Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 29.06.2011, Az.: 6 A 264/07

Einbürgerung nach Beweis des bevorstehenden Verlustes der türkischen Staatsangehörigkeit durch Vorlage einer Erlaubnisurkunde zum Erlangen fremder Staatsbürgerschaft der Türkei

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
29.06.2011
Aktenzeichen
6 A 264/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 42596
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOSNAB:2011:0629.6A264.07.0A

Redaktioneller Leitsatz

Für die Glaubhaftmachung der Abwendung von der früheren Verfolgung oder Unterstützung einschlägiger Bestrebungen im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StAG bzw. § 11 S. 1 Nr. 1 StAG genügt es, dass die Abwendung von früherer Verfolgung oder Unterstützung solcher Bestrebungen als überwiegend wahrscheinlich bewertet werden kann. Dabei dürfen von einer Behörde behauptete, aber geheim gehaltene Vorgänge bei der Sachentscheidung im Rahmen der Sachverhaltswürdigung nur unter strengen Voraussetzungen zu Lasten des Rechtschutzsuchenden berücksichtigt werden. Sind insbesondere wegen Fehlens einer jeglichen Substantiierung solche Behauptungen nicht nachvollziehbar, hindert dies deren Verwertbarkeit für die richterliche Überzeugungsbildung, so dass diese sich nicht zu Lasten des Betroffenen auswirken können und im Ergebnis für die gerichtliche Entscheidung unerheblich sind.

In der Verwaltungsrechtssache
des ...
Klägers,
Proz.-Bev. ...
gegen
die Stadt Lingen, vertreten durch den Oberbürgermeister,
Elisabethstraße 14-16, 49808 Lingen, - 324/1210-03 -
Beklagte,
Streitgegenstand: Einbürgerung
hat das Verwaltungsgericht Osnabrück - 6. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Fister, den Richter am Verwaltungsgericht Specht, den Richter Guntau sowie die ehrenamtlichen Richter Gebbeken und Hoon für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger einzubürgern, sobald er ihr den bevorstehenden Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit durch Vorlage einer Erlaubnisurkunde zum Erlangen fremder Staatsbürgerschaft der Republik Türkei, nach der für den Fall der Beibringung des Nachweises der Einbürgerung die Aushändigung der Entlassungsurkunde erfolgen wird, nachweist.

Diese Verpflichtung der Beklagten ist für den Kläger mit der Auflage verbunden, die Republik Türkei unverzüglich um die Aushändigung der Entlassungsurkunde zu ersuchen und dieser dabei seine Einbürgerung nachzuweisen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der am ... 1969 in ... (Türkei) geborene Kläger begehrt seine Einbürgerung.

Er ist türkischer Staats- und kurdischer Volkszugehörigkeit, verfügt über türkische Ausweispapiere und lebt seit September 1981 mit Aufenthaltsberechtigung in Deutschland. Aus seiner 1994 geschlossenen Ehe mit einer türkischen Staatsangehörigen sind zwei Kinder (1997, 1999) hervorgegangen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Die Familie lebte zunächst in Bremen und seit dem 1.8.2003 in .... Der Kläger ist langjährig berufstätig. Seine Familie bestreitet ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und nimmt dafür keine Sozialleistungen in Anspruch.

Am 1.2.1996 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Im Verwaltungsverfahren gewann der Senator für Inneres als zuständige Behörde Erkenntnisse hinsichtlich eines Engagements des Klägers bei der Organisation "Devrimci Sol" (Dev Sol) bzw. DHKP/C sowie als Vorsitzender des "Bremer Volkskulturvereines e.V." in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts, wonach insbesondere der letztgenannte Verein auch nach deren Verbot als Stützpunkt der vorgenannten Organisationen fungierte. Mit Bescheid vom 25.9.1997 wurde der "Bremer Volkskulturverein e.V." als Ersatzorganisation des Dev Sol ebenfalls verboten und aufgelöst. Auf die in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Berichte insbesondere der Kriminalpolizei wird insoweit ergänzend Bezug genommen.

Auf Anfrage teilte das bremische Landesamt für Verfassungsschutz unter dem 20.9.1999 mit, über die bereits im Jahr 1997 mitgeteilten Erkenntnisse hinausgehend lägen über den Kläger keine weiteren Informationen vor; die Bedenken würden aufgrund vorliegender - nicht gerichtsverwertbarer bzw. nicht vorhaltbarer - Erkenntnisse aufrechterhalten.

Ausweislich des Vermerks vom 22.12.2000 konnte eine Ablehnung des Antrags nach Bewertung durch die zuständige Behörde nicht auf diese ihr erteilten Auskünfte gestützt werden. Sie stellte dem Kläger unter gleichem Datum seine Einbürgerung in Aussicht, forderte ihn auf, seine Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit zu betreiben und erteilte ihm eine bis zum 31.12.2002 befristete Einbürgerungszusicherung für den Fall, dass er den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit nachweise.

