Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 04.01.2018, Az.: 1 B 3431/17

Anhörung; Ausschluss; Fraktion; Kommunal; Ladung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
04.01.2018
Aktenzeichen
1 B 3431/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 73927
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen seinen Ausschluss aus der Antragsgegnerin, einer Fraktion im Kreistag des Landkreises F.. Der Fraktion gehören weiter neben dem Fraktionsvorsitzenden G. die Herren H. I. und J. K. an, weiter Frau L. M.. Sämtliche Fraktionsmitglieder wurden im September 2016 in den Kreistag des Landkreises Stade gewählt. Der Antragsteller war bis zum 21. November 2017 neben dem Vorsitzenden der Antragsgegnerin Mitglied des Vorstandes des E. - Kreisverbandes im Landkreis F..

Am 1. Juni 2017 veröffentlichte die örtliche Presse einen Artikel, in dem über die Verurteilung des Antragstellers wegen Verletzung des Urheberrechts berichtet wurde. Anlass war ein Flugblatt, das während des Wahlkampfes für die Partei der Antragsgegnerin verwendet worden war. In diesem Artikel wurde dem Antragsteller folgende Aussage zugeschrieben:

„Im E. -Kreisvorstand habe es eine kontroverse Debatte im Vorfeld der Veröffentlichung des Flyers gegeben, weder eine anwesende Staatsanwältin, noch ein Richter a.D. hätten juristische Einwände gesehen, lediglich die Frage, ob das Bild in seiner Aussage zu hart sein könnte, sei diskutiert worden“.

Am 9. Juni 2017 wurde in der Presse folgendes abgedruckt:

„E. -Mitglieder widersprechen

Landkreis. Mit einer Gegendarstellung, die in Form und Inhalt den Anforderungen des Pressegesetzes nicht entspricht, möchten zwei Mitglieder der E. klarstellen, dass sie an der Erstellung des umstrittenen Flyers ‚Der Rechtsstaat liegt am Boden‘ nicht beteiligt waren. Das war aber vor einer Woche in dem Strafgerichtsverfahren vor dem Amtsgericht F. anders zu hören. N. hatte ausgesagt, dass eine Staatsanwältin und ein Richter a. D. bei der Debatte im Vorstand keine Einwände gegen den Flyer hatten, was dann so im Tageblatt zu lesen war. Jetzt möchten L. O. und P. Q. klargestellt haben, dass sie zwar Mitglied bei der E., aber nicht Mitglieder des Kreisvorstandes sind und, so ihre Darstellung, keinen Einfluss auf die Bilderfälschung hatten - auch nicht mit Konzeption und Planung befasst waren. Im Prozess wurde N. wegen Verletzung des Urheberrechts zu 2.000 € Geldstrafe verurteilt.“

Mit E-Mail vom 11. Juni 2017 wandte sich u.a. das Fraktionsmitglied M. an den Antragsteller. Darin heißt es:

„Guten Tag Herr N.,

wir haben Ihnen schon mal geschrieben, dass Sie als Angeklagter vor Gericht lügen dürfen, wie Sie wollen, allerdings darf dann in der Lüge keine falsche Verdächtigung anderer Personen enthalten sein. Wenn Sie aber weiter behaupten, wir seien bei Beratungen insbesondere des inkriminierten Flyers dabei gewesen, hat das eine ganz andere Qualität. Unser einzig aktiver Beitrag zu den im Wahlkampf verwendeten Flyern war, dass wir zu der Fotografin nach R. gefahren sind. Wir sind bei Entwürfen, Konzeptionen und Texten der Flyer nie involviert gewesen, was uns seinerzeit sogar irritiert hatte. Zu Beratungen oder Workshops betreffend der Flyer sind wir nicht einmal eingeladen worden, dementsprechend haben wir auch nicht daran teilgenommen. Sämtliche Flyer sind uns erst bekannt geworden, nachdem sie gedruckt waren. Und wenn Sie öffentlich behaupten wollen, wir hätten auch nur Kenntnis von den Planungen des inkriminierten Flyer gehabt, wird dies für sie Konsequenzen haben….“

Mit E-Mail vom 14. Juni 2017 lud der Vorsitzende der Fraktion zu einer außerordentlichen Fraktionssitzung ein. Die E-Mail lautet im Wesentlichen wie folgt:

„…

Auf Grund der außergewöhnlichen Vorgänge der letzten Wochen wurde ich als Fraktionssprecher aufgefordert, noch vor der Kreistagssitzung am nächsten Montag zu einer außerordentlichen Fraktionssitzung einzuladen. Diesem Wunsch komme ich hiermit nach.

Ort: …

Datum u. Zeit:…

Tagesordnung:

1. Begrüßung

2. Diskussion des Sachstandes zum Spannungsverhältnis und der weiteren Zusammenarbeit mit. in der Fraktion.

3. Beschluss zu Konsequenzen um den Arbeitsfrieden und die geordnete Zusammenarbeit in der Fraktion wiederherzustellen.

4. Beschluss der Fraktion zum Rederecht von. zum TOP 9 (Rettungsdienst) der Kreistagssitzung.

5. Verschiedenes.“

Der Antragsteller antwortete daraufhin mit E-Mail vom gleichen Tage und führte u.a. aus:

„Sehr geehrte Mitglieder der Fraktion

an dieser Sitzung kann ich aus dienstlichen Gründen leider nicht teilnehmen, was ich dem Vorsitzenden auch mitgeteilt habe. Ein Alternativtermin wurde leider nicht eingeräumt.

Soweit ein Spannungsverhältnis zwischen einzelnen Mitgliedern der Fraktion und meiner Person besteht, beruhen diese in keiner Weise auf der bisherigen Zusammenarbeit in der Fraktion. Von einer Störung des Arbeitsfriedens der Fraktion kann keine Rede sein. So soll es von meiner Seite bleiben.

