Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.09.2009, Az.: 2 A 254/07
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 22.09.2009
- Aktenzeichen
- 2 A 254/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44107
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2009:0922.2A254.07.0A
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Sparbriefe sind demjenigen als Vermögen zuzurechnen, der in ihnen als Forderungsinhaber ausgewiesen ist.
- 2.
Freistellungsaufträge zu unterschreiben, ohne sich darum zu kümmern, welche Vermögenswerte dahinterstehen, begründet den Vorwurf grober FahrlässigkeitAus dem Entscheidungstext
Tatbestand:
Der am ... geborene Kläger studierte seit dem Wintersemester 2002/2003 an der Fachhochschule F./G./D. Bauingenieurwesen. Er beantragte am 23. Dezember 2002, 19. November 2003 und 25. Juni 2004 bei dem in Ausbildungsförderungsangelegenheiten namens und im Auftrag der Beklagten handelnden Studentenwerk D. Ausbildungsförderungsleistungen. Angaben zu vorhandenem Vermögen machte der Kläger in seinen Anträgen jeweils nicht. Daraufhin bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 28. Februar 2003 für den Bewilligungszeitraum Dezember 2002 bis August 2003 Ausbildungsförderungsleistungen in Höhe von insgesamt 2 601,00 €, mit Bescheid vom 30. Januar 2004 für den Bewilligungszeitraum November 2003 bis August 2004 in Höhe von insgesamt 1 664,00 € und mit Bescheid vom 31. August 2004 für den Bewilligungszeitraum September 2004 bis Juni 2005 in Höhe von insgesamt 2 910,00 €. Insgesamt erhielt der Kläger von Dezember 2002 bis Juni 2005 Leistungen in Höhe von 7 175,00 €.
In den Jahren 2004 und 2005 erfuhr die Beklagte durch Mitteilungen des vormaligen Bundesamtes für Finanzen davon, dass der Kläger in den Jahren 2002 bis 2004 der Raiffeisenbank e.G.H., der I. Sparkasse J. und der Deutschen Bank I. Freistellungsaufträge erteilt hatte. Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger dieser daraufhin mit, es gebe auf seinen Namen lautende Forderungen gegen verschiedene Kreditinstitute. So habe er bei der Sparkasse I. mit der Kontonummer ... ein Girokonto. Ein weiteres Konto mit der Nummer ... habe dort bis zum August 2003 dort bestanden. Ferner gebe es bei der Raiffeisenbank eG H. zwei auf seinen Namen ausgestellte Sparbriefe mit den Kontonummern ... und .... Die o.a. Freistellungsaufträge hat nach seiner Volljährigkeit der Kläger selbst unterzeichnet. Die hieraus insgesamt resultierenden Forderungen betrugen am 23. Dezember 2002 16 901,54 €, am 19. November 2003 18 490,91 € und am 25. Juni 2004 16 469,52 €. Auf die Antragsdaten 19. November 2003 und 25. Juni 2004 berücksichtigte die Beklagte zunächst zu Lasten des Klägers auch eine Summe aus dem im August 2003 aufgelösten Konto bei der Sparkasse I. mit der Nummer .... Hiervon ist die Beklagte in der mündlichen Verhandlung abgerückt, nachdem der Kläger darlegen konnte, wohin die Gelder geflossen sind. Auf den Antragszeitpunkt 19. November 2003 ergibt sich somit rechnerisch richtig ein Vermögensbetrag von lediglich noch 13 425,57 €. Der Vermögensbetrag auf den Antragszeitpunkt 25. Juni 2004 beträgt rechnerisch richtig 10 497,88 €. Die Aufstellung der Beklagten (Bl. 106 der Beiakten A) ist nicht nur um den nun auch aus ihrer Sicht zu Unrecht fortgeführten Betrag in Höhe von 5 065,34 € zu korrigieren ist, sondern auch insofern als die Beklagte bezüglich des Girokontos bei der Sparkasse I. wohl aufgrund eines Übertragungsfehlers von einem Guthaben in Höhe von 453,15 € ausgegangen ist, obwohl es sich um einem Sollbetrag gehandelt hat.
