Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 29.09.2009, Az.: 3 B 1143/09
Zuweisung eines Beamten an ein Tochterunternehmen bzw. Enkelunternehmen i.S.v. § 4 Abs. 4 Postpersonalrechtsgesetz (PostPersRG); Nebenbestimmung als Indiz für die Rechtswidrigkeit der eigentlichen Personalverfügung
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 29.09.2009
- Aktenzeichen
- 3 B 1143/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 23433
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2009:0929.3B1143.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 PostPersRG
- § 80 Abs. 1 VwGO
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG
Verfahrensgegenstand
Übertragung angemessener Beschäftigung;
hier: Aussetzung der Vollziehung
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 3. Kammer -
am 29. September 2009
beschlossen:
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 07.08.2009 gegen den Bescheid der Deutschen Telekom AG vom 29.07.2009 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag,
mit dem sich die Antragstellerin, als Hauptsekretärin im Nichttechnischen Dienst (BesGrp A 8) Beamtin bei der Deutschen Telekom AG, gegen ihre unter Anordnung des Sofortvollzuges (zum wiederholten Male, vgl. die vor der Kammer anhängig gewesenen Verfahren 3 B 91/09 und 3 B 537/09) ausgesprochene Zuweisung als Kundenberaterin zu der Deutschen Telekom Kundenservice GmbH wendet,
hat Erfolg.
Zweifelhaft ist weiterhin, ob die Antragsgegnerin das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Zuweisung in einer dem § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet hat. Die Kammer hat in ihrem Beschluss vom 05.05.2009 in dem zwischen den Beteiligten anhängig gewesenen Verfahren 3 B 537/09 ausgeführt:
"Dahinstehen kann, ob das betriebswirtschaftliche Interesse eines auf Gewinnmaximierung ausgerichteten privatwirtschaftlichen Unternehmens in diesem Zusammenhang grundsätzlich ausreichend sein kann (in der Annahme eines "Ausnahmecharakters der Anordnung" bejahend zuletzt VG Göttingen, Beschluss vom 06.04. 2009, 3 B 24/09; Rechtsprechungsdatenbank der Nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit). Die Zweifel bestehen nämlich insbesondere deswegen, weil die Antragsgegnerin bereits mit Bescheid vom 13.01.2009 (Gegenstand des zwischen den Beteiligten anhängig gewesenen und erledigten Verfahrens 3 B 91/09) versucht hat, die Antragstellerin mit identischer Begründung - rückwirkend - zum 01.10.2008 der Deutschen Telekom Kundenservice GmbH zuzuweisen; Ausführungen, durch wen die dort zu erledigenden Aufgaben übernommen worden sind, enthält der Vortrag der Antragsgegnerin nicht. Daraus folgt, dass es nicht die Bedeutung des Aufgabenkreises sein kann, die die Ausnahme vom Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO rechtfertigt. Unter diesen Umständen würde jedoch allein der finanzielle Aspekt die Anordnung des Sofortvollzuges begründen, die damit ihren Ausnahmecharakter verlöre, weil diese Interessenlage gleichermaßen für alle Beamten im Bereich der Antragsgegnerin vorliegt."
Die Zweifel in diesem Sinne bestehen weiterhin, weil die Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung identisch mit der aus der Zuweisung vom 24.03.2009 ist, die inhaltlich Gegenstand des Verfahrens 3 B 537/09 gewesen ist. Ausführungen der Antragsgegnerin zu der Frage, wer den von der Antragstellerin wahrzunehmenden Tätigkeitskreis ausgefüllt hat, fehlen weiterhin. Eine Reduzierung des öffentlichen Interesses allein auf finanzielle Gründe, die in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen immer von Bedeutung sind, führte de facto dazu, dass dem Instrument der Zuweisung ein gesetzlicher Sofortvollzug zukommt, der in § 4 PostPersRG gerade nicht vorgesehen ist.
Dessen ungeachtet hat der Antrag auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 VwGO auch aus inhaltlichen Gründen Erfolg, denn das Interesse der Antragstellerin, die Vollziehung bis zum Abschluss des Verfahrens einstweilen auszusetzen, überwiegt, weil nach der gebotenen summarischen Prüfung der angegriffene Bescheid offensichtlich rechtswidrig ist.