Mit Rücksicht sowohl auf das Wähler- wie auch auf das Parteiinteresse appelliere ich an alle Beteiligte, genügend Professionalität aufzubringen und die zwischen uns zweifellos vorhandenen Verwerfungen auf der Ebene entweder des Kreisverbands oder im Zusammenhang mit einem Zeitungsartikel nicht in unser Gremium einfließen zu lassen.“

An der Fraktionssitzung vom 17. Juni 2017 nahm der Antragsteller nicht teil. In dem über die Sitzung gefertigten Protokoll heißt es zu Tagesordnungspunkt 2:

„i. Es wurden die Positionen der verschiedenen Fraktionsmitglieder zu den Vorkommnissen von 8/2016 bis dato ausgetauscht.“

Zu Tagesordnungspunkt 3. wurde ausgeführt:

i. Da in der Diskussion z. Z. noch kein gemeinschaftlicher Ansatz zur Befriedung erkennbar war, wurde folgendes beschlossen:

1. Der Fraktionssprecher führt ein Gespräch mit..

2. S. lädt mit TO (wg. Urlaub) möglichst noch in der nächsten Woche zu einer FS ein, an der alle Fraktionsmitglieder teilnehmen können.

Zielsetzung: Festlegung der weiteren Vorgehensweise und ggf. Beschlüsse dazu.“

Mit E-Mail vom 25. Juli 2017, die auch der Antragsteller erhielt, lud der Vorsitzende der Antragsgegnerin zu einer außerordentlichen Fraktionssitzung am 30. Juli 2017 um 10.30 Uhr ein. Die Tagesordnung enthielt den Tagesordnungspunkt 2 „Weiterer Umgang mit der Situation in der Fraktion“.

Mit E-Mail vom 27. Juli 2017 leitete der Vorsitzende der Antragsgegnerin eine E-Mail des Fraktionsmitglieds T. an die Übrigen Mitglieder zur Kenntnis weiter.

Sie hatte folgenden Inhalt:

„An den Vorsitzenden der E. -Fraktion im Kreistag des Landkreises F., S. G..

Hiermit stelle ich zur Tagesordnung vom 30.7.2017 nachstehenden Eilantrag.

Die E. - Kreistagsfraktion möge beschließen den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. N. aus der Fraktion auszuschließen.

Begründung:

Nachdem. N. durch unwahre Behauptungen, wenn auch ohne Namensnennung, Mandatsträger der E., darunter ein Mitglied der Fraktion, öffentlich bloßgestellt hat, ist eine Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar.

Es ist der Eindruck entstanden, dass. N. aus taktischen Erwägungen Fraktionssitzung durch angebliche Terminschwierigkeiten zu verhindern sucht oder seine Teilnahme verweigert. Es kann nicht sein, dass ein einzelnes Fraktionsmitglied die Arbeit der Fraktion durch ein solches Verhalten lahmlegt. Eile ist geboten, damit die verbleibende Fraktion wieder arbeitsfähig wird.“

Mit E-Mail vom 27. Juli 2017 wandte sich der Antragssteller dagegen. Der Antrag sei zurückzuweisen. Der Antragsteller rügte zunächst Frist und Form der Ladung. Er wies auch darauf hin, dem Fraktionsvorsitzenden sei bekannt, dass er, der Antragsteller, zu diesem Termin aus dienstlichen Gründen verhindert sein werde. Tagesordnungspunkte, die sich thematisch mit Personalfragen beschäftigten, setzten das Anwesenheitsrecht sowie das Recht der Stellungnahme des Betroffenen voraus. Weiter setzte er sich mit dem Antrag des Herrn T. inhaltlich auseinander und trat dem entgegen.

Auf der außerordentlichen Fraktionssitzung vom 30. Juli 2017 waren der Antragsteller und das Fraktionsmitglied I. nicht anwesend, die übrigen Fraktionsmitglieder haben teilgenommen. Das Protokoll vermerkt hierzu: „U. und V. haben sich entschuldigt“

Zu Tagesordnungspunkt 2 heißt es in dem Protokoll

„2.1. Vorgeschichte:

Die lang andauernden Probleme und Meinungsverschiedenheiten in der Fraktion mit. N. konnten nach der ersten außerordentlichen Fraktionssitzung am 17. Juni 2017 auch in der Zwischenzeit nicht beigelegt werden. Das Verhalten von. N. in den letzten Tagen und Wochen hat die Fraktion bewogen, in der 2. AO-FS nun eine finale Entscheidung zu treffen. Das Vertrauensverhältnis zu. N. wird als nicht mehr reparierbar angesehen. Deshalb wird kein Sinn in einer gemeinsamen Fortsetzung der Zusammenarbeit in der Fraktion mit ihm gesehen. Bedauerlicherweise hat. N. an beiden Terminen nicht teilgenommen. Ein Ausweichtermin wurde ebenfalls nicht von. N. angeboten.

2.2. Der Antrag von. N. auf Zurückweisung des Antrages von HW (Mail: 27.07.2017) wird hiermit einstimmig abgelehnt. Die anwesenden Fraktionsmitglieder folgen einstimmig dem Antrag auf Ausschluss von. N. aus der Kreistagsfraktion.