Nach Eingang der dem Kläger von der Republik Türkei erteilten Erlaubnisurkunde zum Erlangen fremder Staatsbürgerschaft vom 4.4.2002 am 27.5.2002 trat die Behörde erneut unter Beteiligung weiterer Landes- und Kommunalbehörden in eine Sachprüfung ein. Mit Schreiben vom 3.7.2002 teilte das bremische Landesamt für Verfassungsschutz mit, ihm lägen über die bislang erfolgten Mitteilungen hinausgehend bis Ende 2000 Informationen vor, die den Kläger zum Funktionärskreis der Dev Sol rechnen ließen; die Bedenken würden aufgrund der vorliegenden - nicht gerichtsverwertbaren bzw. nicht vorhaltbaren - Erkenntnisse aufrechterhalten.

Aufgrund des Umzugs des Klägers nach Lingen zum August 2003 wurde das Verwaltungsverfahren von der Beklagten weitergeführt. Ermittlungen der Beklagten bestätigten die bereits aktenkundigen Sachverhalte aus der Aufenthaltszeit des Klägers in Bremen. Auf wiederholte Anfragen der Beklagten erhob das Nds. Landesamt für Verfassungsschutz am 22.4.2005 "sicherheitsmäßige Bedenken" unter Verweis auf die bereits aktenkundigen Vorgänge aus den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts.

Im Zuge des Verwaltungsverfahrens wurden Bundeszentralregisterauskünfte vom 6.9.1999, 24.8.2000, 12.6.2002, 24.2.2005 und 9.5.2007 eingeholt, die keine Eintragungen auswiesen. Ausweislich verschiedener polizeilicher Stellungnahmen sind gegen den Kläger im Zusammenhang mit Aktivitäten für Dev Sol bzw. DHKP/C geführte Ermittlungsverfahren - soweit erkennbar - durchgängig eingestellt worden und zwar überwiegend gestützt auf § 170 Abs. 2 StPO.

Unter dem 12.5.2005 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags unter Hinweis auf diese aktenkundigen Vorgänge sowie die Stellungnahmen der Landesämter für Verfassungsschutz an. Unter Verweis auf sein bisheriges Vorbringen - Schreiben vom 16.9.2003 - hielt der Kläger demgegenüber daran fest, er habe alle diese Aktivitäten eingestellt, als es im Jahr 1997 zu polizeilichen Maßnahmen gegen den Bremer Volkskulturverein gekommen sei, Er habe 1997 ohnehin nur noch gelegentlich an Veranstaltungen teilgenommen und dies 1998 gänzlich eingestellt, seine Kontakte zu dem politischen Spektrum der DHKP/C bzw. Dev Sol abgebrochen und sei nicht weiter politisch aktiv gewesen. Seit 1998 habe er auch nicht mehr ansatzweise politische Aktivitäten durchgeführt, die mit der DHKP/C zu tun gehabt hätten. Auch in den Jahren 1997 und 1998 seien die tatsächlichen Funktionäre der DHKP/C bzw. Dev Sol andere Personen gewesen. Die Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutz seien unzutreffend. Dieses solle angebliche weitere Erkenntnisse vorlegen.

Mit Bescheid vom 6.6.2005 lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag des Klägers ab wegen dessen nach Angaben des Landesamts für Verfassungsschutz bis Ende 2000 fortdauernder Aktivitäten, die ihn zum Funktionärskreis der Dev-Sol rechnen ließen. Der Kläger habe sich nach diesen Erkenntnissen nicht glaubhaft hiervon abgewandt. Er bagatellisiere seine Aktivitäten, so dass seine Abwendung mangels anderweitiger überwiegender objektiver Gegebenheiten nicht glaubhaft gemacht sei. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Auf die hiergegen erhobene Klage schlossen die Beteiligten nach gerichtlicher Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 7.3.2007, wegen deren Einzelheiten auf die Niederschrift vom gleichen Tag Bezug genommen wird, im Verfahren - 6 A 126/05 - zur Hauptsache den folgenden Vergleich:

"1.

a) Die Beklagte hebt ihren Ablehnungsbescheid vom 06.06.2005 auf. Dies geschieht mit Rücksicht darauf, dass angesichts der Erklärungen des Klägers in der heutigen mündlichen Verhandlung ein Einbürgerungsanspruch des Klägers nach dem gegenwärtigen Sachstand in Betracht kommt.

b) Die Beklagte wird das Niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz unverzüglich um Auskunft ersuchen, um welche Erkenntnisse es sich im Einzelnen handelt, wie sie in dessen Bericht vom 22.04.2005 a.E. angesprochen werden. Dabei wird dem Landesamt für Verfassungsschutz die Einschätzung zu lit. a) mitgeteilt und das Terminsprotokoll abschriftlich übermittelt.

c) Dem Kläger wird das Ergebnis der Anfrage zu b) unverzüglich mitgeteilt und Gelegenheit gegeben, dazu ggf. Stellung zu nehmen.

d) Die Beklagte wird zu der Frage, ob sich der Kläger von früheren Bestrebungen i.S. des § 11 Nr. 2 StAG glaubhaft abgewendet hat, Kontakt mit dem Leiter der ...-Schule in ... aufnehmen und diesen nach seinen Eindrücken bezüglich der Tätigkeit des Klägers als Mitglied des Klassenelternrats und der Integration des Klägers in die dortigen Lebensverhältnisse im Übrigen befragen. Dieses Gespräch hat unter Beteiligung des Klägers stattzufinden.

