Landgericht Oldenburg
v. 23.03.2001, Az.: 2 O 514/00
Sorgfaltspflichten des Fahrers eines Einsatzfahrzeuges bei der Inanspruchnahme von Sonderrechten im Rahmen eines Einsatzes; Nutzungsausfallentschädigung für ein Motorrad nach einem Verkehrsunfall
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 23.03.2001
- Aktenzeichen
- 2 O 514/00
- Entscheidungsform
- Teilurteil
- Referenz
- WKRS 2001, 32572
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2001:0323.2O514.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 7 StVG
- § 17 StVG
- § 3 PflVG
- § 823 Abs. 1 BGB
- § 35 Abs. 5a StVO
- § 38 Abs. 1 StVO
Fundstelle
- DAR 2002, 171-172 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Schadensersatz aus Verkehrsunfall
In dem Rechtsstreit
...
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2001
durch
den Vizepräsidenten des Landgerichts ... und
die Richterinnen am Landgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagten zu 1.-3. werden auf den Klageantrag zu 1) als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 7.489,60 DM nebst 4 % Zinsen auf 3.990,- DM seit dem 27.05.1999 und auf weitere 3.499,60 DM seitdem 11.10.1999 zu zahlen. Wegen der überschießenden Zinsforderung auf diesen Betrag wird die Klage abgewiesen.
In Höhe von 13.964,18 DM nebst anteiligen Zinsen wird die Klage abgewiesen.
Der Anspruch auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens ist dem Grunde nach zu 80 % gerechtfertigt.
Die Beklagten zu 2. und 3. werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 24.500,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11.10.1999 zu zahlen.
Es wird festgestellt, daß
die Beklagten zu 1.-3. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 80 % des aus dem Verkehrsunfall vom 27. Mai 1999 in Oldenburg, Am Stadtmuseum, künftig noch entstehenden materiellen Schadens zu zahlen, und daß
die Beklagten zu 2. und 3. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den aus dem Verkehrsunfall vom 27.05.1999 künftig noch entstehenden immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines Mithaftungsanteils des Klägers von 20 % zu ersetzen.
Die weitergehende Klage auf Schmerzensgeld nebst darauf bezogenen Zinsen und die über die Quote von 80 % hinausgehende Feststellungsklage werden abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 34.000,- DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall vom 27. Mai 1999 an der Kreuzung Am Stadtmuseum/Moslestraße in Oldenburg.
Am 27. Mai 1999 befuhr der Kläger gegen 4.15 Uhr in Oldenburg die Straße Am Stadtmuseum aus Richtung Pferdemarkt kommend auf seinem Motorrad, Marke Suzuki GSX-R 750 W in Richtung Staulinie. Dabei näherte er sich der Kreuzung Am Stadtmuseum/Moslestraße auf der linken Fahrspur der beiden Fahrstreifen, die in Fahrtrichtung Staulinie geradeaus zu befahren sind. Die Sicht des Klägers auf die Kreuzung und die links einmündende Moslestraße ist in einer Länge von ca. 50 Metern vor der Kreuzung durch einen Betonsockel, der mit Sträuchern bepflanzt ist und die vierspurige Straße Am Stadtmuseum nach Fahrtrichtungen trennt, beeinträchtigt. Die Ampelanlage Am Stadtmuseum zeigte für den Kläger Grünlicht. Aus der Moslestraße kam in diesem Moment das vom Beklagten zu 2.) geführte Rot-Kreuz-Fahrzeug der Marke VW-Golf mit dem amtlichen Kennzeichen OL-RK 