Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 13.09.2011, Az.: 1 A 435/10

Klagebefugnis des Inhabers eines Eigenjagdbezirks bei Abtrennung von Flächen aus dem Eigenjagdbezirk; Rechtfertigung der Wiederaufnahme eines Verfahrens im Hinblick auf eine Abrundungsentscheidung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
13.09.2011
Aktenzeichen
1 A 435/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 27231
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2011:0913.1A435.10.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 10.06.2013 - AZ: 4 LA 299/11

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Werden Flächen, die einem Eigenjagdbezirk durch Abrundungsverfügung angegliedert worden waren, durch eine Aufhebung dieser Verfügung von dem Eigenjagdbezirk abgetrennt, ist der Inhaber des Eigenjagdbezirks im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO zur Klage befugt.

  2. 2.

    Allein der Umstand, dass eine Abrundung eines Jagdbezirks nach § 7 NJagdG auch durch Vertrag erfolgen kann, rechtfertit nicht die Wiederaufnahme eines Verfahrens im Hinblick auf ene Abrundungsentscheidung, die unter der Geltung des Preußischen Jagdgesetzes ergangen ist.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Aufhebung einer jagdrechtlichen Abrundungsentscheidung aus dem Jahre 1934.

2

Im Jahre 1934 gab es im Bereich der damaligen Gemeinde Teufelsmoor mehrere Eigenjagdbezirke, unter anderem den Eigenjagdbezirk Teufelsmoor 5,6 und 1/2 von 7, dessen Inhaber der Rechtsvorgänger des Klägers war. Zwischen diesen Eigenjagdbezirken lagen Grundflächen verschiedener anderer Eigentümer, die nicht die Mindestgröße für einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk erfüllten. Um diese Grundflächen, die keinem Jagdbezirk zugehörten, jagdlich nutzbar zu machen, kam es am 16. Mai 1934 zu einer Entscheidung des damals zuständigen Kreisjägermeister I.. Dieser ordnete eine Angliederung dieser Flächen an die benachbarten Eigenjagdbezirke an, so auch an den Eigenjagdbezirk des Rechtsvorgängers des Klägers. Hierüber existiert ein von dem Kreisjägermeister I. unterzeichneter Vermerk, der folgenden Inhalt hat:

"Anwesend:

Kreisjägermeister I.,

Kreisoberinspektor J.,

Gemeindeschulze K..

Am 16. Mai 1934 fand in der Grimmschen Wirtschaft in Teufelsmoor, unter Beteiligung einer größeren Anzahl Teufelsmoorer Grundbesitzer, eine Besprechung über die nach dem neuen Preußischen Jagdgesetz zu regelnden Jagdverhältnisse innerhalb des Gemeindebezirks Teufelsmoor statt. Nach längerer Besprechung wurde eine Regelung, wie sie im Nachstehenden aufgeführt ist, von allen Beteiligten als erwünscht bezeichnet.

Am Hof Nr. 19 (L.) werden angeschlossen, die im Eigenjagdbezirk liegenden bzw. einsprechenden Grundstück M. N. 23 und O. P. 22.

Am Hof Nr. 13 (Q.. R.) werden die Höfe Nr. 12 (S. R.) und Nr. 11 (T.. U., Pennigbüttel) soweit sie westlich der Hamme liegen, angeschlossen.

Am Hof Nr. 9 werden angeschlossen Nr. 10 (Q.. N.), die Stellbesitzer Q.. N. 36, V. W. 35, X. Y. 32 und die zwischen den Höfen 9 und 8 gelegenen Grundstücke von S. R., Teufelsmoor 12, T.. U. - Pennigbüttel, M. U. - Oldenbüttel, Z. AA. - Winkelmoor, V. AB. - Schlussdorf 23, AC. AB. - Schlussdorf, M. AD. - Adolphsdorf, Z. AE., Schlussdorf.

An Nr. 8 werden angeschlossen Z. AF. 33 und M. AG. 37, ferner die südöstlich der Landstraße liegenden Grundstücke von Hof Nr. 7 (V. AH.).

An Hof Nr. 6 werden angeschlossen die nordwestlich der Landstraße liegenden Grundstücke von Hof Nr. 7 (V. AH.), ferner der Hof Nr. 5 (M. N.) und die Stellbesitzer AI. N. Nr. 38, AI. AJ. Nr. 40 und Z. W. Nr. 41; die Schule Nr. 48, S. AK. Nr. 44, Z. AL. Nr. 43, V. AJ. Nr. 45.

An Hof Nr. 4 wird angeschlossen M. AM. Nr. 52.

An Hof Nr. 3 werden angeschlossen das nördlich der Landstraße liegende Kreisgrundstück und das südlich der Landstraße gelegene AN. (Hof Nr. 4) Grundstück, das Breite Wasser und der Reitbrok.

An Hof Nr. 2 wird angeschlossen Hof Nr. 1 (Z. K.) und die Hüttengrundstücke AO.. P. - Sandhausen und AP., Bremen, AQ. - Pennigbüttel, AR. - Pennigbüttel, AM. - Teufelsmoor, AS.. AT. - Osterholz-Scharmbeck, Z. AU. - Pennigbüttel, AV. - Freissenbüttel.

Den gemeinschaftlichen Jagdbezirk Teufelsmoor bilden: Sämtliche Grundstücke östlich der Hamme von Hs. Nr. 10 bis zur Gemeindebezirksgrenze und die Grundstücke von Hs. Nr. 14 einschl. bis zur Grenze ohne die Eigenjadbezirke Torfwerk + L..

Zum Zwecke der Grenzbegradigung soll der zu Hof Nr. 9 südöstlich der Hamme in der Feldmark Überhamm einspringende Keil an Überhamm gelegt werden. Dafür werden die nordwestlich der Landstraße Teufelsmoor - Worpswede in einen Zipfel in die Feldmark Teufelsmoor einspringenden Grundstücke des M. AW. Nr. 3, der T.. AW. Nr. 4 dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk Teufelsmoor zugelegt.

I.,

k. Kreisjägermeister."

3

In den Folgejahren sind die hiervon Betroffenen nach dieser Regelung verfahren. Der Rechtsvorgänger des Klägers hat für den Eigenjagdbezirk (Teufelsmoor Hof Nr. 5, 6 und Nr. 7 zur Hälfte) wiederholt Jagdpachtverträge abgeschlossen. Diese Pachtverträge bezogen sich insgesamt auf eine Fläche von ca. 900 Morgen bzw. rund 235 ha.