Im Rahmen der Anhörung gab der Kläger an, von den Sparbriefen bei der Raiffeisenbank H. eG nichts gewusst zu haben. Sein Vater habe diese Briefe aus eigenem Vermögen angelegt und auch verwaltet. Er, der Kläger, habe erst durch die Beklagte von diesen Forderungsbeträgen Kenntnis erhalten.
Mit Bescheid vom 30. März 2007 nahm die Beklagte die Bewilligungsbescheide vom 28. Februar 2003, 30. Januar und 31. August 2004 zurück und setzte die dem Kläger zustehende Ausbildungsförderungsleistungen jeweils auf 0,00 € fest. Gleichzeitig forderte sie von ihm zuviel gezahlte Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum Dezember 2002 bis August 2003 in Höhe von 2 601,00 €, den Bewilligungszeitraum November 2003 bis August 2004 in Höhe von 1 664,00 € und für den Bewilligungszeitraum September 2004 bis Juni 2005 in Höhe von 2 910,00 €, insgesamt also Leistungen in Höhe von 7 175,00 € zurück. Zur Begründung gab sie an, der Kläger sei Inhaber der Forderungen gewesen, die in ihrer Höhe Ausbildungsförderungsleistungen auch unter Berücksichtigung des gesetzlichen Freibetrages ausschlössen. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen, weil er es grob fahrlässig unterlassen habe, vollständige Angaben über seine Vermögensverhältnisse zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass es ausnahmsweise geboten sei von der Rückforderung abzusehen, seien vom Kläger nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich.
Dieser Bescheide wurde bestandskräftig.
Am 12. November 2007 beantragte der Kläger, nunmehr vertreten durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, den Bescheid vom 30. März 2007 gemäß § 44 SGB X aufzuheben.
Zur Begründung führte der Kläger an, ihm hätten die Guthaben der Sparbriefe der Raiffeisenbank H. nicht zugestanden; Forderungsinhaber sei vielmehr sein Vater. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. November 2007 ab. Sie habe das Recht durch ihren Bescheid vom 30. März 2007 nicht unrichtig angewendet, so dass eine Aufhebung dieses Bescheides nach § 44 SGB X nicht in Betracht komme.
Hiergegen hat der Kläger am 20. Dezember 2007 Klage erhoben.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Im Innenverhältnis sei ausschließlich sein Vater, von dem der Vermögensstamm herrühre allein verfügungsberechtigt über die Forderungen gewesen, die in den Sparbriefen bei der Raiffeisenbank H.e.G. verbrieft waren. Da er von diesen Briefen keine Kenntnis gehabt habe, habe er keine vorsätzlichen Falschangaben machen können. Zwar habe er die Freistellungsaufträge auch für diese Sparbriefe unterschrieben; dies sei jedoch auf Vorlage durch seinen Vater quasi zwischen Tür und Angel geschehen. Er habe seinem Vater in diesen Finanzdingen vertraut und keinen Anlass gesehen nachzufragen, was es damit auf sich habe.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. November 2007 zu verpflichten, den Bescheid vom 30. März 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem klägerischen Vorbringen in der Sache entgegen. Sie weist insbesondere daraufhin, dass der Kläger bei der summenmäßigen Aufstockung der Sparbriefe am 21. März 2001 und am 17. März 2003 mitgewirkt haben müsse, da diese Aufstockung nach Eintritt seiner Volljährigkeit erfolgt sei. Ferner habe er die Freistellungsaufträge erteilt. Ein Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Vater liege nicht vor. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen, da er jedenfalls von den in 2001 und 2003 eröffneten Konten Kenntnis gehabt haben müsse.
Der Kläger ist vom Landgericht Göttingen in zweiter Instanz vom Vorwurf des Betruges mit Urteil vom 27. Januar 2009 (Az.: 33 Js 17432/07) freigesprochen worden. Zur Begründung führte das Gericht an, die durch Sparbrief dokumentierten Forderungen seien wirtschaftlich Vermögen des Vaters des Klägers gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Strafverfahrens wird auf die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Göttingen zu dem genannten Aktenzeichen verwiesen.
