Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 18.06.2013, Az.: 6 A 305/12

Aliasname; Duldungsbescheinigung; Fahrerlaubnis; allgemeine Handlungsfreiheit; Identitätsnachweis; amtlicher Nachweis

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
18.06.2013
Aktenzeichen
6 A 305/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64355
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Nachweis von Ort und Tag der Geburt i. S. v. § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 StVG und § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV kann auch durch eine Duldungsbescheinigung erbracht werden, deren Inhalt auf den eigenen Angaben des Ausländers beruht und mit der der Ausländer seiner Ausweispflicht nicht genügt.

2. Die Eignung der Duldungsbescheinigung zum Nachweis ist unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der fahrerlaubnisrechtlichen Vorschriften und anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem sein Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B mangels eines ausreichenden Nachweises der Angaben zu seiner Person abgelehnt wird.

Nach seinen Angaben ist der Kläger 1983 in F. im G. geboren und seine Staatsangehörigkeit ungeklärt. Er besitzt weder einen Pass noch ein Passersatzpapier. Zusammen mit seiner Familie reiste er 1989 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die von der Familie gestellten Asylanträge wurden 1990 abgelehnt. Aufgrund einer Bleiberechtsregelung erhielt der Kläger seit 1994 befristete Aufenthaltsbefugnisse, die nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes im Jahr 2005 in befristete Aufenthaltserlaubnisse übergeleitet wurden. Ein Antrag auf (weitere) Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wurde mit Bescheid der Ausländerbehörde des Beklagten vom 26.10.2011 abgelehnt. Dagegen hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Braunschweig Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (4 A 177/11). Seit dem 04.11.2011 werden dem Kläger befristete Duldungen erteilt. In der mit einem Passfoto versehenen Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) heißt es unter anderem: „Der Inhaber genügt mit dieser Bescheinigung nicht der Pass- und Ausweispflicht“ und „Die Personalangaben beruhen auf den eigenen Angaben des Inhabers“. Dort ist eingetragen, dass der Kläger am H. in F. geboren und die Staatsangehörigkeit ungeklärt ist. Der Kläger ist mehrfach straffällig geworden (u. a. Urteile des I. vom 06.06.1999: schwerer Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vom 06.09.2010: Beleidigung in Tateinheit mit Körperverletzung; Urteil des J. vom 02.07.2012: Bedrohung; I. vom 09.08.2012: Urkundenfälschung in zwei Fällen) und bestreitet den Lebensunterhalt für sich und seine Familie dauerhaft aus Leistungen nach dem SGB II.

Am 27.10.2011 beantragte der Kläger bei der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten die Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B. Daraufhin teilte der Beklagte dem Kläger mit, da er keinen Reisepass etc., sondern lediglich eine Duldung vorgelegt habe, müsse bei der Ausländerbehörde erfragt werden, ob gegen die Erteilung einer Fahrerlaubnis Bedenken bestehen. In seinem Fall seien das Niedersächsische Innenministerium und das Niedersächsische Wirtschaftsministerium eingeschaltet worden, und es müsse deren Stellungnahme abgewartet werden.

Am 27.09.2012 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben und begehrt die Erteilung der Fahrerlaubnis. Zur Begründung trägt er vor, mit der vorgelegten Duldungsbescheinigung habe er den erforderlichen amtlichen Nachweis über Ort und Tag seiner Geburt i. S. v. § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV erbracht. Dies ergebe sich aus dem rechtskräftigen Urteil des K. vom 14.09.2011 (9 A 1640/11). Es sei nicht Aufgabe des fahrerlaubnisrechtlichen, sondern allenfalls des ausländerrechtlichen Verfahrens, Zweifel an seiner Identität aufzuklären.