4

Der Kläger teilte dem Beklagten am 29. Dezember 2008 telefonisch mit, er wolle den Pachtvertrag mit dem jetzigen Pächter, Herrn AX., zum 1. April 2009 auflösen. Der Pächter wolle die Jagd aus gesundheitlichen Gründen aufgeben und der Kläger sei es leid, sich mit Pächtern herumzuärgern und wolle die Jagd wieder selbst ausüben. Zuvor hatte am 8. Dezember 2008 sich Herr M. N. an den Beklagten gewandt. Herr N., der über Flächen verfügt, die der Eigenjagd des Klägers 1934 zugeschlagen worden waren, beantragte bei dem Beklagten die Abtrennung dieser Flächen und Angliederung derselben an die Eigenjagd AY. AZ., des Beigeladenen zu 1. In der Folge gingen am 9. Januar 2009 weitere Anträge bei dem Beklagten ein, mit denen Grundstückseigentümer die Herauslösung ihrer Eigentumsflächen aus der Eigenjagd des Klägers begehrten. Die Grundstückseigentümer BA. BB., Z. W., AC. AU. und BC. BD. teilten dem Beklagten mit, sie möchten künftig zu der Eigenjagd des Beigeladenen zu 2. gehören.

5

Die Beigeladenen wandten sich mit Schreiben vom 23. März 2009 an den Beklagten und nahmen Bezug auf von ihnen eingereichte Abrundungsverträge. Mit einem am 2. April 2009 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben wandte sich darüber hinaus eine "Gemeinschaft der Teufelsmoorer Grundstückseigentümer mit Angliederung an einen Jagdbezirk" an den Beklagten und machten ihr Anliegen deutlich, einen neuen Zuschnitt des Eigenjagdbezirks Teufelsmoor 5, 6 und Teil von 7 herbeizuführen.

6

In der Folgezeit stellte der Beklagte verschiedene Überlegungen an, wie mit den vorliegenden Änderungswünschen zu verfahren sei. So ist in einem Vermerk des Fachamts des Beklagten vom 21. April 2009 festgehalten, dass kein Anlass für eine Aufhebung oder Änderung der im Jahre 1934 durch den Kreisjägermeister erfolgten Festlegung gesehen werde. Diese Festlegung habe sich bisher aus jagdlicher Sicht bewährt. Die jetzt von den Eigentümern vorgebrachten Gründe bezögen sich nicht auf die Jagdausübung, sondern auf zwischenmenschliche Beziehungen mit dem Inhaber des Eigenjagdbezirks Teufelsmoor 5, 6 und 1/2 von 7, dem Kläger. Eine ordnungsgemäße Jagdausübung werde in der Regel nicht mehr möglich sein, wenn eine bandförmige Fläche nicht breiter als etwa 250 m sei. Die Jagd auf schmaleren Flächen könne entweder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen oder sich störend auf Nachbarjagdbezirke auswirken.

7

Mit Schreiben vom 29. April 2009 wandten sich die Beigeladenen über ihren Prozessbevollmächtigten an den Beklagten. Sie wiesen auf die geschlossenen Abrundungsverträge mit mehreren Grundstückseigentümern hin. Anlass für den Abschluss dieser Verträge seien in zunehmendem Maße festzustellende massive Schäden durch Schwarzwild. In rechtlicher Hinsicht könne die Verfügung des Kreisjägermeisters vom 16. Mai 1934 nicht als Verwaltungsakt angesehen werden. Es fehle damit bereits an einer Abrundungsverfügung, die in der heutigen Zeit noch Wirkung entfalten könne. Es handele sich damit bei den betroffenen Flächen um solche, die zu keinem Jagdbezirk gehörten. Damit sei bereits aus diesem Grunde eine Angliederung an die Jagdbezirke der Beigeladenen notwendig. Denn der Bestand jagdbezirksfreier Flächen widerspreche dem Grundgedanken des deutschen Reviersystems. Als Ergebnis sei festzuhalten, dass keine Abrundungsverfügung existiere, die einer vertraglichen Regelung entgegenstehen könnte. Die eingereichten Abrundungsverträge genössen den Vorrang der freiwilligen Abrundung durch Vertrag vor derjenigen von Amts wegen durch behördliche Verfügung und seien nicht zu beanstanden.

8

Der Beklagte wandte sich darauf mit Schreiben vom 22. Juli 2009 an die Beigeladenen. Abrundungsverfügungen nach preußischem Jagdrecht seien durch das Inkrafttreten des nachfolgenden Reichsjagdgesetzes sowie des Bundesjagdgesetzes nicht unwirksam geworden, sondern gälten als sogenannte altrechtliche Verwaltungsakte verbindlich weiter. § 5 Bundesjagdgesetz in Verbindung mit § 7 des Niedersächsischen Jagdgesetzes regelten, dass Jagdbezirke durch Abtrennung, Angliederung oder Austausch von Grundflächen abgerundet werden könnten, wenn dies aus Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung notwendig sei. Eine Abrundung von Jagdbezirken erfolge durch Vertrag oder durch Verfügung der Jagdbehörde, wobei eine Abrundungsverfügung als ein in das Eigentumsrecht eingreifender Verwaltungsakt erst erlassen werden solle, wenn ein Vertrag nicht zustande komme. Die vorliegenden Abrundungsverträge könnten aber erst wirksam werden, wenn die Verfügung des Kreisjägermeisters aus dem Jahre 1934 zumindest teilweise aufgehoben worden sei. Der Beklagte beabsichtige, die Verfügung von 1934 aufzuheben, soweit sie Angliederungen an den Eigenjagdbezirk des Klägers betreffe. Hierzu sei der Kläger anzuhören. Komme es zu einer Aufhebung der Verfügung von 1934, werde der Beklagte die ihm vorliegenden Abrundungsverträge mit dem Nichtbeanstandungsvermerk versehen.