Als Rechtsgrundlage für die angegriffene personalrechtliche Maßnahme kommt allein § 4 Abs. 4 S. 2 und 3 PostPersRG in Betracht. Unter den dort - bzw. insgesamt in der Vorschrift des § 4 Abs. 4 PostPersRG - genannten Voraussetzungen ist die Zuweisung an ein Tochter- bzw. Enkelunternehmen zulässig. Dies gilt ohne Zustimmung des Beamten allerdings nur, wenn ihm eine seinem Amt entsprechende Tätigkeit zugewiesen wird.
Erste, allerdings ungeschriebene, Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Zuweisung ist daher, dass die zugewiesene Tätigkeit konkret umschrieben wird. Mit dieser Forderung geht es entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin (S. 6 ihrer Antragserwiderung) nicht darum, dass notwendige Handgriffe erklärt bzw. dargestellt werden sollen. Die konkrete Darstellung der Tätigkeit ist vielmehr aus dem Grunde von Bedeutung, weil nur in Kenntnis des Aufgabenkreises ein Vergleich angestellt und damit eine Entscheidung darüber getroffen werden kann, ob die übertragene Aufgabe dem Amt des Beamten entspricht und damit seinen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung erfüllt.
An einer Darstellung in diesem Sinne fehlt es. Aus der Darstellung des Tätigkeitsbereichs einer Kundenberaterin ist nicht ersichtlich, welcher Art die administrativen bzw. technischen Kundenanfragen (Sind weitere Kundenanfragen denkbar? Wenn ja, in welchem Bereich?) sind, die die Antragstellerin bearbeiten soll. Ebenso wenig ist erkennbar, welches die komplexen Kundenanliegen sein sollen, die die Antragstellerin zu klären hat. Hinzu kommt, dass die Beschreibung dieser Anliegen mit "schwierig" bzw. "komplex" eine Wertung enthält, die nahe legt, dass es einerseits auch einfache oder schlichte, andererseits ebenso besonders schwierige oder umfangreiche Anliegen gibt; Wertungskriterien dafür, was in welche Kategorie fällt, fehlen. Schließlich gilt auch im Hinblick auf die der Antragstellerin obliegenden einfachen Telesalesaktionen/Telemarketingrecherchen, dass die Frage, was einfach ist, eine Wertung beinhaltet, wobei in diesem Zusammenhang ohnehin offen bleibt, in welchem Bereich die Antragstellerin - offenbar - etwas (Geräte?, Verträge?) "verkaufen" soll bzw. zu welchen Fragestellungen Marktuntersuchungen stattfinden sollen. Damit sind nicht nur einzelne sprachliche Ungenauigkeiten angesprochen; vielmehr ist die für die Antragstellerin vorgesehene Tätigkeit schlicht nicht nachvollziehbar. Eine Prüfung der Frage, ob die vorgesehene Tätigkeit amtsangemessen ist, ist damit nicht möglich.
Dessen ungeachtet bestehen auch Indizien, dass die zugewiesene Tätigkeit nicht amtsangemessen ist.
Auf den entsprechenden Hinweis der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin zwar dargestellt, dass der Service gegenüber dem Kunden "angesichts der umfangreichen Palette von Produkten und Dienstleistungen" (!, vgl. hierzu die Ausführungen zur Tätigkeitsbeschreibung) nicht angemessen von ungelernten Kräften erbracht werden könnte (S. 5 der Antragserwiderung). Damit ist, ungeachtet der Tatsache, dass etwa ein Organigramm des Tochterunternehmens, aus dem die der Tätigkeit entsprechenden Ämter zu ersehen oder zu entnehmen wären, nicht vorgelegt wurde, bereits sprachlich nicht geltend gemacht worden, dass die für die Antragstellerin vorgesehene Tätigkeit nicht auch von angelernten Kräften durchgeführt werden kann. Zudem bietet, wie das Gericht ermittelt hat, eine Vermittlungsfirma aus Freiburg/Breisgau im Auftrag der Antragsgegnerin eine Vollzeitanstellung als Kundenberater, für die es in der Stellenausschreibung ausdrücklich heißt:
"Schulabschluss: nicht relevant" (siehe hierzu http://jobs.meinestade.de/x/job.php/jobid= 5193932). Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, dass Voraussetzung für die zugewiesene Tätigkeit eine abgeschlossene Berufsausbildung (vgl. § 19 BLV) und eine einer Laufbahnprüfung (§ 17 BLV) entsprechende Prüfung wäre.