Begründung:

Die Fraktion möchte nach wochen-und monatelanger Beschäftigung mit dem Problem. N. endlich zur politischen Arbeit zurückkehren. Initiativen zur politischen Arbeit in der Kreistagsfraktion waren von. N. bisher nicht erkennbar.“

Der Antragsteller hat am 16. Oktober 2017 Klage erhoben, mit der er die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ausschlusses aus der beklagten Fraktion begehrt. Gleichzeitig hat er um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Zur Begründung seines Antrages trägt der Antragsteller im Wesentlichen folgendes vor:

Den Angriff von Herrn T. und einiger weiterer Mitglieder des Kreisverbandes der E. gegen ihn, den Antragsteller, erkläre er sich mit einem Vorgang im Kommunalwahlkampf 2016. Er, der Antragsteller, habe damals ein Flugblatt entworfen, das eine Bilddatei enthalten habe, für die versehentlich keine Bildrechte erworben worden seien. Zivilrechtlich sei es zu einem Vergleich zwischen dem Inhaber der Rechte an diesem Bild und dem Kreisverband gekommen. Gegen ihn, den Antragsteller, sei ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen § 106 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz eingeleitet worden. Er, der Antragsteller, habe im Strafverfahren unter anderem darauf hingewiesen, dass man die Erstellung des Wahlkampfmaterials im Kreisverband auf eine möglichst breite Grundlage habe stellen wollen, gerade um Fehler möglichst zu vermeiden. Es habe Workshops gegeben, in denen Wahlkampfmaterial von allen Seiten beleuchtet und hinterfragt worden sei, gelegentlich seien auch Juristen anwesend gewesen. Der in Rede stehende Flyer sei allerdings allein vom Kreisvorstand der E. F. bewertet, freigegeben und veröffentlicht worden. Er, der Antragsteller, sei zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Nach Auffassung des Amtsgerichts habe er die alleinige Tatherrschaft besessen. Gegen das Urteil habe er Berufung eingelegt.

Die lokale Presse habe über den Prozess nicht in allen Punkten den Tatsachen entsprechend berichtet. Es sei behauptet worden, dass bei der Vorstandsberatung über das Flugblatt weder eine anwesende Staatsanwältin noch ein Richter a. D. juristische Einwände gesehen hätten. Auf diese Weise habe die Presse die Teilnahme konkreter Personen an der Vorstandsberatung suggeriert. Allerdings habe es im Kreisvorstand niemals zwei Juristen gegeben. Er, der Antragsteller, habe sich im Strafverfahren auch ausdrücklich dahingehend eingelassen, dass bei den Beratungen über den Flyer auch ansonsten keine Juristen anwesend gewesen seien. Unter anderem das Fraktionsmitglied M. habe sich durch den betreffenden Presseartikel angesprochen gefühlt, eine Gegendarstellung verlangt, und so für ihre Person Öffentlichkeit hergestellt.

Der Fraktionsausschluss sei rechtswidrig. Seine mitgliedschaftlichen Rechte seien sicherungsbedürftig.

Die Entscheidung der Antragsgegnerin entspreche bereits nicht den Anforderungen, die an das Verfahren zu stellen seien. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Ladung. In der Tagesordnung, die mit der Ladung vom 25. Juli 2017 übermittelt worden sei, werde ein Tagesordnungspunkt „Ausschluss aus der Fraktion“ nicht genannt. Die E-Mail des Herrn T. vom 27. Juli 2017 sei lediglich eine Benachrichtigung über den „Eilantrag“ dieses Fraktionsmitglieds. Eine Ergänzung der Tagesordnung und damit der Ladung zur Fraktionssitzung könne darin nicht gesehen werden. Die Ergänzung der Tagesordnung um den Punkt „Ausschluss aus der Fraktion“ sei erst am 30. Juli 2017 beschlossen worden.

Ihm, dem Antragsteller, sei auch nicht die gebotene Gelegenheit eingeräumt worden, sich gegenüber der Versammlung vor deren Beratung und Entscheidung zu äußern. Er habe an der Sitzung nicht teilnehmen können. Als der Vorsitzende der Antragsgegnerin am 24. Juli 2017 mittels Kurznachricht den Termin habe abstimmen wollen, habe er, der Antragsteller, mitgeteilt, dass er am Sonntagvormittag keine Zeit habe. Er sei dann gerade wenige Stunden aus dem Schichtdienst zurückgekehrt, müsse schlafen, um sich anschließend zusammen mit seiner Frau um die Kleinkinder der Familie kümmern zu können. Er habe als Ersatztermine den 8., 9. oder 10. August angeboten. Dementsprechend habe er am 30. Juli 2017 entschuldigt gefehlt. Dies sei so auch ausdrücklich im Protokoll der Fraktionssitzung vom 30. Juli 2017 vermerkt worden. Der Fraktionsvorsitzende hätte deswegen zur Wahrung seiner, des Antragstellers, Verfahrens- und Anhörungsrechte die Sitzung verschieben müssen, jedenfalls aber dafür sorgen müssen, dass die Beschlussfassung über den Ausschluss unterbleibe. Dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund, dass ein weiteres Fraktionsmitglied an der Sitzung ebenfalls entschuldigt nicht habe teilnehmen können. Soweit sich die Antragsgegnerin darauf berufe, ihm sei mit E-Mail vom 20. Juli 2017 eine Frist gesetzt worden, um einen Terminsvorschlag zu machen, beziehe sich diese E-Mail nicht auf die Fraktionssitzung, sondern auf ein Gespräch zwischen ihm und dem Fraktionsvorsitzenden. Dieses habe dann am 25. Juli 2017 in W. stattgefunden. In diesem Gespräch sei ein angeblich konkret im Raum stehender Fraktionsausschluss nicht thematisiert worden.

Der Umstand, dass er, der Antragsteller, sich am 27. Juli 2017 per E-Mail gegenüber der Fraktion geäußert habe, stehe der Annahme, sein Anhörungsrecht sei verletzt worden, nicht entgegen. Die Fraktion habe ihn aus anderen Gründen ausgeschlossen, als sie das Fraktionsmitglied T. in seinem Antrag genannt habe. Offensichtlich sei es ihm, dem Antragsteller, gelungen, die Begründung dieses Antrages zu entkräften. Die überaus vagen Anwürfe, mit denen sein Ausschluss dann begründet worden sei, hätte er ausräumen können, wenn ihm die Gelegenheit eingeräumt worden wäre, in der Sitzung Stellung zu nehmen. Der Ausschluss sei auch nicht mit der notwendigen Mehrheit beschlossen worden. Es sei eine einstimmige Entscheidung aller in der Fraktion verbleibenden Mitglieder erforderlich, mindestens aber eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder. Der Fraktionsausschluss sei auch nicht hinreichend begründet worden. Die Begründung sei mangels ausdrücklicher Regelung auch nicht nachholbar.