9

Mit Schreiben vom 23. November 2009 hörte der Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten teilweisen Aufhebung der Verfügung des Kreisjägermeisters aus dem Jahre 1934 an. Der Beklagte legte in diesem Schreiben gegenüber dem Kläger dar, dass er die Entscheidung des Kreisjägermeisters vom 16. Mai 1934 durchaus für eine rechtlich noch wirksame Abrundungsverfügung halte. Die von den Beigeladenen vorgelegten Abrundungsverträge beeinträchtigten die Wirksamkeit dieser Anordnung des Kreisjägermeisters zunächst noch nicht. Die Vorlage dieser Verträge durch die Beigeladenen müsse aber als Antrag der Betroffenen auf ein Wiederaufgreifen des damaligen Verwaltungsverfahrens nach § 51 des Verwaltungsverfahrensgesetzes angesehen werden. Danach habe die Behörde über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert habe. Diese Voraussetzungen lägen vor. Während das preußische Jagdgesetz zwingend geregelt habe, dass Flächen, die zu keinem Jagdbezirk behörten und selbst keinen Jagdbezirk bildeten, durch den Kreisjägermeister einem benachbarten Jagdbezirk angegliedert werden müssten, bestehe heute eine andere Rechtslage: Nach § 5 Bundesjagdgesetz in Verbindung mit § 7 Niedersächsisches Jagdgesetz könne heute eine Abrundung von Jagdbezirken durch Vertrag oder durch Verfügung der Jagdbehörde erfolgen. Dabei sei davon auszugehen, dass eine Abrundungsverfügung erst dann erlassen werden solle, wenn ein Abrundungsvertrag nicht zustande komme. Die Eigentümer von Grundflächen, die zu keinem Jagdbezirk gehörten, könnten somit heute ein gewisses Wahlrecht über die Zugehörigkeit ihrer Grundflächen ausüben. Aus jagdlicher Sicht seien für den Beklagten keine Anhaltspunkte ersichtlich, die einer Aufhebung der Abrundungsverfügung von 1934 im dargestellten Umfang entgegenstehen könnten. Was die auf dem Flurstück 67/2 der Flur 13 der Gemarkung Teufelsmoor befindliche Jagdhütte des Klägers betreffe, so sei nach den Erkenntnissen des Beklagten der Beigeladene zu 1. bereit, hierzu eine positive vertragliche Vereinbarung zu treffen.

10

Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 22. Januar 2010 an den Beklagten. Er gehe davon aus, dass einige Personen nur deshalb mit ihren Grundstücke in andere Eigenjagden wechseln wollten, weil sie falsch informiert worden seien. So habe der Beigeladene zu 1. erklärt, der Kläger sei krank und pleite und müsse seinen Hof verkaufen. Das sei glatter Rufmord. Es wäre schön, wenn die Jagd bliebe, wie sie seit mindestens 75 Jahren bestanden habe.

11

Der Beklagte wandte sich an die Grundstückseigentümer, die Abrundungsverträge mit den Beigeladenen vorgelegt hatten und bat um Mitteilung, ob diese aufrechterhalten werden sollten. Die Betroffenen meldeten sich bei dem Beklagten mit Schreiben vom 5. Februar 2010 und teilten mit, dass dies der Fall sei. Daraufhin erging unter dem 26. März 2010 die streitbefangene Verfügung des Beklagten. Darin wird die jagdrechtliche Abrundungsverfügung des Kreisjägermeisters Gärdes vom 16. Mai 1934 mit Wirkung zum 1. April 2010 aufgehoben bezogen auf die in einer beigefügten Karte farblich markierten Grundflächen. Bei diesen Flächen handelt es sich überwiegend um die gesamten Flächen, die in der Verfügung aus dem Jahre 1934 dem Eigenjagdbezirk des Klägers zugeordnet worden waren. Insbesondere durch das heute geltende Niedersächsische Jagdgesetz habe sich die Rechtslage verändert. Nunmehr könne eine Abrundung von Jagdbezirken durch Vertrag oder durch eine Verfügung der Jagdbehörde erfolgen. Dabei sei einer vertraglichen Regelung der Vorrang einzuräumen. Des Weiteren habe sich die Sachlage dadurch geändert, dass für einen Großteil der von der damaligen Entscheidung des Kreisjägermeisters betroffenen Grundstücksflächen zwischenzeitlich freiwillige Angliederungsverträge vorgelegt worden seien. Die Zulässigkeit dieser Verträge sei nach der heutigen Rechtslage gegeben und ihre Wirksamkeit werde nur durch den Bestand der Abrundungsverfügung von 1934 gehindert. Der Beklagte habe deshalb entschieden, das Verfahren wieder aufzugreifen und die Aufhebung der jagdrechtlichen Abrundungsverfügung von 1934 im genannten Umfang zu verfügen. Bei dieser Entscheidung habe der Beklagte auch das persönliche und wirtschaftliche Interesse am Erhalt der lange bestehenden Abgrenzung des Eigenjagdbezirkes des Klägers in seine Erwägungen eingestellt. Es könne beim Erlass hoheitlicher Verfügungen zur Abrundung von Jagdbezirken aber weder um Besitzstände noch um private Interessen gehen. Das Gesetz stelle allein auf die Notwendigkeit aufgrund von Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung ab. Diese Gründe böten keine Anhaltspunkte, die einer Aufhebung der Abrundungsverfügung von 1934 entgegenstünden. Aus jagdlicher Sicht seien die Abrundungsmöglichkeiten bei den infrage kommenden Eigenjagdbezirken als gleichrangig zu bewerten. Allenfalls der Gesichtspunkt der Kontinuität könne für die bestehende Abgrenzung sprechen. Zu berücksichtigen sei aber auch, dass das Jagdrecht dem Eigentümer zustehe. Vor dem Hintergrund der heutigen gesetzgeberischen Wertung und unter Berücksichtigung des grundgesetzlich geschützten Vorranges der Privatautonomie sowie der Eigentumsrechte überwögen die Argumente für die Aufhebung der altrechtlichen Angliederungsverfügung deutlich.