2. Die Beklagte erteilt dem Kläger unter Auswertung der zu 1. gewonnenen Erkenntnisse entweder einen rechtsmittelfähigen Bescheid oder bürgert den Kläger ein."

Bezüglich des gemeinsamen Gesprächs mit dem Schulleiter der von beiden Kindern des Klägers besuchten. Schule wird auf den Gesprächsvermerk der Beklagten vom 14.5.2007 Bezug genommen. Danach kümmerte sich der Kläger um alle schulischen Angelegenheiten seiner Kinder und war Klassenelternrat der von seiner Tochter besuchten 1. Klasse und deshalb auch im Schulelternrat vertreten. Sein Sohn besucht die 3. Klasse, deren Klassenlehrer der Schulleiter selbst war.

Am 24.5.2007 erklärte der Amtsleiter des bremischen Landesamts für Verfassungsschutz über das Nds. Landesamt für Verfassungsschutz auf eine Anfrage der Beklagten, der Kläger gehöre zum Funktionärskreis der DHKP/C ("Devrimci Sol") und sei für diese Organisation noch bis in das Jahr 2004 hinein aktiv gewesen. Dabei sei er beispielsweise als Spendensammler für die verbotene Organisation erkannt worden. Diese Erkenntnisse stammten aus einer zuverlässigen langjährig erprobten nachrichtendienstlichen Quelle, die nicht benannt werden dürfe. Die Bewertung und Überprüfung der Quelle und der Information sei im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten unter Beteiligung der sachkundigen Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz erfolgt. Detaillierte Auskünfte könne er aus Gründen der Gefährdung der Arbeitsweise des Landesamts nicht geben. Die Bewertung und Überprüfung der nachrichtendienstlichen Quelle habe ergeben, dass der dargestellte Sachverhalt schlüssig sei. Nach seiner Auffassung sei von der Richtigkeit der Erkenntnisse auszugehen. Gegenteilige Ansatzpunkte gebe es nicht.

Unter dem 20.6.2007 hob die Beklagte ihren Ablehnungsbescheid vom 6.6.2005 auf und übersandte dem Kläger die Schreiben der Landesämter zur Stellungnahme. Dieser teilte daraufhin mit, dass sich die Behauptung des bremischen Landesamts, er sei noch bis in das Jahr 2004 für die Organisation aktiv gewesen, nicht erklären könne. Insbesondere sei er nicht als Spendensammler tätig gewesen. Zwar habe er Kontakt zu in Bremen wohnenden Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten, auch soweit diese für die Organisation tätig seien, doch bleibe er bei seinen vor dem Verwaltungsgericht gemachten Angaben.

Mit Bescheid vom 19.10.2007 lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag vom 1.2.1996 erneut ab, nunmehr ergänzend darauf gestützt, dass der Kläger nach Mitteilung der beteiligten Landesämter für Verfassungsschutz noch bis in das Jahr 2004 hinein für die verbotene Organisation der DHKP/C ("Devrimci Sol") tätig gewesen sei und er somit mindestens von 1993 bis 2004 verfassungsfeindliche Bestrebungen aktiv unterstützt und verfolgt habe. Eine glaubhafte Abwendung von dieser Organisation sei nicht zu erkennen, denn seine Einlassungen stünden im krassen Gegensatz zu der Erkenntnismitteilung des bremischen Landesamts für Verfassungsschutz. Das wiederholte und andauernde Leugnen und Herabspielen dieser Tätigkeit belege eindeutig, dass eine glaubhafte Abwendung von den verfassungsfeindlichen Zielen der DHKP/C nicht festgestellt werden könne. So biete er auch keine Gewähr, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zu bekennen.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger unter Aufrechterhaltung seines Sachvortrags am 26.11.2007 Klage erhoben.

Er beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihn auf seinen Antrag vom 1.12.1996 einzubürgern.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrem Ablehnungsbescheid fest.

Auf die gerichtliche Anforderung zur Übersendung einschlägiger Verwaltungsvorgänge verweigerte der Senator für Inneres und Sport der Freien Hansestadt Bremen mit einem "im Auftrag" gezeichneten Schreiben vom 27.10.2008 deren Vorlage unter Berufung auf 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Zu den Aktivitäten des Klägers teilte er zugleich mit, dass die Aktenlage des Landesamts für Verfassungsschutz "keine exakte Zeit- und Ortsbestimmung der Spendenaktivitäten" zulasse. Einem am 15.7.1999 im Landesamt erstellten Quellenbericht sei zu entnehmen, dass in Bremen und dem Umland "Erpressergruppen" der Dev Sol Geld für die Organisation eintreiben; zu den als "Funktionär" bezeichneten Erpressern habe der Kläger gezählt. Einem weiteren Quellenbericht des Landesamts vom 5.3.2004 sei zu entnehmen, dass nach Aussage eines Bremer Funktionärs eine Summe Geld u.a. vom Kläger durch "Spendenaktionen" beschafft worden sei.