Auch in materieller Hinsicht sei der Ausschluss aus der Fraktion rechtswidrig. Ein wichtiger Grund für seinen Ausschluss liege nicht vor. Der Ausschluss sei ihm gegenüber jedenfalls grob unverhältnismäßig. Er habe weder die Fraktionsarbeit in irgendeiner Weise behindert, noch müsse er sich nachsagen lassen, er habe nicht initiativ zur politischen Arbeit der Fraktion beigetragen. Die sehr pauschalen Anwürfe des Herrn T. habe er bereits in seiner E-Mail vom 27. Juli 2017 entkräftet. Auf diese Ausführungen habe die Fraktion den Ausschluss offensichtlich auch nicht gestützt. Der Ausschluss sei unverhältnismäßig, weil andere, ebenso geeignete Maßnahmen zuvor nicht ergriffen worden seien.

Der Antragsteller beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Antragsteller bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren einstweilig an der Sitzung der Antragsgegnerin teilnehmen zu lassen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Sie trägt vor:

Mit dem Antragsteller habe es schon bei der konstituierenden Fraktionssitzung am 14. Oktober 2016 die ersten Auseinandersetzungen gegeben. Nachdem er nicht zum Fraktionsvorsitzenden gewählt worden sei, hätten sich wochenlange Diskussionen um die Besetzung der Ausschüsse ergeben. Nicht nur in der Fraktion, sondern auch im Kreisvorstand der E. F. habe es Auseinandersetzungen gegeben, weil sich der Antragsteller nicht an abgestimmte Regeln habe halten wollen. Es hätten große Befürchtungen bestanden, dass durch den Antragsteller schädliche Pressemeldungen an die Öffentlichkeit gegeben werden. Zu der Frage der Presseveröffentlichungen habe es massive Meinungsverschiedenheiten gegeben. Nach einem Vorstandsbeschluss hätten diese über den Pressesprecher des Kreisverbandes, das Fraktionsmitglied T., herausgegeben werden sollen. Dem habe sich der Antragsteller nicht unterwerfen wollen. Die Auseinandersetzung über diese Frage habe sich auch auf die Kreistagsfraktion übertragen. Auch hier habe der Antragsteller immer wieder die Meinung vertreten, er könne ohne Rücksprache mit der Fraktion im Hinblick auf die Öffentlichkeitsarbeit selbstständig tätig werden. Ein Problem sei immer die Art und Weise des Antragstellers innerhalb der Fraktion gewesen. Weil die Diskussion um seine Person mehrfach eskaliert sei, sei es dazu gekommen, dass Vorstandsmitglieder der E. die Sitzung abrupt verlassen hätten, da sie die teilweise beleidigenden Ausführungen des Antragstellers gegen weitere Mitglieder nicht mehr hätten ertragen können. Wesentlicher Punkt für den Ausschluss sei auch die Uneinsichtigkeit des Antragstellers im Hinblick auf den von ihm entworfenen Wahlkampfflyer gewesen. Die Aussage des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht sei besonders fatal gewesen und habe letztendlich zu einer totalen Zerrüttung mit den weiteren Mitgliedern der Kreistagsfraktion geführt. Durch den Antragsteller seien zwei Parteimitglieder, unter anderem ein Mitglied der Antragsgegnerin, in die Sache hineingezogen worden, mit der sie nichts zu tun gehabt hätten. Der Antragsteller habe die Auffassung vertreten, dass weder Frau M. noch ein weiteres Mitglied der E., ein früherer Richter am Landgericht, Bedenken gegen den Wahlflyer gehabt hätten. Das Gegenteil sei der Fall gewesen. Das Verhältnis zwischen dem Antragsteller und Frau M. sei total zerrüttet. Dies zeige auch die von dem Antragsteller vorgelegte E-Mail von Frau M. vom 11. Juni 2017.

Nach mehreren Vermittlungsversuchen durch die Kreisvorsitzende der E. F. sei der Druck von Fraktionsmitgliedern größer geworden, die Problematik hinsichtlich des Antragstellers in der Fraktion zu lösen, da dieser immer noch keine Einsicht gezeigt habe. Wenn der Antragsteller auch in diesem Gerichtsverfahren behaupte, bei den Beratungen über den Wahlkampfflyer seien zwei Juristen anwesend gewesen, bestätige er dies. Am 13. Oktober 2017 habe der Antragsteller ohne Absprache mit dem Kreisvorstand ein Fernsehinterview geführt, in dem er den amtierenden Landesvorsitzenden indirekt als Kriminellen bezeichnet habe. Am 21. November 2017 sei es auf Antrag des Kreisvorstandes auf dem Parteitag zu einem konstruktiven Misstrauensvotum gegen den Antragsteller gekommen, das mit mehr als der erforderlichen Zweidrittelmehrheit bestätigt worden sei. Auch dadurch sei der Nachweis geführt, dass es schon länger keine Basis des Vertrauens zwischen dem Antragsteller, dem Kreisvorstand und der Antragsgegnerin mehr gebe. Dabei sei es nicht um Fragen der politischen Orientierung gegangen, sondern schlicht um unangemessenes Benehmen des Antragstellers. Dieser habe z.B. an einem Stammtisch gebrüllt und Mitglieder der Partei bedroht. Die Situation sei wegen dessen ständiger verbaler Angriffe gegen Mitglieder und Vorstände seit Monaten völlig vergiftet. Die weitere Zusammenarbeit mit dem Antragsteller sei völlig unmöglich geworden.

