Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 03.08.1995, Az.: 2 WF 68/95
Übergang von Unterhaltsansprüchen auf den Träger der Sozialhilfe; Geltendmachung von übergegangenen Unterhaltsansprüchen durch den Hifeempfänger aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung; Prozessführungsermächtigung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 03.08.1995
- Aktenzeichen
- 2 WF 68/95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1995, 11124
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1995:0803.2WF68.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG ... - AZ: 2 F 57/95
Fundstelle
- FamRZ 1996, 39-40 (Volltext mit red. LS)
Prozessführer
der Frau ......
Prozessgegner
Herrn ...
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht- ... vom 17. Mai 1995 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe einer Gebühr von 50,00 DM zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet, da ihre auf Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt gerichtete Klage für die Zeit vor Rechtshängigkeit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 114 ZPO. Für die anschließende Zeit kommt ein Anspruch auf Trennungsunterhalt nur in der vom Amtsgericht bewilligten Höhe in Betracht.
1.
Die Klägerin ist nicht mehr berechtigt, für die Zeit bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit die von ihr geltend gemachten Unterhaltsansprüche (§§ 1361 Abs. 1, 1601 ff, 1629 Abs. 3 BGB) selbst einzuklagen, da diese Ansprüche aufgrund der gewährten Sozialhilfeleistungen gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 BGB auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen sind. Dem steht nicht entgegen, daß die für den Träger der Sozialhilfe handelnde Stadt ... die Klägerin mit Schreiben vom 13.02.1995 offenbar hat ermächtigen wollen, die in Rede stehenden Unterhaltsansprüche selbst geltend zu machen. Der Senat hält eine solche Ermächtigung für unzulässig, da die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 16.03.1994 (NJW 1994, 1733, 1734) [BGH 16.03.1994 - XII ZR 225/92] für eine vergleichbare Fallgestaltung zu §§ 90 f BSHG a.F. angestellten Erwägungen auch auf die Neufassung dieser Bestimmungen im Jahre 1993 übertragbar sind. Danach ist jegliche Vereinbarung mit einem Hilfeempfänger, daß er auf eigenes Prozeßrisiko den Unterhaltsanspruch gegen einen Verpflichteten einklagen darf und gehalten sein soll, auf diese Weise erlangte Unterhaltsbeträge bis zur Höhe der geleisteten Sozialhilfe abzuführen, wegen Verstoßes gegen §§ 31 f SGB I unzulässig. Es entspricht seit langem der höchstrichterlichen Rechtsprechung, daß der Gesetzgeber im Bereich der öffentlich-rechtlichen Versorgungsansprüche umfassende gesetzliche Regelungen getroffen hat, in denen nicht nur niedergelegt ist, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf bestimmte Versorgungsleistungen besteht, sondern auch, ob und unter welchen Bedingungen ein Rückgriff gegen Dritte erfolgen kann, die zur Zahlung gleichgerichteter Versorgungsleistungen nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen verpflichtet sind. Die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen, zu denen die §§ 90 ff. BSHG gehören, sind jeweils in sich abgeschlossen. Die in ihnen enthaltenen Regelungen über eine Anspruchsüberleitung oder einen gesetzlichen Forderungsübergang dienen nämlich nicht nur dem Schutz des Trägers der Versorgungsleistungen, sondern auch dem Schutz des Empfängers. Deshalb sind die zu einer Ausführung dieser Bestimmungen berufenen Verwaltungsbehörden im Rahmen der darauf beruhenden Leistungsverhältnisse nicht berechtigt, weitergehende Erstattungsmöglichkeiten nach allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts oder im Wege der bürgerlich-rechtlichen Abtretung zu suchen (BGH, Urteil vom 24.09.1987, NJW 1988, 819, 820 [BGH 24.09.1987 - III ZR 49/86]; BVerwG, Urteil vom 22.10.1976, VwRspr. 28, 540, 541 f).
In den §§ 31 f. SGB I haben diese Grundsätze ihre gesetzliche Ausprägung erfahren. Danach sind insbesondere privatrechtliche Vereinbarungen nichtig, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von den Vorschriften des SGB I abweichen. Diese sehen weder eine Rückabtretung noch eine Prozeßführungsermächtigung der in Rede stehenden Art. vor. Nachteilig ist eine dahingehende Vereinbarung dann, wenn durch sie die Rechtsposition des Leistungsberechtigten zu dessen Ungunsten verändert wird, wobei ein Nachteil auch schon in einer Verschärfung der ihm auferlegten Pflichten liegt. Daß ihm die Vereinbarung neben Nachteilen auch Vorteile bringen kann, ändert im Ergebnis an der Annahme einer Nachteiligkeit nichts (Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht/Seewald, Band I, § 32 SGB I Rdnr. 4, 6 m.w.N.). Für die Klägerin ist die ihr erteilte Prozeßführungsermächtigung nicht nur dadurch nachteilig, daß sie für den Fall eines Unterliegens anstelle des Trägers der Sozialhilfe das Prozeßkostenrisiko trägt. In der Prozeßführung aufgrund einer dahingehenden Ermächtigung liegt zugleich auch die Begründung eines Treuhandverhältnisses, durch das der Klägerin eine besondere Sorgfalt gegenüber dem Träger der Sozialhilfe auferlegt wird und Verpflichtungen begründet werden, die sich nach den Regeln des Auftragsrechtes (§§ 662 ff BGB) bestimmen (vgl. Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, Band II, § 24 I 2, § 25 I 2 b). Da eine solche Pflichtenbindung rechtliche Nachteile mit sich bringen kann, unterfällt eine Prozeßführungsermächtigung, wie sie vorliegend erteilt ist, dem Anwendungsbereich des § 32 SGB I und ist unwirksam.
2.
Für die Zeit ab Rechtshängigkeit bietet eine Rechtsverfolgung der Klägerin nur in Höhe des vom Amtsgericht errechneten Betrages von 906,20 DM monatlich hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn aufgrund des bei der Bedarfsbemessung zu berücksichtigenden Kindesunterhalts, den der Beklagte aufforderungsgemäß leistet und dem die Klägerin durch ihr Vorgehen den Vorrang vor dem von ihr begehrten Trennungsunterhalt eingeräumt hat, ist zwischen dem bereinigten Nettoeinkommen des Beklagten von 2.206,20 DM und dem ihm zuzubilligenden notwendigen Selbstbehalt von 1.300,00 DM nur noch Raum für eine Unterhaltszahlung von 906,20 DM monatlich.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 11 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1905 KV, § 127 Abs. 4 ZPO.