Der Kläger ist in mündlicher Verhandlung informatorisch angehört worden. Ferner ist der Vater des Klägers zu der Frage, welche Kenntnis der Kläger von den auf seinen Namen angelegten Vermögensgegenständen hatte, als Zeuge vernommen worden. Wegen der Einzelheiten der Einlassungen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die beigezogenen Strafakten der Staatsanwaltschaft Göttingen Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur im tenorierten Umfang begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 30. März 2007 gegen die Beklagte nur insoweit als sie von ihm mehr als 5 755,00 Euro zurückfordert. Nur in Höhe des Differenzbetrages zu den bisher zurückgeforderten 7 175,00 Euro liegen die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X vor.
§ 44 Abs. 1 SGB X findet auf das Begehren des Klägers, einen Rückforderungsbescheid über Sozialleistungen aufzuheben analog Anwendung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.11.1990 - 5 C 78/88 -, BVerwGE 87, 103 [BVerwG 15.11.1990 - 5 C 78.88]).
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X liegen nur im tenorierten Umfang vor. Nur soweit die Beklagte vom Kläger mehr als 5 755,00 € fordert und insoweit ergangene Bewilligungsbescheide zurücknimmt, hat sie das Recht unrichtig angewendet.
Zu Recht hat die Beklagte dem Grunde nach die dem Kläger erteilten Ausbildungsförderungsbewilligungsbescheide zurückgenommen und geleistete Förderbeiträge zurückgefordert.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist § 45 SGB X. Rechtsgrundlage für die Rückforderung der zuviel gewährten Ausbildungsförderung ist, soweit die Voraussetzungen des § 45 SGB X vorliegen, § 50 SGB X. Gemäß § 45 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der, wie hier die von der Beklagten aufgehobenen Bewilligungsbescheide für Ausbildungsförderung, einen rechtlichen Vorteil begründet, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
Die ursprüngliche Leistungsbewilligung ist im Umfang von 5 755,00 € rechtswidrig gewesen, weil der Kläger über anzurechnendes Vermögen verfügt hat (§ 26 BAföG), das einer Leistung von Ausbildungsförderung entgegenstand. Der Kläger war an den jeweiligen Antragszeitpunkten, dem 23. Dezember 2002, dem 19. November 2003 und dem 25. Juni 2004 Inhaber von Vermögenswerten, nämlich in Form von Forderungen nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 BAföG. Lediglich die von der Beklagten angenommene Höhe bedarf der Korrektur, was für den Bewilligungszeitraum September 2004 bis Juni 2005 (Antragszeitpunkt 25. Juni 2004) zu einer Verringerung der Rückforderungssumme führt.
Unstreitig ist der Kläger Inhaber der Girokontoforderungen bei der Sparkasse Kassel gewesen. Entscheidend ist gem. § 28 Abs. 2 und 4 BAföG die Forderungshöhe am jeweiligen Antragszeitpunkt. Ob es sich bei dem Guthaben um Beträge handelt, die für den Lebensunterhalt gedacht waren, ist rechtsunerheblich. Es ergeben sich somit folgende Werte:
Am 23. Dezember 2002 1 304,44 €, am 19. November 2003 2 737,87 € und am 25. Juni 2004 -453,15 €.
Auch das auf den Namen des Klägers laufende Konto bei der Sparkasse I. mit der Nummer ... ist sein Vermögenswert. Das Guthaben betrug am 23. Dezember 2002 5 065,34 €. Es ist danach im August 2003 aufgelöst worden und kann dem Kläger zu den Zeitpunkten 19. November 2003 und 25. Juni 2004 entgegen der bisherigen Rechtsauffassung der Beklagten nicht mehr zugerechnet werden. Der Kläger konnte in der mündlichen Verhandlung glaubhaft den Verbleib dieser Gelder bekunden.
Entgegen der Auffassung des Klägers sind ihm auch die von seinem Vater auf seinen Namen angelegten Sparbriefe bei der Raiffeisenbank H.e.G. als eigenes Vermögen zuzurechnen.
