Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 29.08.1997, Az.: 9 T 121/97
Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Berufungsbeklagten bei fristwahrend eingelegter und noch vor ihrer Begründung zurückgenommener Berufung; Höhe der für den Prozessvertreter eines Berufungsbeklagten anfallenden Rechtsanwaltsgebühr bei Antrag auf Berufungszurückweisung noch vor der Berufungsbegründung
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 29.08.1997
- Aktenzeichen
- 9 T 121/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 24715
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:1997:0829.9T121.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO
- § 32 Abs. 1 BRAGO
Entscheidungsgründe
Die zulässige sofortige Beschwerde ist nur zum Teil begründet.
Die Kammer vertritt in ständiger Rechtsprechung (z.B. 9 T 33/95, 9 T 143/94, 9 T 87/94, 9 T 9/90, 9 T 62/91 und 9 T 22/92) die inzwischen wohl herrschende vermittelnde Meinung zur Erstattungsfähigkeit der Kosten des Berufungsbeklagten bei fristwahrend eingelegter Berufung. Danach kann sich der Berufungsbeklagte auch bei einer derartigen Berufung der Vertretung durch einen Rechtsanwalt versichern. Denn einerseits ist eine Partei berechtigt, sich in jeder Lage eines gerichtlichen Verfahrens anwaltlich vertreten zu lassen (vgl. § 91 II S. 1 ZPO). Andererseits muß dem Berufungsbeklagten die Möglichkeit gegeben werden, auch in der Frist, während der sich der Berufungskläger noch die Möglichkeit der Berufungsrücknahme offenhält, seine Rechtsverteidigung für den Fall der Durchführung der Berufung vorzubereiten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß es prinzipiell das Risiko des Berufungsklägers darstellt, wenn er oder sein Prozeßbevollmächtigter innerhalb der Berufungsfrist sich über die Durchführung der Berufung nicht schlüssig zu werden vermögen.
Entgegen der Behauptung des Klägers ist davon auszugehen, daß die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten mit der Wahrnehmung des Mandats auch für die Berufungsinstanz beauftragt waren. Dieses ist seitens der Rechtsanwälte ... pp. mit Schriftsatz vom 20.6.1997 versichert worden.
Lediglich hinsichtlich der Höhe ist die von § 91 I ZPO gemachte Einschränkung zu berücksichtigen und zu fragen, ob eine Maßnahme des Prozeßbevollmächtigten zu diesem Zeitpunkt bereits notwendig und die damit verbundenen Gebühren im vollen Umfang erstattungsfähig waren.
Die Kammer folgt insoweit in ständiger Rechtsprechung der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung (OLG Köln JurBüro 92, 801; OLG Koblenz JurBüro 92, 466; OLG Saarbrücken JurBüro 92, 37; OLG Nürnberg JurBüro 93, 215; OLG Karlsruhe JurBüro 94, 158,160; OLG München Rpfl. 94, 130,181; OLG Hamm JurBüro 91, 386; OLG Hamburg JurBüro 95, 80) und in der Literatur (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert BRAGO, 12. Auflage, § 31 Rn. 20; Göttlich/Mümmler BRAGO, 18. Auflage, Stichwort: Berufung, Rz. 1.33c), nach der der Prozeßbevollmächtigte entsprechend der §§ 31, 32 BRAGO iVm. § 91 I ZPO lediglich eine 13/20 Prozeßgebühr im Berufungsverfahren verlangen kann, wenn die Berufung vor ihrer Begründung zurückgenommen wird. In diesen Fällen kann es nämlich grundsätzlich nicht als notwendig im Sinne des § 91 I ZPO erachtet werden, daß der Prozeßbevollmächtigte des Berufungsgegners bereits einen Gegenantrag formuliert, da eine Prozeßförderung damit nicht erreicht wird. Mangels Berufungsbegründung ist eine sachliche Prüfung nämlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich. Der Sachantrag auf Zurückweisung der Berufung ist in diesem Zeitpunkt ohne Einfluß auf die Verfahrensgestaltung, da wohl als selbstverständlich davon ausgegangen werden kann, daß der Rechtsmittelgegner das angefochtene Urteil aufrechterhalten will. Der Rechtsanwalt befaßt sich im übrigen erfahrungsgemäß erst nach Vorliegen der Begründung mit dem Rechtsmittel. Dem entspricht die gebührenrechtliche Regelung in § 32 I BRAGO (vgl. Mümmler JurBüro 93, 388).
Im Hinblick auf den in § 91 I ZPO verankerten Grundsatz der Verpflichtung zur kostensparenden Prozeßführung ist der Berufungsbeklagte auch verpflichtet, seinen Rechtsanwalt zu veranlassen, sich unnötiger gebührenauslösender Maßnahmen zu enthalten, wie dieser aufgrund des anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages auch seinem Mandanten gegenüber verpflichtet ist, keine Kosten zu verursachen, die unnötig und deshalb nicht erstattungsfähig sind.
Dadurch, daß die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten den Antrag auf Berufungszurückweisung zu den Akten gereicht haben, haben sie unnötig die volle Prozeßgebühr nach dem Berufungsstreitwert ausgelöst. Hätte ihr Schriftsatz diesen Sachantrag nämlich nicht enthalten, wären aufgrund der durch die Berufungsrücknahme des Klägers eingetretenen Auftragsbeendigung für sie nach § 32 I BRAGO nur eine 13/20 Prozeßgebühr zuzüglich der Erhöhung gem. § 6 BRAGO (2 x 3,9/20), Postauslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO (40.- DM) und Mehrwertsteuer gemäß § 25 II BRAGO entstanden. Die Gebühren hätten damit unter Einschluß der für die 1. Instanz zu erstattenden Kosten von 1.548,64 DM nur den oben festgesetzten Betrag ergeben. Soweit auf Beklagtenseite höhere Kosten angefallen sind, besteht somit wegen fehlender Notwendigkeit gem. § 91 I ZPO keine Erstattungsgfähigkeit.