Nach der Einladung zur Sitzung vom 14. Juni 2017 sei mit weiterer E-Mail des Fraktionsmitglieds T. mitgeteilt worden, dass ein Tagesordnungspunkt der Ausschluss des Antragstellers sein solle. Daraufhin habe der Antragsteller mit seiner E-Mail vom 15. Juni 2017 reagiert. In der Sitzung vom 17. Juni 2017 sei dem Fraktionsvorsitzenden der Antragsgegnerin aufgegeben worden, mit dem Antragsteller ein Gespräch zu führen. In diesem Gespräch sei dem Antragsteller mitgeteilt worden, dass das Verhältnis zu der überwiegenden Anzahl der Mitglieder der Antragsgegnerin zerrüttet sei und dass in der nächsten Fraktionssitzung der Ausschluss des Antragstellers im Raume stehe. Bei der Suche nach einem Termin für die nächste Fraktionssitzung habe der Antragsteller am 20. Juli 2017 mitgeteilt, dass er am 30. Juli 2017 aus familiären Gründen nicht könne. Ihm sei eine Frist gesetzt worden bis zum 28. Juli 2017, einen Ausweichtermin zu benennen. Ansonsten werde die Fraktionssitzung stattfinden. Der Antragsteller habe keinen Ausweichtermin benannt. Er habe folgendes mitgeteilt:

„Nein kein Widerspruch. Eine Rechenfolge an dem Tag 08./09./10. August habe ich 3 Tage frei. Mein 1. Wochenende nach G 20, wenn du so willst.“

Der Vorsitzende der Antragsgegnerin habe daraufhin mitgeteilt:

„Ab 8.8.2017 wird es für einige problematisch“.

Daraufhin sei keine weitere Reaktion erfolgt. Abgesehen davon, dass die SMS des Antragstellers unverständlich gewesen sei, habe er keinen Ersatztermin nach dem 10. August mitgeteilt.

Es lägen sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen für einen Fraktionsausschluss vor. Es sei unschädlich, dass in der E-Mail vom 27. Juli 2017 der Ausschluss des Antragstellers aus der Fraktion nicht unter Tagesordnungspunkt 2 genannt worden sei. Die E-Mail vom 27. Juli 2017 des Fraktionsmitglieds T. sei sämtlichen Fraktionsmitgliedern übersandt worden. Hieraus könne nur geschlossen werden, dass dieser Antrag Bestandteil der Tagesordnung in der Fraktionssitzung vom 30. Juli 2017 habe werden sollen. Es sei unzweifelhaft gewesen, über was am 30. Juli 2017 habe beschlossen werden sollen. Dies habe der Antragsteller auch erkannt, der nur ca. 2 Stunden nach der Übermittlung des Antrages des Herrn T. seine Stellungnahme abgegeben habe. Seit dem 14. Juni 2017 sei dem Antragsteller bekannt gewesen, dass die Möglichkeit des Ausschlusses bestehe. Ein ausdrücklich mit „Fraktionsausschluss“ bezeichneter Tagesordnungspunkt sei nicht erforderlich gewesen. Die Einladung per E-Mail habe der üblichen Vorgehensweise der Kreistagsfraktion entsprochen. Auch entspreche es der Praxis der Antragsgegnerin, dass sich die Mitglieder jeweils über Ort und Zeit der nächsten Sitzung mündlich verständigten. Teilweise seien Fraktionssitzungen innerhalb eines Tages abgehalten worden. Es sei üblich gewesen, kurzfristig zu Sitzungen einzuladen.

Das Anhörungsrecht des Antragstellers sei gewahrt worden, denn er habe in seiner E-Mail vom 27. Juli 2017 umfassend Stellung zu dem Ausschlussantrag genommen. Es treffe nicht zu, dass die Begründung für den tatsächlichen Fraktionsausschluss von den Gründen des Antrages des Herrn T. abweiche. Entscheidend sei für Herrn T. gewesen, dass eine Zusammenarbeit mit dem Antragsteller nicht mehr zumutbar sei. Er weise darauf hin, dass eine Fraktionsarbeit durch das Verhalten des Antragstellers lahmgelegt und die Fraktion nicht arbeitsfähig sei. Lese man die Ausführungen in dem Sitzungsprotokoll zu Tagesordnungspunkt 2 im Zusammenhang, so seien keine wesentlichen Abweichungen zur Begründung des Antrages des Herrn T. erkennbar.

Das Anwesenheitsrecht des Antragstellers sei nicht verletzt worden. Er sei ordnungsgemäß zur Fraktionssitzung eingeladen worden. Die notwendigen Mehrheitsverhältnisse für den Ausschluss des Antragstellers seien erreicht gewesen. Ein einstimmiger Beschluss sei nicht erforderlich. Nicht einmal eine Zweidrittelmehrheit sei geboten. Selbst wenn man diese fordern sollte, könne es nur auf eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder ankommen. Dieses Quorum sei erfüllt gewesen. Auch das Begründungserfordernis sei erfüllt. Die Begründung für den Ausschluss ergebe sich aus dem Protokoll der Fraktionssitzung vom 30. Juli 2017. Sowohl aus der Vorgeschichte als auch aus der Begründung zum Fraktionsausschluss ergäben sich die Hintergründe. Dem Antragsteller seien die Gründe auch noch einmal in einem Telefongespräch zwischen dem Fraktionsvorsitzenden und dem Antragsteller so mitgeteilt worden, wie es sich aus dem Protokoll ergebe. Eine weitere schriftliche Begründung sei nicht erforderlich. Wenn sich der Antragsteller auf formelle Verfahrensverstöße berufe, widerspreche das dem Rechtsgedanken des § 242 BGB. Der Antragsteller habe gewusst, dass ein Fraktionsausschluss spätestens seit dem 17. Juni 2017 bevorgestanden habe. Er habe Kenntnis von der Tagesordnung gehabt und auch von dem Eilantrag des Fraktionskollegen. Er sei schließlich selbst von erheblichen Spannungen und Verwerfungen in der Fraktion ausgegangen.

