Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 09.08.2011, Az.: 1 A 73/11
Vertragliches Entgelt für einen Großeinleiter neben Abwassergebühren für die übrigen Gebührenpflichtigen; Grundsätzliche Zulässigkeit einer Differenzierung der Gebührensätze
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 09.08.2011
- Aktenzeichen
- 1 A 73/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 42048
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOSNAB:2011:0809.1A73.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 KAG ND
- § 5 KAG ND
Fundstellen
- DVP 2012, 303
- Gemeindehaushalt 2011, 262
Amtlicher Leitsatz
Eine vertragliche Vereinbarung über das von einem Großeinleiter zu zahlende Entgelt für die Abwasserbeseitigung kann dessen nach der kommunalen Gebührensatzung bestehende Gebührenpflichtigkeit nicht beseitigen.
Eine darauf beruhende Gebührenkalkulation ist fehlerhaft mit der Folge, dass der Gebührensatz unwirksam ist, wenn sich eine solche vertragliche Regelung - unter Zugrundelegung der nach der Gebührensatzung von dem Großeinleiter zu entrichtenden Gebühren - zu Lasten der übrigen Gebührenpflichtigen auswirkt.
Eine Differenzierung der Gebührensätze danach, ob eine Benutzergruppe lediglich einen Anlagenteil (beispielsweise nur die Kläranlage, jedoch nicht die zentrale Kanalisation) oder die gesamte Anlage in Anspruch nimmt, ist grundsätzlich zulässig. Allerdings bedarf es insofern der satzungsmäßigen Festlegung gesonderter Gebührensätze.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kalkulation von Abwassergebühren.
Der Rat der beklagten Stadt setzte durch Beschluss vom 17.12.2009 die Abwassergebührensätze für das Veranlagungsjahr 2010 in der Gebührensatzung auf der Grundlage einer von der G. Treuhand GmbH erstellten Gebührenkalkulation vom 01.12.2009 fest. Mit Beschluss vom 03.12.2010 übernahm der Rat die Gebührensätze für das Veranlagungsjahr 2011. Die Abwasserbeseitigung selbst erfolgt durch den Eigenbetrieb Stadtentwässerung.
Die Beklagte erhob von den Klägern als gemeinsamen Eigentümern des Grundstücks H. straße I. in Lingen durch Abgabenbescheid vom 27.01.2011 unter anderem "Kanalgebühren / Entwässerungsgebühren" für die Jahre 2010 und 2011 in Höhe von jeweils 117,73 €.
Die Kläger haben am 25.02.2011 Klage erhoben und tragen vor, dass der in der Gebührensatzung festgesetzte Gebührensatz unwirksam sei, weil ihm eine rechtswidrige Gebührenkalkulation zugrunde liege. Die Beklagte betreibe zwar drei rechtlich selbständige Anlagen, verfüge jedoch nur über eine getrennte Gebührenkalkulation für zwei Anlagen, wodurch es möglicherweise zu unzulässigen Quersubventionierungen zwischen der zentralen und der dezentralen Schmutzwasserbeseitigung komme.
In der Gebührenkalkulation der zentralen Schmutzwasserbeseitigung seien Leistungen enthalten, die diesem Aufgabenbereich nicht zuzuordnen seien. Dabei handele es um die Kanalspülwagenreinigung der zentralen Niederschlagswasserbeseitigung, der dezentralen Schmutzwasserbeseitigung und von Hausanschlüssen, die Reinigung und Entsorgung des Schmutzwassers und Fäkalschlamms aus abflusslosen Gruben auf der Kläranlage sowie die Reinigung des Schmutzwasser der Gemeinde X. und des Abwassers der Firma E. Faserwerke GmbH. Aus diesem Grunde sei eine getrennte Kalkulation des Rohrleitungsnetzes, der Kanalspülwagen und der Kläranlage erforderlich. Gegebenenfalls wäre eine weitere Trennung auch im Hinblick auf die biologische Reinigungsstufe der Kläranlage wegen der Übernahme des Abwassers der E. Faser Werke GmbH notwendig. Bezüglich der Kanalspülwagen mangele es insofern an einer Kalkulation der Kosten je Einsatzstunde. Die Kosten der Kanalspülwagen für die Reinigung von privaten Hausanschlüssen müssten als betriebsfremde Kosten ausgesondert werden. Die in der Gebührenkalkulation angegebenen Beträge für den Transport von Fäkalschlamm und Abwasser sowie die bei der Ermittlung des Gebührensatzes für die Reinigung von Abwasser aus abflusslosen Gruben angesetzten "Betriebs-, Unterhaltungs- und Verwaltungskosten" seien nicht nachvollziehbar. Insofern fehle auch eine gesonderte Darstellung der Kosten der Kläranlage und des Leitungsnetzes.
