Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.12.2011, Az.: 10 WF 342/11
Grundsatz des ermäßigten Verfahrenswertes eines einstweiligen Anordnungsverfahrens wegen Unterhalts
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 05.12.2011
- Aktenzeichen
- 10 WF 342/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 30971
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:1205.10WF342.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 29.08.2011 - AZ: 602 F 3177/11
Rechtsgrundlage
- § 41 FamGKG
Fundstellen
- FamFR 2012, 65
- FamRZ 2012, 737-738
- FuR 2012, 4
- JurBüro 2012, 195
- MDR 2012, 165
- NJW 2012, 789-790
- NJW 2012, 8
- RVG prof 2012, 110
- RVGreport 2012, 235-236
Amtlicher Leitsatz
§ 41 FamGKG stellt für einstweilige Anordnungsverfahren - auch für solche wegen Unterhalts - den Grundsatz des ermäßigten Verfahrenswerts auf, wobei regelmäßig von der Hälfte des Wertes einer Hauptsache auszugehen ist. Auch wenn ein Anordnungsverfahren im Einzelfall auf Zahlung des vollen Unterhalts gerichtet ist, ändert allein dieser Umstand wegen der fehlenden Gleichwertigkeit mit einem Hauptsacheverfahren an der geringeren Bedeutung i.S. des § 41 FamGKG nichts (entgegen OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Februar 2010 - II-3 WF 15/10 - NJW 2010, 1385).
In der Familiensache M. P., ..., Antragstellerin, Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt T. K., ..., Geschäftszeichen: ..., Beschwerdeführer, gegen D. O. S. P., ..., Antragsgegner und Beschwerdegegner, Verfahrensbevollmächtigte: Anwaltsbüro K., ..., Geschäftszeichen: ..., hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 21. September 2011 gegen die mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 29. August 2011 erfolgte Festsetzung des Verfahrenswerts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W. und die Richter am Oberlandesgericht H. und G. am 5. Dezember 2011 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 59 Abs. 3 FamGKG).
Gründe
I.
Die Antragstellerin, in deren Haushalt seit der Trennung der Beteiligten die drei gemeinsamen Kinder leben, verlangte von dem Antragsgegner, ihrem Ehemann, Trennungsunterhalt seit Juli 2011. Mit dem am 6. Juli 2011 beim Amtsgericht - Familiengericht - Hannover eingegangenen Antragsschriftsatz vom 4. Juli 2011 leitete sie sodann das vorliegende einstweilige Anordnungsverfahren ein, in dem sie zunächst einen Betrag von monatlich 476 EUR, beginnend ab Juli 2011, unbedingt sowie mit Schriftsatz vom 19. Juli 2011 weitere 611 EUR monatlich unter der Bedingung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe geltend machte. Diese wurde durch das Amtsgericht in Höhe eines Teilbetrags von 401 EUR monatlich, beginnend ab August 2011, bewilligt. Mit einem weiteren Bewilligungsbeschluss wurde die Verfahrenskostenhilfe auch auf den Umfang des verfahrenseinleitenden Antrags vom 4. Juli 2011 erweitert.
Mit Beschluss vom 29. August 2011 erließ das Amtsgericht nach schriftlicher Anhörung der Beteiligten die begehrte einstweilige Anordnung in Höhe eines Trennungsunterhalts von monatlich 877 EUR (476 EUR + 401 EUR) ab August 2011 und setzte den Verfahrenswert auf 5.262 EUR (877 EUR x 6) fest. In einer auf Antrag des Antragsgegners anberaumten mündlichen Verhandlung einigten sich die Beteiligten schließlich vergleichsweise auf eine Zahlung von Trennungsunterhalt von monatlich 800 EUR für den Zeitraum von Juli 2011 bis einschließlich Februar 2012. Für diesen Vergleich setzte das Amtsgericht den Wert auf 7.016 EUR (877 EUR x 8) fest.
Gegen die Festsetzung des Wertes für das Verfahren im Beschluss vom 29. August 2011 wendet sich der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit seiner Beschwerde, mit der er dessen Heraufsetzung auf einen Wert von 10.524 EUR erstrebt und die er unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 23. Februar 2010 - II-3 WF 15/10 - NJW 2010, 1385 = FPR 2010, 363) damit begründet, die vorliegende einstweilige Anordnung nach§ 246 FamFG ersetze, weil sie sich auf Unterhalt beziehe, ein Hauptsacheverfahren, weshalb es hier nicht gerechtfertigt sei, von dem Wert einer Hauptsache, von dem grundsätzlich auszugehen sei, eine Herabsetzung wegen geringerer Bedeutung der Sache i.S. des § 41 FamGKG vorzunehmen.
Das Amtsgericht hat der Verfahrenswertbeschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, regelmäßig sei für einstweilige Anordnungsverfahren wegen deren geringerer Bedeutung lediglich der hälftige Wert festzusetzen. Im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren werde hier lediglich eine vorläufige Regelung getroffen, auch finde regelmäßig keine Beweisaufnahme statt. Außerdem könne eine einstweilige Anordnung nicht in Rechtskraft erwachsen, sie stelle daher keinen Rechtsgrund für ein Behaltendürfen i. S. von§ 812 BGB dar. Andererseits sei auch der Unterhaltsberechtigte nicht gehindert, in einem Hauptsacheverfahren einen höheren Unterhalt geltend zu machen. Der Regelungsgehalt einer einstweiligen Anordnung bleibe also hinter dem eines Hauptsacheverfahrens zurück. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass vorliegend in dem Verhandlungstermin ein Vergleich geschlossen wurde, aufgrund dessen sich ein etwaiges Hauptsacheverfahren voraussichtlich erübrige. Dieser Umstand sei bereits im Rahmen der Festsetzung des Vergleichswertes berücksichtigt worden.