234, dessen Halterin die Beklagte zu 1.) ist und das bei der Beklagten zu 3.) haftpflichtversichert ist. Die Lichtzeichenanlage an der Moslestraße zeigte für den Beklagten zu 2.) Rotlicht. Der Beklagte zu 2 befand sich auf einer Einsatzfahrt, um Blutkonserven für einen akuten Notfall zu holen. Im Kreuzungsbereich kam es auf der linken Fahrspur der Straße Am Stadtmuseum zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge, wobei der Kläger mit seinem Motorrad gegen die rechte Fahrzeugseite des Pkw VW-Golf fuhr. Durch den Aufprall wurde das Motorrad zerstört. Der zum Unfallzeitpunkt 36 Jahre alte Kläger wurde auf die Straße geschleudert und erlitt ein Polytrauma, eine offene Unterarmfraktur links mit aus dem Weichteilverband gelösten Knochenstücken, einen umfangreichen Kniebinnenschaden rechts, eine Fraktur des 5. Mittelhandknochens der linken Hand, Frakturen der 6. bis 8. Rippe und multiple Prellungen und Schürfungen. Er wurde zunächst auf der Intensivstation behandelt und befand sich vom 27. Mai bis 21. Juni 1999 stationär im Evangelischen Krankenhaus in Oldenburg. Eine erneute stationäre Behandlung fand dort vom 21. Juli bis 26. Juli 1999 statt. In der Zeit vom 23. Juni bis 4. August 1999 wurde er - mit Unterbrechung durch die stationäre Behandlung im Evangelischen Krankenhaus vom 21. Juli bis 26. Juli 1999 - stationär in der Rehabilitationsklinik Damp und vom 1. Dezember bis 11. Dezember 1999 stationär in der Rehabilitationsklinik Henriettenstiftung in Hannover behandelt. Er befindet sich sei dem Verkehrsunfall in ärztlicher Behandlung. Im Januar 2001 wurde die Metallentfernung durchgeführt. Das rechte Knie ist weiterhin geschwollen und die dort befindlichen Narben sowie eine Narbe am linken Unterarm sind dauerhaft. Es besteht zukünftig ein erhebliches Arthroserisiko im rechten Knie mit der Gefahr einer Versteifung. In welchem Umfang in Zukunft Krankenhausaufenthalte und weitere Operationen erforderlich sein werden, wodurch Fahrtkosten, Krankenhausbegleitkosten und vermehrte Bedürfnisse entstehen können, steht noch nicht fest. Die Beklagte zu 3. hat unter Zugrundelegung einer Haftung der Beklagten von 50 % einschließlich eines Schmerzensgeldvorschusses von 7.500,- DM 16.931,35 DM an den Kläger gezahlt.
Der Kläger behauptet, er habe den herannahenden Beklagten zu 2.) wegen der in der Straßenmitte Am Stadtmuseum vorhandenen Betonmauer mit dem darauf befindlichen Buschwerk in Höhe von insgesamt 2,50 bis 3,00 Meter nicht wahrnehmen können. Er selbst habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eingehalten. Der Beklagte zu 2.) habe das Blaulicht und Martinshorn erst beim Einfahren in die Kreuzung eingeschaltet. Der Kläger ist der Ansicht, daß ihm sämtliche Schäden aus dem Verkehrsunfall zu 100 % zu erstatten seien. Über den von der Beklagten zu 3.) gezahlten Betrag von 16.931,35 DM hinaus macht er für die Zeit bis zum 08.02.2000 Verdienstausfall in Höhe von 9.104,50 DM geltend. Er ist weiter der Ansicht, daß ihm Ersatz für die zerstörte Motorradbekleidung ohne Abzug eines Zeitwertes zusteht, und macht Nutzungsausfall (1.540,- DM) sowie einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 9.354,64 DM per 27.01.2000 geltend. Schließlich vertritt er die Auffassung, ein Schmerzensgeld von 40.000,- DM sei angemessen.
Der Kläger beantragt,
- 1.)
