Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.07.2022, Az.: 7 W 26/22 (L)

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
22.07.2022
Aktenzeichen
7 W 26/22 (L)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 63268
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hameln - 13.01.2022 - AZ: 12 Lw 32/21

In der Landwirtschaftssache betreffend den im Grundbuch von H. Blatt 230 eingetragenen Hof gemäß der Höfeordnung
pp.
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... als Berufsrichter - ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 LwVG - beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin und Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Hameln vom 13. Januar 2022 (Az. 12 Lw 32/21) dahingehend abgeändert, dass der Geschäftswert festgesetzt wird auf 1.290.496 € (vierfacher Einheitswert).

Auf die Erinnerung betreffend die Gerichtskostenrechnung vom 14. April 2022 wird das Verfahren zur Neuentscheidung an das Amtsgericht Hameln zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts ergeht gerichtsgebührenfrei; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Gründe

1. Die sich gegen die Festsetzung des Geschäftswerts durch den angefochtenen Beschluss des Landwirtschaftsgerichts auf 7.878.000 € richtende Beschwerde vom 24. Mai 2022 ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, §§ 83 Abs. 1 Satz 3, 79 Abs. 2 Satz 2 GNotKG.

2. Die Beschwerde erweist sich auch als begründet, weswegen der angefochtene Beschluss des Landwirtschaftsgerichts in Bezug auf die Festsetzung des Geschäftswerts - wie aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlich - abzuändern war. Denn der Geschäftswert für das Verfahren betreffend die Genehmigung der Hofübergabe, um das es in der Hauptsache ging, ist gem. § 48 Abs. 1 GNotKG auf den vierfachen Einheitswert und nicht auf den - deutlich höheren - Verkehrswert festzusetzen, wie das Landwirtschaftsgericht meint.

Im Einzelnen:

a) Nach § 79 Abs. 1 GKG ist der für den Kostenansatz maßgebliche Wert des jeweiligen Verfahrensgegenstandes von Amts wegen festzusetzen. Ausgangspunkt ist dabei nach § 46 Abs. 1 GNotKG grundsätzlich der Verkehrswert einer Sache.

Allerdings sieht das Gesetz nach § 48 Abs. 1 GNotKG eine Kostenprivilegierung vor, wenn das jeweilige Verfahren oder Geschäft "im Zusammenhang mit einer Übergabe oder Zuwendung eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs mit Hofstelle an eine oder mehrere natürliche Personen einschließlich der Abfindung weichender Erben" erfolgt; in diesem Fall beträgt der festzusetzende und dem Kostenansatz zugrunde zu legende Wert des land- oder forstwirtschaftlichen Vermögens höchstens das Vierfache des letzten Einheitswerts.

b) Ein solcher Fall ist auch hier gegeben.

Mit Urkunde Nr. K 109/21 des Notars K. in W., ergänzt durch Urkunde Nr. K 312/21 desselben Notars, hat der Vater der Antragstellerin und Beteiligte zu 2. seinen im Grundbuch des Amtsgerichts Hameln von H. Bl. 230 eingetragenen Hof i.S.d. Höfeordnung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge mit Wirkung zum 1. Juli 2021 auf die Antragstellerin übertragen (§ 1 des Hofübergabevertrags); zugleich haben die Vertragsparteien eine Abfindung der weichenden Erben - der Ehefrau des Übergebers und der Schwestern der Antragstellerin - vereinbart (§ 6 des Hofübergabevertrags).

Dabei steht entgegen der Auffassung des Landwirtschaftsgerichts der Anwendung des Kostenprivilegs des § 48 GNotKG im Streitfall auch nicht entgegen, dass dieses nur dann greift, wenn

- die unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erwerber selbst beabsichtigt ist und

- der Betrieb unmittelbar nach Vollzug der Übergabe oder Zuwendung einen nicht nur unwesentlichen Teil der Existenzgrundlage des zukünftigen Inhabers bildet.