Zu ergänzen ist schließlich, dass die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 05.05.2009 (3 B 537/09) auf die Anfrage der Antragsgegnerin an den Betriebsrat vom 17.03.2009 hingewiesen und daraus mittelbar auch die Auffassung der Antragsgegnerin hergeleitet hatte, dass die zugewiesene Tätigkeit - mit der des vorliegenden Verfahrens identisch - unterwertig sei; zu dieser Auffassung, an der festzuhalten ist, hat die Antragsgegnerin keine Stellung genommen.
Ob der in der Zuweisung enthaltene Widerrufsvorbehalt zu ihrer Rechtswidrigkeit führt, bedarf hiernach keiner abschließenden Entscheidung. Zutreffend ist zwar einerseits, dass es sich beim Widerrufsvorbehalt um eine selbstständige Nebenbestimmung (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) handelt, die - eben aufgrund ihrer Selbstständigkeit - nicht am Regelungsgehalt der Verfügung teilnimmt und aus der im vorliegenden Zusammenhang nicht unmittelbar geschlossen werden kann, dass die Zuweisung nur befristet erfolgen soll; dass eine befristete Zuweisung aufgrund einer fehlenden Übertragung eines Amtes im abstrakt-funktionellen Sinne rechtswidrig ist, ist in der Rechtsprechung geklärt (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.02.2009, 5 ME 461/08; [...]). Andererseits ist der Widerruf, so er denn erfolgt, rechtswidrig, weil er dazu führt, dass die Antragstellerin wieder in ihren - derzeitigen und rechtswidrigen - Zustand ohne eine amtsangemessene Beschäftigung zurückfällt. Auch kann der Vorbehalt nicht ohne weiteres so verstanden werden, "dass die Antragsgegnerin angesichts wechselnder unternehmerischer Erfordernisse den Einsatz der Antragstellerin in ihrem Tochter- oder Enkelunternehmen möglichst flexibel gestalten möchte" (so Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München , Beschluss vom 29.07.2009, 15 CS 09.1174; [...]), denn angesichts der Tatsache, dass die Rechtstellung des Beamten unberührt bleibt (§ 4 Abs. 4 S. 6 PostPersRG), kann die Zuweisung nicht bereits etwas enthalten, was sich im "normalen Beamtenverhältnis" als Umsetzung darstellen würde, für "darunter" liegende Anordnungen (vgl. etwa die frühere dienstrechtliche Unterscheidung in Grund- und Betriebsverhältnis) ist jedoch nicht die Antragsgegnerin, sondern das Tochterunternehmen zuständig (§ 4 Abs. 4 S. 8 PostPersRG).
Wenn hiernach mangels anderer Möglichkeiten - die Antragsgegnerin hat hierzu nichts vorgetragen - der Widerrufsvorbehalt so zu verstehen sein sollte, dass bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Zuweisung Anhaltspunkte für eine lediglich befristet mögliche Aufgabenerfüllung bestanden, kann die Nebenbestimmung als Indiz für die Rechtswidrigkeit der eigentlichen Personalverfügung herangezogen werden.
Schließlich erweist sich die Zuweisung auch aus dem Grunde als fehlerhaft, weil durch sie Aufgaben der Personalführung auf das Tochterunternehmen übertragen werden.
Wie soeben ausgeführt darf die Zuweisung nicht dazu führen, dass die dienstrechtlichen Befugnisse jenseits eines betrieblichen Direktionsrechts auf das Tochterunternehmen übergehen (so OVG Lüneburg, Beschluss vom 27.01.2009, 5 ME 427/08; [...]). Dies ist vorliegend jedoch der Fall, denn die bereits angesprochene Aufgabenbeschreibung sieht vor, dass die Antragstellerin Kundenanfragen "im zugeordneten Segment" zu bearbeiten habe. Aus dieser Formulierung folgt offensichtlich, dass mehrere Segmente existieren, in denen Kundenberatung durchgeführt wird. Auf den dienstrechtlichen Bereich übertragen bedeutet dies aber zumindest, dass die Kundenberatung in jedem Segment ein Amt im konkret-funktionellen Sinne darstellt. Da der Antragstellerin mit der angegriffenen Verfügung ein solches Amt nicht übertragen wurde, kann diese Übertragung nur durch das Tochterunternehmen erfolgen. Das erweist sich als unzulässig.
Hiernach stellt sich die Zuweisung als rechtswidrig dar, so dass antragsgemäß zu entscheiden war, ohne dass es auf die weiteren zwischen den Beteiligten angesprochenen Fragen, insbesondere die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Antragstellerin, ankam.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG, wobei der Regelstreitwert unter dem Gesichtspunkt der Vorwegnahme der Hauptsache nicht zu kürzen war.
Fahs
Kellmer