Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 02.07.2020, Az.: L 8 AY 37/20 B ER
Zuweisung einer neuen Unterkunft als Leistung nach dem AsylbLG; Notwendigkeit eines Umzuges aus medizinischen Gründen
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 02.07.2020
- Aktenzeichen
- L 8 AY 37/20 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 47795
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - 30.03.2020 - AZ: S 26 AY 18/19 ER
Rechtsgrundlagen
- § 3 AsylbLG
- § 86b Abs. 2 S. 2 SGG
Fundstellen
- Breith. 2021, 152-156
- info also 2021, 192
- info also 2021, 240
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 30. März 2020 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, über den Antrag der Antragstellerin auf Zuweisung einer anderen Unterkunft unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren zu erstatten. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H., I., bewilligt. Ratenzahlung wird nicht angeordnet.
Gründe
I.
Im Streit ist die Zuweisung einer neuen Unterkunft als Leistung nach dem AsylbLG.
Die 1971 geborene Antragstellerin lebt mit ihrem 1959 geborenen Ehemann und ihrer 2001 geborenen Tochter im Kreisgebiet der Antragsgegnerin. Sie gibt sich - wie ihre Familienangehörigen - als sudanesische Staatsangehörige, islamischen Glaubens, aus und reiste gemeinsam mit ihrer Tochter im Juni 2017 nach Deutschland ein; ihr Ehemann hält sich seit 2016 in Deutschland auf. Nach erfolglosem Asylverfahren (Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge - BAMF - vom 17.8.2017; Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 12.12.2018 - 5 A 1111/17 -, rechtskräftig seit dem 4.2.2019) und Zuweisung zum Antragsgegner (Bescheid der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen - Standort J. - vom 4.9.2017) wurde ihr, ihrem Mann und ihrer Tochter als Inhaber von Duldungen im September 2017 die Auflage erteilt, ihren Wohnsitz in einer Gemeinschaftsunterkunft in K. zu nehmen (Bescheid des Antragsgegners vom 5.9.2017). Der Familie wurden dort zwei Zimmer, ein eigenes Bad und eine eigene Küche in einem Wohncontainer zur Verfügung gestellt. K. liegt im südlichen Kreisgebiet des Antragsgegners nahe an der Autobahn 7 (ca. 3 km), am Ostrand des Naturschutzgebiets L. und zählt etwa 1.000 Einwohner; mit dem Bus sind der Ort M. mit etwa 5.000 Einwohnern (in ca. 10 Min.) und die größeren Städte N. (in ca. 30 Min.) und O. (in ca. 45 Min.) zu erreichen.
Nach der Unterbringung in K. beantragte die im Bezug von Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG stehende Familie mehrmals erfolglos die Zuweisung einer anderen Wohnung (Bescheide des Antragsgegners vom 21.12.2017 sowie vom 5.4. und 22.10.2018). Hintergrund der Anträge waren neben gewünschten Rückzugsmöglichkeiten für die damals fast volljährige Tochter im Wesentlichen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Antragstellerin. Bei ihr bestehen eine chronisch-entzündliche Immunerkrankung (systemischer lupus erythematodes - SLE), und diverse andere - auch psychische - gesundheitliche Beeinträchtigungen mit Schmerzzuständen (Osteoporose, Niereninsuffizienz, Fibromyalgie), teilweise unklarer Genese, die eine fachärztliche Behandlung und stationäre Aufenthalte in Krankenhäusern erforderten. Auf den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 22.10.2018 holte der Antragsgegner (wiederum) eine amtsärztliche Stellungnahme ein und lehnte die Zuweisung einer anderen Wohnung "gemäß § 3 AsylbLG" erneut mit der Begründung ab, dass aufgrund der vorliegenden Atteste weder eine Unzumutbarkeit der Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft in K. zu erkennen noch eine Unterbringung in einer anderen Unterkunft erforderlich sei (Bescheid vom 3.1.2019). Die hiergegen und gegen die Ablehnungsentscheidung gegenüber der Tochter der Antragstellerin (Bescheid vom 25.1.2019) erhobenen Widersprüche hatten in der Sache keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14.3.2019). Die gegenüber der Antragstellerin erfolgte Ablehnung ist Gegenstand des seit Ende März 2019 beim Sozialgericht (SG) Lüneburg anhängigen Hauptsacheverfahrens (- S 26 AY 9/19 -).