Weiterhin sei das von der Gemeinde X. auf Grund der Sondervereinbarung gezahlte Entgelt nicht kostendeckend in Bezug auf die Abwasserreinigung auf der Kläranlage, da es lediglich 0,60 €/m3 und damit 0,37 €/m3 weniger als der für die Reinigung von Abwasser aus abflusslosen Gruben kalkulierte Gebührensatz betrage. Die sich daraus ergebenden Mindereinnahmen von 185.000 € seien für die Ratsmitglieder aus der Gebührenkalkulation nicht ersichtlich gewesen. Die Kosten für die Beseitigung des Abwassers der Gemeinde X. seien betriebsfremd und daher auszusondern; ein eventuell nicht gedeckter Kostenanteil sei aus dem allgemeinen Haushalt der Beklagten an den Eigenbetrieb zu zahlen. Weiterhin enthalte der Vertrag mit der Gemeinde X. keinen Bezug zu den tatsächlichen Kosten der Kläranlage, weshalb die von der Beklagten behauptete Bemessung des Entgelts unter Zugrundelegung von 100 % der laufenden und 50 % der kalkulatorischen Kosten eine reine Schutzbehauptung sei.
In Bezug auf das Abwasser der E. Faserwerke GmbH sei der Gebührenkalkulation nicht zu entnehmen, ob die Druckrohrleitung zur Kläranlage der zentralen oder der dezentralen Schmutzwasserbeseitigung zuzuordnen sei. In jeden Fall seien die entsprechenden Gebühren zu entrichten sowie die Anschaffungs- und Herstellungskosten in die Gebührenkalkulation einzustellen. Das für die Abwasserbeseitigung zu zahlende Entgelt werde unzulässigerweise durch Vertrag festgesetzt. Die Beklagte müsse für die E. Faserwerke GmbH eine Gebühr kalkulieren und diese in ihrer Satzung festsetzen.
Darüber hinaus sei der Eigenbetrieb mit 8.637.000 € überfinanziert, was sich aus der Gegenüberstellung des Vermögens und dessen Finanzierung durch Beträge, Zuschüsse, Stammkapital und Kredite ergebe. Während Beiträge und Zuschüsse in der Gebührenkalkulation mit ihren ursprünglichen Werten genannt seien, würden sie in der Bilanz in Höhe der abgeschriebenen Werte dargestellt, was zu einer Differenz von mehreren Millionen Euro führe. Zudem seien die vor dem Betriebsgelände liegenden Grundstücke J. weg K. und L. als nicht betriebsnotwendiges Vermögen auszusondern. Ferner dürfe der kalkulatorische Zinssatz nicht auf volle Prozentwerte aufgerundet werden. Auch sei kein einheitlicher Mischzinssatz aus Fremd- und Eigenkapitalzinsen ermittelt worden. Die Zinsberechnung für das Fremdkapital hätte auf der Grundlage der prognostizierten Werte für das jeweilige Jahr erfolgen und daher auch die Tilgung eines 2.000.000 €-Kredits im Verlauf des Jahres 2009 berücksichtigen müssen. Auch sei das Stammkapital in die Zinsermittlung nicht einbezogen worden; für dieses sei der Zinssatz an dem Habenzinssatz durchschnittlich erzielter Renditen inländischer Wertpapiere wie den Bundesschatzbriefen zu orientieren. Diese Rendite habe im Jahr 2010 unter 2 % gelegen. Daraus ergebe sich unter Zugrundelegung des notwendigen Fremdkapitals und eines Mischzinssatzes von 4,157 % für die Jahre 2010 und 2011 in der Gebührenkalkulation zu hoch ausgewiesene Zinsen von 176.000 € bzw. 212.000 €. Abgesehen davon fehle eine Ermessensentscheidung des Rates bezüglich des Mischzinssatzes.