Mit Beschluss vom 9.3.2009 entschied das Nds. Oberverwaltungsgericht - 14 PS 3/08 - dass die Verweigerung der Vorlage der Unterlagen über die Aktivitäten des Klägers im Jahr 2004 durch die Freie Hansestadt Bremen rechtmäßig ist. Darin weist der erkennende Fachsenat im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Ausgangsverfahren abschließend noch darauf hin, dass dem Fachsenat für die vom Kläger in den Raum gestellte Verwechslung mit einer namensgleichen Person keine Anhaltspunkte vorlägen. Im Übrigen verwies er darauf, dass es nicht Aufgabe des Fachsenats sei, die Richtigkeit der in den geheimhaltungsbedürftigen Akten enthaltenen Informationen und Bewertungen näher zu prüfen. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte mit Beschluss vom 24.8.2009 - 20 F 2.09 - diese Entscheidung und führte u.a. aus, soweit es um die Richtigkeit den Angaben gehe, könne der Senat nur feststellen, dass die Durchsicht der zurückgehaltenen Quellenmeldung vom 5.3.2004 ergebe, dass sich die in der Sperrerklärung mitgeteilten Angaben mit diesen Angaben deckten. Es sei aber nicht Aufgabe des Senats, den Inhalt der dem Geheimschutz unterfallenden Akten auf Richtigkeit zu überprüfen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig und begründet.

Für die maßgebliche Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einschlägig ist das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - in der Änderung vom 8.12.2010. Nach § 40c StAG sind auf Einbürgerungsanträge, die - wie im Fall des Klägers - bis zum 30.3.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 und § 40c weiter in ihrer vor dem 28.8.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten.

§ 40c StAG i.d.F.v. 28.8.2007 lautet dahin, dass auf Einbürgerungsanträge, die - wie im Fall des Klägers - bis zum 16.3.1999 gestellt worden sind, die §§ 85 bis 91 des Ausländergesetzes in der vor dem 1.1.2000 geltenden Fassung mit der Maßgabe Anwendung finden, dass die Einbürgerung zu versagen ist, wenn ein Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 2 oder 3 oder Satz 2 vorliegt, und dass sich die Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach § 12 beurteilt.

Das Günstigkeitsprinzip des § 40c StAG in der geltenden Fassung ist für die Entscheidung im vorliegenden Fall indes nicht ausschlaggebend. Auch die Beklagte geht - wie zuvor die vorbefasste Freie Hansestadt Bremen - davon aus, dass abgesehen von der zwischen den Beteiligten umstrittenen Voraussetzung der §§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 11 Satz 1 Nr. 1 StAG in der geltenden Fassung bzw. §§ 40c, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 11 Satz 1 Nr. 2 StAG in der bis zum 27.8.2007 geltenden Fassung die Einbürgerungsvoraussetzungen im Übrigen gegeben sind und insbesondere die Vermeidung von Mehrstaatigkeit im Ergebnis - unter Berücksichtigung einer geeigneten verfahrensmäßigen Ausgestaltung - gewährleistet ist. Hinsichtlich der vorgenannten Regelungen ist indes das geltende Recht anwendbar, da die wortgleichen früheren Regelungen identische und damit keine günstigeren Bestimmungen enthalten.

Der Einbürgerungsanspruch des Klägers setzt daher nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG voraus, dass er

"sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die

a) gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder

b) eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder

c) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,

oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat".

Andererseits ist eine Einbürgerung nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ausgeschlossen,

"wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,

es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat".

Zwischen den Beteiligten ist ebenfalls geklärt, dass der Kläger in den neunziger Jahren des vorhergehenden Jahrhunderts Bestrebungen im Sinn vorstehend wiedergegebener Bestimmungen verfolgt und unterstützt hat, indem er als Vorsitzender des "Bremer Volkskulturvereines e.V." den - nunmehr verbotenen - Organisationen "Devrimci Sol" (Dev Sol) bzw. DHKP/C und deren Bestrebungen Vorschub geleistet hat. Reichweite und Intensität dieses Engagements des Klägers bewerten die Beteiligten indes abweichend. Dies hindert jedoch nicht die Feststellung, dass der klägerische Anspruch auf Einbürgerung im Ergebnis davon abhängt, ob er "sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung der artiger Bestrebungen abgewandt hat". Diese Beurteilung ist jedoch auch davon geprägt, inwieweit sich die Bewertungen des eigenen früheren Engagements durch den Kläger als realistisch oder tendenziös darstellen, soweit dies für die von ihm erwartete Glaubhaftmachung seiner Abwendung aussagekräftig ist.

Die Glaubhaftmachung setzt voraus, dass die Abwendung von früherer Verfolgung oder Unterstützung solcher Bestrebungen als überwiegend wahrscheinlich bewertet werden kann. Dazu bedarf es einer würdigenden Gesamtschau aller für und gegen eine Abwendung sprechenden Umstände. Dabei ist neben Zeitraum und Intensität der früheren Förderung inkriminierter Bestrebungen einzubeziehen, wie sich der Einbürgerungsbewerber hierzu einlässt. Neben äußeren, ggf. objektiv feststellbaren Faktoren bedarf es einer überzeugenden Darlegung eines inneren Wandels, der sich auf die Gründe des früheren Verhaltens bezieht und nachvollziehbar werden lässt, dass derartiges auch nach erfolgter Einbürgerung künftig hinreichend gewiss ausgeschlossen erscheint. Insoweit muss ein innerer Lernprozess bezüglich verfassungsfeindlicher und sicherheitsrelevanter Aktivitäten erkennbar werden, ohne dass dem Einbürgerungsbewerber jedoch eine weitergehende Revidierung seiner politischen Überzeugungen abverlangt wird. Ein andauerndes Unterlassen einschlägige Bestrebungen fördernder Handlungen ist ein regelmäßig notwendiges Indiz einer Abwendung, für deren Annahme aber nicht hinreichend (vgl. Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Auflage, § 11 StAG Rn. 17).