Auch materiell seien die Voraussetzungen für einen Fraktionsausschluss gegeben. Es liege ein wichtiger Grund vor, denn das für die Fortsetzung der engen politischen Zusammenarbeit in einer Fraktion erforderliche gegenseitige Vertrauensverhältnis zwischen den Fraktionsmitgliedern sei nachhaltig gestört. Ein wichtiger Grund stelle auch die strafrechtliche Verurteilung des Antragstellers dar. Diese erstrecke sich im Bewusstsein der Öffentlichkeit auch auf die Arbeit der Fraktion. Ein Fraktionsmitglied sei durch den Antragsteller in den Vorwurf des Vorstoßes gegen § 106 Urheberrechtsgesetz mit einbezogen worden. Dieses Verhalten des Antragstellers habe zu einer nicht mehr heilbaren Zerrüttung in der Fraktion geführt, weil der Antragsteller dies nicht klargestellt und keine Entschuldigung abgegeben habe.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei beachtet worden, denn bereits in der Fraktionssitzung am 17. Juni 2017 sei der Antragsteller darauf hingewiesen worden, dass ihm ein Fraktionsausschluss drohe, wenn er sein Verhalten nicht ändere. Darüber hinaus habe die Vorsitzende der E. im Landkreis F. Vermittlungsversuche getätigt, die nicht erfolgreich gewesen seien. Als letztes Mittel sei nur noch der Fraktionsausschluss geblieben. Die von den Bürgern gewählte Fraktion werde handlungsunfähig, wenn sich die überwiegende Anzahl der weiteren Fraktionsmitglieder gegen eine Zusammenarbeit mit dem Antragsteller wehrten. Dies werde der rechtlichen und politischen Funktion einer Fraktion einem Kreistag nicht gerecht.

Auch die Einwände des Antragstellers in materiell rechtlicher Hinsicht verstießen gegen den Rechtsgedanken des § 242 BGB. Der Antragsteller wisse genau, dass eine weitere Zusammenarbeit mit der überwiegenden Anzahl der Mitglieder der Fraktion nicht möglich sei. Er müsse damit rechnen, dass er auch in dem Fall, dass er in dem vorliegenden Verfahren obsiegen werde, erneut ausgeschlossen werde. Letztendlich sei sein Verfahren als mutwillig zu bezeichnen.

Es fehle weiter an einem Anordnungsgrund. Selbst wenn das erkennende Gericht dem Begehren des Antragstellers folgen werde, werde es in jedem Fall wieder zu einem Fraktionsausschluss kommen, weil das Verhältnis zwischen den Beteiligten vollkommen zerrüttet sei. Es sei auch zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller auch als fraktionsloser Abgeordneter nach wie vor eine Rede- und Antragsrecht zu stehe.

Zuletzt sei der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig, weil er auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinauslaufe. Diese sei hier nicht gerechtfertigt, denn wesentliche Statusrechte des Antragstellers würden nicht verletzt. Ihm sei zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Vorwegnahme einer Hauptsache zur Arbeitsunfähigkeit der Antragsgegnerin führen würde. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Mitgliedschaft für Abgeordnete in einer kommunalen Vertretung nicht die gleiche Bedeutung für die Mandatsausübung habe, wie für Abgeordnete staatlicher Parlamente, da grundlegende Statusrechte, insbesondere das Rede- und Antragsrecht - auch fraktionsunabhängig ausgeübt werden könnten. Der Antragsteller habe die von ihm behaupteten Tatsachen auch nicht glaubhaft gemacht.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen und den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen Bezug genommen. Dem Gericht haben die Artikel „E. -Kommunalpolitiker wegen Fake Flyer verurteilt“ (X. Tageblatt vom 1. Juni 2017) und „E. -Mitglieder widersprechen“ (X. Tageblatt 9. Juni 2017) vorgelegen.

II.

Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat auf der Grundlage des § 123 Abs. 1 VwGO Erfolg. Dabei geht das Gericht ungeachtet des Wortlaut des Antrages (Blatt 2 der Antragsschrift) davon aus, dass der Antragsteller die Teilnahme an „den Sitzungen“ der Antragsgegnerin begehrt. Dies zeigt die Begründung seines Antrags, an dessen Wortlaut das Gericht nicht gebunden ist (§ 88 VwGO).

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß den §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO hat der Antragsteller sowohl die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) als auch seine materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.

Die Voraussetzungen zum Erlass einer einstweiligen Anordnung in dem beantragten Umfang liegen vor.

Dem Antragsteller kann zunächst nicht mit Erfolg der Einwand eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegengehalten werden. Allein der Umstand, dass die Antragsgegnerin - wie sie vorträgt - auf jeden Fall erneut einen Ausschluss des Antragstellers beabsichtigt, führt nicht zur Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs des Antragstellers.

Dem Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung steht weiter nicht das sog. Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache entgegen. Dieses beinhaltet den Grundsatz, dass eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO regelmäßig nur eine vorläufige Regelung treffen und nicht in vollem Umfang das gewähren darf, was der Antragsteller in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Hier kann offen bleiben, inwieweit der Antrag des Antragstellers, der (lediglich) auf vorläufige Teilnahme an den Sitzungen der Antragsgegnerin gerichtet ist, dasjenige vorwegnimmt, was der Antragsteller in seinem Klageverfahren begehrt. Trotz einer (teilweisen) Vorwegnahme der Hauptsache ist eine einstweilige Anordnung nämlich dann zu erlassen, wenn effektiver Rechtsschutz anderenfalls nicht gewährt werden könnte. Das ist der Fall, wenn ohne die vorläufige Regelung für den Antragsteller unzumutbare Nachteile entstehen, die im Hauptsacheprozess nicht mehr beseitigt werden könnten, und wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg des Begehrens in einem möglichen Klageverfahren spricht (BVerwG, Beschl. v. 26.11.2013 - 6 VR 3/13 -, juris). Diese Grundsätze sind auch auf Anträge nach § 123 VwGO im sog. Kommunalverfassungsstreitverfahren anzuwenden, weitere Anforderungen sind auch nicht im Hinblick darauf zu stellen, dass dort nicht um die Durchsetzung von Individualrechten gestritten wird, sondern über innerorganisatorische Kompetenzen (vgl. Nds.OVG, Beschl. v. 3.12.2015 - 10 ME 46/15 -; a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 29.11.1988 - 15 B 3259/88 -, juris und Beschl. v. 20.7.1992 - 15 B 1643/92 -, juris).

