Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 09.08.2011, Az.: 1 A 243/10

Kostenerstattung für die Errichtung eines Niederschlagswasserrevisionsschachtes

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
09.08.2011
Aktenzeichen
1 A 243/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 42051
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOSNAB:2011:0809.1A243.10.0A

Fundstelle

  • Gemeindehaushalt 2011, 262

Amtlicher Leitsatz

Eine "verändernde Erneuerung", d.h. die Umgestaltung eines abgängigen Grundstücksanschlusses, stellt i.S.d. § 8 Satz 1 NKAG keine Erneuerung, sondern eine Veränderung dar, weil auf Grund des eigenständigen Erstattungstatbestandes "Veränderung" kein Bedarf dafür besteht, solche Maßnahmen auch unter den Begriff der Erneuerung zu fassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für einen Revisionsschacht.

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Der Kläger ist Miteigentümer eines 1939 erbauten Wohnhauses. Bei dessen Errichtung wurde ein Grundstücksanschluss an den städtischen Mischwasserkanal angelegt. Die beklagte Stadt stellte im Jahre 2009 das in der Straße vorhandene Mischsystem auf das Trennsystem um und verlegte sowohl eine neue Schmutz- als auch eine neue Regenwassergrundstücksanschlussleitung. Nachdem sich der Kläger zunächst gegen die in der Entwässerungsgenehmigung vom 16.09.2009 als Nebenbestimmung vorgesehene Errichtung von zwei Revisionsschächten im Rahmen des Klageverfahrens 2 A 228/09, das nach Klagerücknahme durch Beschluss vom 27.04.2010 eingestellt wurde, gewehrt hatte, duldete er deren Errichtung unter Vorbehalt der Kostentragung. Die Stadtwerke der Beklagten ließen die beiden Revisionsschächte im Juni 2010 erstellen.

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Die Beklagte machte die Kostenerstattung für den Niederschlagswasserrevisionsschacht nach tatsächlichen Kosten mit Bescheid vom 19.10.2010 in Höhe von 348,16 € geltend.

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Der Kläger hat am 10.11.2010 Klage erhoben und trägt vor, dass der Beklagten keine Kosten entstanden seien, weil der Reinigungsschacht im Auftrag der Stadtwerke Osnabrück AG erstellt worden sei. Außerdem sei eine rechtlich nicht zulässige Nachveranlagung gegeben, da Beiträge nur einmal erhoben werden dürften. Der Voreigentümer habe diese bereits entrichtet. Ferner habe die Beklagte im Schreiben vom 28.04.1978 erklärt, dass keine Erschließungskosten anfallen würden. Dabei handele es sich um eine rechtliche Zusicherung.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 19.10.2010 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie trägt vor, dass Kostenerstattungen nach § 8 NKAG keine Erschließungskosten darstellten. Die Stadtwerke Osnabrück AG sei eine zu 100 % in ihrem Eigentum stehende Tochtergesellschaft, die die Aufgabe des Betriebes der zentralen Abwasserbeseitigung wahrnehme. Die den Stadtwerken für die Arbeiten entstandenen Aufwendungen würden von ihr quartalsweise erstattet. Das Prinzip der Einmaligkeit der Beitragserhebung sei auf die Kostenerstattung nach § 8 NKAG nicht anwendbar. Der vorhandene Mischkanal sei technisch abgängig gewesen, weshalb es sich nicht um eine Änderungsmaßnahme i.S.d. § 10 Abs. 2 Unterabs. 3 ihrer Abwasserbeseitigungssatzung, sondern um eine Neuherstellung handele.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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A. Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Das Satzungsrecht der beklagten Stadt sieht für den vorliegenden Fall keine Rechtsgrundlage für eine Kostenerstattung vor, sondern schließt diese vielmehr ausdrücklich aus.