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 27.397,49 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Mai 1999 sowie weitere 1.540,- DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2000 zu zahlen,
- 2.)
die Beklagten zu 2.) und 3.) zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes, über bereits gezahlte 7.500,- DM hinausgehendes weiteres Schmerzensgeld, mindestens aber in Höhe von weiteren 32.500,- DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Mai 1999 zu zahlen,
- 3.)
festzustellen, daß die Beklagten zu 1.) bis 3.) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen zukünftigen, materiellen Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 27. Mai 1999 gegen 4.15 Uhr in Oldenburg im Bereiche der Kreuzung "Am Stadtmuseum" zu 100 % zu ersetzen sowie festzustellen, daß die Beklagten zu 2.) und 3.) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden aus dem zuvor erwähnten Unfallereignis zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Ansicht, sie hafteten nur zu 50 %, und behaupten, an dem Golf-PKW seien Martinshorn und Blaulicht bereits vor dem Einbiegen in die Moslestraße eingeschaltet gewesen. Zudem könne das Blaulicht aus 100 Meter Entfernung gesehen und das Martinshorn aus 200 Meter Entfernung gehört werden. Die Begrünung auf dem Betonsockel Am Stadtmuseum sei zum Unfallzeitpunkt lediglich 1,50-1,70 Meter hoch gewesen.
Die Beklagten bestreiten den geltend gemachten Verdienstausfall- und Haushaltsführungsschaden, einen den Betrag von 800,- DM übersteigenden Wert der Motorradbekleidung sowie einen Nutzungsausfallschaden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluß vom 12.01.2001 durch Vernehmung des Zeugen ... und Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. ... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 02.03.2001 Bezug genommen. Die Akten des Strafverfahrens des Amtsgerichts Oldenburg - 23 Cs 151/99 - waren zu Beweiszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist dem Grunde und der Höhe nach teilweise begründet.
Die Beklagten zu 1.-3. sind gemäß den §§ 7, 18, 17 StVG, 3 PflVG verpflichtet, dem Kläger 80 % seines materiellen Schadens zu ersetzen, die Beklagten zu 2. und 3. sind gemäß den §§ 847, 823 I BGB verpflichtet, dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von noch 24.500,- DM zu zahlen. In Höhe der überschießenden 20 % ist die Klage unbegründet und abzuweisen.
Den Beklagten zu 2 trifft ein überwiegendes Verschulden am Verkehrsunfall. Da die Lichtzeichenanlage an der Moslestraße für ihn Rotlicht zeigte, hatte er dem Kläger grundsätzlich gemäß § 37 I, II Ziff. 1 StVO die Vorfahrt zu gewähren. Der Beklagte zu 2 hat zwar auf der Einsatzfahrt die Sonderrechte aus den §§ 35 Va, 38 I StVO durch Einschalten des Martinshorns und Blaulichts unmittelbar vor dem Unfall in Anspruch genommen. Der Fahrer eines Einsatzfahrzeugs darf Sonderrechte allerdings erst in Anspruch nehmen, wenn er sich davon überzeugt hat, daß ihn alle Verkehrsteilnehmer wahrgenommen und sie sich auf seine Absicht, die Kreuzung zu überqueren, eingestellt haben (BGH, Urteil vom 17.12.1974, VI ZR 207/73; KG Urteil vom 12.06.1989, 12 U 4127/88; KG Urteil vom 22.03.1990, 12 U 2971/89). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Beklagte zu 2 diese Pflicht nicht erfüllt. Dem überzeugenden, im Strafverfahren eingeholten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen ... vom 26.06.1999 zufolge lag die Kollisionsgeschwindigkeit des Golf-PKW aufgrund einer Auswertung der Diagrammscheibe des Fahrtenschreibers des DRK-Fahrzeugs und der Kollision auf dem linken Fahrstreifen bei 31 km/h, während der Beklagte zu 2. sich mit einer Geschwindigkeit von ca. 24 km/h der Kreuzung genähert hatte. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, daß weder der Beklagte zu 2 noch der Kläger wegen des hohen Bewuchses des Betonsockels auf der Straße Am Stadtmuseum den jeweils anderen Verkehrsteilnehmer habe sehen können. Unter diesen Umständen hätte der Beklagte zu 2 sich aber auch auf der Kreuzung noch mit Schrittgeschwindigkeit annähern müssen und notfalls anhalten müssen, bis er den Fahrstreifen, auf dem der Kläger sich näherte, zumindest soweit einsehen konnte, daß er sich vergewissern konnte, daß auch dort fahrende Verkehrsteilnehmer ihn gesehen und sich auf sein Überqueren der Kreuzung eingestellt hatten, anstatt vor der Kollision das Fahrzeug noch zu beschleunigen.