Mit Bescheid vom 06.02.2013 hat der Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse B abgelehnt. Zur Begründung trägt er vor, eine Fahrerlaubnis dürfe nur erteilt werden, wenn der Bewerber die in § 2 Abs. 2 StVG genannten Voraussetzungen erfülle. § 2 Abs. 6 StVG i. V. m. § 21 Abs. 1 Satz 3 FeV regele, dass zur Erteilung einer Fahrerlaubnis neben den sonstigen Eignungsvoraussetzungen die notwendigen Angaben zur Person mitgeteilt und nachgewiesen werden müssen. Durch Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 13.08.2004 sei in diesem Zusammenhang näher bestimmt, dass bei Vorlage einer Bescheinigung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) bei der zuständigen Ausländerbehörde zu erfragen sei, ob von dort Bedenken gegen die Erteilung einer Fahrerlaubnis bestehen. In seinem Fall habe die Ausländerbehörde eine solche „Unbedenklichkeitserklärung“ nicht abgegeben. Grund der Verweigerung sei der Umstand, dass der Kläger mit den bisher vorgelegten Bescheinigungen seine wahre Identität unter keinen Umständen habe beweisen können. Der Familienname L., unter welchem er und ein Großteil seiner Familie geführt werden, sei definitiv falsch bzw. eine Aliasidentität. Nach den Recherchen der Ausländerbehörde sei der 2001 verstorbene Vater des Klägers syrischer Staatsangehöriger und auch dort registriert. Der Kläger und seine Geschwister, die sein Vater mit der zweiten Frau gezeugt habe, seien nicht im syrischen Familienregister eingetragen. Durch die nicht erfolgte Registrierung der eventuell erfolgten Eheschließung zwischen den Eltern des Klägers könnten die Kinder die syrische Staatsangehörigkeit nicht über den verstorbenen Vater erworben haben. Die Mutter stamme aus der Türkei. Deren Eltern und einige ihrer Geschwister seien in der Türkei registriert und trügen dort den Namen M.. Es verbleibe daher die Möglichkeit, dass der Kläger die türkische Staatsangehörigkeit über die Mutter erwerbe. Derzeit liefen Bestrebungen, dass sich die Mutter in der Türkei nachregistrieren lasse und sich danach einen türkischen Pass beschaffe. Ob dies erfolgreich sein werde, könne noch nicht gesagt werden. Die Mutter würde dann statt des Aliasnamen L. den Nachnamen M. tragen und die Kinder, auch der Kläger, könnten ggf. ebenfalls nachregistriert werden und ebenfalls den Namen M. annehmen. Inzwischen bestünden zusätzliche Bedenken an den Personendaten des Klägers. Im Rahmen der bislang geführten Recherchen habe sich ergeben, dass dieser im Bundeszentralregister mit zahlreichen Verurteilungen unter folgenden unterschiedlichen Identitäten erfasst sei:

„N., alias L., alias O., alias P.; geboren Q., alias R., alias S., alias T., alias U. in F..“

Damit sei festzustellen, dass der Kläger seit seiner Einreise in das Bundesgebiet nicht nur unter der in der vorgelegten Duldungsbescheinigung ausgewiesenen Identität aufgetreten sei. Neben dem Namen stellten der Geburtstag und der Geburtsort die wichtigsten Personenordnungsmerkmale einer Person da. Die Identität eines jeden Bewerbers um eine Fahrerlaubnis müsse eindeutig und zweifelsfrei geklärt sein, da jede Person nur Inhaber einer Fahrerlaubnis sein dürfe. Außerdem dürfe jede Person nur mit einer und zudem der richtigen Identität in den Fahrerlaubnisregistern und ggf. im Verkehrszentralregister verzeichnet sein.

Der Kläger verfolgt sein Begehren weiter und trägt ergänzend vor, seine Mutter habe sich um eine Nachregistrierung in der Türkei bemüht. Dies sei jedoch seitens des Beklagten vereitelt worden, da dieser nicht bereit sei, alle Kosten für Rechtsanwälte zu übernehmen. Außerdem richte sich seine Staatsbürgerschaft ausschließlich nach seinem Vater, der syrischer Staatsbürger gewesen sei. Damit könne er nicht in der Türkei nachregistriert werden. Seine Eltern hätten nie eine anerkannte, sondern lediglich eine traditionell geschlossene Ehe in der Türkei geführt. Ihm könne derzeit auch nicht zugemutet werden, zur Ausstellung eines Reisepasses die syrische Botschaft aufzusuchen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2013 eine Fahrerlaubnis für die Klasse B einschließlich aller darin enthaltenen Klassen auf der Grundlage seiner Duldungsbescheinigung als amtlicher Nachweis i. S. des § 21 Abs. 3 FeV zu erteilen, wenn die hierfür erforderlichen weiteren gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 06.02.2013,

die Klage abzuweisen.