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Nach § 8 Satz 1 NKAG können die Gemeinden und Landkreise bestimmen, dass ihnen die Aufwendungen für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung eines Haus- oder Grundstücksanschlusses an Versorgungsleitungen und Abwasseranlagen in der tatsächlich entstandenen Höhe oder nach Einheitssätzen erstattet werden. Im Rahmen dieser gesetzlichen Vorgaben können die Gemeinden die Kostenerstattung, insbesondere den Kreis der Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie die Entstehung und den Zeitpunkt der Fälligkeit der Schuld durch kommunale Satzung bestimmen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 NKAG). Die beklagte Stadt ist dem nachgekommen und hat die Kostenerstattungspflicht für Grundstücksanschlüsse in § 16 der "Abgabensatzung für die Abwasserbeseitigung" (AAS) i.d.F.v. 08.12.2009 und § 10 Abs. 2 bis 4 der "Satzung über die Abwasserbeseitigung" (ABS) i.d.F.v. 24.03.2009 geregelt.

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1. Eine Kostenerstattung auf der Grundlage des § 16 Abs. 1 AAS kommt nicht in Betracht. Danach sind der Stadt die Aufwendungen für die Herstellung und Erneuerung der Grundstücksanschlüsse an die öffentliche Abwasseranlage nach Einheitssätzen zu erstatten, mit Ausnahme der Revisionsschächte, deren Herstellungs- und Erneuerungskosten in Höhe der tatsächlich im Einzelfall entstandenen Kosten zu erstatten sind. Es handelt sich hier weder um eine Herstellung noch um eine Erneuerung des Grundstücksanschlusses.

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a. Unter Herstellung ist die erstmalige Verbindung des Grundstücks oder des Gebäudes mit der öffentlichen Einrichtung zu verstehen (Rosenzweig / Freese, NKAG, Stand: 12/2009, § 8 Rn. 13). Das ist vorliegend offensichtlich nicht der Fall, weil das klägerische Grundstück bereits vor Durchführung der streitgegenständlichen Maßnahme an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen gewesen ist.

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In diesem Zusammenhang lässt sich auch keine isolierte Betrachtungsweise im Hinblick auf den Revisionsschachtanstellen. Denn der Begriff der Herstellung bezieht sich nach den gesetzlichen Vorgaben des § 8 Satz 1 NKAG auf den Grundstücksanschluss und nicht auf Bestandteile davon. Es steht zwar in der Regelungsbefugnis der Beklagten, ob sie ausschließlich die Rohrverbindung vom Hauptkanal bis zur Grundstücksgrenze als Grundstücksanschluss festlegt (§ 2 Abs. 5 a) ABS i.d.F.v. 17.12.2002) oder ob sie diesen auch auf die darüber hinausgehende Strecke bis einschließlich des ersten auf dem Grundstück liegenden Revisionsschachtes ausdehnt (§ 2 Abs. 5 a) ABS i.d.F.v. 24.03.2009). Dies ist Ausfluss der gemeindlichen Organisationshoheit über den Umfang kommunaler öffentlicher Einrichtungen. Daraus folgt jedoch nicht die Möglichkeit der Gemeinde, im Rahmen ihres Satzungsrechts zu bestimmen, was unter dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal des § 8 Satz NKAG "Herstellung des Grundstücksanschlusses" zu verstehen ist. § 16 Abs. 1 AAS lässt sich daher gesetzeskonform nur so auslegen, dass im Falle der Herstellung oder Erneuerung eines Grundstücksanschlusses die Aufwendungen für einen Revisionsschacht nach tatsächlichen Kosten und für den übrigen Grundstücksanschluss nach Einheitssätzen zu erstatten sind.

