Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 30.11.2022, Az.: 2 W 104/22
Aufhebung eines Bescheids über die Grundstücksverkehrsgenehmigung des Landkreises
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 30.11.2022
- Aktenzeichen
- 2 W 104/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59344
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 2 Abs 1 S 1 GrdstVG
Fundstelle
- RNotZ 2023, 245
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Einräumung von Miteigentum allein bedeutet noch keine unwirtschaftliche Aufteilung im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Beschluss des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Herzberg am Harz vom 31.08.2022 unter Aufhebung des Bescheids über die Grundstücksverkehrsgenehmigung des Landkreises – Der Landrat – Göttingen, Landwirtschaftsbehörde, vom 11.07.2022 abgeändert.
Der Grundstücksüberlassungsvertrag vom 29.03.2022 (UR-Nr.: 90/22 des Notars H) wird grundstücksverkehrsrechtlich genehmigt.
Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: 35.000,00 Euro
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1. ist Eigentümerin des im Grundbuch des Amtsgerichts Herzberg am Harz für Bartolfelde Blatt 1056 zu lfd. Nr. 9 und 10 eingetragenen Grundbesitzes. Dabei handelt es sich um Landwirtschaftsflächen in der Größe von 5.296 m² und 10.754 m². Mit Überlassungsvertrag vom 29.03.2022 (UR-Nr.: 90/22 des Notars H, Bad Lauterberg im Harz) hat die Beteiligte zu 1. den Grundbesitz auf die Beteiligten zu 2. und 3. zu je einem halben Miteigentumsanteil übertragen.
Auf den am 21.06.2022 bei dem Landkreis Göttingen eingegangenen Antrag, den Vertrag nach § 2 Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG) zu genehmigen, hat der Grundstücksverkehrsausschuss am 07.07.2022 beschlossen, den Vertrag nur unter der Bedingung zu genehmigen, dass das landwirtschaftliche Grundstück lediglich an eine Person zu Alleineigentum übertragen wird. Gegen den entsprechend ergangenen Grundstücksverkehrsgenehmigungsbescheid des Landkreises Göttingen vom 11.07.2022, der dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. bis 3. am 18.07.2022 zugegangen ist, haben diese mit am 27.07.2022 bei dem Landkreis eingegangenen Schriftsatz Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.
Das Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – Herzberg am Harz hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Beschluss vom 30.08.2022, zugestellt am 15.09.2022, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 26.09.2022 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. bis 3. Zur Begründung führen sie aus, dass nach § 8 Nr. 2 GrdstVG eine Genehmigung zu erteilen sei, wenn ein landwirtschaftlicher/forstwirtschaftlicher Betrieb geschlossen veräußert oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen werde. Da die Veräußerin im Wege letztwilliger Verfügung den Grundbesitz von Todes wegen den beiden Erwerbern hätte zuwenden können, müsse es auch möglich sein, ihnen den Grundbesitz unter Lebenden zu übertragen. Das Argument des Landkreises Göttingen, dass zwar eine Übertragung an die Erwerber in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zulässig sei, nicht aber als Miteigentümer, entbehre jeder sachlichen Rechtfertigung.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 11.10.2022 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Senat hat den Landkreis Göttingen als Genehmigungsbehörde (Grundstücksverkehrsausschuss nach § 41 LwKG i. V. m. § 3 Abs. 1 GrdstVG) angehört.
II.
1.
Die zulässige sofortige Beschwerde (§ 1 Nr. 2, 9 LwVG i. V. m. § 58 ff., 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG) ist begründet.
