schließlich habe auch der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer unter dem 16. Oktober 2014 erklärt, dass im Falle einer Nichteinstellung zur Frage der Verjährung noch Beweis erhoben werden müsste.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Die gemäß §§ 464b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt.

2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde indes keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Erstattung der Auslagen für das Rechtsgutachten zu Recht abgelehnt, weil es sich nicht um notwendige Auslagen im Sinne von § 464a Abs. 2 StPO handelt.

Notwendige Auslagen sind die einem Beteiligten erwachsenen, in Geld messbaren Aufwendungen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder zur Geltendmachung prozessualer Rechte erforderlich waren (vgl. LR-Hilger StPO 26. Aufl. § 464a Rn. 1; KK/StPO-Gieg 7. Aufl. § 464a Rn. 6). Diese Voraussetzungen erfüllen Kosten für eigene Ermittlungen und Privatgutachten in der Regel nicht (KG StraFo 2012, 380 [KG Berlin 20.02.2012 - 1 Ws 72/09]); denn bereits die Staatsanwaltschaft ermittelt von Amts wegen (§ 160 Abs. 1 StPO) und hat Beweise auch zu Gunsten des Beschuldigten zu erheben (§ 160 Abs. 2 StPO). Auch die Amtsaufklärungspflicht des Gerichts (§ 244 Abs. 2 StPO), der bei der Urteilsfindung geltende Grundsatz "in dubio pro reo" sowie das Recht des Beschuldigten, bei den Strafverfolgungsorganen und dem Gericht Beweiserhebungen anzuregen oder zu beantragen, schließen im Regelfall das Erfordernis privater Ermittlungen und Beweiserhebungen aus. Ein hierauf bezogener Erstattungsanspruch setzt deshalb grundsätzlich voraus, dass zunächst alle prozessualen Mittel zur Erhebung des gewollten Beweises ausgeschöpft worden sind (vgl. OLG Düsseldorf StV 1994, 500) und dass sich der Angeklagte nicht mehr anders verteidigen konnte. Auslagen für ein - im Strengbeweisverfahren der strafrechtlichen Hauptverhandlung nicht als Beweismittel verwertbares - Rechtsgutachten zugunsten eines anwaltlich beratenen Mandanten sind grundsätzlich nicht als notwendige Auslagen im Sinne von § 464a Abs. 2 StPO anzusehen (BVerfG EuGRZ 2000, 494 [BVerfG 26.09.2000 - 2 BvR 1609/00]). Eine ausnahmsweise Erstattung kommt nur dann in Betracht, wenn das Gutachten zur Klärung in einem sehr abgelegenen Rechtsgebiet beiträgt (OLG Celle NdsRpfl 1994, 79; KG aaO.; KK/StPO-Gieg aaO.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Auch wenn man die Frage des Verjährungsbeginns wegen der umstrittenen Zuordnung des Geldwäschetatbestands zu den abstrakten oder konkreten Gefährdungsdelikten als schwierig bezeichnen mag, so handelt es sich dabei nicht um ein sehr abgelegenes Rechtsgebiet. Die Frage der Verfolgungsverjährung nach deutschem Recht, zumal bei Straftatbeständen aus dem Strafgesetzbuch - wie hier -, gehört vielmehr zu den Kernmaterien des Strafprozesses. Dies belegen auch der Umfang und der Inhalt des eingeholten Rechtsgutachtens. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer im Rahmen seiner Anregung einer Einstellung vom 16. Oktober 2014 selbst die Auffassung vertreten hat, dass die Klärung der von der Verteidigung aufgezeigten Verjährungsprobleme noch "umfangreiche Ermittlungen zur Rechtslage bezüglich einer Strafbarkeit der Geldwäsche und Steuerhinterziehung in den Tatjahren in Litauen" erfordern würde und dazu Gutachten eingeholt werden müssten (Bl. 37 Bd. XXI d.A.). Die gerichtliche Beauftragung eines Sachverständigen mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens in Bezug auf Fragen des ausländischen Rechts ist nämlich zulässig (BGH NJW 1994, 3364, 3366; LR-Becker StPO 26. Aufl. § 244 Rn. 8). Hierzu verhält sich jedoch das vorgelegte Privatgutachten nicht; es betrifft ausschließlich die inländische Rechtslage. Bestand und Auslegung des inländischen Rechts sowie seine Anwendung auf den Entscheidungsfall sind aber einer Beweiserhebung nicht zugänglich (vgl. BGHSt 32, 68; LR-Becker aaO.; KK/StPO-Krehl 7. Aufl. § 244 Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl. § 244 Rn. 49; jew. mwN). Dies wäre von einem Verfahrensbeteiligten auch mit Blick auf die Pflicht zur wirtschaftlichen Prozessführung (vgl. KG aaO.) zu berücksichtigen gewesen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.