12

Der Kläger hat gegen diese Verfügung am 5. April 2010 Klage erhoben. Er macht geltend:

13

Durch die angegriffene Entscheidung des Beklagten habe sich die Größe seines Eigenjagdbezirkes von ca. 250 ha auf ca. 120 ha reduziert. Dieses sei rechtswidrig. Soweit der Beklagte die Vorlage von Abrundungsverträgen als Antrag auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gewertet habe, sei ein derartiger Antrag unzulässig. Denn er sei gemäß § 51 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - als verfristet anzusehen. Im Übrigen liege eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage zugunsten der Beigeladenen nicht vor. Zwar sehe das Niedersächsische Jagdgesetz anders als das preußische Jagdrecht die Möglichkeit vor, eine Abrundung durch Vertrag zu vereinbaren. Ein solcher Vertrag liege aber gar nicht vor, zumal der Kläger nicht beteiligt worden sei. Er habe nämlich einer Abrundung seines Eigenjagdbezirkes gerade nicht zugestimmt. Abrundungsverfügungen seien im Übrigen stets als Dauerlösung gedacht. Eine Änderung könne sich damit nur auf ganz wenige Ausnahmefälle beschränken. Ein solcher Ausnahmefall liege hier aber nicht vor. Es gebe auch keine jagdliche und hegerische Notwendigkeit für eine derartige Änderung. Durch die Entscheidung des Beklagten werde der verbleibende Eigenjagdbezirk des Klägers zum Teil zu einem schmalen Streifen, der in einigen Bereichen nicht einmal 100 m breit sei. Die Jagd werde dort praktisch unmöglich. Gerade weil es in diesem Bereich viel Schwarzwild gebe, das sehr schussfest sei, würden Grenzüberschreitungen zur Regel. Auch sei die ordnungsgemäße Hege nicht möglich, z.B. die Schaffung von Hegewiesen und Wildäckern. Die Regelung des Beklagten schaffe Insellagen, da der nördliche Teil des Reviers des Klägers durch den Torfkanal abgeschnitten sei. Während es über 70 Jahre lang klare Grenzen gegeben habe, verbleibe nunmehr ein Flickenteppich. Der Beklagte habe sich ersichtlich nur an den Wünschen der Beigeladenen orientiert. Das Jagdrecht wolle Dauerlösungen erreichen. Es könne nicht sein, dass durch Verträge immer wieder Wechsel von Flächen zwischen verschiedenen Jagdbezirken erfolgen könnten. Auch habe sich der Beklagte nur auf die vorgetragenen Gründe der betroffenen Grundstückseigentümer beziehen dürfen. Das bloße Vorhandensein weiterer geeigneter Beweismittel für ein Wiederaufnahmeverfahren reiche nicht aus. Soweit der Beklagte die Klagebefugnis des Klägers nicht für gegeben halte, sei dem nicht zu folgen. Natürlich sei dieser klagebefugt, wenn Flächen, die bisher seinem Eigenjagdbezirk zugeschlagen gewesen seien, nun einem anderem Jagdbezirk zugehörig seien. Auch wenn hierdurch der eigentliche Eigenjagdbezirk des Klägers sich nicht verkleinere, sei der Kläger unmittelbar betroffen. Im Übrigen könne es nicht sein, dass die Möglichkeit, dass die Verfügung des Kreisjägermeisters aus dem Jahre 1934 negative Auswirkungen auf andere Jagdbezirke gehabt habe, heute dazu führe, dass unsinnige Entscheidungen getroffen würden. So könne der Kläger - wie bereits ausgeführt - einige Flächen im nordwestlichen Bereich seines Jagdbezirkes überhaupt nicht mehr erreichen. Ebenso wenig könne er zu seiner Jagdhütte gelangen. Der Wiederaufnahmeantrag wahre im Übrigen nicht die 3-Monats-Frist. Das Bundesjagdgesetz sei am 29. September 1976 bekanntgemacht worden, das Niedersächsische Jagdgesetz am 16. März 2001. Dass betroffene Grundstückseigentümer von der Verfügung aus dem Jahre 1934 erst im März 2009 Kenntnis erhalten hätten, sei abwegig. Im Übrigen seien die getroffenen Abrundungsvereinbarungen nicht als neue Tatsache anzusehen, da sie durch die Betroffenen selbst geschaffen worden seien. Schließlich sei die Vorschrift des § 7 Abs. 1 NJagdG tatbestandsmäßig gar nicht erfüllt. Denn die Vertragspartner der Abrundungsvereinbarung seien durch die Verfügung aus dem Jahre 1934 einem Jagdbezirk zugehörig.

14

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 26. März 2010 aufzuheben.

15

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Er tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen. Die Klage sei bereits unzulässig. Denn der Kläger könne nicht in eigenen Rechten verletzt sein, da der Eigenjagdbezirk des Klägers bestehen bleibe. Unmittelbar betroffen seien nur die Eigentümer der kleineren Grundstücke, die 1934 dem Jagdbezirk des Klägers angegliedert worden seien. Eine Angliederung von Flächen des Klägers an einen anderen Jagdbezirk erfolge gerade nicht. Der Kläger habe aber keinen Anspruch darauf, dass die 1934 angegliederten Flächen seinem eigenen Jagdbezirk auf Dauer angegliedert blieben. Denn das Jagdrecht diene nicht dem Schutz von Individualinteressen. Abrundungen erfolgten allein im öffentlichen Interesse, um eine ordnungsgemäße Bejagung sicherzustellen. Ein Drittschutz sei damit nicht verbunden. Da ein subjektives Recht auf eine Angliederung nicht bestehe, könne auch deren Aufhebung keine subjektiven Rechte verletzen. Die Klage sei im Übrigen unbegründet. Da sich die Sach- und Rechtslage seit dem Jahre 1934 geändert habe und Betroffene einen Antrag gestellt hätten, sei der Beklagte zum Wiederaufgreifen des Verfahrens verpflichtet gewesen. Nach heutiger Rechtslage stehe den Betroffenen ein gewisses Wahlrecht über die Zugehörigkeit ihrer Flächen zu, soweit nicht jagdliche Gründe entgegenstünden. Der Wiederaufgreifensantrag sei auch nicht verfristet gewesen. Denn die Sachlage habe sich erst durch den Abschluss der Abrundungsverträge vom 23. Februar 2009 bzw. vom 3. März 2009 verändert. Auch hätten die Betroffenen zum Teil erst Ende März 2009 von der vorhandenen altrechtlichen Verfügung Kenntnis erlangt. Sie hätten den Antrag somit rechtzeitig innerhalb der 3-Monats-Frist des § 51 VwVfG gestellt. Eine Dauerlösung sei gewahrt, denn die geschlossenen Abrundungsverträge hätten eine Laufzeit von mindestens 9 Jahren. Dass im verbleibenden Bereich des Jagdbezirkes des Klägers zum Teil ein schmaler Streifen geschaffen werde, sei nichts Neues. Gerade im Bereich des Teufelsmoores gebe es derartige Zuschnitte auch bei anderen Jagdbezirken. Dieses sei historisch durch die Moorkolonisation bedingt und als durchaus üblich anzusehen. In der Regel sei eine ordnungsgemäße Jagd erst dann nicht mehr möglich, wenn eine bandförmige Fläche entstehe, die nicht breiter als 250 bis 400 m sei. Hier handele es sich um ein reines Feldrevier, bei dem die Grenzen zudem deutlich sichtbar seien. Der Jagdbeirat des Beklagten teile im Übrigen diese Ansicht.