Unter Hinweis auf seine nunmehr behauptete syrische Staatsangehörigkeit hat der Kläger im Mai 2013 bei der in seinem Fall zuständigen Ausländerbehörde des Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2 – 7 AufenthG gestellt, über den noch nicht entschieden worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie die vorgelegten Unterlagen der Fahrerlaubnisbehörde und der Ausländerbehörde des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zunächst gemäß § 75 Satz 1 VwGO als Untätigkeitsklage erhobene Klage hat Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B auf der Grundlage seiner Duldungsbescheinigung als amtlicher Nachweis i. S. von § 21 Abs. 3 FeV zu, wenn die hierfür erforderlichen weiteren gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Das Rechtsschutzziel des Klägers kann mit der erhobenen Verpflichtungsklage verfolgt werden. Denn die begehrte Verpflichtung des Beklagten klärt die umstrittene Rechtsfrage trotz der im Tenor ausgesprochenen Einschränkung in dem erforderlichen Umfang verbindlich und abschließend (vgl. VG Hannover, U. v. 14.09.2011 - 9 A 1649/11 -, juris Rn. 19).

Die Ablehnung der Erteilung der Fahrerlaubnis für die Klasse B einschließlich aller darin enthaltenen Klassen ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten. Der Kläger ist mit der Vorlage der Duldungsbescheinigung seinen Nachweispflichten in Bezug auf Ort und Tag der Geburt i. S. v. § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 StVG i. V. m. § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV in ausreichender Weise nachgekommen. § 2 Abs. 6 Satz 1 StVG bestimmt, dass der Bewerber um eine Fahrerlaubnis nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung u. a. die in der Nr. 1 dieser Vorschrift aufgeführten personenbezogenen Daten - Familiennamen, Geburtsnamen, sonstige frühere Namen, Vornamen, Ordens- oder Künstlernamen, Doktorgrad, Geschlecht, Tag und Ort der Geburt, Anschrift - mitzuteilen und nachzuweisen hat. § 21 Abs. 1 Satz 3 FeV regelt weiter, dass der Führerscheinbewerber u. a. die in § 2 Abs. 6 StVG bezeichneten Personendaten mitzuteilen und auf Verlangen nachzuweisen hat. Zu den Unterlagen, deren Vorlage grundsätzlich geboten ist, gehört nach § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV ein „amtlicher Nachweis über Ort und Tag der Geburt“.

Die Duldungsbescheinigung des Klägers genügt diesen Kriterien. Obwohl der Kläger damit nicht seiner Ausweispflicht genügt und die darin enthaltenen Personalangaben auf seinen eigenen Angaben beruhen, hat der Kläger im Rahmen des fahrerlaubnisrechtlichen Verfahrens einen ausreichenden Nachweis seiner Identität erbracht. Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung der Gerichte an, die die Eignung einer Duldungsbescheinigung der hier vorgelegten Art als Identitätsnachweis unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der maßgeblichen Vorschriften (§ 2 Abs. 6 StVG und § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV) und der konkreten Umstände des Einzelfalles beurteilen (vgl. VG Hannover, a. a. O.; VG Weimar, B. v. 15.03.2007 - 2 E 267/07 we -, juris; VG München, B. v. 03.01.2002 - M 6a E 01.5647 -, juris; VG Gelsenkirchen, U. v. 22.08.2007 - 7 K 2840/06 - und v. 22.06.2011 - 7 K 4343/10 -, beide juris; VG Arnsberg, U. v. 30.10.2008 - 6 K 159/08 -, juris; a. A. zuletzt VG Stade, U. v. 28.01.2013

- 1 A 1845/12 -, juris; VG Trier, U. v. 24.10.2002 - 2 K 397/02 -, www.fahrerlaubnisrecht.de; VG Berlin, U. v. 08.06.2007 - 4 A 348.06 -, juris; VG Dessau, B. v. 01.03.2005 - 2 A 190/04 DE -; VG Neustadt/Weinstraße, B. v. 22.08.2011 - 3 K 613/11, NW -, die sich allein an formellen Kriterien orientieren und die Eignung der Duldungsbescheinigung als Identitätsnachweis ablehnen).