Schließlich enthalte die Gebührensatzung der Beklagten keine Satzungsregelung zur Entstehung der Gebührenschuld und erfülle daher nicht die Mindestvoraussetzungen einer Gebührensatzung.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 27.01.2011 aufzuheben, soweit darin Abwassergebühren für Schmutzwasser erhoben werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass sie für jede der drei Anlagen gesonderte Gebührensätze ermittelt habe. Die Kosten des Kanalspülwagens ordne sie verursachungsgerecht den Kostenträgern Schmutz- und Niederschlagswasser zu. Grundsätzlich erfolge keine Reinigung von privaten Hausanschlüssen durch Kanalspülwagen; falls nach der Anforderung eines Kanalspülwagens festgestellt werde, dass die Verstopfung hinter dem Kontrollschacht liege, erfolge die Reinigung gegen Kostenerstattung. Diese habe im Jahre 2010 45.238,25 € betragen und sei in die Gebührenkalkulation unter "sonstige Erlöse" eingestellt worden. Die Gebührensätze für die Abwasser- und Fäkalschlammreinigung auf der Kläranlage seien kalkuliert worden. Die angesetzten "Betriebs-, Unterhaltungs- und Verwaltungskosten" seien die in Anlage 5 Seite 1 der Gebührenkalkulation aufgeführte Summe des Materialaufwandes.
Sondereinleiterverträge seien ausnahmsweise zulässig, wenn eine adäquate Gegenleistung erbracht werde, die dem Gebührenhaushalt zugeführt werde und die übrigen Benutzer durch die Vereinbarung nicht belastet würden.
Das im Sondereinleitervertrag festgesetzte Entgelt der Gemeinde X. für die Schmutzwasserbeseitigung bemesse sich nach den anteiligen Kosten der Abwasserreinigung auf der Kläranlage, da diese ihr Abwasser über eine eigene Druckrohrleitung direkt bis zu einer Übergabestation auf der Kläranlage leite. Das Entgelt berücksichtige 100 % der laufenden Kosten sowie 50 % der kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen. Auch enthalte der Vertrag eine Regelung, der zufolge sich das Entgelt für Abwasser, das eine jährliche Menge von 750.000 m3 überschreite, nach der vollen Höhe der Reinigungskosten auf der Kläranlage bemesse. Der Vertrag habe wegen einer unechten Überkapazität angeboten werden können, die entstanden sei, weil auf sachgerechter Planung beruhende Kapazität für Gewerbebetriebe vorgesehen gewesen sei, die letztlich nicht angeschlossen worden seien. Im Entwurf zur Erweiterung der Kläranlage aus dem Jahre 1981 sei von einem Ausbaubedarf von 204.900 EG (Einwohnergleichwert) ausgegangen worden. In Bezug auf die Betriebe Monsanto (jetzt E. Faserwerke GmbH) und M. seien die prognostizierten Abwassermengen und -verschmutzungen jedoch nicht angefallen, so dass eine unechte Überkapazität von 68.000 EG entstanden sei. Die im Vertrag mit der Gemeinde X. genannte Erweiterung der Kläranlage zur einstufigen Biologie mit Stickstoffentfernung habe tatsächliche eine Kapazitätsverringerung auf 195.000 EG mit sich gebracht. Vor diesem Hintergrund liege auch eine äquivalente Leistung der Gemeinde X. vor, die eine Mehrbelastung anderer Gebührenschuldner ausschließe.
Auch das von der E. Faserwerke GmbH auf Grund des Sondereinleitervertrags entrichtete Entgelt stelle eine äquivalente Leistung dar. Dieses werde nach der anteiligen Schmutzwassermenge unter Berücksichtigung des Verschmutzungsgrades abgerechnet. Die E. Faserwerke GmbH leite ihr Abwasser über eine nicht gebührenfinanzierte Druckrohrleitung zur Kläranlage, nehme dort nur die biologische Reinigungsstufe in Anspruch und betreibe ein Misch- und Ausgleichsbecken, um das technische Risiko für die Kläranlage zu verringern, was einen Sonderfall der Abwasserentsorgung sei.