Das Bundesausbildungsförderungsgesetz trifft keine eigenständige Regelung dahin, was eine Forderung im Sinne von § 27 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BAföG ist. Insofern ist allein das Zivilrecht maßgebend (BVerwG, Urteil vom 04.09.2008 - 5 C 12/08 - NVwZ 2009, 395, 396 [BVerwG 04.09.2008 - BVerwG 5 C 12.08]).
Nach den mithin maßgeblichen zivilrechtlichen Grundsätzen sind Sparbriefe Namensschuldverschreibungen. Nur der in ihnen namentlich genannte Berechtigte oder sein Rechtsnachfolger ist befugt, die verbrieften Ansprüche geltend zu machen (BGH, Urteil vom 25.06.1987 - VIIII ZR 199/86 -, NJW-RR 1987, 1260 [BGH 25.06.1987 - IX ZR 199/86]; OLG Celle, Urteil vom 10.01.1990 - 3 U 45/89 -, NJW-RR 1991, 73 f.). Für die Rechtsinhaberschaft unmaßgeblich ist, ob der Vater des Klägers diesem Vermögen übertragen wollte oder nicht. Entscheidend ist allein, dass der Kläger Forderungsinhaber geworden ist. Da sein Vater ihn nach seinem eigenen Vorbringen nicht über die Vermögensanlage auf seinen Namen informiert hat, kann schon nach dem klägerischen Vorbringen nicht von einem Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Vater hinsichtlich dieser Forderungen ausgegangen werden. Es verbleibt damit - entgegen der nicht näher begründeten Auffassung des Landgerichts Göttingen in seinem Urteil vom 19. Januar 2009 - bei der zivilrechtlichen Zuordnung der entsprechenden Forderung zum Kläger.
Für den Sparbrief mit der Nummer ... ergeben sich damit folgende Werte:
Auf den 23. Dezember 2002 7 873,04 €, auf den 19. November 2003 7 900,00 € und auf den 25. Juni 2004 ebenfalls 7 900,00 €.
Der Sparbrief mit der Nummer ... valutierte an allen drei Stichtagen mit 2 658,72 €.
Unter Hinzurechnung eines kleineren Betrages auf einem Sparbuch bei der Raiffeisenbank H. ergeben sich danach auf die Antragszeitpunkte folgende Forderungssummen:
Auf den 23. Dezember 2002 16 901,54 €, auf den 19. November 2003 13 425,57 € und auf den 25. Juni 2004 10 497,88 €.
An den Stichtagen 19. November 2003 und 25. Juni 2004 ist von diesen Forderungen gem. § 28 Abs. 3 BAföG die bis dahin entstandene Rückforderung der Beklagten gegen den Kläger als Schuld abzuziehen. Dadurch vermindert sich das Vermögen auf den Stichtag 19. November 2003 um 2 601,00 € auf 10 824,57 € und am Stichtag 25. Juni 2004 um 3 871,00 € auf 6 626,88 €.
Die somit an den Stichtagen 23. Dezember 2002 und 19. November 2003 vorhandenen Vermögenswerte führen zu einem vollständigen Ausschluss des Klägers von Ausbildungsförderungsleistungen in den Bewilligungszeiträumen Dezember 2002 bis August 2004. Anders ist die Sachlage auf den Stichtag 25. Juni 2004. Unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG in Höhe von 5200,00 €, verbleibt auf den Stichtag lediglich ein anzurechnendes Vermögen in Höhe von 1 426,88 €. Diese Summe auf den 10-monatigen Bewilligungszeitraum September 2004 bis Mai 2005 verteilt ergibt ein monatlich anzurechnendes Vermögen in Höhe von 142,68 €. Den bisherigen Leistungsbetrag von 291,00 € um 142,00 € verringert, verbleibt dem Kläger ein monatlicher Förderungsanspruch in Höhe von 149,00 €. Dadurch verringert sich die Rücknahme- und Rückforderungssumme von 7 175,00 € auf 5 755,00 €. In diesem Umfang hat die Klage Erfolg.