Demgegenüber muß sich der Kläger im Rahmen der Abwägung der gegenseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge gemäß § 17 StVG ein mitwirkendes Verschulden anrechnen lassen. Er hat nicht nachgewiesen, daß der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 7 II StVG war. Den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen ... in seinem schriftlichen Gutachten zufolge ist er mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von 57 km/h ohne vorheriges Abremsen in das Fahrzeug der Beklagten zu 1 gefahren und hat damit gegen § 3 III StVO verstoßen. Hingegen ist ihm diese Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 7 km/h nicht anspruchsmindernd anzurechnen, weil die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht ursächlich für den Unfall geworden ist. Der Sachverständige ... hat dazu in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, daß das DRK-Fahrzeug für den Kläger erst 1 Sekunde vor der Kollision sichtbar geworden ist. Auch bei einer Geschwindigkeit des Klägers von 50 km/h wäre der Unfall nicht zu vermeiden gewesen, weil er mindestens 3 Sekunden und einen Anhalteweg von 28 Metern gebraucht habe, um das Motorrad anzuhalten. Auch ist dem Kläger kein Verstoß gegen § 7 I StVO anzulasten, weil er den linken von zwei Fahrstreifen für dieselbe Richtung benutzt hat, denn er durfte gemäß § 7 III StVO den Fahrstreifen frei wählen, da die Fahrbahn mehrere Fahrstreifen für eine Richtung aufwies, wie die im Ermittlungsverfahren erstellte Unfallskizze zeigt.
Der Kläger hat jedoch seine Pflicht gemäß § 38 I S. 2 StVO, dem Einsatzfahrzeug sofort freie Bahn zu verschaffen, verletzt. Er hätte bei zumutbarer Sorgfalt rechtzeitig vor der Kollision das Martinshorn (§ 55 Abs. 3 StVZO) hören können und hätte abbremsen müssen sowie auf den rechten Fahrstreifen wechseln und rechts heranfahren müssen, wo er die Kreuzung besser hätte einsehen können, um sich zu vergewissern, woher das Signal kam und dementsprechend ggf. freie Bahn für das Einsatzfahrzeug zu schaffen. Der Zeuge ... hat glaubhaft ausgesagt, dass das Einsatzfahrzeug bereits aus der Gottorpstraße kommend Blaulicht eingeschaltet habe. Als es sich auf der Raiffeisenstraße etwa mittig zwischen Mosle- und Osterstraße befunden habe, sei das Martinshorn eingeschaltet worden, das seiner Erinnerung nach durchgängig zu hören gewesen sei, bis er ein Quietschen und Anstoßgeräusch gehört habe. An der Wahmehmungs- und Erinnerungsfähigkeit des Zeugen hat die Kammer keine Zweifel, zumal der Zeuge ... den Geschehensablauf von der ersten Sichtung des Fahrzeugs bis zum Einbiegen von der Raiffeisenstraße in die Moslestraße detailliert beschreiben konnte und von seinen Standorten in der Raiffeisenstraße aus sehen konnte. Der Sachverständige Dipl.-Ing. ... hat in seinem mündlichen Gutachten dazu ausgeführt, daß das Einsatzfahrzeug bei Zugrundelegung der Aussage des Zeugen ... und der aus der Diagrammscheibe des PKW ausgewerteten Geschwindigkeiten ab Einschalten des Martinshorns 13 bis 15 Sekunden bis zum Unfallort benötigte. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 57 km/h 206 bis 237 Meter entfernt gewesen. Fraglich sei, ob der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt das Martinshorn habe hören können, wobei zu berücksichtigen sei, daß er einen Sturzhelm mit geschlossenem Visier und ggf. eine Sturmhaube darunter getragen haben könnte, die den Schall dämpften. Zumindest habe der Kläger das Martinshorn in einer Entfernung von 80 bis 90 Metern in Höhe des Stadtmuseums hören können, was einem Zeitverlauf bei der gefahrenen Geschwindigkeit von 57 km/h von 5 Sekunden bis zur Unfallstelle entspreche. Orten habe der Kläger das Martinshorn zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht können. Auch könne er nicht bestätigen, daß das Blaulicht vor der Kollision für den Kläger sichtbar gewesen sei, da Reflexionen an den Häuserfassaden der Staulinie wegen der weiten Entfernung zum Einsatzfahrzeug ausgeschlossen sein könnten und der Kläger wegen des hohen Bewuches auf dem Betonsockel Reflexionen an den Häusern an der Ecke Staugraben/Am Stadtmuseum nicht habe sehen können. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Kompetenz und Richtigkeit der Angaben des Sachverständigen zu zweifeln. Sein schriftliches und mündliches Gutachten war widerspruchsfrei, nachvollziehbar, verständlich und überzeugend.