Das zu verzinsende Kapital ergebe sich - wie in der Gebührenkalkulation angegeben - aus dem Restbuchwert des Anlagevermögens abzüglich des Restbuchwertes des Abzugskapitals. Das Stammkapital sei nur bei der handelsrechtlichen Rechnungslegung von Bedeutung. Die beiden von der Klägerseite genannten Grundstücke lägen im Bereich der Kläranlage und würden als "Puffer" zur Immissionsabstandssicherung benötigt. Kosten fielen nur noch als AfA an. Der Mischzinssatz müsse nach längerfristigen Durchschnittsverhältnissen und nicht nach den in der Kalkulationsperiode am Kapitalmarkt herrschenden Verhältnissen bestimmt werden. Zinssätze von 6 bzw. 7 % seien in der Rechtsprechung als angemessen anerkannt worden. Eine Ausweisung von drei Nachkommastellen sei nicht erforderlich. Ferner müsse der Rat nur die Kalkulation zur Kenntnis nehmen.
Durch die Bestimmung des Erhebungszeitraums sei den Anforderungen an den Mindestinhalt einer Gebührensatzung genüge getan.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A. Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der angegriffene Bescheid ist in Bezug auf die Erhebung von Abwassergebühren für Schmutzwasser rechtswidrig und verletzt die Kläger insofern in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung ist § 5 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 NKAG i.V.m. der "Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Entwässerung der Stadt M. (Ems)" vom 17.12.2009 (GS). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG erheben die Gemeinden und Landkreise als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen Benutzungsgebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird.
1. Der von der Beklagten in § 8 Abs. 1 GS festgesetzte Gebührensatz für Schmutzwasser ist rechtswidrig und daher unwirksam. Ob darüber hinaus die gesamte Gebührensatzung unwirksam ist, bedarf hier mangels Entscheidungserheblichkeit keiner Klärung. Die (teilweise) Unwirksamkeit der Gebührensatzung hat die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides zur Folge. Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 NKAG dürfen kommunale Abgaben nur auf Grund einer Satzung, die unter anderem den Abgabensatz festlegt, erhoben werden.
Die dem Gebührensatz zugrunde liegende Gebührenkalkulation hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Denn die Beklagte hat die von der E. Faserwerke GmbH im Kalkulationszeitraum zu entrichtenden öffentlich-rechtlichen Abwassergebühren nicht in die Gebührenkalkulation eingestellt. Stattdessen hat sie ein Entgelt ("Gebühren laut Vertrag"; jährlich 660.000 €) auf der Einnahmenseite berücksichtigt (S. 28 GK) und die gebührenfinanzierte Schmutzwassermenge um die prognostizierte Einleitungsmenge der E. Faserwerke GmbH (jährlich 680.000 m3) reduziert (S. 15 GK). Diese Verrechnungsform wirkt sich erheblich zum Nachteil der übrigen Gebührenpflichtigen aus, weil die E. Faserwerke GmbH dadurch ein wesentlich geringeres Entgelt (0,97 €/m3) als den in § 8 Abs. 1 GS festgesetzten Gebührensatz (1,93 €/m3) entrichten. Daran ändert sich auch nichts, wenn in den Blick genommen wird, dass sich durch die schlichte Einbeziehung der E. Faserwerke GmbH als einfachen Gebührenschuldner - ohne Berücksichtigung von eventuellen Zuschlägen wegen erhöhten Verschmutzungsgrades (vgl. Anlage 4 S. 3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 02.08.2011) gemäß § 8 Abs. 2 bis 4 GS - in die Gebührenkalkulation der Gebührensatz auf 1,75 €/m3 ([Entgeltbedarf 5.597.129 € + 660.000 €] / [Schmutzwassermenge 2.893.750 m3 + 680.000 m3]) verringern würde.