17

Die Beigeladenen beantragen,

die Klage abzuweisen.

18

Die hier streitgegenständlichen Flurstücke seien bis zum Zeitpunkt des Zustandekommens der Abrundungsverträge als jagdbezirksfrei anzusehen. Denn die Verfügung des Kreisjägermeisters aus dem Jahre 1934 sei kein Verwaltungsakt, sondern nur ein Protokoll über eine Besprechung über die nach dem neuen preußischen Jagdgesetz zu regelnden Jagdverhältnisse. Weder sei die erlassende Behörde erkennbar, noch der Adressat. Es fehle auch an der bereits damals erforderlichen Schriftform. Eine unmittelbare Rechtswirkung ergebe sich aus diesem Vermerk nicht. Das Dokument regele nichts, sondern gebe wieder, was von allen Beteiligten als wünschenswert bezeichnet worden sei. Dem Schriftstück sei auch nicht zu entnehmen, dass aus jagdlichen Erfordernissen bestimmte Flächen aus einem Jagdbezirk ausgegliedert und einem anderen angegliedert worden seien. Das wäre aber Voraussetzung einer Abrundungsverfügung. Auch werde das Begründungserfordernis nicht gewahrt. Im Übrigen besitze der Kläger keine Klagebefugnis. Der Bestand seiner Eigenjagd werde nicht zur Disposition gestellt. Das Interesse des Klägers, nicht in seinem Eigentum stehende Flächen als zur Jagd gehörig zu wissen, sei rein wirtschaftlicher und ideeller Art und damit unbeachtlich. Der Kläger habe in Bezug auf die nicht in seinem Eigentum stehenden Flächen die Position eines Pächters. Die hoheitliche Abrundungsverfügung begründe damit ein pachtähnliches Rechtsverhältnis. Der Jagdpächter sei aber gerade nicht klagebefugt. Der Beklagte habe sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die Rechtslage habe sich grundlegend geändert. Nunmehr stelle das Gesetz eine Abrundung durch Vertrag in den Vordergrund. Auf Bestandsschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Die neuen Revierzuschnitte trügen den Eigentumsrechten der betroffenen Grundeigentümer Rechnung. Es gehe im Übrigen nicht um die Frage, ob die Verfügung des Kreisjägermeisters seinerzeit wirksam oder unwirksam gewesen sei. Entscheidend sei, dass überhaupt eine alte Verfügung vorgelegen habe. Nach Auffassung der Beigeladenen sei das gar nicht der Fall. Der Beklagte habe auch keine neue Abrundungsverfügung erlassen, sondern allenfalls die Verfügung aus dem Jahr 1934 teilweise aufgehoben.

19

Der Kläger hat sich zu dem Vorbringen der Beigeladenen wie folgt geäußert:

20

Das Verwaltungsverfahrensgesetz könne nicht auf die Entscheidung des Kreisjägermeisters aus dem Jahre 1934 Anwendung finden, da es erst seit dem 1. Januar 1977 gelte. Im Übrigen sei die Schriftform zweifelsfrei eingehalten. Der objektive Sinngehalt dieser Entscheidung sei allen Beteiligten offenkundig verständlich gewesen. Diese hätten sich demgemäßüber 70 Jahre entsprechend verhalten. Eine Klagebefugnis des Klägers bestehe. Anderenfalls gäbe es überhaupt keine Rechtsmittel gegen eine Abrundungsverfügung. Der Kläger wende sich im Übrigen nicht gegen eine Angliederung seiner Flächen, sondern sehe sich durch eine Verkleinerung seines Jagdbezirkes verletzt. Der Beklagte sei im Übrigen von seinem Handeln selbst nicht überzeugt. Dies ergebe sich aus verschiedenen Vermerken in den Verwaltungsvorgängen. Was die Wirksamkeit der Entscheidung des Kreisjägermeisters aus dem Jahre 1934 angehe, so habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht diese bestätigt. Damit sei davon auszugehen, dass eine solche alte Abrundungsentscheidung solange wirksam bleibe, bis sie zurückgenommen oder aufgehoben werde. Hier habe der Beklagte eine neue Abrundungsverfügung erlassen, die aber rechtswidrig sei, weil aus den Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung nicht notwendig.

21

Der Beklagte hat sich zum Vorbringen der Beigeladenen wie folgt eingelassen:

22

Die angefochtene Verfügung vom 26. März 2010 stelle keine neue Abrundungsverfügung dar, sondern eine teilweise Aufhebung einer jagdrechtlichen Abrundungsverfügung aus dem Jahre 1934. Einer neuen Abrundungsverfügung durch die Jagdbehörde bedürfe es gerade nicht, soweit inzwischen Abrundungsvereinbarungen nach § 7 NJagdG geschlossen worden seien. Zwar gälten altrechtliche Verfügungen grundsätzlich fort. Eine Aufhebung sei aber zulässig, wenn sie mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr in Einklang stünden. Dabei sei nicht Voraussetzung, dass eine Abrundung aus jagdlichen Gründen erforderlich sei; es genüge, dass eine Abrundung überhaupt nicht mehr notwendig sei. Hier sei eine Abrundung durch behördliche Verfügung nicht mehr nötig, weil hierüber nunmehr Verträge zwischen den Eigentümern geschlossen worden seien. Die altrechtliche Verfügung aus dem Jahre 1934 verletze - solange sie bestehe - damit vorrangiges Recht der Eigentümer, die nach geltendem Recht die Zugehörigkeit ihrer Flächen selbst bestimmen könnten. Die vertragschließenden Eigentümer hätten hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass sie von ihrem Wahlrecht, welchem Jagdbezirk sie zugehören wollten, Gebrauch machen wollten. Da die Abrundungsverträge dem Beklagten erst im Jahre 2010 vorgelegt worden seien, sei die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG eingehalten gewesen. Im Übrigen sei auf der dem Kläger verbleibenden Fläche die Jagd durchaus möglich. Dies werde zudem durch die jagdliche Praxis im Teufelsmoor belegt. Der Eigenjagdbezirk des Klägers bleibe in vollem Umfange bestehen. Dabei es sei nicht geboten, dass eine besonders zweckmäßige Gestalt des Jagdbezirkes vorhanden sei. Im Übrigen könne sich der Kläger auch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf die nach wie vor gegebene Wirksamkeit der altrechtlichen Verfügung aus dem Jahre 1934 berufen. Denn er habe zwischenzeitlich selbst Abrundungsverträge abgeschlossen. Er setze sich somit mit seiner Argumentation in Widerspruch zum eigenen Verhalten. Im Übrigen berufe sich der Beklagte hilfsweise auf die Unwirksamkeit der Entscheidung des Kreisjägermeisters. Eine solche Entscheidung könne nämlich gegenstandslos werden, wenn durch eine Änderung der Verhältnisse, z.B. den Abschluss von Abrundungsverträgen, ein Anschluss an einen Jagdbezirk erfolge. Dies sei hier der Fall. Der Rechtsgedanke der Funktionslosigkeit von bauplanungsrechtlichen Festsetzungen sei damit entsprechend zu berücksichtigen. Wenn sich die Verhältnisse, auf die sich derartige Festsetzungen bezögen, in der tatsächlichen Entwicklung so geändert hätten, dass eine Verwirklichung der Festsetzung nicht mehr zugelassen sei und ein schutzwürdiges Vertrauen für die Fortgeltung der Festsetzung nicht bestehe, müsse diese als außer Kraft getreten angesehen werden.

23

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg.

25

Sie ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dazu im Einzelnen:

26

Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt es dem Kläger nicht an der Klagebefugnis. Zwar trifft es zu, dass der Eigenjagdbezirk des Klägers durch die teilweise Aufhebung der altrechtlichen Verfügung aus dem Jahre 1934 bestehen bleibt. Gleichwohl ist die Möglichkeit einer Rechtsbeeinträchtigung durch die angefochtene Entscheidung des Beklagten bei dem Kläger gegeben. Der Kläger ist in Bezug auf die seinem Eigenjagdbezirk im Jahr 1934 angegliederten Flächen, die nicht in seinem Eigentum stehen, zwar nicht Inhaber des mit dem Grundstück verbundenen Jagdrechts (§ 3 Abs. 1 BJagdG). Er ist aber durch die Angliederung der Flächen Jagdausübungsberechtigter geworden. Dieses Recht hat dieselben Beziehungen zu den dazugehörigen Grundstücken wie das subjektive Jagdrecht des jeweiligen Grundeigentümers. Das Jagdausübungsrecht ist somit das aus dem (subjektiven) Jagdrecht aufgrund Gesetz oder privatrechtlichem Vertrag abgeleitete, das Jagdrecht selbst überlagernde (verdrängende), aber von ihm abhängige dingliche (§ 9 BGB) und damit absolute private Recht, an den zu einem Jagdbezirk gehörenden Grundstücken, wildlebende Tiere jagdbarer Arten (Wild) zu hegen, auf sie Jagd auszuüben und sie sich anzueignen (vgl. Möller, Umweltrecht Wald, Planung, Naturschutz, Jagd u.a., 3. Aufl. 2004, Anm. 54.2.2; OVG Münster, Urteil vom 10.6.1999 - 13 A 2005/98 - Rdn. 2000, 35 ff; Meyer-Ravenstein, Klagebefugnis eines Jagdpächters bei Abtrennung von Flächen aus der Pachtjagd - Zugleich ein Beitrag zum Rechtscharakter von Jagdrecht und Jagdausübungsrecht - Agrar- und UmwR, 2003, 202 ff.).

27

Die Kammer verweist im Übrigen auf den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2009 (4 LB 63/07, Nds. VBL 2010, 20 f.). In dieser Entscheidung ging es ebenfalls um den Bestand einer Abrundungsverfügung aus dem Jahre 1936 bzw. um die Verpflichtung des Beklagten, dem Eigenjagdbezirk des Klägers weitere Flächen zuzuordnen. Zweifel an der Klagebefugnis des Klägers haben in der genannten Entscheidung weder das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht noch das Verwaltungsgericht Stade als Vorinstanz geäußert.

28

In der Sache ist die Klage begründet.

29

Der Beklagte hat mit der angefochtenen Entscheidung vom 26. März 2010 zunächst das Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens aus dem Jahre 1934 beschlossen und im gleichen Bescheid mit einem zweiten Schritt die teilweise Aufhebung der Verwaltungsentscheidung vom 16. Mai 1934 verfügt. Bereits die Entscheidung, das Verwaltungsverfahren gemäß § 51 VwVfG wieder aufzugreifen, ist rechtswidrig. Denn der Beklagte hat zu Unrecht das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift angenommen und auch die Annahme einer fristgerechten Antragstellung geht fehl.

30

§ 51 VwVfG lautet wie folgt:

(1)

Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.

sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;

2.

neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;

3.

Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2)

Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen.

(3)

Der Antrag muss binnen 3 Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4)

Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5)

Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

31

Das Vorliegen eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes, nämlich der Entscheidung des Kreisjägermeisters Gärdes vom 16. Mai 1934, ist gegeben. Bei einer Abrundungsverfügung, die unter der Geltung des Preußischen Jagdgesetzes vom 18. Januar 1934 (Preuß. Gesetzessammlung 1934, 13 ff.) erlassen worden ist, handelt es sich um eine Verwaltungsentscheidung, die nach heutigem Verständnis einer Angliederungsverfügung nach § 5 Abs. 1 des Bundesjagdgesetzes entspricht (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 23.02.2009, a.a.O.; Beschluss vom 01.03.2011 - 4 LB 62/07 -, Nds. VBL 2011, 221 f.). Diese Abrundungsverfügung hat weder mit dem Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes noch des Niedersächsischen Landesjagdgesetzes ihre Geltung verloren. Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Verfügung aus dem Jahre 1934 anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Damit ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des Kreisjägermeisters vom 16. Mai 1934 jedenfalls im Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Bescheides des Beklagten noch Bestand hatte.