Damit hängen gemäß § 17 StVG im Verhältnis der Parteien die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Zu berücksichtigen sind die Betriebsgefahren der Fahrzeuge, wobei die des Golf-PKW deutlich überwiegt, sowie das Ausmaß des beiderseitigen kausalen Verschuldens. Auch insoweit kommt der fehlerhaften Fahrweise des Beklagten zu 2 das deutlich größere Gewicht zu. Allerdings hat auch der Verkehrsverstoß des Klägers (§ 38 Abs. 1 S. 2 StVO) in nicht zu vernachlässigender Weise zu dem Unfall beigetragen. Bei ihm möglicher und erforderlicher rechtzeitiger Reaktion wäre der Geschehensablauf ein anderer gewesen und hätte sich ein Zusammenprall mit größter Wahrscheinlichkeit vermeiden lassen. Die Abwägung der beiderseitigen Verursachung führt zum Ergebnis, dass die Beklagten 80 % und der Kläger 20 % des ihm entstandenen materiellen Schadens zu tragen haben.
Der materielle Schaden ist hinsichtlich der in der Abrechnung der Beklagten zu 3 vom 11.10.1999 aufgeführten Positionen, die der Höhe nach, mit Ausnahme der vom Kläger beim Unfall getragenen Kleidung in Höhe von weiteren 477,- DM, unstreitig sind, entscheidungsreif. Die Beklagten haben daher den Fahrzeugschaden (13.300,- DM), An- und Abmeldekosten, Gutachterkosten, Fotokosten, Bus- und Taxifahrten, Motorradkleidung im Wert von 800,- DM, Telefon und TV, Parkgebühren, Kosten für eine Begleitperson, Sportkleidung, Feuerwehr, Abschlepp- und Fahrtkosten sowie pauschale Auslagen von insgesamt 16.862,69 DM zu 80 %, also in Höhe von 13.490,15 DM gemäß § 249 S. 2 BGB zu ersetzen. Hiervon hat die Beklagte zu 3 einen Betrag von 8.431,35 DM gezahlt, sodaß dem Kläger noch 5.058,80 DM zustehen; in Höhe von 3.372,55 DM ist die Klage unbegründet.
Teilweise begründet ist die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Differenzposition von 477,- DM für Motorradkleidung. Derartige Kleidung unterliegt nicht den für normale Kleidung geltenden Bewertungsmaßstäben; sie dient vornehmlich der Sicherheit des Fahrers. Nach dem Vortrag des Klägers war sie relativ neuwertig; die Ersatzbeschaffung kostet ausweislich des überreichten Kostenvoranschlages vom 05.07.1999 1.277,- DM. Die Kammer geht daher von diesem Wert aus. 80 % von diesen 477,- DM stehen dem Kläger zu (= 381,60 DM). In Höhe von 20 % = 95,40 DM ist die Klage unbegründet und abzuweisen.