Nachdem während des Klageverfahrens von der Antragstellerin diverse Behandlungsunterlagen vorgelegt worden waren und eine (erneute) Stellungnahme der Amtsärztin P. vom 17.10.2019 die Notwendigkeit eines Umzuges ergeben hatte, um die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel und damit die medizinische Behandlung zu verbessern, hat die Antragstellerin beim SG am 19.11.2019 unter Vorlage eines aktuellen Attestes des sie behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Q., M., die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt. Auf die weitere Stellungnahme der Amtsärztin P. vom 4.12.2019, nach der u.a. auch eine Rückzugsmöglichkeit für die Antragstellerin "in einem eigenen bzw. ehelichen Schlafraum" befürwortet, aber die ausschließliche Nutzung einer eigenen Küche und eines eigenen Bades nicht als erforderlich angesehen worden ist, hat der Antragsgegner eine Unterbringung der Familie der Antragstellerin in zwei Zimmern mit gemeinschaftlicher Nutzung von Küche und Bad mit einer vierköpfigen Familie in einer Unterkunft in N. angeboten (Schriftsatz vom 12.12.2019). Dieses Angebot hat die Antragstellerin mit der Begründung abgelehnt, sie könne die (zwei) Treppen zu der Wohnung nicht mehrmals täglich bewältigen, ebenso wenig die Strecke zum Bahnhof oder zu der nächsten Bushaltestelle. Zudem gehörten der Familie, mit der die Räumlichkeiten teilweise gemeinschaftlich genutzt werden soll, Kleinkinder an; den damit einhergehenden Lärm könne sie - jedenfalls gegenwärtig - aufgrund ihrer Erkrankung nicht ertragen (Schriftsatz vom 15.1.2020). Auf den Wunsch, eine Wohnung in einem (wohl kommunalen) Neubauvorhaben in R. zugewiesen zu bekommen, hat der Antragsgegner eingewandt, die Wohnungen würden privat vermietet, sich aber bereit erklärt, bei Vorlage eines Mietvertragsangebots die Übernahmefähigkeit von zukünftigen Aufwendungen für die Unterkunft zu prüfen. Das SG hat den Eilantrag durch Beschluss vom 30.3.2020 mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin habe weder einen Anordnungsanspruch noch die besondere Eilbedürftigkeit der Sache (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht. Sie verfüge in den derzeit bewohnten Räumlichkeiten über ausreichend Rückzugsmöglichkeiten, alternativ sei ihr auch unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ein Umzug in die vom Antragsgegner angebotene Wohnung in N. zuzumuten.
Gegen den am 2.4.2020 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 4.5.2020 (Montag). Sie macht unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, dass der Antragsgegner ihr, ihrem Ehemann und ihrer Tochter unverzüglich angemessenen Wohnraum ohne gesundheitliche Gefährdung der Antragstellerin zuzuweisen habe.
Der Antragsgegner hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend und macht zusätzlich geltend, dass die Antragstellerin keinen Anspruch auf sog. Analog-Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG habe, weil sie ihre Aufenthaltsdauer in Deutschland rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst habe. Sie habe bei der Anhörung beim BAMF angegeben, alle Personalpapiere verloren zu haben und sei der Aufforderung der Ausländerbehörde zur Beschaffung und Vorlage von Identitätspapieren vom 30.4.2019 bis heute nicht nachgekommen. Entsprechendes gelte für ihren Ehemann, dem gegenüber Leistungen nach § 2 AsylbLG bereits abgelehnt worden seien (Bescheid vom 30.5.2018).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, der Gerichtsakte des beim SG anhängigen Hauptsacheverfahrens (- S 26 AY 9/19 -) und der beigezogenen Vorgänge der Leistungs- und Ausländerstelle des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist in dem aus den Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Antragstellerin hat keinen Rechtsanspruch gegen den Antragsgegner auf Zuweisung einer anderen Wohnung, sondern lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Leistungen für Unterkunft. Die Beschwerde ist insoweit teilweise unbegründet und im Übrigen zurückzuweisen.
Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Eine einstweilige Anordnung kann auch über Leistungen ergehen, die eine Ermessensentscheidung der Behörde voraussetzen, insbesondere, wenn nach den besonderen Umständen des Einzelfalles sich nur eine Entscheidung als ermessensfehlerfrei darstellt (sog. Ermessensreduzierung auf Null). Wenn es die Umstände des Einzelfalles erfordern, kann die Behörde auch zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6.6.2018 - L 9 AL 92/18 B ER - juris Rn. 1; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.9.2010 - L 1 R 163/10 B ER - juris Rn. 29; Burkiczak in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 86b Rn. 334; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 30a).