32

Weitere Voraussetzung für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ist, dass sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Dies ist hier jedenfalls zweifelhaft, kann aber letztlich unentschieden bleiben. Die Änderung muss Faktoren betreffen, die im ursprünglichen Verfahren für das Ergehen und/oder den Inhalt des Verwaltungsakts entscheidungserheblich waren und an deren Stelle nunmehr eine wesentlich neue für den Betroffenen günstigere Sach- oder Rechtslage getreten ist, die damals noch nicht gegeben war oder damals noch nicht mit einem Rechtsbehelf geltend gemacht werden konnte (Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Aufl., § 51 Anm. 25). Zwar sah § 13 Abs. 7 des Preuß. JagdG ausdrücklich vor, dass die Abrundung der Jagdbezirke und der Austausch von Flächen aneinandergrenzender Jagdbezirke durch den Kreisjägermeister erfolgt; eine Abrundung kraft Vereinbarung ließ das Preuß. JagdG nicht zu. Insoweit hat sich durch das Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes und des Niedersächsischen Landesjagdgesetzes eine verfahrensrechtliche Änderung ergeben. Denn § 7 NJagdG sieht in seinem Absatz 1 ausdrücklich vor, dass eine Abrundung von Jagdbezirken durch Vertrag oder durch Verfügung der Jagdbehörde erfolgt. Da ein solcher Vertrag öffentlich-rechtliche Folgen hat, unterliegt er einem Anzeige- und Beanstandungsverfahren entsprechend § 12 BJagdG. Auch kann die Jagdbehörde nach Landesrecht (§ 7 Abs. 2 Satz 2 NJagdG) den Vertrag beanstanden, wenn er nicht den gesetzlichen Erfordernissen entspricht. Dabei ist von dem Nachrang der behördlichen Abrundungsverfügung auszugehen. Aus den Ausführungsbestimmungen zu § 7 NJagdG ergibt sich, dass eine Abrundungsverfügung regelmäßig erst dann erlassen werden soll, wenn ein Abrundungsvertrag nicht zustande kommt.

33

Diese gesetzliche Neuregelung des Verfahrens über die Abrundung von Jagdbezirken stellt sich als Änderung der Sach- oder Rechtslage dar. Ob diese Änderung sich zugunsten des Betroffenen auswirkt, kann offen bleiben.

34

Zum einen können Vertragsparteien eines solchen Abrundungsvertrages nach § 7 Abs. 1 Satz 2 NJagdG sein die Eigentümer von Eigenjagdbezirken, Jagdgenossenschaften sowie die Eigentümer von Grundflächen, die zu keinem Jagdbezirk gehören. Die nunmehr gegebene Möglichkeit von vertraglichen Regelungen der Abrundung von Jagdbezirken betrifft damit unterschiedliche Interessenlagen, so dass von vornherein nicht gesagt werden kann, dass die Vertragspartner einer solchen Vereinbarung damit in eine günstigere Rechtsposition versetzt worden sind. Dies zeigt sich insbesondere an dem Kläger, der dem Grunde nach als Vertragspartner ebenfalls in Betracht kommt, aber kein Interesse an einer solchen Vereinbarung hat. Im Übrigen ist dabei zu beachten, dass sowohl die Abrundungsvereinbarung als auch die jagdbehördliche Verwaltungsentscheidung über die Abrundung von Jagdbezirken stets voraussetzen, dass sie den gesetzlichen Erfordernissen entsprechen. Diese ergeben sich im Wesentlichen aus § 5 Abs. 1 BJagdG. Danach können Jagdbezirke durch Abtrennung, Angliederung oder Austausch von Grundflächen abgerundet werden, wenn dies aus Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung notwendig ist. Diese übergeordneten Interessen sind damit sowohl für eine vertragliche Regelung als auch für die Behördenentscheidung maßgeblich. Auf sonstige Erwägungen, die mit diesen gesetzlichen Anforderungen nichts zu tun haben, kommt es somit nicht an. Das bedeutet, dass sowohl die im Jahre 1934 getroffene Entscheidung des Kreisjägermeisters als auch eine nach den Maßgaben des heute geltenden Jagdrechts getroffene Regelung über eine Abrundung sich an den sich aus § 5 Abs. 1 BJagdG ergebenden Anforderungen herleiten lassen muss. Wenn man somit davon ausgeht, dass die 1934 getroffene Verwaltungsentscheidung den jagdlichen Erfordernissen gerecht wurde, wofür die jahrzehntelange Praxis spricht, ist somit zu fragen, ob eine nach heutigem Recht getroffene Vereinbarung, die hiervon grundlegend abweicht, in gleicher Weise jagdlichen Belangen gerecht werden kann. Hierauf ist im Folgenden noch näher einzugehen.

35

Jedenfalls erweist sich, dass auch die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG ersichtlich nicht gewahrt ist. Das Niedersächsische Jagdgesetz wurde am 16. März 2001 bekannt gemacht und ist nach seinem § 43 am 1. April 2001 in Kraft getreten. Mit dem in Kraft treten dieses Gesetzes trat das Landesjagdgesetz in der Fassung vom 24. Februar 1978 außer Kraft. Bereits in diesem Gesetz, das am 1. April 1953 in Kraft getreten war, gab es in Art. 6 Abs. 1 die Regelung, dass die Abrundung von Jagdbezirken durch Vertrag zwischen den Beteiligten erfolgen konnte und nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 von Amts wegen durch Verfügung der Jagdbehörde. Die von den Beigeladenen geltend gemachte Änderung der Sach- und Rechtslage mit einer für sie günstigeren Regelung bestand damit bereits lange vor in Kraft treten des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Ein Wiederaufgreifensantrag, der - wie hier - erst im Jahre 2010 gestellt wird, wahrt damit die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht.

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In diesem Zusammenhang ist es ohne Belang, wenn der Beklagte und die Beigeladenen darauf verweisen, sie hätten die vorliegenden Abrundungsverträge im Februar bzw. März 2009 bei der Berechnung der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG berücksichtigt. Eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Betroffenen sei erst mit dem Datum des Abschlusses dieser Verträge anzunehmen. Die 3-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG sei damit gewahrt. Dieser Auffassung folgt die Kammer nicht. Der Beklagte und die Beigeladenen übersehen dabei, dass die vorgelegten Abrundungsverträge erst eine Rechtsfolge der gesetzlichen Eröffnung der Möglichkeit, vertragliche Abrundungsvereinbarungen zu treffen, sind. Auch sind die Eigentümerinnen und Eigentümer der Grundflächen, die 1934 mit ihren Flächen dem Jagdbezirk des Klägers zugeordnet wurden, damit einem Jagdbezirk zugehörig, so dass gegenwärtig, also bis zur bestandskräftigen Aufhebung der jagdrechtlichen Verfügung aus dem Jahre 1934, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 NJagdG nicht gegeben sind.

