Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.05.2014, Az.: 9 K 99/13

Abzugsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
14.05.2014
Aktenzeichen
9 K 99/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 18731
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2014:0514.9K99.13.0A

Fundstellen

  • BB 2014, 1814
  • EFG 2014, 1473-1474
  • KÖSDI 2014, 19034
  • PStR 2014, 227-228
  • StX 2014, 550-551
  • WISO-SteuerBrief 2014, 3

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Strafverteidigungskosten können bei entsprechendem Veranlassungszusammenhang mit der Erwerbssphäre Werbungskosten sein.

  2. 2.

    Ein solcher Erwerbsbezug ist gegeben, wenn die dem Steuerpflichtigen vorgeworfene Tat - im Streitfall: Steuerhinterziehung durch Vorspiegeln eines Mietverhältnisses mit dem Ziel, an sich privat veranlasste Erhaltungsaufwendungen steuerlich zur Abzugsfähigkeit zu bringen - ausschließlich und unmittelbar nur aus der Erwerbstätigkeit heraus erklärbar ist.

  3. 3.

    Ein Erwerbsbezug fehlt, wenn die Erwerbstätigkeit nur die Gelegenheit zur Straftat schafft.

Tatbestand

1

Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

2

Die Klägerin ist Architektin und betreibt in den Streitjahren 2006 und 2007 ein Ingenieurbüro für bautechnische Gesamtplanung als Einzelunternehmen. Zudem erzielt sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von zwei Reihenhäusern in Wolfsburg.

3

Gegen die Klägerin wurde am 14. Oktober 2005 von dem Finanzamt für Fahndung und Strafsachen in Braunschweig ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts von Steuerstraftaten bezüglich Einkommensteuer 2000 - 2004 eingeleitet. Es bestand der Verdacht, dass die Klägerin seit 2000 mit ihrem Mieter eine eheähnliche Lebensgemeinschaft geführt und das Mietverhältnis vorgetäuscht habe, um Kosten für das gemeinsam bewohnte Reihenhaus steuerlich abzusetzen. Das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde am 18. Mai 2010 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung änderte der Beklagte gleichwohl die Ausgangsbescheide zur Einkommensteuer 2000 - 2003 gemäß § 173 AO und berücksichtigte dabei die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr. Für 2004 erging ein entsprechender erstmaliger Einkommensteuerbescheid.

4

Für die Jahre 2000 - 2003 hatten die hiergegen gerichteten Einsprüche Erfolg. Der Beklagte setzte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wieder antragsgemäß an. Der Einspruch wegen Einkommensteuer 2004 wurde durch Einspruchsbescheid vom 16. Juni 2010 als unzulässig verworfen.

5

In ihren steuerlichen Angelegenheiten wurde die Klägerin nach Aktenlage vom Jahre 2002 an durchgängig von Steuerberatern bzw. ab 2009 von Steuerberatungsgesellschaften gegenüber dem Finanzamt (FA) vertreten.

6

Daneben beauftragte die Klägerin zur Vertretung im oben genannten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Dezember 2005 und anschließend im Juni 2006 verschiedene Rechtsanwälte. Die Kosten für deren Leistungen beliefen sich in 2006 auf 608,12 EUR und in 2007 auf 7.139,85 EUR.

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Im Veranlagungs- und nachfolgendem Einspruchsverfahren für die Streitjahre 2006 und 2007 lehnte das beklagte FA die Anerkennung der Rechtsanwaltskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab. Der Beklagte führte in seiner Einspruchsentscheidung aus, dass sich die von der Klägerin erteilten Vollmachten nicht auf die Vertretung in steuerlichen Angelegenheiten erstreckten. Es sei von einer Aufgabenteilung dergestalt auszugehen, dass die Steuerberater/Steuerberatungsgesellschaften die steuerlichen Belange abdeckten und die Rechtsanwälte lediglich im Strafverfahren tätig geworden seien. Es handele sich insoweit um nicht abzugsfähige Strafverteidigungskosten. In der Einspruchsentscheidung verweist der Beklagte in diesem Zusammenhang auf das BFH-Urteil vom 20. September 1989 (X R 43/86, BStBl II 1990, 20), wonach Steuerberatungskosten/Rechtsanwaltskosten nach Einleitung eines Strafverfahrens nicht abzugsfähig seien, auch wenn die Aufwendungen die Ermittlung des objektiven Steuerstraftatbestands beträfen.