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b. Erneuerung ist die Wiederherstellung des funktionsfähigen Zustands eines Grundstücksanschlusses nach dessen bestimmungsgemäßer Abnutzung durch Ersetzung der gesamten Leitung oder eines nicht unerheblichen Leitungsteils (zumindest annähernd) im vorhandenen Ausbauumfang. Eine "verändernde Erneuerung", d.h. die Umgestaltung eines abgängigen Grundstücksanschlusses, stellt i.S.d. § 8 Satz 1 NKAG keine Erneuerung, sondern eine Veränderung dar, weil auf Grund des eigenständigen Erstattungstatbestandes "Veränderung" kein Bedarf dafür besteht, solche Maßnahmen auch unter den Begriff der Erneuerung zu fassen (vgl. Hess. VGH, B. v. 24.10.1996, 5 UZ 3507/96, [...] Rn. 4). Unabhängig von der Frage, ob die Ersetzung des Mischanschlussrohrs durch zwei getrennte Leitungen für Schmutz- und Regenwasser sowie die zeitlich versetzte Errichtung der Revisionsschächte eine einheitliche Maßnahme darstellen, handelt es sich jedenfalls deshalb nicht um eine Erneuerung, weil sowohl die Umstellung des Misch- auf das Trennsystem (vgl. dazu: Rosenzweig / Freese, NKAG, Stand: 08/2010, § 8 Rn. 24-25) als auch die zusätzliche Erstellung von Revisionsschächten den Grundstücksanschluss in wesentlichen Bestandteilen umgestaltet haben und damit weit über den zuvor vorhanden Ausbauumfang hinausgehen.

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2. Aus den gleichen Gründen kann die Kostenerstattung auch nicht auf den im angegriffenen Bescheid als Rechtsgrundlage angegebenen § 16 Abs. 3 AAS (i.V.m. § 10 Abs. 3 bzw. 4 ABS) gestützt werden, weil darin lediglich die Kostenerstattung für die Herstellung und Erneuerung des Grundstücksanschlusses bei erheblichen technischen Schwierigkeiten, unzumutbarem wirtschaftlichen Aufwand und unvorhersehbaren Schwierigkeiten geregelt wird.

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3. Weiterhin folgt die Kostenerstattungspflicht des Klägers auch nicht aus § 16 Abs. 4 AAS. Danach hat der Grundstückseigentümer der Stadt die Aufwendungen in Höhe der tatsächlichen Kosten zu erstatten, soweit er nach § 10 Abs. 2 ABS die Kosten von Reparatur-, Unterhaltungs- und Änderungsmaßnahmen zu tragen hat. Zwar handelt es sich hier um eine Veränderung des Grundstücksanschlusses, weil eine wesentliche Umgestaltung im Hinblick auf dessen technische Bestandteile - Umstellung des Misch- auf das Trennsystem bzw. Anlegung der Revisionsschächte - erfolgt ist (vgl. Rosenzweig / Freese, NKAG, Stand: 12/2008, § 8 Rn. 19; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 03/2010, § 10 Rn. 20). Jedoch hat die beklagte Stadt in § 10 Abs. 2 Unterabs. 3 ABS geregelt, dass der Grundstückseigentümer die Kosten von Reparatur-, Unterhaltung- und Änderungsmaßnahmen an bestehenden Grundstücksanschlüssen nur dann zu tragen hat, wenn sie durch ein ihm zuzurechnendes Verhalten oder Ereignis erforderlich werden (z. B. schuldhaft verursachtes Verstopfen oder Beschädigung, Eindringen der Wurzeln eines privaten Baumes, beantragte Veränderung). Die Änderungsmaßnahme ist hier zum einen auf die kommunalpolitische Entscheidung der Beklagten zurückzuführen, ihr Satzungsrecht durch Ratsbeschluss vom 24.03.2009 zu ändern und die zu den öffentlichen Abwasseranlagen gehörenden Grundstücksanschlüsse um die Strecke bis einschließlich der auf den zu entwässernden Grundstücken gelegenen Revisionsschächte zu erweitern (§ 2 Abs. 5 a) ABS i.d.F.v. 24.03.2009). Zum andern beruht deren konkrete Errichtung auf der Verwaltungsentscheidung der beklagten Stadt, die Anordnung der Revisionsschächte gemäß § 10 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 ABS als Nebenbestimmung zur Entwässerungsgenehmigung vom 16.09.2009 zu verfügen. Die Maßnahme ist daher ausschließlich der Beklagten und nicht dem Kläger zurechenbar.

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B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.