37

Aber selbst wenn eine fristgerechte Antragstellung anzunehmen wäre und in den abgeschlossenen Vereinbarungen zugleich eine zugunsten der Betroffenen wirkende Änderung der Sach- oder Rechtslage zu sehen wäre, erweist sich die von dem Beklagten verfügte teilweise Aufhebung der Verfügung vom 16. Mai 1934 als rechtswidrig.

38

Verfahrensmäßig hätte der Beklagte unter dieser Voraussetzung zunächst über das Wiederaufgreifen nach § 51 VwVfG entschieden. Auf einer zweiten Stufe hat aber eine Sachentscheidung zu erfolgen, nämlich darüber, ob der Beklagte den Erstbescheid aufrecht erhält oder unter Aufhebung des unanfechtbaren Verwaltungsakts diesen abändert. Damit muss die Behörde als Rechtsfolge des erfolgten Wiederaufgreifens erneut über die Angelegenheit entscheiden. Handelt es sich bei der zugrundeliegenden einschlägigen Norm des materiellen Rechts um eine Ermessensnorm, hat die Behörde im Rahmen der Gesamtabwägung der Interessen grundsätzlich auch dem Vertrauensschutz Dritter Rechnung zu tragen. Weist die entscheidungsrelevante Norm des materiellen Rechts dagegen kein Ermessen für die Behörde auf, können die Interessen des Dritten nicht ohne weiteres mit berücksichtigt werden. Gemäß § 5 Abs. 1 BJagdG können Jagdbezirke durch Abtrennung, Angliederung oder Austausch von Grundflächen abgerundet werden, wenn dies aus Erfordernissen der Jagdpflege oder Jagdausübung notwendig ist. Es handelt sich damit um eine Ermessensbestimmung. Bei ihrer Entscheidung, die altrechtliche Verfügung aus dem Jahre 1934 teilweise aufzuheben, hat die Behörde somit neben der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm auch Ermessenserwägungen anzustellen. Dieses ist im vorliegenden Fall nicht zureichend geschehen.

39

Jede Umgestaltungsmaßnahme bei einem Jagdbezirk setzt zunächst zwingende Gründe der Jagdpflege und Jagdausübung voraus (Pardey, Das Jagdrecht in Niedersachsen, Kommentar, § 5 BJagdG, Anm. 7). Die Abrundung ist als notwendig zu erachten, wenn sie sich aus der Sicht eines neutralen, objektiven, unbefangenen, jagdlich erfahrenen Beurteilers aufgrund der örtlichen Verhältnisse als sachdienlich aufdrängt und sich dieser der auf jagdlichen Gründen beruhenden Dringlichkeit nicht verschließen kann. Dabei soll ein Ziel jeder Abrundung die Begradigung von Reviergrenzen sein. Auf die Größe einer Abrundungs- oder Zurundungsfläche allein kommt es dabei nicht entscheidend an. Allerdings rechtfertigen bloße Zweckmäßigkeitserwägungen keine Umgestaltung; gewisse Unzuträglichkeiten und Schwierigkeiten sind in Kauf zu nehmen.

40

Im vorliegenden Fall spricht gegen die Annahme, dass die Entscheidung des Beklagten sich im erforderlichen Umfang als notwendig erweist, bereits der Umstand, dass es im Anschluss an die Verfügung des Kreisjägermeisters vom 16. Mai 1934 über viele Jahrzehnte eine ordnungsgemäße Jagdausübung in dem fraglichen Bezirk gegeben hat. Aus den Verwaltungsvorgängen des Beklagten ist nichts dafür ersichtlich, warum aufgrund der jahrzehntelang geübten Praxis nach Maßgabe des altrechtlichen Bescheides des Kreisjägermeisters nunmehr ein Zustand eingetreten sein soll, der eine weitere Umsetzung dieses Entscheids auf unabsehbare Zeit infrage stellt. Auch das Vorbringen der Beigeladenen und ihrer Vertragspartner lässt jagdliche Belange für die nunmehr vom Beklagten getroffene Änderung der altrechtlichen Verfügung nicht zwingend sprechen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass zum Teil geltend gemacht wird, im Bereich des Jagdbezirkes des Klägers sei eine verstärkte Bejagung des Schwarzwildes zur Vermeidung von Schäden erforderlich. Hierbei dürfte es sich nicht um einen spezifischen Einzelfall für den Bereich des klägerischen Jagdbezirkes handeln. Denn es ist gerichtsbekannt, dass es in den vergangenen Jahren - aus welchen Gründen auch immer - eine erhebliche Zunahme des Schwarzwildbestandes gerade auch in Norddeutschland gegeben hat.

41

Wenn aber keine überzeugenden jagdlichen Gründe die Aufhebung der altrechtlichen Verfügung des Kreisjägermeisters gebieten, kann eine solche Änderung allein unter Hinweis auf die Privatautonomie der betroffenen Grundstückseigentümer nicht gerechtfertigt sein. Zwar mag es das Erfordernis einzelner begründeter Abrundungen auch in dem streitgegenständlichen Jagdbezirk geben. Dafür, dass in dem hier vorgenommenen erheblichen Umfang eine Umgestaltung des Jagdbezirkes aus den maßgeblichen jagdlichen Belangen erforderlich war, sind jedoch durchgreifende Gründe nicht erkennbar und auch in dem angefochtenen Bescheid des Beklagten nicht aufgeführt. Dieser bezieht sich vielmehr auf die Wünsche der betroffenen Grundstückseigentümer ohne Bezugnahme auf jagdliche Erfordernisse. Gerade bei einer so langen Dauer und Praktizierung der Jagd in den Grenzen eines bestehenden Bezirkes sind aber an eine Änderung erhebliche Anforderungen an die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen zu stellen und auch die von dem Beklagten anzustellenden Ermessenserwägungen unter Einbeziehung der Belange des Klägers, müssen das begründete Erfordernis der getroffenen Entscheidung erkennen lassen. Daran fehlt es hier.

42

Bei dieser Sach- und Rechtslage war der angefochtene Bescheid des Beklagten aufzuheben.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

44

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

45

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.