Weder § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV noch andere einschlägige Vorschriften enthalten eine Definition des Begriffs des „amtlichen Nachweises über Tag und Ort der Geburt“. Ausgehend davon, dass es sich dabei um ein von einem Träger öffentlicher Gewalt ausgestelltes Dokument handeln muss, das Angaben über den Geburtsort und das Geburtsdatum enthält (vgl. BayVGH, B. v. 05.11.2009 - 11 C 08.3165 -, juris Rn. 30), genügt die vom Beklagten nach einem bundeseinheitlichen Muster auf einem Formular der Bundesdruckerei erstellte Duldungsbescheinigung diesen Kriterien. Zwar kann diese Bescheinigung keinen strengen Beweis über Tag und Ort der Geburt des Klägers erbringen, da die Angaben zur Person auf seinen eigenen Erklärungen beruhen. Jedoch ist die Eignung der Duldungsbescheinigung als amtlicher Nachweis nicht allein anhand formeller Kriterien zu beurteilen, sondern muss unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der §§ 2 Abs. 6 StVG und 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV bestimmt werden (vgl. VG Hannover, a. a. O., Rn. 31; VG Weimar, a. a. O.). Nur auf diese Weise kann hinreichend dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das auch „geduldeten“ Ausländern zustehende Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG das Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr grundsätzlich umfasst (vgl. VG Braunschweig, B. v. 18.02.2008 - 6 B 411/07 - zum begleiteten Fahren, www.rechtsprechung.niedersachsen.de; s. auch die Erlasse des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 13.08.2004 und 19.09.2011). Darüber hinaus ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV, dass Duldungsbescheinigungen, deren Inhalt allein auf den Angaben des Ausländers beruht, von vornherein als „amtliche Nachweise“ im Sinne dieser Regelung ausscheiden.

Auf dieser Grundlage ist nach Ansicht der Kammer darauf abzustellen, ob im Fall des Klägers die Personenordnungsmerkmale so zuverlässig festgestellt werden können, wie dies für die Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis Klasse B erforderlich ist. Ziel der genannten Vorschriften ist es zu gewährleisten, dass zuverlässig festgestellt wird, ob der Bewerber das für die Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis erforderliche Mindestalter (z.B. nach § 10 Abs. 1, § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV) erreicht hat (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 273 zu § 22 Abs. 4), und ob die Fahrerlaubnis ggf. aus Altersgründen (vgl. z. B. § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FeV) befristet oder ihre Verlängerung (z. B. nach § 24 Abs. 1 Satz 3 FeV) von der Erfüllung besonderer Voraussetzungen abhängig gemacht werden muss. Außerdem soll die Erfüllung der Verpflichtung des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV die Behörde in die Lage versetzen, die für die Erteilung einer Fahrerlaubnis entscheidungserheblichen Informationen zutreffend und vollständig zu ermitteln. Denn es soll verhindert werden, dass die Fahrerlaubnis einer Person erteilt wird, die bereits eine solche Berechtigung besitzt, sie besessen hat oder deren Fahreignung Bedenken begegnet (vgl. VG Hannover a. a. O., Rn. 32; BayVGH, a. a. O.).

Der Kläger erfüllt unzweifelhaft das Mindestalter von 18 Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B. Im Hinblick auf notwendige Befristungen der Fahrerlaubnis bestehen ebenfalls keine Probleme, da die vom Kläger konkret begehrte Fahrerlaubnis der Klasse B unbefristet erteilt wird (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 FeV). Im Fall des Klägers besteht auch die Möglichkeit, vor Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis festzustellen, ob dieser bereits eine Fahrerlaubnis besitzt, besessen hat oder ob Bedenken gegen seine Fahreignung bestehen. Insbesondere hindert die Tatsache, dass zu den Personendaten des Klägers im Bundeszentralregister des Bundesamtes für Justiz nach der vom Beklagten in Bezug genommenen Auskunft vom 10.09.2012 (vgl. Bl. 67 Beiakte C) unterschiedliche Angaben bekannt sind, entsprechende Feststellungen nicht.

Zwar stellt das Bundeszentralregister eine wichtige Grundlage bei der Beurteilung dar, ob Bedenken gegen die Fahreignung bestehen; denn dort erfolgt u. a. eine Eintragung sämtlicher strafgerichtlicher Verurteilungen einer Person durch deutsche Gerichte (vgl. § 3 Nr. 1 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister - Bundeszentralregistergesetz - BZRG - vom 21.09.1984, BGBl I 1984 S. 1229, 1985 S. 195), die für die Frage einer fehlenden Eignung oder der ggf. notwendigen Anforderung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens vorab eine Rolle spielen können (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, § 11 Abs. 1 Satz 3 FeV bzw. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 - 7 FeV). Ebenso erfolgt dort die Eintragung des Ablaufs einer durch ein Gericht gemäß § 69 StGB angeordneten Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach Entzug der Fahrerlaubnis. Jedoch bestimmt § 5 Abs. 1 Nr. 1 BZRG, dass in Bezug auf die Personendaten des Verurteilten auch abweichende Daten einzutragen sind. Dementsprechend erfolgt bei jeder Eintragung ggf. ein Hinweis auf Voreintragungen unter anderen Personendaten und es kann - wie im Fall des Klägers geschehen - eine Auflistung aller im Bundeszentralregister bekannten Personendaten erstellt werden (vgl. Auskunft vom 10.09.2012.). Auf dieser Grundlage ist trotz der unterschiedlichen Personenangaben im Bundeszentralregister bekannt, welche Straftaten der Kläger im Laufe seines 24jährigen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland begangen hat. Außerdem kann festgestellt werden, ob eine Sperre gemäß § 69 StGB eingetragen ist.