Im Ergebnis kann dahingestellt bleiben, welche rechtliche Qualität die von der Beklagten auf der Grundlage des Vertrages vom 12.11.1970 mit der N. GmbH sowie der Ergänzungsvereinbarung vom 15.12.1988 mit der Faserwerke M. GmbH erhobenen "Abwasserbeseitigungsgebühren" (vgl. Schreiben der Beklagten vom 29.04.2010, Anlage 4 zum Schriftsatz vom 02.08.2011) besitzen. Die vertragliche Aushandlung der Bemessungsgrundlagen spricht dafür, dass diese "Vertragsgebühren" letztlich ein privatrechtliches Entgelt darstellen. Zudem würde für eine solche öffentlich-rechtliche Gebührenerhebung jegliche Rechtsgrundlage fehlen, insbesondere die Festlegung eines entsprechenden Gebührensatzes in der Gebührensatzung.
Die E. Faserwerke gehören zum Kreis der Gebührenschuldner i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1, § 12 GS, wonach sämtliche im Stadtgebiet der Beklagten ansässigen Eigentümer, deren Grundstück an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen ist, gebührenpflichtig sind. Die E. Faserwerke GmbH sind an die zentrale Abwasseranlage auf Grund der Druckrohrleitung zur Kläranlage angeschlossen, ohne dass es insofern einer Klärung bedarf, ob die Druckrohrleitung selbst ein Teil des Leitungsnetzes der zentralen Abwasseranlage i.S.d. § 2 Abs. 6 a) Abwasserbeseitigungssatzung vom 10.03.1992 (ABS) darstellt. Denn die Kläranlage, der über die Druckrohrleitung das Abwasser zugeführt wird, ist gemäß § 2 Abs. 6 b) ABS Teil der zentralen Abwasseranlage für Schmutzwasser.
Allein durch vertragliche Vereinbarung kann die Beklagte die Gebührenpflichtigkeit der E. Faserwerke GmbH nicht beenden. Das kommunale Benutzungsgebührenrecht ist einer vertraglichen Einzelfallregelung über die Gebührenpflicht und -höhe wegen der Bindung der Verwaltung an das Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG und des Gebotes der Gleichbehandlung aller Abgabenpflichtigen aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht zugänglich (vgl. Nds. OVG, U. v. 09.12.1984, 3 OVG A 53/79, KStZ 1985, 113; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Band 2, Stand: 09/2010, § 6 Rn. 767). Das öffentlich-rechtliche Vertragsrecht (§§ 54 ff. VwVfG) ist im Bereich der Kommunalabgaben gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 NVwVfG nicht anwendbar, weil § 11 Abs. 1 Nr. 3 a) NKAG i.V.m. § 85 Satz 1 AO abschließend regelt, dass Abgaben nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben sind. Verträge über die Freistellung oder die Höhe von kommunalrechtlichen Abgaben sind selbst dann nichtig, wenn sie den Gleichbehandlungsgrundsatz im wirtschaftlichen Ergebnis nicht verletzen; erst recht ist eine Wirtschaftsförderung über eine bestimmte Ausgestaltung der Abgabenpflichten unzulässig (Rosenzweig / Freese, NKAG, Stand: 08/2010, § 2 Rn. 46; aA: OVG NRW, U. v. 22.11.1971, II A 38/70, [...] Leitsatz). Ausnahmen von diesem grundsätzlichen Vertragsverbot benötigen eine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Zwar lässt § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG die Forderung eines privatrechtlichen Entgelts als Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung grundsätzlich zu. Jedoch wird der Kommune dadurch nur die Möglichkeit eröffnet, die Benutzungsverhältnisse insgesamt privatrechtlich auszugestalten, wovon allerdings die Beklagte durch den Erlass ihrer Gebührensatzung gerade abgesehen hat. Die Kombination eines privatrechtlichen Entgelts für einen Großeinleiter mit öffentlich-rechtlichen Benutzungsgebühren für die übrigen Abgabenschuldner ist hingegen schon deshalb nicht zulässig (vgl. Rosenzweig / Freese, NKAG, Stand: 01/2009, § 5 Rn. 18), weil dadurch der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Abgabenpflichtigen verletzt wird.
Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Klärung, ob das Entgelt der E. Faserwerke GmbH in einem äquivalenten Verhältnis zu den durch die Beseitigung ihres Abwassers entstehenden Kosten steht, wenn in die Betrachtung nur diejenigen Kosten eingestellt werden, die bei der Abwasserbehandlung in dem hierfür benötigten Teil der zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage anfallen. Die E. Faserwerke GmbH hält ein Misch- und Ausgleichsbecken vor, das Abwasser wird über eine - nach dem Vortrag der Beklagten - nicht gebührenfinanzierte Druckrohrleitung bis zu einer Übergabestation auf der Kläranlage geleitet und dort wird lediglich die biologische Reinigungsstufe in Anspruch genommen. Zwar ist eine Differenzierung der Gebührensätze, danach ob eine Benutzergruppe lediglich einen Anlagenteil (beispielsweise nur die Kläranlage, jedoch nicht die zentrale Kanalisation) oder die gesamte Anlage in Anspruch nimmt, grundsätzlich zulässig (vgl. Nds. OVG, U. v. 18.09.2003, 9 LB 390/02, [...] Rn. 21; OVG Sachsen-Anhalt, U. v. 05.07.2007, 4 L 264/06, [...] Rn. 28-30). Jedoch hat die Beklagte in ihrer Gebührensatzung keinen solchen gesonderten Gebührensatz für eine Teilinanspruchnahme festgelegt. Eine Pflicht zum Erlass eines vom Grundsatz der Beteiligung an den Gesamtanlagenkosten abweichenden und an der tatsächlichen Inanspruchnahme von Anlagenteilen orientierten Gebührensatzes besteht jedenfalls nicht (vgl. Nds. OVG, a.a.O.). Das hat zur Folge, dass die Gebühr für die Nutzung der Gesamtanlage zu erheben ist.
2. Es handelt sich auch nicht um einen unwesentlichen Kalkulationsfehler i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG. Danach ist ein Mangel unbeachtlich, wenn der Beschlussfassung über Abgabensätze eine Berechnung der voraussichtlichen Kosten zugrunde liegt, mit der bezüglich einzelner Kostenbestandteile versehentlich gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird, und dadurch die Grenze einer rechtmäßigen Kostenvorausberechnung um nicht mehr als 5 vom Hundert überschritten wird; daraus folgende Kostenüberdeckungen sind auszugleichen. Denn die Kalkulationsweise der Beklagten hat keine Kostenüberdeckung, sondern eine Verschiebung der Kostentragung zu Gunsten der E. Faserwerke GmbH und zu Lasten der übrigen Gebührenschuldner zur Folge. Abgesehen davon ist der von den übrigen Gebührenschuldnern zu tragenden Gebührensatz von 1,93 € gegenüber dem unter Einbeziehung der E. Faserwerke GmbH nach dem geltenden Satzungsrecht an sich anzusetzenden Gebührensatz von höchstens 1,75 € um mindestens 10 % überhöht.
3. Mangels Entscheidungserheblichkeit lässt die Kammer ausdrücklich offen, ob die übrigen Einwendungen der Kläger berechtigt sind und ob die Gebührenkalkulation der Beklagten an darüber hinausgehenden Mängeln leidet. Insofern handelt es sich zum Teil um nicht ohne weiteres zu beantwortende Rechtsfragen, zumal die Kammer insofern teilweise weiteren Aufklärungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht sieht.
Das gilt insbesondere für den Aufwand für die von der Gemeinde X. übernommenen Abwassermengen. Hier bedürfte es der Klärung, worauf die fehlerhafte Bemessung der Kapazität der Kläranlage beruhte. Nur dann, wenn die Überkapazität auf unvermeidbaren Prognosefehlern zurückführbar wäre, hätte der damit verbundene Aufwand als Leerkosten - obwohl letztlich nicht erforderlich - auf die Gebührenschuldner umgelegt werden dürfen (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Band 1, Stand: 09/2010, § 6 Rn. 73ff.; Band 2, Stand: 03/2004, § 6 Rn. 740a). Dürfte das mit den Leerkosten der Überkapazität geschehen, müsste die Beklagte auch berechtigt sein, diese Kapazität für die Gebührenschuldner im Ergebnis gebührenmindernd Dritten zur Verfügung zu stellen. Das wäre aber auch im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast nur mit weiteren Erhebungen - insbesondere in Bezug auf die Firma M. - feststellbar gewesen.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.