Zu seiner Lebensgeschichte hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7.3.2007 - 6 A 126/05 - angegeben, er sei als alevitischer Kurde in Anatolien geboren und im Jahr 1981 im Alter von 11 Jahren kurz nach dem Putsch in der Türkei eingereist. - Anfang der 90er Jahre habe er im Alter von 21/22 Jahren Kontakt mit Leuten bekommen, die Verbindungen zu Dev Sol hatten. Die hätten ihm aus der Seele gesprochen, denn nach dem Putsch seien in der Türkei Leute gefoltert worden. Als 11-jähriger sei er nicht selbst, aber wohl seine Verwandten und Bekannten betroffen gewesen. Seine Eltern seien sozialdemokratisch eingestellt, aber nicht Regimegegner, was die Verhältnisse in der Türkei angegangen sei. - Bei der Gründung des Kulturvereins habe er 1993 die Funktion des Vereinsvorsitzenden übernommen. Vorsitzender sei er nur auf dem Papier gewesen, weil jemand dafür gebraucht worden sei, der die rechtlichen Voraussetzungen erfüllte. An Vereinsversammlungen habe er kaum teilgenommen. Im Verein habe er nur die kulturelle Seite wie Volkstanz und dergleichen mitbekommen. Zwar habe es einen Kreis von Leuten gegeben, die sich mit politischen Angelegenheiten befasst und politische Aktivitäten entfaltet hätten, zu denen er aber nicht gehört habe. Bevor er nach ... umgezogen sei, habe er sich in Bremen wohl beim Vereinsregister wegen einer Vereinsauflösung und Beendigung seiner Vorsitzendeneigenschaft erkundigt; man habe von ihm etwas Schriftliches verlangt, so meine er sich zu erinnern, aber nicht daran, ob er dem nächgekommen sei. Nach seiner Erinnerung sei nach der Satzung der Vorsitzende nach einem bestimmten Zeitraum neu zu wählen gewesen, doch könne er sich auch an einen derartigen Vorgang nicht erinnern. Auf Nachfrage erklärte er weiter, dass er denke, dass ihm die Verbotsverfügung für den Kulturverein seinerzeit zugestellt worden sei. Es sei auch eine Durchsuchung der Vereinsräume erfolgt, von der er durch andere Vereinsmitglieder erfahren, dann aber auch irgendetwas Schriftliches von der Behörde bekommen habe. An den Inhalt des Schriftstücks könne, er sich nicht mehr so genau erinnern, weil er nicht so ganz mittendrin im Vereinsgeschehen gewesen sei. Auch seien im Zusammenhang mit der Durchsuchung oder der nachfolgenden Verbotsverfügung Zeitschriften und Informationsmaterial beschlagnahmt, die Vereinsräume verschlossen und die Schlüssel mitgenommen worden. Ihnen sei. gesagt worden, sie könnten die Schlüssel bei der Polizei wieder abholen, doch diese habe die Aushändigung abgelehnt. Mit der ganzen Angelegenheit habe er eigentlich nicht mehr so recht etwas zu tun gehabt, habe aber mitbekommen, dass das mit der Schlüsselrückgabe nicht geklappt habe. Er sei selbst bei der Polizei gewesen, um den Schlüssel zurück zu bekommen. Anschließend sei er dann nicht mehr so bereit gewesen, weiter für den Verein den Vorsitz zu machen. Man könne sich nicht einfach so zurückziehen. Er habe durchaus unter Druck von anderen Vereinsmitgliedern gestanden, die ihn auch zur Polizei geschickt hätten. Er habe nicht etwa klar gesagt, dass jetzt Schluss sei, sondern er habe sich schrittweise distanziert; das klappe im Ergebnis besser. - Die gesamten Verhältnisse hätten ihn damals stutzig gemacht, auch die Vorkommnisse in Berlin. Er sei zu der Erkenntnis gelangt, dass man mit Gewalt letztlich nichts erreichen kann, dass Gewalt letztlich immer wieder nur Gewalt erzeuge. Die gesamten Verhältnisse in der Türkei, wie Folterungen und Hungerstreiks, hätten eine Rolle gespielt. Ihn habe schockiert, dass Menschen sich zu Tode gehungert hätten. Er meine, dass diese Menschen auch auf andere, auf demokratische Weise etwas hätten erreichen können. - Einzelne Mitglieder hätten einen neuen Verein gegründet, dem er aber nicht angehört habe. Dies habe er von Verwandten und Bekannten erfahren, die dabei zunächst beteiligt waren, sich in der Folgezeit jedoch auch wieder distanziert hätten. Den Namen dieses Vereins oder dessen Mitglieder kenne er nicht. Dieser sei auch regional auf den Bereich Bremen beschränkt. - Seinerseits sei mit der Teilnahme an Demonstrationen und Versammlungen Ende 1997 Schluss gewesen. Zuletzt habe er an einem Konzert in Hamburg zum Jahreswechsel 1997/98 aus Anlass des damals andauernden Hungerstreiks teilgenommen; Initiatoren des Konzerts seien Leute von der DHKP/C gewesen. Dabei habe es sich nicht um ein reines Konzert, sondern um eine Veranstaltung durchaus mit politischem Hintergrund gehandelt. - Nach ... sei er umgezogen, weil er von den ganzen Leuten habe Abstand haben wollen; wenn man weiter weg sei, erreiche einen keiner so leicht. So sei ihm damals vorgehalten worden, an bestimmten Veranstaltungen des Vereins nicht teilgenommen zu haben; man habe ihn zu Hause aufgesucht und Vorhaltungen gemacht. - Zuvor sei er ca. ein Jahr arbeitslos gewesen und habe eine Qualifizierungsmaßnahme des Arbeitsamts im Metallbereich angefangen. Für die Firma, bei der er nun in ... seit dem 1.4.2003 beschäftigt sei, habe er auch in Bremen schon an Wochenenden gearbeitet, doch habe er nicht weiter in Bremen arbeiten wollen, obwohl die Firma ihm dies angeboten habe. Als er von der Firma das Angebot bekommen habe, nach ... zu gehen, habe er dieses Angebot angenommen und die Qualifizierungsmaßnahme abgebrochen. - In ... wohne er in einer sehr ruhigen Gegend. Er sei Eltemratsmitglied der Schule, die seine Kinder besuchten. Persönliche Kontakte habe er auch zu türkischen Arbeitnehmern und vergleichbar zu deutschen Nachbarn. Regelmäßig besuche er seine Eltern und sonstige Verwandte in Bremen. Andere politische Aktivitäten habe er nicht, gehöre keiner Partei an, wobei ihm die SPD am nächsten stehe. Ihm sei nicht bekannt, dass es in ... Organisationen wie die DHKP/C gebe. An ihn sei jedenfalls noch nicht aus solchen Organisationen herangetreten worden. - Zu den nicht spezifizierten Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz könne er sich allenfalls als Anlass für die Bemerkung in dem Bericht vorstellen, dass man ihn bei Begegnungen mit DHKP/C-Mitgliedern, die er von früher her kenne, angetroffen habe. Das müsse dann aber in Bremen gewesen sein, wenn er sich dort besuchsweise aufgehalten habe. Er habe keine Veranlassung gesehen, derartigen Bekannten von früher auszuweichen, nur weil sie DHKP/C-Mitglieder seien. Mit irgendwelchen Aktivitäten seiner Person für die DHKP/C habe dies aber überhaupt nicht zu tun.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.6.2011 hat der Kläger hierzu ergänzt, dass sich seit dem 7.3.2007 keine wesentlichen Änderungen in seinen Lebensverhältnissen ergeben hätten. Beruflich habe sich insoweit eine Veränderung ergeben, als er nunmehr Objektleiter bei seiner Firma sei und ein besseres Einkommen erziele.