Die Antragstellerin hat betreffend die von ihr begehrte Zuweisung einer neuen Wohnung einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin ist als Geduldete leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG. Ob sich ihr Anspruch auf laufende Leistungen nach den §§ 3, 3a AsylbLG (Grundleistungen) oder nach § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII beurteilt, kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, weil diese Frage für die Prüfung des geltend gemachten Anspruchs ohne Belang ist.
Rechtsgrundlage für die (leistungsrechtliche) Entscheidung über die Unterbringung bzw. die Leistungen für Unterkunft und Heizung ist bei Grundleistungsberechtigten, die sich - wie die Antragstellerin - nicht (mehr) in einer Aufnahmeeinrichtung i.S. des § 44 AsylG aufhalten, § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG (in der Fassung vom 13.8.2019, BGBl. I 1290; bis 31.8.2019 § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG a.F.), nach dem der Bedarf u.a. für Unterkunft und Heizung, soweit notwendig und angemessen, gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht wird. Ausländer- bzw. ordnungsrechtliche Rechtsgrundlagen oder solche des Niedersächsischen Gesetzes zur Aufnahme von ausländischen Flüchtlingen und zur Durchführung des AsylbLG (AufnG) vom 11.3.2004 (Nds. GVBl. 2004, 100, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.9.2016, Nds. GVBl. 2016, 190) finden nicht Anwendung, weil die angefochtene Verfügung des Antragsgegners sich nicht auf ordnungsrechtliche Grundlagen stützt und das AufnG über die Verteilung und Zuweisung von Ausländerinnen und Ausländern (vgl. § 1 AufnG) keine Regelungen über die konkrete Unterbringung der Personen enthält (vgl. zu leistungs- und ordnungsrechtlichen Abgrenzungsfragen auch Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 135 ff.).
§ 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG ermächtigt die Leistungsbehörde, die Bedarfe für Unterkunft und Heizung als Geld- oder Sachleistung zu decken, wobei beide Leistungsformen gleichberechtigt nebeneinander stehen (Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 3 AsylbLG Rn. 71 und Hohm in GK-AsylbLG, Stand Januar 2020, § 3 Rn. 197 f., jeweils zu § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG a.F. unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien, BT-Drs. 18/3144, S. 16 "alternativ"; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbGL Rn. 159). Die (Auswahl-)Ermessensentscheidung der Behörde (Wahrendorf, AsylbLG, 1. Aufl. 2017, § 3 Rn. 53) betrifft die Frage, ob der Bedarf an Unterkunft und Heizung als Sachleistung durch Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft (§ 53 AsylG), Ausreiseeinrichtung (§ 61 Abs. 2 AufenthG) oder in sonstigem Wohnraum (Übergangsheim, Wohnheim etc.) oder als Geldleistung durch Übernahme der Kosten für eine (Miet-)Wohnung und Heizung zu decken ist. Auch wenn grundsätzlich kein Anspruch auf Unterbringung in einer bestimmten Unterkunft besteht (vgl. etwa SG Aachen, Beschluss vom 11.12.2015 - S 20 AY 14/15 ER - juris Rn. 12 ff.; Birk in LPK-SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 3 AsylbLG Rn. 20 zu § 3 Abs. 2 Satz 4 AsylbLG a.F.; a.A. wohl Siefert in Siefert, AsylbLG, 1. Aufl. 2018, § 3 Rn. 34), vermittelt § 3 Abs. 3 Satz 3 AsylbLG zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Unterbringung in adäquatem Wohnraum (Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 146).
Die Ermessensentscheidung hat die Umstände des Einzelfalls, die besondere Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland und die Besonderheiten des AsylbLG zu berücksichtigen. Ausschlaggebend können insbesondere Zweckmäßigkeitserwägungen unter Berücksichtigung der Organisations- und Planungshoheit des Leistungsträgers und vorhandener Unterkunftskapazitäten sein, aber auch (ausländerrechtliche) Auflagen über die Wohnsitz- bzw. Wohnungnahme, Vorschriften über die Unterbringung (§§ 47, 53 AsylG) und ein Vergleich der ggf. in unterschiedlicher Höhe anfallenden Kosten. In der Person des Leistungsberechtigten liegende und für die Entscheidung relevante Umstände können u.a. gesundheitliche Beeinträchtigungen (insb. aufgrund psychischer Erkrankung), die Pflege von Angehörigen, Grundbedürfnisse von Familien (insb. bei schulpflichtigen Kindern; vgl. dazu etwa nach altem Recht OVG Niedersachsen, Beschluss vom 4.12.2003 - 4 ME 476/03 - juris Rn. 4) oder die bisherige und voraussichtliche Aufenthaltsdauer in Deutschland darstellen (vgl. zu den möglichen Kriterien Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 3 Rn. 72-74; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3 AsylbLG Rn. 168 f.). Die Aufzählung ist nicht abschließend.
