Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 20.05.1997, Az.: 9 T 59/97
Kriterien zur Bestimmung des gebührenrechtlichen Begriffs der "Angelegenheit"
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 20.05.1997
- Aktenzeichen
- 9 T 59/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 24714
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:1997:0520.9T59.97.0A
Rechtsgrundlage
- § 132 BRAGO
Entscheidungsgründe
In den Verfahren 29 II 837/96, 29 II 839/96, 29 II 1246/96, 29 II 1247/96 bilden die vorliegenden Gegenstände der Beratung nur eine einzige Angelegenheit, nämlich die Schuldenregulierung der Betroffenen.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung und allgemeiner Meinung im Schrifttum (vgl. BGH in JurBüro 76, 794 sowie Gerold-Schmidt BRAGO, 11. Aufl., Rz. 5 zu § 13 m.w.N..) ist unter einer "Angelegenheit" im gebührenrechtlichen Sinne das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für seinen Mandanten besorgen soll. Maßgebliches Kriterium ist der Inhalt des Auftrages; er bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt für seinen Mandanten tätig werden soll. Unter einer "Angelegenheit" ist mithin das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt besorgen soll, vorausgesetzt der Auftrag ist einheitlich erteilt, es besteht Gleichartigkeit des Verfahrens und ein innerer Zusammenhang. Ein einheitlicher Auftrag liegt auch dann vor, wenn der Rechtsanwalt zu verschiedenen Zeiten beauftragt wurde, wenn die Ansprüche gemeinsam behandelt werden sollen. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu beantworten.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Beratungshelfer nur in einer einzigen Angelegenheit, wenn auch möglicherweise zu mehreren Gegenständen tätig geworden. Er ist von der Betroffenen ersichtlich einheitlich mit der Regelung ihrer Schulden beauftragt worden. Demgemäß ist er für sie in einem eng begrenzten Zeitraum vom 15.3. bis zum 29.3. 96 tätig geworden, indem er sich mit im wesentlichen gleichlautenden Schreiben vom 15.3.96 (1 Schreiben) und 29.3.96 (3 Schreiben) an die einzelne Gläubiger gewandt hat und um Ratenzahlung gebeten hat. Zielrichtung und Verfahrensweise waren in sämtlichen Fällen die gleichen, so daß auch der Umstand, daß nicht alle Gläubiger zum gleichen Zeitpunkt angeschrieben worden sind, an der Einheitlichkeit des Auftrages nichts ändert. Die Einbeziehung weiterer Gläubiger kann nicht als neue selbständige Auftragserteilung gewertet werden, zumal es sich insoweit nicht um neue Schulden der Betroffenen handelt, sondern um Altschulden. Auch die Einfügung einer in den anderen Schreiben nicht enthaltenen rechtlichen Wertung in das Schreiben vom 15.3.1996 stellt die Einheitlichkeit nicht in Frage, da diese - offensichtlichen unrichtige - Wertung nur zur Unterstützung des Ratenzahlungsbegehrens eingesetzt wurde.
Es handelt sich daher vorliegend kostenrechtlich sowohl vom einheitlichen Auftrag her als auch von der Sache her im Hinblick auf die einheitliche Zielsetzung angesichts des inneren und auch zeitlichen Zusammenhanges der zu regelnden Verhältnisse um eine einzige Angelegenheit.
Eine andere Lösung würde auch zu zufälligen Ergebnissen führen, je nach dem, ob der um Beratungshilfe Nachsuchende einen Sachverhalt anfänglich gleich in vollem Umfang vorträgt oder ob er erst nach und nach sei es aus Vergeßlichkeit oder Nachlässigkeit, sei es bewußt mit sämtlichen Problemen einer Angelegenheit (hier: Schuldenregulierung) "herausrückt"; eine derartige Differenzierung erscheint nicht gerechtfertigt.
Daß in den hier zu regelnden Fällen Gläubiger und Forderungen verschieden sind, macht sie nicht zu mehreren Angelegenheiten im kostenrechtlichen Sinne; dies ist vielmehr bei einer Schuldenregulierung in aller Regel der Fall. Ebensowenig rechtfertigen die Umstände, daß die Tätigkeit des Beratungshelfers zu verschiedenartigen Ergebnissen führte und daß die Betroffene möglicherweise noch weitere Schulden hat, eine andere Beurteilung.
Schließlich stellen die Festgebühren des § 132 BRAGO allein auf den Vorgang und nicht auf den Umfang der Beratung oder Tätigkeit des Rechtsanwalt ab. Es muß daher in Kauf genommen werden, daß ein Rechtsanwalt u.U. in Fällen wie dem vorliegenden für eine relativ geringfügige Vergütung eine relativ umfangreiche Tätigkeit entfaltet, zumal andererseits auch nicht selten für die gleiche Vergütung nur eine relativ geringfügige Tätigkeit entfaltet werden muß.