Hier ist es auch mit Rücksicht auf die geltend gemachten Interessen der Antragsgegnerin erforderlich, die beantragte einstweilige Anordnung zu Gunsten des Antragstellers zu erlassen, um unzumutbare Nachteile von diesem abzuwenden. Durch den Ausschluss aus der Fraktion wird er daran gehindert, an der Fraktionsarbeit mitzuwirken, insbesondere kann er an den bevorstehenden Fraktionssitzungen nicht teilnehmen, wodurch ihm wesentliche Informations- und Einflussmöglichkeiten genommen werden (vgl. auch Hess.VGH, Beschl. v. 13.12.1989 - 6 TG 3175/89 -, juris). Dies kann ihm für die Dauer des Klageverfahrens nicht zugemutet werden, weil er nach gegenwärtig erkennbarer Sachlage im Klageverfahren voraussichtlich obsiegen wird.

Der Beschluss vom 30. Juni 2017, mit dem die Antragsgegnerin den Antragsteller aus der Fraktion ausgeschlossen hat, ist formell rechtswidrig. Auch wenn - wie hier - eine Geschäftsordnung nicht vorhanden ist, die Regeln zum Fraktionsausschluss enthält, sind an das Zustandekommen eines Beschlusses, der einen derartigen Ausschluss bewirkt, formelle Anforderungen zu stellen, die sich aus dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip ergeben (Nds.OVG, Beschl. v. 14.6.2010 - 10 ME 142/09 -, juris; Wefelmeier, in Blum u.a., Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, NKomVG, Stand September 2016 § 57 Rn. 39 ff).

Allerdings führt nicht bereits zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin, dass in der Tagesordnung zur Sitzung vom 30. Juli 2017 ein Fraktionsausschluss des Antragstellers nicht ausdrücklich als Tagesordnungspunkt benannt wurde. Wenn über einen Fraktionsausschluss entschieden werden soll, ist dies zwar allen Mitgliedern der Fraktion in der Ladung zur Sitzung so rechtzeitig mitzuteilen, dass sie sich sachgerecht vorbereiten können (Wefelmeier, in Blum u.a., Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, NKomVG, Stand September 2016 § 57 Rn. 43; Blum, in Blum/Häusler/Meyer, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, § 57 Rn. 32 jeweils m.w.N.). Wenn auch das Wort „Ausschluss“ nicht ausdrücklich genannt werden muss, muss dennoch aus der Ladung eindeutig hervorgehen, dass über einen Ausschluss entschieden werden soll. Erforderlich ist auch, dass die Ausschlussgründe, auf die der Antrag gestützt ist, mitgeteilt werden. Sinn ist, dass eine sachgerechte Vorbereitung aller Fraktionsmitglieder gewährleistet ist (zum Vorstehenden: Wefelmeier, in Blum u.a., Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, NKomVG, Stand September 2016 § 57 Rn. 43, Blum in Blum/Häusler/Meyer, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, § 57 Rn. 32). Zur sachgerechten Vorbereitung gehört dabei auch, dass die Fraktionsmitglieder in der Lage sind zu entscheiden, ob sie an der Sitzung teilnehmen werden.

Durch die Übersendung des Antrags des Fraktionsmitglieds T. vom 27. Juli 2017 in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 2 der Ladung vom 25. Juli 2017 war hier eindeutig erkennbar, dass sich die Antragsgegnerin mit einem Ausschluss des Antragstellers aus den in dem Antrag vom 27. Juli 2017 genannten Gründen befassen würde. Darauf, dass zunächst die Entscheidung zu treffen war, ob der Antrag zu Tagesordnungspunkt 2 zugelassen wurde, kommt es dabei nicht an. Unerheblich ist auch die Frage, ob die Übersendung drei Tage vor der geplanten Sitzung als rechtzeitig anzusehen ist. Denn die ausführliche Äußerung des Antragstellers in seiner E-Mail vom gleichen Tage zeigt, dass er in der Lage war, sich mit diesem Thema zu befassen.

Dem Antragsteller ist aber nicht - wie es erforderlich gewesen wäre - hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Aus rechtsstaatlichen Gründen ist dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu dem geplanten Ausschluss aus der Fraktion vor der Entscheidung der Fraktionsversammlung zu äußern. Dazu gehört auch, dass ihm in der Versammlung vor ihrer Beratung und Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu allen geltend gemachten Ausschlussgründen eingeräumt wird (Blum, in Blum/Häusler/Meyer, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, § 57 Rn. 31 m.w.N.; Wefelmeier, in Blum u.a., Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, NKomVG, Stand September 2016 § 57 Rn. 44). Die Kammer lässt offen, ob in jedem Fall eine Entscheidung über den Ausschluss nicht möglich ist, wenn der Betroffene in der Versammlung nicht anwesend ist (so allerdings u.a. Wefelmeier, a.a.O. m.w.N. zur Rechtsprechung) oder ob Ausnahmen denkbar sind, wenn diesem auf anderen Wegen hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden ist und er sich zu sämtlichen Ausschlussgründen äußern konnte und geäußert hat. So lag es hier nämlich nicht. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass sich die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung über seinen Ausschluss nicht allein auf die Gründe gestützt hat, die das Fraktionsmitglied T. in seinem Schreiben vom 27. Juli 2017 angeführt hat.

