Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.04.1994, Az.: 13 L 6105/92

Vertriebenenausweis; Ausstellung eines Vertriebenenausweises; Aussiedler; Deutschtum; Oberschlesien

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.04.1994
Aktenzeichen
13 L 6105/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 13995
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1994:0420.13L6105.92.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 24.09.1992 - AZ: 5 A 16/90
nachfolgend
BVerwG - 11.11.1994 - AZ: BVerwG 9 B 444.94
BVerwG - 08.08.1995 - AZ: BVerwG 9 C 292.94

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 5. Kammer - vom 24. September 1992 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 1990 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger einen Vertriebenenausweis zu erteilen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

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Der Kläger begehrt die Ausstellung eines Vertriebenenausweises.

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Er wurde 1926 in ...-Oberschlesien geboren, dem Teil Oberschlesiens, der 1922 an Polen abgetreten worden ist. Sein Vater, ..., wurde 1902 in ... im Kreis ... geboren, seine Mutter, ... geb. Dera, ebenfalls 1902, und zwar in Königshütte/Ost-Oberschlesien, wo beide 1925 geheiratet haben. Während der Großvater des Klägers väterlicherseits noch Bergmann gewesen war, war sein Vater (staatlicher) Eisenbahner. In den 30er Jahren (wohl 1934) wurde er nach ... in das damalige Ostpolen versetzt. Dieses Gebiet, das bis 1918 russisch war, gehörte zu der seinerzeitigen Interessenssphäre der Sowjetunion, die es sich 1939 wieder einverleibte. Die dortigen Deutschen wurden vereinbarungsgemäß umgesiedelt. Während der Vater des Klägers offenbar schon vorher (als Reservelokomotivführer) nach ... zurückgekehrt war, kam seine Frau mit ihren beiden Kindern (außer dem Kläger dessen Schwester ..., geb. 1928 in ...) in ein Umsiedlungslager nach ..., dann - am 11. Januar 1940 - nach Teschen (Ost-Oberschlesien). Dort beantragte sie die Einbürgerung. Nach einem Vermerk der "Einwandererzentralstelle Nord-Ost, Zweigstelle Lodsch" (EWZ) vom März 1940 sprach sie damals "gut deutsch", während ihre Kinder nicht deutsch gesprochen hätten; die "deutsche Volksgruppe" hielt ihre Volkszugehörigkeit für ungeklärt, weshalb sie vom Sonderbeauftragten des Reichsministers des Innern bei der Einwandererzentralstelle in Posen "an die zuständige Einbürgerungs-Behörde ... (ihres) zukünftigen Niederlassungsortes verwiesen" wurde. Danach begab sie sich offenbar zu ihrem Ehemann nach Tarnowitz, wo die Familie eingebürgert worden sein soll. Die Mutter des Klägers ist 1977 gestorben.

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Der Kläger hat im Kreis Tarnowitz zunächst ein "Landjahr" (1941/42) abgeleistet und danach eine Schlosserlehre begonnen. 1943 wurde er zum Reichsarbeitsdienst einberufen; im Oktober 1943 befand er sich in dem Reservelazarett Amöneburg (bei Marburg/Hessen); in der dortigen "Aufnahmemeldung" wird seine Staatsangehörigkeit mit "deutsch" angegeben. Am 1. März 1944 wurde der Kläger zur deutschen Wehrmacht eingezogen. Bereits im Oktober 1944 geriet er in Frankreich in amerikanische Kriegsgefangenschaft, von wo aus er nach England verbracht wurde. Dort ist der Kläger im Februar 1945 in die britisch kommandierte sog. "Anders-Armee" eingereiht worden. Nach seiner Entlassung im September 1945 kehrte er Anfang 1946 nach Tarnowitz zurück. Er hat dann als Arbeiter bei der Eisenbahn und in verschiedenen Betrieben gearbeitet und sich später zum Ingenieur qualifiziert. 1943 hat der Kläger in Tarnowitz ... geheiratet, die deutschstämmig sein soll. Aus dieser Ehe stammen eine Tochter (Hanne) und ein Sohn (Adam).

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Im Dezember 1988 reiste der Kläger von Tarnowitz aus ins Bundesgebiet ein und beantragte bei der Beklagten die Ausstellung eines Vertriebenenausweises. Zuvor war seine Einbeziehung in die Verteilung als Aussiedler vom Bundesbeauftragten in Friedland mit der Begründung abgelehnt worden, aufgrund seiner Zugehörigkeit zur "Anders-Armee" könne "von dem nach § 6 BVFG erforderlichen Bekenntnis zum deutschen Volkstum zum maßgeblichen Zeitpunkt, der vor Beginn der gegen die deutsche Bevölkerung gerichteten Vertreibungsmaßnahmen liegt, nicht ausgegangen werden". Die Beklagte erwirkte eine Auskunft des britischen Verteidigungsministeriums, wonach der Kläger "freiwillig" (voluntarily) der - "Anders-Armee" beigetreten und seine Staatsangehörigkeit seinerzeit mit "polnisch" verzeichnet (recorded) gewesen sei. Ferner zog die Beklagte die Einbürgerungsunterlagen der EWZ bei, hörte den Kläger zur Frage des Beitritts zur "Anders-Armee" an und forderte dazu Unterlagen aus England an. Mit Bescheid vom 24. Januar 1990 lehnte sie den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung gab sie an, daß der Kläger nicht deutscher Staatsangehöriger sei, da die seinerzeitige Einbürgerung durch Eintragung in die Abteilung 3 der "Deutschen Volksliste" gemäß § 1 Abs. 1 StAngRegG 1955 unwirksam sei; der Kläger sei nicht deutscher Volkszugehöriger gewesen, wie sein späterer Beitritt zur "Anders-Armee" gezeigt habe.

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Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 7. Februar 1990 Widerspruch, der mit Rücksicht darauf, daß er bereits am 25. Januar 1990 (Untätigkeits-)Klage erhoben hatte, nicht mehr beschieden worden ist. Am 19. November 1990 wurde der Kläger bei der Widerspruchsbehörde (Bezirksregierung Hannover) vorstellig, wo er die Umstände seines Beitritts zur "Anders-Armee" nochmals erläuterte.

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Parallel zu seinem vertriebenenrechtlichen Klageverfahren hat der Kläger ein Verfahren zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit betrieben. Mit Bescheid vom 3. September 1990 hat die Beklagte es abgelehnt, dem Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit zu "bestätigen". Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Bezirksregierung Hannover mit Bescheid vom 3. Dezember 1990 zurück. Im Bescheid der Beklagten wurde zur Frage einer Einbürgerung durch "Volkslisten"-Eintragung bemerkt, daß dazu keine Nachweise vorlägen. Im Widerspruchsbescheid wurde auch auf eine etwaige Einbürgerung nach § 15 RuStAG a. F. (Einbürgerung durch Anstellung des Vaters des Klägers bei der deutschen Reichsbahn) eingegangen, die aber ebenfalls nicht nachgewiesen sei. Das anschließende Klageverfahren (10 A 341/91 VG Hannover) wurde eingestellt, nachdem die Beklagte ihren Bescheid mit der Begründung aufgehoben hatte, den Staatsangehörigkeitsbehörden sei mangels Rechtsgrundlage eine "verbindliche Feststellung der Staatsangehörigkeit nicht möglich".

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Seine (vertriebenenrechtliche) Klage vom 25. Januar 1990 hat der Kläger damit begründet, daß seine Eingliederung in die "Anders-Armee" rechtlich unerheblich sei: Zum einen liege sie nach dem "maßgeblichen Anknüpfungspunkt"; zum anderen sei er nicht freiwillig eingetreten, sondern zwangsweise eingegliedert worden. Aufgrund der "Volkslisten"-Einbürgerung habe er die deutsche Staatsangehörigkeit wirksam erworben. Er sei in einer deutschen Familie aufgewachsen, habe sich seine deutsche Sprache und Kultur uneingeschränkt bewahrt und sei Mitglied der Hitler-Jugend gewesen. Im Oktober 1944 sei er mit der ganzen Kompanie in Gefangenschaft geraten. Eine Gruppe Oberschlesier sei nach England verbracht worden. Dort sei ihr verkündet worden, sie seien polnische Staatsbürger und es sei die polnische Exil-Regierung zuständig; für sie gelte polnisches Recht und sie unterlägen der polnischen Wehrpflicht. In der mündlichen Verhandlung vom 24. September 1992 hat der Kläger dazu weiter angegeben, daß sie in Schottland dem polnischen Militär übergeben worden seien. Eine Kommission habe erklärt, daß sie aufgrund ihrer ehemaligen polnischen Staatsangehörigkeit zum polnischen Militär eingezogen seien. Die deutsche Staatsangehörigkeit habe keine Rolle gespielt; man habe ausschließlich auf die Zeit vor 1939 abgestellt und nur nach dem Geburtsort gefragt. Die von der Beklagten vorgelegte Auskunft des "Sikorski-Museums" in England, wonach die "Aufnahme der polnischen Kriegsgefangenen in die polnischen Streitkräfte ... ausschließlich auf freiwilliger Basis" erfolgt sei, sei ohne jeden rechtlichen Wert. Dieser Einrichtung fehle es ebenso wie den englischen Dienststellen an Unbefangenheit und Objektivität, da sie ein deutliches Interesse daran hätten, den gesamten Vorgang der Eingliederung in die polnische Exil-Armee als "freiwillig" darzustellen.

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Mit Urteil vom 24. September 1992 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe Oberschlesien weder als deutscher Staatsangehöriger noch als deutscher Volkszugehöriger verlassen. Hinsichtlich seiner Zugehörigkeit zur "Anders-Armee" ist das Verwaltungsgericht von einem freiwilligen Eintritt ausgegangen. Das habe Indizwirkung für das Bekenntnis des Klägers, obwohl es hierfür an sich auf den Zeitpunkt des Beginns der allgemeinen Vertreibung der Deutschen ankomme, der in Polen zum Teil schon mit dem Frühjahr 1944 anzusetzen sei.

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Gegen dieses, ihm am 19. November 1992 zugestellte Urteil richtet sich die bereits am 2. Oktober 1992 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er beanstandet, das Verwaltungsgericht habe alle Punkte ausschließlich zu seinen Lasten entschieden. Ferner habe es den Grundsatz verletzt, daß ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum nur bis zum Beginn der Vertreibung verlangt werden könne. Im übrigen sei er - der Kläger - in den aus England stammenden Unterlagen zur "Anders-Armee" als "Einberufener" (nicht: "Freiwilliger") bezeichnet worden; außerdem seien ihm dort deutsche "Sprachkenntnisse in Wort und Schrift" bescheinigt worden; die Angaben zur Muttersprache und zur Staatsangehörigkeit stammten nicht von ihm; seine Einordnung als Pole sei schon deshalb notwendig gewesen, damit die "Einberufung" gerechtfertigt erscheine; mit seiner Unterschrift habe er das nicht anerkannt.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,

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das angefochtene Urteil zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 1990 aufzuheben und diese zu verpflichten, ihm einen Vertriebenenausweis zu erteilen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie stellt weiterhin eine deutsche Volkszugehörigkeit des Klägers in Abrede, so daß auch ein Erwerb der deutschen

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Staatsangehörigkeit durch eine evtl. "Volkslisten"-Einbürgerung ausscheide. Dafür sei der Beitritt zur "Anders-Armee" ein zusätzliches Indiz.

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Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf ihre Schriftsätze, zur weiteren Sachdarstellung auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 1990 ist rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises. Er ist Aussiedler im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG i.d.F. vom 28. Juni 1990 (BGBl. I S. 1247), das gemäß § 100 Abs. 1 BVFG i.d.F. vom 2. Juni 1993 (BGBl. I S. 829) weiterhin auf ihn anzuwenden ist. Der Kläger hat Oberschlesien vor dem 1. Juli 1990 als Deutscher verlassen. Zwar ist unklar, ob er auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, wofür allerdings manches spricht; jedenfalls ist er deutscher Volkszugehöriger. Seine Mitgliedschaft in der "Anders-Armee" steht dem Anerkennungsbegehren nicht entgegen.

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Für ein Deutschtum der Familie des Klägers, die aus Ost-Oberschlesien stammt, spricht bereits die Tatsache ihrer Umsiedlung aus Ost-Polen nach Beginn des zweiten Weltkrieges 1939/1940. Nicht dagegen spricht der Umstand, daß die Eltern des Klägers nach der Abtrennung Ost-Oberschlesiens vom Deutschen Reich im Jahre 1922 dort geblieben sind. Denn nach dem "Oberschlesien-Abkommen" zwischen dem Deutschen Reich und Polen vom 15. Mai 1922 hatte eine Option für Deutschland hier - anders als nach dem "Wiener-Vertrag" vom 30. August 1924 für Bewohner der übrigen an Polen abgetretenen deutschen Ostgebiete - nicht die Ausweisung zur Folge, so daß Deutsche dort bleiben konnten (wenn auch unter Verlust ihrer deutschen Staatsangehörigkeit). Tatsächlich werden der Mutter des Klägers im Rahmen des Umsiedlungsverfahrens noch 1940 gute Deutschkenntnisse bescheinigt.

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Ihre sofortige Einbürgerung scheiterte damals allerdings daran, daß ihre Volkszugehörigkeit als dennoch "ungeklärt" angesehen wurde. Ob sie und ihre Kinder später, d.h. nach dem "Verweisungsbescheid", eingebürgert worden sind, wofür der Regierungspräsident in Posen zuständig gewesen wäre (s. Lichter, Das Staatsangehörigkeitsrecht im Großdeutschen Reich, Berlin 1943, S. 151), ist ungeklärt. Noch weniger ist über eine etwaige Einbürgerung des Vaters des Klägers bekannt, der immerhin als Reservelokomotivführer im Dienste der Deutschen Reichsbahn stand (Ausweis vom 23. 6. 1942). Das könnte auf seine vorherige Einbürgerung hindeuten; denn Voraussetzung für eine Beamtenernennung war der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit (§ 26 DBG). Andererseits würde dies aber bedeuten, daß ein Staatsangehörigkeitserwerb nach § 15 Abs. 1 RuStAG (Anstellung mit der Folge der Einbürgerungsfiktion, zugleich auch für Ehefrau und Kinder, § 16 Abs. 2 RuStAG) nicht (mehr) in Betracht kam (vgl. dazu Lichter/Hoffmann, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl. 1966, § 15 RuStAG, RdNr. 10 ff). Für diesen Ablauf der Dinge, d.h. eine Einbürgerung des Vaters des Klägers zum Zwecke der Anstellung bei der Deutschen Reichsbahn, könnte sprechen, daß der Vater offenbar von der "Einwandererzentralstelle" überhaupt nicht erfaßt war. Eine Einbürgerung der Familie des Klägers könnte auch durch Eintragung in die "Deutsche Volksliste" vorgenommen worden sein, allerdings nur bis zum 31. Januar 1942, da nach der Änderungsverordnung von diesem Tage (RGBl. I S. 151) fortan Umsiedler nicht mehr in die "Volksliste" eingetragen wurden (§ 1 Abs. 4 e "Volkslisten"-Verordnung). Für eine Einbürgerung (auch) des Klägers jedenfalls spricht die Tatsache, daß er zum Reichsarbeitsdienst und zur Wehrmacht einberufen worden ist (§ 1 Abs. 2 Arbeitsdienstgesetz vom 9. 9. 1939 - RGBl. I S. 1747; § 1 Abs. 2 Wehrgesetz vom 21. 5. 1935 - RGBl. I S. 609). Dem entspricht die Tatsache, daß in den Unterlagen des Lazaretts Amöneburg vom Oktober 1943 die Staatsangehörigkeit des Klägers mit "deutsch" angegeben worden ist. Daß er dann später in den englisch-polnischen Papieren als Pole bezeichnet wird, ist demgegenüber ohne große Aussagekraft; denn das dürfte sich schon daraus erklären, daß eine reichsdeutsche Einbürgerung nicht anerkannt wurde. Die Frage einer Einbürgerung des Klägers kann indessen letztlich dahinstehen; denn dieser war (und ist) jedenfalls deutscher Volkszugehöriger (§ 6 BVFG), was im übrigen auch Voraussetzung dafür wäre, eine "Volkslisten"-Einbürgerung als wirksam anzusehen (§ 1 Abs. 1 lit. d StAngRegG 55).

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Wie bereits gesagt, sprechen die Herkunft der Eltern und die - der Mutter des Klägers im Umsiedlungsverfahren bescheinigten - deutschen Sprachkenntnisse dafür, daß der Kläger von Deutschen abstammt. Bei seiner Geburt 1926 war die Heimat seiner Eltern - Ost-Oberschlesien - polnisches Staatsgebiet geworden. Der Kläger hatte damit nicht die Möglichkeit, dort deutsche Schulen zu besuchen, noch weniger dann später in Grodno im damaligen Ost-Polen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß in den EWZ-Unterlagen vermerkt ist, daß er und seine zwei Jahre jüngere Schwester nicht deutsch gesprochen hätten. Der Kläger wurde mit Mutter und Schwester (als mutmaßlich deutsche Familie) aus dem sowjetisch besetzten Gebiet nach Deutschland umgesiedelt, und zwar in ihre alte Heimat Oberschlesien. 1940 war der Kläger etwa 14 Jahre alt. In diesem Alter kam er so unter ausschließlich deutschen Einfluß, zunächst in der Hitler-Jugend, dann im "Landjahr" und im Rahmen einer Schlosserlehre, schließlich im Arbeitsdienst und bei der Deutschen Wehrmacht. Damit ist er in der für einen Jugendlichen entscheidenden Zeit bis zum 18./19. Lebensjahr mit Sicherheit ausschließlich deutsch geprägt worden, so daß davon auszugehen ist, daß er sich im maßgeblichen Zeitpunkt ausschließlich zum Deutschtum bekannt hat (§ 6 BVFG). Damit stimmen die in der mündlichen Verhandlung überreichten Erklärungen der Herren Pelka und Puzik überein, wonach es sich bei der Familie Bendkowski um Deutsche gehandelt hat. In gleiche Richtung deutet die Angabe in den englisch-polnischen Unterlagen, daß der Kläger auch deutsch sprechen konnte. Offenbar hatten sich seine diesbezüglichen Fertigkeiten in der deutschen Umgebung rasch und deutlich vervollkommnet.

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Demgegenüber läßt sich aus der Zugehörigkeit des Klägers zur "Anders-Armee" nichts für ihn Nachteiliges herleiten. Abgesehen nämlich davon, daß ein "freiwilliger" Beitritt des Klägers zweifelhaft ist (vgl. dazu auch OVG Koblenz, Urt. v. 8. 10. 1991, 12 A 10893/91, NJW 1992, 1781 f. unter Hinweis auf ein Protokoll des Rechtsausschusses der Arbeitsgemeinschaft der Landesflüchtlingsverwaltungen vom 19./20. 3. 1987), käme selbst einem freiwilligen Beitritt hier keine rechtliche Bedeutung zu. Denn der Zeitpunkt, zu dem der Kläger in die "Anders-Armee" aufgenommen worden ist (14. 2. 1945), liegt eindeutig nach dem Zeitpunkt, zu dem in Oberschlesien mit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung begonnen worden ist; zu dieser Zeit war einem Deutschen ein Bekenntnis zum Deutschtum nicht mehr zuzumuten (vgl. Senatsurteil vom 19. 1. 1994 - 13 L 3257/92 -).

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Hiernach ist das angefochtene Urteil zu ändern. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 1990 ist aufzuheben, die Beklagte ist zu verpflichten, dem Kläger einen Vertriebenenausweis (§ 15 Abs. 1 BVFG) zu erteilen.

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Gemäß § 154 Abs. 1 VwGO sind der Beklagten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, hinsichtlich derer das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist (§ 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO).

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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht vorliegen.

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Schwermer

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Dr. Uffhausen

27

Schiller