8

Gegen den entsprechenden Einspruchsbescheid des beklagten FA vom 19. April 2013 richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin ihr Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor: Die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten seien Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Wie aus den Stundennachweisen der Rechtsanwälte ersichtlich sei, befassten sich diese vor allem mit der Sachverhaltsermittlung und somit der Frage, ob ein Vermietungsverhältnis vorgelegen habe oder nicht. Grundsätzlich habe eine solche Frage auch im Rahmen eines Auskunftsersuchens im Veranlagungsverfahren erörtert werden können. Die Kosten seien damit als Steuerberatungskosten abzugsfähig. Für die Einordnung als Werbungskosten mache es keinen Unterschied, ob die Sachverhaltsermittlung und -darlegung im Veranlagungsverfahren oder - wie vorliegend - im Strafverfahren erfolge. Zudem mache es keinen Unterschied, ob die Ermittlungen des steuerlich relevanten Sachverhalts von einem Rechtsanwalt oder einem Steuerberater durchgeführt würden, die ggf. auch nebeneinander agierten. Dass vorliegend die Wahrnehmung steuerlicher Belange zugunsten des Rechtsanwalts/der Rechtsanwaltsgesellschaft nicht in den erteilten Vollmachten enthalten sei, sei unerheblich, da es auf die tatsächliche Tätigkeit ankomme. Strafverteidigungskosten könnten allein schon deshalb nicht vorliegen, da das Steuerstrafverfahren ohne Verhandlungen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Der Verdacht der Steuerstraftat habe sich erst gar nicht bewahrheitet.

9

Zur weiteren Begründung verweist die Klägerin auf die Verfügung der OFD Frankfurt vom 3. März 2010 (S 2221 A-37-St 218) und das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 27. November 2012 (1 K 4121/09 E).

10

Da die streitbefangenen Rechtsanwaltskosten ausschließlich mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Zusammenhang stünden, komme eine Aufteilung der Kosten in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil nicht in Betracht.

11

Die Klägerin beantragt,

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1. den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 24. Februar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. April 2013 dahin abzuändern, dass die Einkommensteuer 2006 wegen zu Unrecht nicht angesetzter Werbungskosten zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von 608,12 EUR entsprechend festgesetzt wird,

13

2. den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 24. Februar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. April 2013 dahin abzuändern, dass die Einkommensteuer 2007 wegen zu Unrecht nicht angesetzter Werbungskosten zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von 7.139,85 EUR entsprechend festgesetzt wird.

14

Der Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Zur Begründung verweist der Beklagte auf seinen Einspruchsbescheid vom 19. April 2013.

Entscheidungsgründe

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1. Die Klage ist begründet.

18

Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2006 vom 24. Februar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. April 2013 und 2007 vom 24. Februar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. April 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

19

Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die streitbefangenen Strafverteidigungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar (§§ 9 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).

20

a. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) und liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen ein objektiver Zusammenhang besteht.

21

Ob Aufwendungen der beruflichen Sphäre oder der Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzurechnen sind, entscheidet sich dabei unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, ohne dass dabei allerdings schon ein abstrakter Kausalzusammenhang im Sinne einer conditio sine qua non die einkommensteuerliche Zuordnung der Aufwendungen zur Erwerbssphäre rechtfertigt. Aufwendungen sind vielmehr nur dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments, zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 6. Mai 2010 VI R 25/09, BFHE 229, 297, BStBl. II 2010, 851; vom 17. September 2009 VI R 24/08, BFHE 226, 321, BStBl. II 2010, 198).

22

aa. Danach können auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen und die sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzverpflichtungen zu Werbungskosten führen. Aufwendungen, die durch strafbare Handlungen ausgelöst werden, sind nicht ohne Weiteres der privaten Lebensführung zuzuordnen. Dieses Ergebnis folgt nicht nur aus dem objektiven Nettoprinzip, sondern ergibt sich auch aus § 40 AO. Danach ist es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (vgl. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 34/2012 Anm. 4).