Unbegründet ist die Klage in Höhe von weiteren 1.540,- DM, die der Kläger als Nutzungsausfallentschädigung verlangt. Denn die Voraussetzungen für einen derartigen, von den Beklagten bestrittenen Anspruch sind nicht hinreichend dargetan. Daß am 07.06.2000 ein Ersatzmotorrad auf den Kläger zugelassen worden ist, belegt noch nicht, daß er in der Zeit zuvor (schon wegen seiner schweren Unfallverletzungen und den nachwirkenden erheblichen Beschwerden) einen Nutzungswillen und eine Nutzungsmöglichkeit hatte. Überdies gelten für Motorräder andere Kriterien (s. OLG Saarbrücken NVZ 1990, 312). Daß der Kläger auf die ständige Verfügbarkeit des Motorrades angewiesen war und deshalb in dem Wiederbeschaffungszeitraum eine fühlbare vermögenserhebliche Entbehrung eingetreten ist, ist weder dargetan noch ersichtlich.
Dem Kläger steht darüberhinaus Verdienstausfall in Höhe von 2.049,20 DM zu. Er ist im Zeitraum vom 27.05.1999 bis 20.02.2000 aufgrund des Unfalls arbeitsunfähig krank gewesen, wie sich aus den Bescheinigungen der Betriebskrankenkasse NeunPlus vom 16.08.1999 und Bl. 95 d.A. ergibt. Für den Zeitraum nach Ausfall der Entgeltfortzahlung am 08.07.1999 bis zur Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit steht ihm die Differenz zwischen seinem Nettoverdienst und dem Krankengeld zu. Bei der Ermittlung des Nettogehaltes sind vom Bruttogehalt Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Abzug zu bringen, da der Kläger während der Arbeitsunfähigkeit diese nicht zahlt bzw. die Beiträge bei dem Betrag von 82,67 DM, der ausweislich der Bescheinigung der Betriebskrankenkasse Neun Plus vom 16.08.1999 seit dem 08.07.1999 gezahlt wurde, bereits berücksichtigt (abgezogen) sind. Der Kläger hat danach entsprechend der vorgelegten Verdienstbescheinigung vor dem Unfall über ein Netto-Jahreseinkommen von 36.293,57 DM verfügt, was einem monatlichen Nettoeinkommen von 3.024,46 DM und einem täglichen Nettoverdienst bei Berechnung von 30 Tagen pro Monat von 100,82 DM DM entspricht. Krankengeld hat er in Höhe von täglich 82,67 DM netto bezogen. Täglich ergibt sich damit eine Differenz von 18,15 DM, für den Zeitraum von 7 Monaten, also vom 08.07.1999 bis 08.02.2000 beträgt der Verdienstausfallschaden des Klägers somit 3.811,50 DM. Bei einer Haftungsquote der Beklagten von 80 % ergibt sich ein Betrag von insgesamt 3.049,20 DM, wovon die Beklagte zu 3. 1.000,- DM gezahlt hat, sodaß der Kläger noch 2.049,20 DM beanspruchen kann. Für einen Abzug wegen Eigenersparnis während der Dauer der stationären Krankenhausbehandlung sieht die Kammer keinen Anlaß. In Höhe von (9.104,50 - 2.049,20 DM =) 7.055,30 DM ist die Klage unbegründet und abzuweisen.
Unbegründet ist der Klageantrag zu 1 in Höhe eines weiteren Betrages von 30,- DM. Denn die Addition der geltend gemachten Beträge ergibt einen Betrag von 27.367,49 DM, während der Kläger 27.397,49 DM berechnet.