Ähnliches gilt für weitere Register, aus denen sich Tatsachen ergeben können, die für die Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis von Belang sind. Das vom Kraftfahrtbundesamt nach Abschnitt IV des StVG (§§ 28 – 30) geführte Verkehrszentralregister dient u. a. der Speicherung von Daten, die für die Prüfung der Eignung, Befähigung und Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen erforderlich sind (vgl. § 28 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StVG). Dazu bestimmt § 59 Abs. 1 Nr. 1 FeV u. a., dass Familiennamen, Geburtsnamen und sonstige frühere Namen zu speichern sind, soweit hierzu Eintragungen vorliegen. Darüber hinaus werden nach telefonischer Auskunft einer Mitarbeiterin beim Kraftfahrtbundesamt, Abteilung Verkehrszentralregister, gegenüber der Berichterstatterin zu dem Hauptvorgang sog. Notvorgänge angelegt, wenn unterschiedliche einzutragenden Personalangaben zu einer Person bekannt sind. Damit wird sichergestellt, dass bei dem Aufruf eines Namens alle bekannten Vorgänge angezeigt werden. Eine § 59 Abs. 1 Nr.1 FeV entsprechende Regelung enthält § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StVG für die Eintragung früherer Namen in die von den Fahrerlaubnisbehörden geführten örtlichen Fahrerlaubnisregister und das vom Kraftfahrtbundesamt geführte Zentrale Fahrerlaubnisregister (vgl. § 48 Abs. 1 und 2 StVG). Diese Register werden zur Speicherung von Daten geführt, die erforderlich sind, um festzustellen zu können, welche Fahrerlaubnisse und welche Führerscheine eine Person besitzt (vgl. § 49 Abs. 1 StVG). Die örtlichen Fahrerlaubnisregister dienen außerdem der Speicherung von Daten, die für die Beurteilung der Eignung, Befähigung und Berechtigung von Personen zum Führen von Fahrzeugen erforderlich sind (vgl. § 49 Abs. 2 StVG). Nach auch insoweit eingeholten telefonischen Auskünften besteht bei diesen Registern zwar nicht die Möglichkeit, sog. Notvorgänge anzulegen. Jedoch können durch Eingabe der bekannten Namen oder Schreibweisen eines Namens alle Vorgänge nacheinander aufgerufen und miteinander abgeglichen werden.

Vor diesem Hintergrund geht das Gericht davon aus, dass im Fall des Klägers die notwendigen Abfragen in den einschlägigen Registern anhand der vorhandenen Auflistungen zu den verschiedenen Personenangaben seitens des Beklagten durchgeführt werden können. Auf diese Weise kann ermittelt werden, ob der Kläger bereits im Besitz einer Fahrerlaubnis ist oder war und ob sich über die Hinweise aus dem Bundeszentralregister hinaus weitere Bedenken gegen die Eignung des Klägers zum Führen eines Kraftfahrzeuges i. S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 StVG, § 11 FeV ergeben. Dabei berücksichtigt das Gericht insbesondere, dass sich weder aus den Verwaltungsvorgängen der Fahrerlaubnisbehörde noch der Ausländerbehörde des Beklagten Hinweise ergeben, dass der Kläger während der 24 Jahre seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland vorsätzlich unter verschiedenen Identitäten gelebt und im Rechtsverkehr aufgetreten ist. Wie der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt hat, ist davon auszugehen, dass die im Laufe der Jahre aufgetretenen unterschiedlichen Schreibweisen seines Vor- und Nachnamens auf die Übersetzung seines Vor- und Nachnamens aus dem Arabischen in die lateinische Schrift zurückzuführen sind. Der Beklagte hat auch nicht bestritten, dass die Änderung des Nachnamens von „V.“ in „L.“ nach den Angaben des Klägers auf Veranlassung der Ausländerbehörde erfolgt ist. Sämtliche bekannte Namen sind sich sehr ähnlich und lassen auf versehentlich erfolgte andere Schreibweisen schließen. Auch die im Bundeszentralregister vorhandenen unterschiedlichen Daten in Bezug auf die Geburt des Klägers in F. (G.) legen nicht nahe, dass der Kläger unter verschiedenen Identitäten gelebt hat. Wie dem Gericht aus asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren bekannt ist, wird das Geburtsdatum von Personen, deren exaktes Geburtsdatum den Betroffenen selbst nicht bekannt ist und nicht persönlichen Unterlagen entnommen werden kann, in arabischen Staaten oft mit 00.00. oder 01.01. des betreffenden Jahres angegeben. Auch die Vorlage anderweitiger persönlicher Unterlagen kann zur Eintragung abweichender Daten führen. So hat der Kläger beim Beklagten z. B. am 26.08.2009 (vgl. Bl. 4 Beiakte A) die Kopie einer von einer gesetzlichen Hebamme der W. Republik ausgestellten Geburtsurkunde vorgelegt, nach der er am X. geboren ist. Dieses Geburtsdatum findet sich in der Auflistung der unterschiedlichen Personalangaben des Bundeszentralregisters wieder.