Die Ausführungen des Klägers schildern einen nachvollziehbaren und glaubhaften sukzessiven Abwendungsprozess, der nicht von einer plötzlichen, sondern einer zunehmenden, evolutiv zu begreifenden Entfremdung vom bisherigen Milieu des bremischen Volkskulturvereins und dessen personell und inhaltlich mit den Organisationen Dev Sol bzw. DHKP/C verwobenen Aktivitäten gezeichnet ist. Dabei legt der Kläger in sachlicher und zeitlicher Übereinstimmung mit der Abfolge äußerer Ereignisse einen allmählichen innerlichen Gesinnungswandel dar, den er bei Vermeidung einer konfrontativen Auseinandersetzung mit dem Milieu verhafteten Personen seines Freundes- und Bekanntenkreises durch Veränderung seiner familiären und beruflichen Entwicklung unter Herbeiführung einer räumlichen Trennung durch Wechsel der Arbeitsstätte und des Wohnortes nachhaltig durch eigene Entscheidungen in eine richtungweisende Veränderung seiner Lebensführung umgesetzt hat. So fällt die von ihm geschilderte Beendigung seines früheren Engagements im Umfeld des Bremer Volkskulturvereins zum Jahreswechsel 1997/98 und die nachfolgende zunehmende Distanzierung zusammen mit seiner Familiengründungsphase, die nach seiner Heirat im Jahr 1994 durch die Geburten seiner Kinder in 1997 und 1999 bestimmt wird. Ein mit diesem Sozialisationsprozess einhergehender Wandel eigener Werte und Anschauungen, der sich durchgreifend auf die innere und äußere Lebensgestaltung auswirkt, entspricht typischen menschlichen Verhaltensweisen und macht bruchlos und widerspruchsfrei die vom Kläger für diese Lebensphase geschilderte evolutive Loslösung vom seinem bisherigen kulturell-politischen Milieu nachvollziehbar. Zwar vermögen seine Einlassungen den nach den aktenkundigen Umständen bestehenden Eindruck einer beschönigenden Darstellung seiner früheren Aktivitäten insbesondere als Vorsitzender des bremischen Volkskulturvereins nicht auszuräumen. So fällt insbesondere der polizeiliche Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs aus dem Jahr 1993, anlässlich dessen der Kläger sogar eine Schusswaffe bei sich geführt haben soll, wie auch eine von Verfassungsschutzbehörden behauptete Tätigkeit als "Spendensammler" für die verbotenen Organisationen aus dem Rahmen. Doch steht dieser aufgrund früheren Verhaltens verbleibende Anschein - auch mangels hinreichend fassbarer gegensätzlicher Anhaltspunkte - der Glaubhaftigkeit seines nachfolgenden Meinungswandels und der damit einhergehenden aktiven Abwenduhgsbemühungen nicht durchgreifend entgegen. Eine schonungslose "Selbstbezichtigung" oder "Bußfertigkeit" verlangt das Einbürgerungsrecht vom Kläger indes nicht. Auch hat er sein früheres ihm nunmehr zum Nachteil gereichendes Engagement im Umfeld des Bremer Volkskulturvereins nicht in Abrede gestellt, vielmehr unter Hinweis auf seine Herkunft und ihm in seiner Jugend von Verwandten und Bekannten vermittelter Einschätzungen der damaligen Verhältnisse in der Türkei nachvollziehbar gemacht, weshalb er sich als Heranwachsender dem politisch-oppositionellen Spektrum zuwandte, dass u.a. in der Dev Sol bzw. der DHKP/C organisatorischen Zusammenhalt fand. Auch insoweit entspricht es allgemein zu beobachtenden menschlichen Verhaltensweisen, dass der Kläger als Jugendlicher und Heranwachsender zu extremeren politischen Ansichten neigte, die er später im Zuge eines von der eigenen Familiengründung geprägten Sozialisationsprozesses mit zunehmendem Alter zunächst in Frage gestellt und zunehmend aufgegeben haben will. Einen durchgreifenden Einwand gegen die Glaubhaftigkeit seines späteren Abwendungsprozesses stellt deshalb der Umstand, dass der Kläger nach Überzeugung der Kammer seine früheren Aktivitäten nicht vorbehaltlos eingeräumt hat, vorliegend nicht dar.