Zu Unrecht beruft sich der Kläger hinsichtlich der verbleibenden Rückforderungssumme auf Vertrauensschutz. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der informatorischen Anhörung des Klägers steht für das Gericht fest, dass sich der Kläger gegenüber der Beklagten hinsichtlich der Rücknahme der ursprünglichen Bewilligungsbescheide nicht auf Vertrauensschutz berufen kann.
Gemäß § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte, wie hier der Kläger, erbrachte Leistungen verbraucht hat. Allerdings kann sich Satz 3 Nr. 2 der Vorschrift der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Der Kläger hat dadurch, dass er in den jeweiligen Antragsformularen keine Vermögenswerte eingetragen hat, mindestens grob fahrlässig falsche Angaben gemacht. Grob fahrlässig handelt, wer die im Rechtsverkehr objektiv erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist beim Kläger der Fall.
Der Kläger hat nach Eintritt seiner Volljährigkeit im Jahre 1998 den betroffenen Banken für sämtliche streitgegenständlichen Konten Freistellungsaufträge erteilt. Dieser Umstand hätte ihn vor der Beantragung staatlicher Unterstützungsleistungen veranlassen müssen nachzufragen, was es mit diesen Freistellungsaufträgen auf sich hat. In der von der Kammer geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Nds. Oberverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Auszubildende gehalten ist, dazu beizutragen, rechtswidrige Leistungen von Ausbildungsförderung an ihn zu vermeiden. Daraus ergibt sich u.a. die Verpflichtung, Bewilligungsbescheide zu prüfen und auf Überzahlungen zu achten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.05.2004 - 5 B 52/04 -). Diese Verpflichtung besteht aber nicht nur nach Erlass von bewilligenden Bescheiden, sondern bereits zuvor bei der Abgabe von Erklärungen zum Einkommen und Vermögen des Auszubildenden. Der Auszubildende hat die Obliegenheit, sich Klarheit über sein Vermögen zu verschaffen und hierzu ggf. seine Eltern oder das Ausbildungsförderungsamt zu befragen. Unterschreibt ein Auszubildender, wie der Kläger, Freistellungsaufträge für auf ihn eröffnete Konten, liegt eine solche Nachfrage besonders nahe, wenn sich aus der Höhe des Freistellungsauftrages das Vorhandensein weiteren Vermögens aufdrängt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 07.05.2009 - 4 LA 60/08 -; Urteil der erkennenden Kammer vom 06.12.2007 - 2 A 42/06 -). Der Kläger hätte sich mithin nicht damit begnügen dürfen, seinem Vater zu vertrauen, der in Behörden- und Finanzdingen der maßgebliche Mann in der Familie des Klägers war. Dies mag im "normalen" Rechtsverkehr in einer intakten Familie angängig sein, entspricht jedoch bei der Inanspruchnahme staatlicher Unterstützungsleistungen nicht den einfachsten Sorgfaltsanforderungen. Schon aus diesem Grunde ist dem Kläger daher grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Auf die Frage, ob sich ihm das Vorhandensein von Vermögen auch aufgrund seiner Mitwirkung bei der Neuanlage der Sparbriefforderungen in den Jahren 2001 und 2003 hätte aufdrängen müssen, kommt es daher rechtserheblich nicht mehr an.
Der Rückforderungsbescheid vom 30. März 2007 leidet, soweit er im Übrigen rechtmäßig ist, schließlich auch nicht an Ermessensfehlern. Die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte steht gemäß § 45 Abs. 1 SGB X im Ermessen der Sozialleistungsbehörde ("darf zurückgenommen werden"). Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Zu einer rechtmäßigen Ermessensausübung zählt insbesondere, dass die Verwaltungsbehörde alle für ihre Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte erkennt und in ihre Entscheidung einstellt. Dies hat die Beklagte hier in ausreichendem Maße getan. Insbesondere der Gesichtspunkt, dass öffentliche Mittel zweckentsprechend auszugeben sind, was im Ausbildungsförderungsrecht bedeutet, dass der Auszubildende vor der Inanspruchnahme solcher Mittel zunächst sein verwertbares Vermögen für seinen Unterhalt einzusetzen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Persönliche Gesichtspunkte, die ausnahmsweise eine abweichende Ermessensentscheidung rechtfertigen würden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind für das Gericht auch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.