23

bb. In gleicher Weise ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass Strafverteidigungskosten dann als Werbungskosten abziehbar sind, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst gewesen ist (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223 [BFH 18.10.2007 - VI R 42/04], [BFH 18.10.2007 - VI R 42/04] m.w.N.). Das ist der Fall, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist (BFH-Beschl. v. 17.08.2011 - VI R 75/10 - BFH/NV 2011, 2040). Die dem Steuerpflichtigen vorgeworfene Tat muss ausschließlich und unmittelbar aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar sein (BFH-Urteile vom 16. April 2013 IX R 5/12, BStBl II 2013, 806; vom 12. Juni 2002 XI R 35/01, BFH/NV 2002, 1441, m.w.N.). Mithin kommt ein Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug nur bei einer eindeutig der steuerbaren beruflichen Sphäre zuzuordnenden Tat in Betracht. In diesem Fall begründen aber selbst strafbare, aber in Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit stehende Handlungen einen einkommensteuerrechtlich erheblichen Erwerbsaufwand (vgl. FG Münster, Urteil vom 27. November 2012 1 K 4121/09 E, [...]).

24

Allerdings setzt nach bisheriger Rechtsprechung die Annahme von Erwerbsaufwendungen auch in diesen Fällen voraus, dass die - die Aufwendungen auslösenden - schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen. So greifen nach der Rechtsprechung private Gründe dann durch, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft. Eine erwerbsbezogene Veranlassung wird auch aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst, also vorsätzlich schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat, wenn also das Verhalten des Arbeitnehmers von privaten Gründen getragen wurde (BFH - Beschluss vom 17. August 2011 VI R 75/10, BFH/NV 2011, 2040).

25

b. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsprechungsgrundsätze, denen der Senat folgt, ist im Streitfall der erforderliche Veranlassungszusammenhang mit der Erwerbssphäre - hier der Vermietungstätigkeit - gegeben.

26

Die der Klägerin vorgeworfene Tat - Steuerhinterziehung durch Vorspiegeln eines Mietverhältnisses mit dem Ziel, an sich privat veranlasste Erhaltungsaufwendungen steuerlich zur Abzugsfähigkeit zu bringen - ist ausschließlich und unmittelbar nur aus der Vermietungstätigkeit heraus erklärbar. Dieser Tatvorwurf, gegen den sich die Klägerin zur Wehr gesetzt hat, ist durch die Vermietungstätigkeit veranlasst. Die Klägerin hat tatsächlich eine Vermietungstätigkeit - zur Verfügungstellen von Räumlichkeiten gegen Entgelt - ausgeübt, die der Erwerbssphäre zuzuordnen ist und die letztlich vom Beklagten bestritten und als lediglich fingiert behandelt wurde. Diese eigentliche Vermietungstätigkeit sollte aus Sicht des Beklagten und der Strafverfolgungsbehörde den Tatvorwurf beinhalten, weil die Tätigkeit nur zum Schein vorgespiegelt worden sein soll. Die strafbare Handlung sollte daher nicht nur bei Gelegenheit der Vermietung aus privaten Gründen begangen worden sein, sondern sich aus der eigentlichen Tätigkeit ergeben.

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Im Streitfall kommt hinzu, dass der steuerstrafrechtliche Vorwurf am Ende der Ermittlungen keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage geboten hatte und das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Zudem erkannte der Beklagte das streitige Mietverhältnis der Klägerin mit ihrem Lebenspartner schließlich doch an, sodass letztlich durch Überlassung der Räumlichkeiten auch tatsächlich eine Einkunftsart (Vermietung und Verpachtung) begründet wurde. Damit sind ein Veranlassungszusammenhang der Strafverteidigerkosten mit dieser Einkunftsart und damit der Werbungskostenabzug zu bejahen.

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Nach alledem hatte die Klage Erfolg.

29

c. Das beklagte Finanzamt wird die Einkommensteuer für 2006 und 2007 entsprechend der vorstehenden Ausführungen neu berechnen, das Ergebnis der Neuberechnung der Klägerin formlos mitteilen und nach Rechtskraft der Entscheidung entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 neu bekanntgeben (§ 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

31

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

32

4. Da der Senat der aktuellen Rechtsprechung des BFH folgt, besteht für die Zulassung der Revision im Streitfall kein Anlass (§ 115 Abs. 2 FGO).