Die von den bremischen und niedersächsischen Verfassungsschutzbehörden geltend gemachten und als amtliche Auskünfte im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigende internen Erkenntnisse sind aus rechtlichen Gründen nicht geeignet, die vom Kläger glaubhaft gemachte Abwendung von früherer Verfolgung oder Unterstützung einschlägiger Bestrebungen durchgreifend in Zweifel zu ziehen. Das niedersächsische Landesamt für Verfassungsschutz verfügt über keine eigenen Erkenntnisse, sondern stützt sich in seinen Stellungnahmen ausschließlich auf Angaben der bremischen Verfassungsschutzbehörde. Die bremische Verfassungsschutzbehörde hat mitgeteilt, die von ihr noch für die Zeit bis 2004 behauptete Tätigkeit des Klägers insbesondere als "Spendensammler" für die verbotenen Organisationen Dev Sol und DHKP/C intern geprüft zu haben, doch lassen sich die Vorgänge der bremischen Verfassungschutzbehörde und die maßgeblichen Informationen und Quellen, insbesondere die Informanten der Behörde, nicht in das gerichtliche Verfahren einführen. Auf Vorlagebeschluss der Kammer vom 15.12.2008 haben das Nds. Oberverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 9.3.2009 - 14 PS 3/08 - und das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 24.8.2009 - 20 F 2.09 - bestätigt, dass die Verweigerung der Vorlage der Unterlagen durch die Freie Hansestadt Bremen im vorliegenden Verfahren rechtmäßig ist. Die im Licht des Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich unverzichtbare verwaltungsgerichtliche Überprüfung ist deshalb nicht möglich. So weisen auch beide vorgenannten Entscheidungen im Rahmen der Beschlussbegründung entsprechend ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass es nicht Aufgabe des Zwischenverfahrens gewesen sei, den Inhalt der dem Geheimnisschutz unterliegenden Akten auf Richtigkeit zu überprüfen.