Eine entsprechende (Auswahl-)Ermessensentscheidung über die Form der Leistungen für Unterkunft und Heizung ist von der Leistungsbehörde auch bei Leistungsberechtigten nach § 2 Abs. 1 AsylbLG jedenfalls dann zu treffen, wenn die betroffene Person - wie hier - eine Zuweisung einer anderen Unterkunft begehrt. Für eine entsprechende Anwendung des § 35 SGB XII gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ist dann kein Raum. Im Übrigen hat der Antragsgegner bereits seine Bereitschaft erklärt, bei einer Vorlage eines Mietvertragsangebotes die Frage der übernahmefähigen Kosten zu prüfen (Schriftsatz vom 11.2.2020).
Nach diesen Maßgaben erweist sich die Ablehnungsentscheidung des Antragsgegners (Bescheide vom 22.10.2018 und 3.1.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.3.2019) als ermessensfehlerhaft, weil sie sich in der Begründung in erster Linie auf die Notwendigkeit des Umzuges aus medizinischen Gründen stützt und die Umstände des Einzelfalles nicht bzw. nicht hinreichend berücksichtigt (z.B. ggf. noch bestehende Wohnsitzauflagen, familiäre und pflegerische Gründe, die bisherige und voraussichtliche Aufenthaltsdauer der Antragstellerin und ihrer Familie in Deutschland und einen Kostenvergleich alternativer Unterkünfte). Wegen des zeitlichen Ablaufs konnte in die Ermessensentscheidung auch nicht die jüngste Stellungnahme der Amtsärztin P. vom 17.10.2019 eingehen, nach der ein Umzug der Antragstellerin als notwendig erachtet worden ist, um die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel und damit die medizinische Behandlung zu verbessern. Einer weiteren Prüfung bedürfen auch die Einwände der Antragstellerin gegen die vom Antragsgegner angebotene Unterkunft in N ...
Weil nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Klage gegen die Ablehnungsentscheidung i.S. einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, 56 SGG) auf Neubescheidung des Antrags auf Zuweisung einer anderen Unterkunft aller Voraussicht nach begründet sein wird und es der Antragstellerin angesichts der bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht zuzumuten ist, wegen dieser Frage ein gerichtliches Hauptsacheverfahren - ggf. über zwei Instanzen - zu beschreiten (Anordnungsgrund), hat der Senat es in Ausübung des ihm nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO zustehenden Ermessens als erforderlich angesehen, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, über den Antrag der Antragstellerin auf Zuweisung einer anderen Unterkunft unter Beachtung der aufgezeigten Maßgaben erneut zu entscheiden. Mit der erneuten Entscheidung dürfte zugleich das beim SG anhängige Hauptsacheverfahren (- S 26 AY 9 /19 -) gegenstandslos werden, weil sie nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens wird und sich die frühere Ablehnungsentscheidung gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 1 Nds. VwVfG damit auf andere Weise erledigt (vgl. BSG, Urteil vom 2.2.2010 - B 8 SO 21/08 R - juris Rn. 9 m.w.N.). Einer Änderung oder Aufhebung der früheren Ablehnungsentscheidung bedarf es damit im vorliegenden Verfahren nicht. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Antragstellerin mit ihrem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihr einen anderen - aus ihrer Sicht angemessenen - Wohnraum zur Verfügung zu stellen, nicht durchgedrungen ist. Insoweit ist es auch nicht ausgeschlossen, dass eine erneute Entscheidung des Antragsgegners über die der Antragstellerin (und ihren Angehörigen) zu erbringenden Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht ihren Vorstellungen entspricht.
Der Antragstellerin ist gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen (auch) in zweiter Instanz hinreichende Erfolgsaussichten hat und nicht mutwillig ist. Der Antragstellerin ist es als Bezieherin von lebensunterhaltssichernden Leistungen nach dem AsylbLG nicht zuzumuten, die Kosten des Prozesses selbst zu tragen, auch nicht zum Teil oder in Raten. Die Beiordnung des Rechtsanwalts beruht auf § 121 Abs. 2 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.