Denn auch im Fall der hier vereinbarten sog. gleitenden Übergabe, wie sie infolge des zugunsten des Beteiligten zu 2 bis zum 1. Juli 2026 eingeräumten Nießbrauchsrechts vorliegt, besteht eine Fortführungsabsicht der Antragstellerin als Erwerberin - zeitlich lediglich hinausgeschoben auf den Zeitpunkt des Endes des Nießbrauchsrechts.

Diese zeitliche Verschiebung der Fortführungsabsicht in die Zukunft ist für die Anwendbarkeit von § 48 GNotKG allerdings unschädlich, da es nicht auf die Unmittelbarkeit der Fortführungsabsicht des Erwerbers ankommt (so aber offensichtlich Diehn, in: Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 4. Aufl., § 48, Rn. 14), sondern nach ganz überwiegender Auffassung lediglich darauf, dass der Erwerber dem bisherigen Eigentümer bzw. Nießbraucher unmittelbar als Bewirtschafter nachfolgt (OLG Nürnberg, Beschluss v. 1. Februar 2017 - 8 W 2148/16, NJOZ 2018, 1187, Rn. 36; Soutier, in: BeckOK Kostenrecht, 37. Edition, § 48 GNotKG, Rn. 22; Tiedtke, in: Korintenberg, GNotKG, 22. Aufl., § 48, Rn. 9; Storch, in: Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, NK-BGB, 5. Aufl., Anhang 1, Rn. 284) und der übernommene Betrieb dann maßgeblicher Teil seiner Existenzgrundlage ist.

Aus diesem Grund würde die Kostenprivilegierung des § 48 GNotKG selbst dann greifen, wenn der Zeitpunkt der Übernahme des Betriebs durch die Antragstellerin - wie jedoch nicht - noch ungewiss wäre, soweit nur die Fortführung an sich schon feststünde (Soutier, in: BeckOK Kostenrecht, a.a.O., Rn. 22). Denn für die Erfüllung des Erfordernisses der "Unmittelbarkeit" in § 48 Abs. 1 GNotKG kommt es - anders als das Landwirtschaftsgericht offensichtlich meint - nicht auf das zeitliche Moment an, sondern stattdessen lediglich darauf, dass die Fortführung des Betriebs ohne zwischenzeitliche Einschaltung weiterer, mit der Bewirtschaftung betrauter Personen erfolgt.

Eine Anwendbarkeit des Bewertungsprivilegs schiede mangels der erforderlichen Unmittelbarkeit einer Nachfolge der Antragstellerin als Bewirtschafterin nach dem Beteiligten zu 2 als bisherigem Eigentümer daher lediglich dann aus, wenn beabsichtigt wäre, für eine Übergangszeit bis zur Übernahme des Betriebs durch die Antragstellerin diesen durch einen Verwalter in ihrem Auftrag bewirtschaften zu lassen, oder bei Abschluss des Übergabevertrags der Betrieb nicht vom Übergeber selbst bewirtschaftet, sondern verpachtet, brachliegend oder anderweitig genutzt worden wäre (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 36; Tiedtke, in Korintenberg, a.a.O., Rn. 9). Für derartige Konstellationen ergeben sich vorliegend indes keine Anhaltspunkte.

Anders, als das Landwirtschaftsgericht meint, rechtfertigt sich im Streitfall die Nichtanwendbarkeit des Kostenprivilegs aus § 48 Abs. 1 GNotKG auch nicht durch eine im Vergleich mit der Vorgängervorschrift des § 19 Abs. 4 KostO geänderte Rechtslage, weil "nach damaligem Kostenrecht" - gemeint ist nach § 19 Abs. 4 KostO - "eine alsbaldige, unmittelbar an die Übergabe anschließende Fortführung für die Gewährung des Kostenprivilegs nicht Voraussetzung war". Denn Voraussetzung, aufgrund der es gerechtfertigt wäre, den vorliegenden Sachverhalt unter Anwendung von § 19 Abs. 4 KostO anders zu beurteilen als nach § 48 Abs. 1 GNotKG, ist eine solche "alsbaldige Fortführung" auch nach § 48 GNotKG nicht.

So heißt es im Gesetzesentwurf zu § 48 GNotKG (BR-Drs. 517/12) ausdrücklich:

"Zu § 48:

Absatz 1 dieser Vorschrift soll an die Stelle des geltenden § 19 Absatz 4 KostO treten. Das Bewertungsprivileg von land- und forstwirtschaftlichem Grundbesitz soll erhalten bleiben und gestärkt werden. Die Erhaltung und Fortführung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe in Familienbesitz (BayObLG MittBayNot 1992, 416) und das öffentliche Interesse hieran sollen in der Formulierung klarer zum Ausdruck kommen. Unverändert soll daher für bestimmtes land- oder forstwirtschaftliches Vermögen anstelle des Verkehrswerts das Vierfache des letzten Einheitswerts treten. ...

Nach Absatz 1 Nummer 1 soll das Bewertungsprivileg auch zukünftig nur dann gelten, wenn der Betrieb durch den Erwerber fortgeführt werden soll. Die Anforderungen für das Vorliegen der Betriebsfortführung sollen aber deutlicher zum Ausdruck kommen. Eine Begünstigung soll es dann geben, wenn der Erwerber dem bisherigen Eigentümer unmittelbar als Bewirtschafter nachfolgt. Damit soll die "gleitende" Übergabe, beispielsweise durch Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt zu Lebzeiten, auch zukünftig vom Privileg umfasst sein. Die Anwendung des Bewertungsprivilegs soll jedoch dann ausscheiden, wenn für eine Übergangszeit der Betrieb an einen Dritten verpachtet wird. Eine Privilegierung soll auch dann ausgeschlossen sein, wenn ein Betrieb betroffen ist, der im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts nicht vom Eigentümer bewirtschaftet wird, sondern beispielsweise überwiegend verpachtet ist, brachliegt oder anderweitig genutzt wird. ..." (Hervorhebung durch den Senat).

Vor diesem Hintergrund besteht kein sachlicher Grund, warum die von der Beschwerde in Bezug genommene Entscheidung des BayOblG vom 20. Mai 1998 (NJW-RR 1999, 224 [BayObLG 20.05.1998 - 3 Z BR 445/97]), wonach eine erst in Zukunft gerichtete Fortsetzungsabsicht des Übernehmers zur Zeit des Abschlusses des Übergabevertrags ausreichend ist für eine Anwendung des Kostenprivilegs, selbst wenn einer - dem Abschluss des Übergabevertrags unmittelbar nachfolgenden - Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebs durch den Erwerber zunächst ein dem Übergeber eingeräumter Nießbrauch entgegensteht, nicht auch auf den vorliegenden Fall übertragbar sein sollte. Denn nach den vorstehenden Ausführungen wollte der Gesetzgeber derartige Fälle auch nach neuem Recht ganz offensichtlich gerade nicht von der Kostenprivilegierung ausnehmen.

Nach alledem konnte deswegen die mit Beschluss des Landwirtschaftsgerichts vom 13. Januar 2022 erfolgte Festsetzung des Geschäftswerts auf den Verkehrswert keinen Bestand haben und war - wie aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlich - auf den vierfachen Einheitswert abzuändern.

c) Einer Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter für die Entscheidung über die Beschwerde bedurfte es wegen der ausschließlich zu beurteilenden Rechtsfragen nicht, so dass es auf die Sachkunde der ehrenamtlichen Richter im hiesigen Verfahren nicht ankam (Barnstedt/Steffen, LwVG, 6. Aufl., § 20, Rn. 21; § 34, Rn. 26).

d) Infolge der Abänderung des Geschäftswerts durch den vorliegenden Beschluss wird im Hinblick auf die Erinnerung gegen die Kostenrechnung vom 14. April 2022 eine Neuentscheidung über die abzurechnenden Kosten durch das Amtsgericht in eigener Zuständigkeit zu erfolgen haben. Aus diesem Grund ist das Verfahren insoweit an das Erstgericht zurückzuverweisen.

3. Die Nebenentscheidungen folgen folgt aus § 83 Abs. 3 GNotKG.