Darin heißt es:

„Nachdem. N. durch unwahre Behauptungen, wenn auch ohne Namensnennung, Mandatsträger der E., darunter ein Mitglied der Fraktion, öffentlich bloßgestellt hat, ist eine Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar.

Es ist der Eindruck entstanden, dass. N. aus taktischen Erwägungen Fraktionssitzung durch angebliche Terminschwierigkeiten zu verhindern sucht oder seine Teilnahme verweigert. Es kann nicht sein, dass ein einzelnes Fraktionsmitglied die Arbeit der Fraktion durch ein solches Verhalten lahmlegt. Eile ist geboten, damit die verbleibende Fraktion wieder arbeitsfähig wird.“

Die Begründung für den Ausschluss nennt diese Gründe weder ausdrücklich, noch nimmt sie darauf Bezug, wenn es hierzu im Protokoll heißt:

„Die Fraktion möchte nach wochen- und monatelanger Beschäftigung mit dem Problem. N. endlich zur politischen Arbeit zurückkehren. Initiativen zur politischen Arbeit in der Kreistagsfraktion waren von. N. bisher nicht erkennbar.“

Schon in diesen Ausführungen wird ein Vorwurf aufgegriffen, zu dem sich der Antragsteller vor der Entscheidung nicht äußern konnte, nämlich, dass von ihm bislang keine Initiativen zur politischen Arbeit in der Kreistagsfraktion ausgegangen seien. Anders als die Antragsgegnerin meint, rechtfertigt auch die Zusammenschau dieser „Begründung“ mit den Ausführungen zur „Vorgeschichte“ in dem Protokoll nicht die Annahme, dem Antragsteller sei hinreichend rechtliches Gehör zu den Ausschlussgründen gewährt worden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Ausführungen zur „Vorgeschichte“ lassen vielmehr darauf schließen, dass die Versammlung auch andere als die von dem Fraktionsmitglied T. vorgebrachten Vorwürfe gesehen hat, denn dort wird von „lang andauernden Problemen und Meinungsverschiedenheiten“ gesprochen und weiter das „Verhalten“ des Antragstellers „in den letzten Tagen und Wochen“ pauschal bemängelt.

Die Kammer hält es überdies im Hinblick auf den Vortrag der Antragsgegnerin in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für überwiegend wahrscheinlich, dass der Ausschluss des Antragstellers auch auf Gründe gestützt wurde, zu denen der Antragsteller zuvor keine hinreichende Gelegenheit zur Äußerung hatte. Dabei kann es im Verfahren vor dem erkennenden Gericht allerdings nur auf Gründe ankommen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung der Antragsgegnerin vorgelegen haben. In ihrer Antragserwiderung führt die Antragsgegnerin dabei die „Uneinsichtigkeit des Antragstellers im Hinblick auf den von ihm entworfenen Wahlkampfflyer“ als „wesentliche(n) Punkt für den Ausschluss“ an, was nicht deckungsgleich mit dem Vorwurf ist, der Antragsteller habe Mandatsträger der E. - darunter ein Fraktionsmitglied „öffentlich bloßgestellt“. Der Gebrauch des Wortes „auch“ in diesem Zusammenhang zeigt, dass die anwesenden Mitglieder der Antragsgegnerin noch weitere Ausschlussgründe gesehen haben. Diese benennt die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung, indem sie angibt, mit dem Antragsteller habe es schon bei der konstituierenden Fraktionssitzung am 14. Oktober 2016 die ersten Auseinandersetzungen gegeben. Nachdem er nicht zum Fraktionsvorsitzenden gewählt worden sei, hätten sich wochenlange Diskussionen um die Besetzung der Ausschüsse ergeben. Nicht nur in der Fraktion, sondern auch im Kreisvorstand der E. F. habe es Auseinandersetzungen gegeben, weil sich der Antragsteller nicht an abgestimmte Regeln habe halten wollen. Es hätten große Befürchtungen bestanden, dass durch den Antragsteller schädliche Pressemeldungen an die Öffentlichkeit gegeben werden. Zu der Frage der Presseveröffentlichungen habe es massive Meinungsverschiedenheiten gegeben. Nach einem Vorstandsbeschluss hätten diese über den Pressesprecher des Kreisverbandes herausgegeben werden sollen. Dem habe sich der Antragsteller nicht unterwerfen wollen. Die Auseinandersetzung über diese Frage habe sich auch auf die Kreistagsfraktion übertragen. Auch hier habe der Antragsteller immer wieder die Meinung vertreten, er könne ohne Rücksprache mit der Fraktion im Hinblick auf die Öffentlichkeitsarbeit selbstständig tätig werden.

Der Umstand, dass diese Ausführungen in der Antragserwiderung unter der Überschrift „Sachverhalt“ gemacht werden, entkräftet den Eindruck nicht, dass auch diese geltend gemachten Umstände zu dem Ausschluss des Antragstellers geführt haben. Im Rahmen der Ausführungen der Antragsgegnerin zu den Ausschlussgründen (Seite 12 des Schriftsatzes vom 6. November 2017) wird über die vorgetragenen Umstände hinaus als wichtiger Grund für einen Ausschluss des Antragsstellers die strafrechtliche Verurteilung genannt, die sich im Bewusstsein der Öffentlichkeit auch auf die Arbeit der Fraktion erstrecke. Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller Gelegenheit hatte, zu allen diesen ihm vorgeworfenen Umständen Stellung zu nehmen.

Da der Beschluss der Antragsgegnerin, den Antragsteller aus der Fraktion auszuschließen, nach allem nicht im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens ergangen ist, kommt es für die Entscheidung des Gerichts nicht darauf an, ob die Entscheidung der Antragsgegnerin materiell zu beanstanden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG.