Landgericht Osnabrück
Urt. v. 14.01.1997, Az.: 9 T 125/96
Folgen eines Verstoßes gegen § 45 Abs. 1 Nr. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) für den Mandatsvertrag; Begriff der "Auslegung" i.S.v. § 45 Abs. 1 Nr. 2 BRAO
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 14.01.1997
- Aktenzeichen
- 9 T 125/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 24672
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:1997:0114.9T125.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 45 Abs. 1 Nr. 2 BRAO
- § 134 BGB
Entscheidungsgründe
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Den Antragstellern sind keine anwaltlichen Kosten entstanden, so daß der Antragsgegner auch nicht zur Erstattung derartiger außergerichtlicher Kosten verpflichtet sein kann.
Allerdings ist der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller ersichtlich für diese als Rechtsanwalt tätig geworden, so daß er grundsätzlich ein Honorar gem. BRAGO beanspruchen könnte. Der zwischen ihm und den Antragstellern geschlossene Mandatsvertrag war jedoch gem. § 134 BGB nichtig.
Die anwaltlicher Tätigkeit in dem der Kostenfestsetzung zugrundeliegenden Wohnungseigentumsverfahren verstieß gegen das gesetzliche Verbot des § 45 Abs. I Nr. 2 BRAO. Nach dieser Bestimmung darf ein Rechtsanwalt unter anderem dann nicht tätig werden, wenn der Rechtsbestand oder die Auslegung einer Urkunde, die er als Notar aufgenommen hat, streitig sind. Eine solche Sachlage war hier gegeben.
Die Urkunde, die dem Verfahren zugrundelag, war vor dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Notar errichtet worden.
Die Auslegung dieser Urkunde war auch zwischen den an dem beurkundeten Rechtsgeschäft beteiligten Antragstellern und dem Antragsgegner als Eigentümer des Grundstücks, auf das sich die Urkunde bezog streitig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Begriff "Auslegung" in § 45 Abs. I Nr. 2 BRAO weit auszulegen (BGH DNotZ 68, 639). Immer dann, wenn es in dem anzustrengenden Rechtsstreit darum geht, welche Folgerungen aus einer in einer notariellen Urkunde niedergelegten Vertragsbestimmung zu ziehen sind, ist dieses Auslegung im o.g. Sinne. Es macht dabei keinen Unterschied, ob der die notarielle Urkunde betreffende Rechtsstreit nicht unmittelbar zwischen den Beteiligten des Urkundsgeschäftes oder mit Dritten geführt wird (Feuerich, BRAO, § 45 Rz. 73; Isele, BRAO, Anhang zu § 43 Stichwort "Anwaltsnotar" II m.w.N..). Die Ansicht, § 45 Abs. I Nr. 2 BRAO (frühere Urkundstätigkeit als Notar, entsprechend § 45 Nr. 4 a.F.) beziehe sich nur auf Streitigkeiten unter den Parteien des beurkundeten Vertrages findet in der genannten Vorschrift keine Stütze (vgl. BGH NJW 68, 2204, 2205).
Hier war neben der Wirksamkeit des beurkundeten Erbteilsübertragungsvertrages insbesondere dessen Auslegung streitig. Der Antragsgegner hatte - wie die Antragsteller selbst auf Bl. 2 der Antragsschrift vortragen - bereits vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens deutlich gemacht, daß nach seiner Ansicht der Vertrag als zustimmungsbedürftige Veräußerung des Erbbaurechts auszulegen sei. Darauf, daß das Vorbringen des Antragsgegners letztlich nicht erfolgreich war, kommt es für die Frage des Bestehens eines Streits über die Auslegung der Urkunde nicht an.
Demgemäß lagen bereits bei der Beauftragung ihres Verfahrensbevollmächtigten mit der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens durch die Antragsteller sämtliche Voraussetzungen des § 45 Abs. I Nr. 2 BRAO vor, so daß dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller eine Anwaltstätigkeit gesetzlich verboten war.
Der Verstoß gegen § 45 Abs. I Nr. 2 BRAO hat die Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen den Antragstellern und ihrem Verfahrensbevollmächtigten betreffend die Anwaltstätigkeit zur Folge (vgl. OLG Köln AnwBl. 80, 70, 71; Jessnitzer, BRAO, § 45 Rz. 6 m.w.N..). Die Bestimmung enthält ein Verbot im Sinne von § 134 BGB. Das kommt in dem Wortlaut des § 45 Abs. I Satz 1 BRAO ("Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden...") zum Ausdruck. Schon der Abschluß des Mandatsvertrages verstieß gegen dieses Verbot. Aus den Vorschriften der BRAO ergibt sich ferner - wie dies eine Anwendung des § 134 BGB zusätzlich voraussetzt - keine andere Rechtsfolge als die Nichtigkeit verbotswidriger Vereinbarungen. Hierbei ist auf den Sinn und Zweck des Verbots abzustellen (BGH LM Nr. 15 zu § 134 BGB). Insoweit ist ohne entscheidende Bedeutung, daß sich das Verbot nur gegen den Rechtsanwalt selbst richtet. Dafür müssen die Grundsätze entsprechend gelten, die der BGH (NJW 62, 2010 [BGH 25.06.1962 - VII ZR 120/61]) für die Beurteilung des Geschäftsbesorgungsvertrages mit einem nicht zugelassenen Rechtsberater aufgestellt hat. In beiden Fällen geht es um den Schutz vor den Gefahren einer unzureichenden und nicht sachgemäßen Betreuung. § 45 Abs. I Nr. 2 BRAO will eine von möglichen Interessenkonflikten des Rechtsanwalts unbeeinflußte Betreuung des Rechtsuchenden sicherstellen. In einem Verfahren, in dem es - wie hier - darum geht, welche Folgerungen aus einer in einer notariellen Urkunde niedergelegten Vertragsbestimmung zu ziehen sind, ist der Anwalt, der den Vertrag als Notar beurkundet hatte, innerlich nicht völlig frei und unbefangen. Er hat in der Regel - so auch hier - die Bestimmung formuliert und trägt dafür die Verantwortung. Dieser Umstand ist geeignet, ihn in seinen tatsächlichen und rechtlichen Schlußfolgerungen zu beeinflussen. Dann aber fehlt ihm die Unabhängigkeit nach allen Seiten, welche standesrechtlich von ihm zu fordern ist (BGH NJW 68, 2205). Es soll deshalb ausgeschlossen werden, daß der Notar aus der Rolle des unparteiischen Betreuers aller Beteiligten heraustritt und die Aufgabe des Interessenvertreters einer Partei als Rechtsanwalt übernimmt (BGH NJW 68, 2204 [OLG Oldenburg 13.08.1968 - 6 W 78/68]; Isele, BRAO, Bem. VI A zu § 45). Mit diesem Gesetzeszweck wäre es unvereinbar, wenn Vertragsbeziehungen des Anwalts mit dem Mandanten auch nur teilweise als rechtswirksam behandelt würden. Insbesondere müßte jeder etwa bestehenden Vergütungsforderung ein Anspruch der Partei auf entsprechende anwaltliche Tätigkeit gegenüberstehen. Eine solche Tätigkeit ist aber vom Gesetz schlechthin untersagt, ohne daß es darauf ankäme, wie eng die Beziehung einzelner Maßnahmen des Anwalts zu dem denkbaren Interessenkonflikt wegen der früheren Amtstätigkeit als Notar ist.
Festsetzbare Rechtsanwaltskosten im Sinne der BRAGO konnten den Antragstellern somit aus dem gem. § 134 BGB nichtigen Mandatsvertrag nicht erwachsen.
Ein Honorar nach der Kostenordnung kann der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller nicht beanspruchen, da er nach eigenem Vorbringen nicht in seiner Funktion als Notar, sondern als Rechtsanwalt von den Antragstellern mandatiert worden ist.