Auf dieser Grundlage ist auch nicht von Belang, dass der Beklagte den Namen „L.“ für definitiv falsch hält und insoweit von einer Aliasidentität des Klägers spricht. Ob sich die Mutter des Klägers wegen der Registrierung ihrer Eltern und einiger ihrer Geschwister in der Türkei nachregistrieren lassen, dann einen türkischen Pass mit dem Nachnamen M. erhalten und der Kläger daraufhin ebenfalls einen türkischen Pass mit diesem Nachnamen beantragen kann, ist für das weitere ausländerrechtliche Verfahren von Belang. Insbesondere wird davon abhängen, ob der zur Ausreise und gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung verpflichtete Kläger irgendwann in die Türkei abgeschoben oder aufgrund der begangenen Straftaten dorthin ausgewiesen werden kann. Im Rahmen des fahrerlaubnisrechtlichen Verfahrens kommt es lediglich darauf an, ob der mit den fahrerlaubnisrechtlichen Vorschriften verfolgte Zweck des amtlichen Nachweises über Tag und Ort der Geburt vom Kläger erfüllt wird, wovon das Gericht nach den obigen Ausführungen ausgeht. Die hinsichtlich des Klägers bestehenden ausländerrechtlichen Probleme aufgrund seiner ungeklärten Staatsangehörigkeit und die Frage, ob der Kläger in ausreichender Weise seinen Mitwirkungspflichten aus § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenhtG nachgekommen ist und nachkommt, können nicht im Rahmen des fahrerlaubnisrechtlichen Verfahrens gelöst werden (vgl. VG Osnabrück, U. v. 18.04.2007 - 2 A 286/06 -).

Die vom Kläger erstrebte Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Fahrerlaubnis scheitert auch nicht daran, dass die Duldungsbescheinigung nicht ausreicht, um den gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 bzw. § 17 Abs. 5 Satz 2 FeV im Verfahren der theoretischen und praktischen Prüfung vor der Technischen Prüfstelle erforderlichen Identitätsnachweis zu führen. Zwar ist der amtlich anerkannte Sachverständige oder Prüfer nach den genannten Vorschriften verpflichtet, sich „von der Identität des Bewerbers“ - d. h. von der Personenidentität des Fahrerlaubnisbewerbers mit der die Prüfung ablegenden Person - zu überzeugen. Diese Prüfung kann der Prüfer jedoch anhand der Duldungsbescheinigung vornehmen, die mit einem Lichtbild versehen ist (vgl. VG Hannover, a. a. O., Rn. 37).

Nach alledem ist der Beklagte zu verpflichten, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2013 eine Fahrerlaubnis für die Klasse B einschließlich aller darin enthaltenen Klassen auf der Grundlage seiner Duldungsbescheinigung als amtlicher Nachweis i. S. des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV zu erteilen, wenn die für die Erteilung erforderlichen weiteren gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Im Rahmen der Prüfung dieser weiteren Voraussetzungen wird der Beklagte - wie er in den Hinweisen zu dem angefochtenen Bescheid vom 06.02.2013 bereits angedeutet hat - zu prüfen haben, ob sich aufgrund der strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers Bedenken im Hinblick auf seine Fahreignung ergeben (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1, Nr. 5 - 7 FeV).