Die Beklagten zu 2. und 3. haben dem Kläger gemäß §§ 847, 823 I BGB, 3 PflVG ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen. Da § 17 StVG auch bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung anzuwenden ist, ist bei der Höhe des Schmerzensgeldes die Haftungsquote der Beklagten mit 80 % zu berücksichtigen. Der Kläger hat durch den Unfall ein Polytrauma, eine offene Unterarmfraktur links mit aus dem Weichteilverband gelösten Knochenstücken, einen umfangreichen Kniebinnenschaden, eine Fraktur des 5. Mittelhandknochens der linken Hand, Frakturen der 6. bis 8. Rippe und multiple Prellungen und Schürfungen erlitten. Er wurde insgesamt fast 12 Wochen stationär behandelt und war bis zum 21.02.2000, also fast 9 Monate arbeitsunfähig, was sich aus der mit Schriftsatz vom 04.01.2001 vorgelegten Mitteilung der Betriebskrankenkasse Neun Plus (Bl. 95 d.A.) ergibt, auf die der Kläger verweist. Das rechte Knie des heute 38-jährigen Klägers ist weiterhin geschwollen und die längeren Narben am Knie und am linken Unterarm sind dauerhaft und entstellend. Unter Berücksichtigung der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes war daher ein Betrag in Höhe von 32.000,- DM bei der Haftungsquote der Beklagten von 80 % angemessen, worauf die Beklagte zu 3 bereits 7.500,- DM gezahlt hat, sodaß noch eine Forderung von 24.500,- DM verbleibt. Das Gericht hat sich bei der Festlegung des Schmerzensgeldes ergänzend von den bei Hacks, Ring, Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 19. Aufl., Nr. 1834, 1792, 1137, 1098, 763, 757 und 745 genannten vergleichbaren Entscheidungen leiten lassen. In Höhe von weiteren (32.500,- DM Mindestbetrag ./. 24.500,- DM =) 8.000,- DM ist die Klage unbegründet und abzuweisen.
Die Feststellungsklage ist ebenfalls in Höhe der Haftungsquote von 80 % begründet. Es besteht die Möglichkeit, daß auf den Verkehrsunfall zurückzuführende Spätschäden eintreten werden, da das rechte Knie des Klägers weiterhin geschwollen ist, was auf einen pathologischen Zustand schließen läßt, und eine Arthrose und ggf. Versteifung eintreten können, die neben den Folgekosten für etwaig erforderliche Operationen zu weiteren Schmerzen und Behinderungen führen können, sodaß sowohl weitere materielle als auch immaterielle Schäden entstehen können. Darüberhinaus stehen dem Kläger in Höhe der Haftungsquote Verdienstausfall vom 09.02. bis 21.02.2000 zu, die er mit der Feststellungsklage geltend machen konnte und im Prozeßverlauf nicht mehr zu beziffern hatte, sowie ein eventueller (künftiger) Haushaltsführungsschaden ab dem 28.01.2000.
Der Zinsausspruch ergibt sich aus den §§ 284, 288 I S. 1 jeweils a.F., 849 BGB. Mit der Ablehnung weitergehender Ansprüche durch Schreiben vom 11.10.1999 der Beklagten zu 3 ist Verzug eingetreten; ein früherer Verzugseintritt ist nicht dargetan. Der Zinssatz beträgt 4 %. Ein weitergehender Zinsanspruch besteht nicht, da Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen, die vor dem 01.05.2000 fällig geworden sind, noch mit 4 % Zinsen gemäß § 291 S. 2, 288 I S. 1 BGB a.F. zu verzinsen sind (Art. 229 Abs. 1 EGBGB).
Die Klageforderung bedarf hinsichtlich des geltend gemachten bezifferten - bestrittenen-Haushaltsführungsschadens noch weiterer Aufklärung. Dieser Schadensersatzanspruch von 9.354,64 DM (bis zum 27.01.2000) ist allerdings nur im Rahmen der Haftungsquote begründet und daher in Höhe von 20 % = 1.870,93 DM abzuweisen. Im übrigen hat die Kammer insoweit durch Grundurteil entschieden, da der geltend gemachte Anspruch auch unter Berücksichtigung der erhobenen Einwendungen mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (vgl. Zöller, ZPO, 21. Aufl. § 304 Rn. 6; Thomas-Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 304 Rn. 23).
Die Nebenentscheidung folgt aus § 709 ZPO.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 06.03.2001 gibt zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlaß.