Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.08.1998, Az.: I 76/98

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
20.08.1998
Aktenzeichen
I 76/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 34762
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1998:0820.I76.98.0A

In dem Rechtsstreit

Wegen Vermögensteuer auf den 01.01.1996

hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht und die Richter am Finanzgericht und am 20. August 1998 beschlossen:

Tenor:

  1. Der Beklagte trägt die Kosten.

Gründe

1

Die Kläger hatten wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen eine Vermögensteuerveranlagung erst im Jahre 1997 gegen den Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1996 vom 5. März 1997 Einspruch eingelegt. Der Beklagte hatte den Klägern mitgeteilt, daß das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 2 Abgabenordnung (AO) kraft Gesetzes ruht, um das vor dem Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Verfahren II B 33/97 abzuwarten. Nachdem der BFH mit Beschluß vom 18. Juni 1997 BStBl II 1997, 515 über das Musterverfahren entschieden hatte und das Finanzamt dies den Klägern mit 0003 geteilt hatte, wiesen diese darauf hin, daß das Verfahren weiterhin wegen einer noch ausstehenden abschließenden Klärung durch das Bundesverfassungsgericht und zweier weiterer Musterverfahren vor dem BFH kraft Gesetzes ruhe. Das Finanzamt hat mit Einspruchsbescheid vom 6. Januar 1998 den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Daraufhin haben die Kläger gegen die Einspruchsentscheidung nach § 363 Abs. 3 AO Klage erhoben, um die verfassungsrechtliche Streitfrage offen zu halten.

2

Nachdem das Bundesverfassungsgericht -; Beschluß vom 30. März 1998 1 BvR 1831/97, BStBl II 1998, 422, die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat, haben die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so daß nur noch über die Kosten zu entscheiden ist. Diese sind nach § 138 Abs. 1 i.V.m. § 137 Satz 2 FGO dem Beklagten aufzuerlegen, und zwar aus folgenden Gründen:

3

Die Kläger sind, da sie ihr Begehren nicht weiterverfolgen, sondern in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, im Ergebnis unterlegen. Trotz Unterliegens sind jedoch nach § 137 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) die Kosten des Verfahrens der obsiegenden Partei aufzuerlegen, die durch Verschulden dieser obsiegenden Partei entstanden sind. Diese Rechtslage ist nach dem Beschluß des BFH vom 18. März 1994 III B 222/90, BStBl II 1994, 520, auch im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 138 Abs. 1 FGO zu berücksichtigen. Im Streitfall trifft das Finanzamt ein Verschulden daran, daß es zu dem Klageverfahren gekommen ist.

4

Ist wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig und wird -; wie hier -; der Einspruch hierauf gestützt, ruht das Einspruchsver fahren insoweit kraft Gesetzes, § 363 Abs. 2 Satz 2 AO. Rechtsgrund für das Ruhen des Einspruchsverfahrens ist die Verfahrensökonomie, eine für die Einspruchsentscheidung bedeutsame Entscheidung eines obersten Gerichts abzuwarten. Zugleich trägt das Ruhen zu einer Entlastung der Finanzgerichte bei -; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, § 363 AO Rdnr. 7. Es sollen insbesondere Massenrechtsbehelfe, die wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm eingelegt worden sind, rationell bearbeitet werden.

5

Das Finanzamt hätte dem Begehren der Kläger auf Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO entsprechen müssen. Wie sich aus der Einspruchsentscheidung ergibt, war die Verfassungsbeschwerde mit Aktenzeichen dem Finanzamt bekannt. Obwohl sie noch nicht zur Entscheidung angenommen war, war sie doch bei dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Zahlreiche Äußerungen in der Literatur hatten sich für die Nichtigkeit des Vermögensteuergesetzes ab 1997 ausgesprochen, u.a. List, Der Betrieb 1997, 2297 m.w.N. Zahlreiche Einspruchsverfahren waren wegen der Streitfrage anhängig. Unter diesen Umständen hätte das Finanzamt daran mitwirken müssen, weitere Rechtsmittelkosten zu vermeiden, indem es dem Ruhen des Verfahrens zugestimmt hätte. Das Finanzamt handelte ermessensfehlerhaft, wenn es das Einspruchsverfahren ohne besonderen Grund fortsetzte und durch Einspruchsentscheidung abschloß.