Das für die Hauptsache zuständige erkennende Gericht hat deshalb nach ständiger Verwaltungsrechtsprechung zu beurteilen, wie sich der geltend gemachte Inhalt von geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen auf den Rechtsstreit auswirkt (vgl. BVerwG, B. v. 29.7.2002 - 2 AV 1/02 -, NVwZ 2002, 1249). Dabei dürfen die von einer Behörde behaupteten, aber geheim gehaltenen Vorgänge bei der Sachentscheidung im Rahmen der Sachverhaltswürdigung nur unter strengen Voraussetzungen zu Lasten des Rechtschutzsuchenden berücksichtigt werden. Nicht gerichtsverwertbare Tatsachen müssen als solche naturgemäß unberücksichtigt bleiben. Welches Gewicht der dem Gericht allein vorliegenden behördlichen Erklärung zukommt, es lägen nach geheimzuhaltenden Erkenntnissen Sicherheitsbedenken vor, hat das Geicht, ggf. unter Berücksichtigung der Regeln über die Beweislast, bei der Entscheidung in der Sache selbst im Rahmen der Sachverhaltswürdigung zu beurteilen (vgl. BVerwG, B. v. 1.2.1996 -1 B 37/95 -, NVwZ-RR 1997, 133 m.w.Nachw.; B. v. 21.6.1993 - 1 B 62/92 -, NVwZ 1994, 72; anders wohl VG Oldenburg, U. v. 19.9.2007 - 11 A 4065/05 -, http://www.dbovg.niedersachsen.de). Dabei kann die aus verfassungsrechtlichen Erwägungen prinzipiell unerlässliche verwaltungsgerichtliche Überprüfung nicht durch mittelbar gewonnene Eindrück, z.B. über einen "Beweismittler", oder durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes in-camera-Verfahren ersetzt werden (vgl. Seibert, Änderungen der VwGO durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess, NVwZ 2002, 265 (270); Mayen, Verwertbarkeit von geheim gehaltenen Verwaltungsvorgängen im gerichtlichen Verfahren?, NVwZ 2003, 537 (541). Ob und inwieweit dies aufgrund der verfassungsrechtlichen Imponderabilien zugunsten des effektiven Individualrechtsschutzes nur eingeschränkt gelten kann, wenn sich die Geheimhaltung zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden auswirkt (vgl. BVerfG, B. v. 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 -, BVerfGE 101, 106; Seibert, a.a.O.; Mayen, a.a.O.), kann hier offen bleiben, denn hier liegt eine solche Fallgestaltung nicht vor. Vielmehr haben die der gerichtlichen Prüfung vorenthaltenen Erkenntnisse vorliegend ausschließlich zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden Verwendung gefunden und kommen auch im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nur als die Rechtsverwirklichung des Klägers hindernde, nämlich die Glaubhaftigkeit der von ihm behaupteten Abwendung in Frage stellende Umstände in Betracht. Die Stellungnahmen der Verfassungsschutzbehörden beschränken sich vorliegend auf die Behauptung einer Tätigkeit des Klägers als "Spendensammler" bis in das Jahr 2004 hinein, ohne insoweit einzelne Ereignisse in örtlicher oder zeitlicher Hinsicht bzw. hinsichtlich beteiligter Personen näher zu spezifizieren, so dass dem Kläger nur die Möglichkeit des bloßen Bestreitens eröffnet und er aus seiner Sicht darauf verwiesen ist, ihrerseits naturgemäß ebenfalls nicht substantiierbare Spekulationen über mögliche Ursachen für behördliche Annahme bzw. Irrtümer anzustellen. Dies geht indes nicht zu seinen Lasten. Vielmehr hindert das Fehlen einer jeden Substantiierung der verfassungsbehördlichen Behauptungen deren Nachvollziehbarkeit und damit deren Verwertbarkeit für die richterliche Überzeugungsbildung, so dass diese sich nicht zu Lasten des Klägers auswirken können und im Ergebnis für die gerichtliche Entscheidung unerheblich sind.

Auch in Zusammenschau mit der den beigezogenen Verwaltungsakten im Übrigen zu entnehmenden Erkenntnislage ändert sich hieran nichts. Die insbesondere auf polizeilichen Erkenntnissen beruhenden aktenkundigen Umstände im Übrigen stehen zur Darstellung des Klägers nicht in einem erkennbaren Widerspruch, bestätigen dessen Einlassungen bzw. zeichnen ein im Wesentlichen übereinstimmendes Bild von den Aktivitäten des Klägers im Umfeld des Bremer Volkskulturvereins und geben auch keinen fassbaren Anhalt für die Annahme der Verfassungsschutzbehörden, der Kläger sei - zumal bis in das Jahr 2004 - als "Spendensammler" aktiv gewesen. Danach war der Kläger im Jahr 1993 Gründungsmitglied des Bremer Volkskulturvereins und wurde dessen Vorsitzender. Weiter weisen die Akten für das Jahr 1997 in Übereinstimmung mit der klägerischen Darstellung aus, dass dieser - nach einer im Zuge einer Drogenfahndung erfolgten - polizeilichen Durchsuchung und Sperrung der Vereinsräume als Vorsitzender des Vereins die Schlüssel von der Polizei abholen wollte. Die polizeilichen Unterlagen zur nachfolgenden Durchsuchung am 13.9.1997, die zur Schließung des Vereins und der Versiegelung dessen Räume sowie einem nachfolgenden Vereinsverbot führten, geben den Kläger lediglich als Vereinsvorsitzenden an, bezeichnen als zentrale Funktionsträgerin hingegen eine Frau ... und halten fest, die Herren ... und ... im Besitz eines Schlüssels zu Beginn der Maßnahme angetroffen zu haben, wohingegen der Kläger als Vorsitzender erst gegen 12:30 Uhr erschienen sei. Substantiierte Angaben insbesondere zu Tätigkeiten des Klägers als Vorsitzender des Vereins oder seines Engagements in dessen Umfeld sind den Verwaltungsvorgängen nicht zu entnehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.