II.
1.
Die form- und fristgerecht und ersichtlich im eigenen Namen eingelegte Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist gemäß §§ 59 Abs. 1 Satz 1 FamGKG, 32 Abs. 2 RVG zulässig. Der Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, dass gegen die einstweilige Anordnung selbst, weil diese auf die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt gerichtet ist, eine Beschwerde gemäß § 57 Satz 1 FamFG mangels Vorliegens eines der Ausnahmefälle des Satzes 2 unzulässig wäre. Denn hier besteht nicht die Gefahr der Notwendigkeit einer Befassung mit der Hauptsache durch das Beschwerdegericht oder sich widersprechender Entscheidungen in der Sache selbst einerseits und betreffend eine Neben- oder Zwischenentscheidung andererseits. Die Frage, ob der Verfahrenswert in Anbetracht der gestellten Sachanträge zutreffend festgesetzt wurde, setzt nicht die Prüfung voraus, ob diese Anträge auch begründet waren. Eine materiellrechtliche Anspruchsprüfung ist im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens mithin nicht erforderlich.
2.
Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Amtsgericht den Wert des einstweiligen Anordnungsverfahrens auf einen der Gebührenstufe bis 6.000 EUR unterfallenden Betrag festgesetzt und ist hierbei gemäß § 41 FamGKG von der Hälfte des Hauptsachewerts ausgegangen. Der von dem Beschwerdeführer angeführten Ansicht des OLG Düsseldorf (vgl. auch Schneider, FamFR 2009, 109, 112; Witte, FPR 2010, 316, sowie Thiel/Schneider, FPR 2010, 323) schließt sich der Senat nicht an. Weder ergibt sich aus der Gesetzessystematik noch aus der Entstehungsgeschichte des § 41 FamGKG, dass der Gesetzgeber bei dessen Schaffung vorrangig einstweilige Anordnungsverfahren im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Auge gehabt hätte und diese Norm daher nicht auf einstweilige Anordnungsverfahren wegen Unterhalts Anwendung finden könnte, noch ließe sich, wie der Beschwerdeführer meint, dem Wortlaut des § 41 FamGKG entnehmen, dass im Falle eines einstweiligen Anordnungsverfahrens (wenigstens, wenn es auf Unterhalt gerichtet ist) grundsätzlich der Wert einer Hauptsache maßgeblich wäre, der lediglich unter besonderen Voraussetzungen zu ermäßigen wäre. Vielmehr stellt § 41 FamGKG für einstweilige Anordnungsverfahren - auch wegen Unterhalts - den Grundsatz des ermäßigten Verfahrenswerts auf, wobei regelmäßig von der Hälfte des Wertes einer Hauptsache auszugehen ist.
Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass ein einstweiliges Anordnungsverfahren, auch wenn es Unterhalt betrifft, einem Hauptsacheverfahren nicht gleichwertig ist. Selbst wenn ein solches im Einzelfall auf Zahlung des vollen Unterhalts gerichtet ist, ändert dies an der geringeren Bedeutung i.S. des § 41 FamGKG nichts. Denn die einstweilige Anordnung ergeht lediglich aufgrund eines summarischen Verfahrens und unterliegt gegenüber einer Hauptsacheentscheidung der erleichterten Abänderung (§ 54 Abs. S. 1 FamFG). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Rückforderung entsprechend § 717 Abs. 2 ZPO in einem anschließenden Hauptsacheverfahren (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 19. November 2010 - II-4 WF 228/10 -FamRZ 2011, 758, m.w.N.). Davon, dass in auf die Zahlung von Unterhalt gerichteten einstweiligen Anordnungsverfahren bereits die Hauptsache vorweggenommen würde, kann daher nicht allgemein ausgegangen werden.
Zwar mag im Einzelfall eine Anhebung des Verfahrenswerts geboten sein, wenn etwa eine gegenüber anderen einstweiligen Anordnungsverfahren überdurchschnittliche Bedeutung oder außergewöhnliche Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage besteht (vgl. OLG Celle [15. Zivilsenat], Beschluss vom 8. November 2010 - 15 WF 287/10 - FamRZ 2011, 757). Dies ist jedoch im hier zu beurteilenden Fall nicht erkennbar.
Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht aus dem Umstand, dass die Beteiligten im weiteren Verlauf des Verfahrens (nach Erlass der einstweiligen Anordnung vom 29. August 2011) mit dem Vergleich vom 24. Oktober 2011 eine gütliche Einigung erzielten, was den Gründen der abschließenden Kostenentscheidung zufolge auch vor dem Hintergrund geschah, dass die Antragstellerin im Februar 2012 voraussichtlich von einem Kind ihres jetzigen Lebensgefährten entbinden wird. Zum einen ist jedoch auch danach noch nicht ohne weiteres von einem Wegfall des Trennungsunterhaltsanspruchs, sondern lediglich von dem Hinzutreten eines konkurrierenden Unterhaltsanspruchs nach § 1615 l BGB auszugehen, so dass das vorliegende einstweilige Anordnungsverfahren auch insoweit noch keine in jedem Fall abschließende Regelung darstellt. Darüber hinaus war selbst die vorgenannte tatsächliche Entwicklung zu dem für die Wertberechnung maßgeblichen Zeitpunkt der ersten Antragstellung (vgl. auch insoweit OLG Celle, a.a.O.) nach Aktenlage noch nicht bekannt, da dem Vorbringen der Antragstellerin im verfahrenseinleitenden Antrag hierzu nichts zu entnehmen war.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 59 Abs. 3 FamGKG.