a) Der notarielle Vertrag vom 29.03.2022 bedarf als rechtsgeschäftliche Veräußerung landwirtschaftlicher Flächen von mehr als 1 ha gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 GrdstVG i. V. m. § 1 Nds. GrdstVG AG (Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Grundstücksverkehrsgesetz) der Genehmigung. Werden - wie hier - in einem Vertrag mehrere Grundstücke veräußert, die die Genehmigungsfreigrenze teils überschreiten und teils unterschreiten, löst das die Freigrenze übersteigende Grundstück das Genehmigungserfordernis für das gesamte Geschäft nach § 2 Abs. 1 GrdstVG aus, da die Genehmigungsbedürftigkeit für das jeweilige Rechtsgeschäft grundsätzlich nur einheitlich beantwortet werden kann (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 17.11.2010 – 2 Ww 6/10, NJW-RR 2011, 884 [BGH 07.04.2011 - V ZB 11/10] Rn. 32 ff.; OLG Schleswig, Beschluss vom 03.03.2009 – 3 WLw 20/08, BeckRS 2009, 11302 Rn. 37; OLG Brandenburg, Beschluss vom 01.03.2018 – 5 WLw 17/17 Rn 15, BeckRS 2018, 11555; Martinez in: Düsing/Martinez/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl., § 2 GrdstVG Rn. 26).
Dasselbe ergibt sich auf Grundlage des am 01.09.2022 in Kraft getretenen § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NGrdstLwG (Niedersächsisches Gesetz über Grundstücksgeschäfte im Bereich der Landwirtschaft), wonach nur die Veräußerung von Grundstücken, die kleiner sind als 0,5 ha, keiner Genehmigung nach § 2 Abs. 1 u. Abs. 2 GrdstVG bedarf. Zudem bestimmt jetzt § 1 Abs. 1 S. 2 NGrdstLwG, dass sich die Größe von Grundstücken unter Einschluss von solchen Grundstücken errechnet, die gleichzeitig veräußert werden.
b) Versagungsgründe nach § 9 GrdstVG liegen indes nicht vor. Insbesondere ist keine unwirtschaftliche Verkleinerung oder Aufteilung eines Grundstücks gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 u. Abs. 3 GrdstVG gegeben.
(1) Nach der genannten Bestimmung darf die Genehmigung versagt oder durch Auflagen oder Bedingungen eingeschränkt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass das Grundstück durch die Veräußerung unwirtschaftlich verkleinert oder aufgeteilt werden würde. Die Begründung von Miteigentum, die hier durch Überlassung des Grundbesitzes von der Beteiligten zu 1. an die Beteiligten zu 2. und 3. erfolgt, welche jeweils einen halben Miteigentumsanteil erwerben sollen, bedeutet jedoch nicht in jedem Fall eine unwirtschaftliche Aufteilung im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG mit der Folge, dass die Genehmigung zu versagen oder nur unter einer Bedingung zu erteilen wäre (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 28.10.1997 – 3 W 69/97, AgrarR 1998, 317). Auch das Oberlandesgericht Stuttgart, welches zunächst den Grundsatz aufgestellt hat, die Begründung von Miteigentum stelle wegen der dem Miteigentum innewohnenden Tendenz zur Realteilung in aller Regel eine unwirtschaftliche Aufteilung des Grundstücks dar (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.02.1990 – 10 W(Lw) 17/89, RdL 1990, 155; ebenso Wöhrmann, Das Grundsücksverkehrsgesetz (1963), S. 193), wendet diese Regel nicht schematisch an (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.04.1994 – 10 W(Lw) 12/92, RdL 1995, 48).
(2) Entscheidend ist, dass allein durch die Begründung von Miteigentum an dem in tatsächlicher Hinsicht ungeteilt bleibenden Grundstück, also durch die Bildung von Bruchteilseigentum im Rechtssinne das in der Natur vorhandene Grundstück nicht real verkleinert oder aufgeteilt wird, so dass sich an der tatsächlichen einheitlichen Bewirtschaftung des Grundstücks nichts ändert. Daraus lässt sich demgemäß keine unwirtschaftliche Verkleinerung oder Aufteilung entnehmen (vgl. Netz, GrdstVG, 7. Aufl., Rn. 23, 34). Auch gibt die bloße Begründung von Miteigentum noch nichts Ausreichendes dafür her, dass sich aus dem Bruchteilseigentum künftig eine Realteilung entwickeln wird (s. a. dazu Netz, a. a. O.). Umstände, die darauf hindeuten würden, dass eine zu einer späteren Abtrennung von Grundstücksteilen führende Entwicklung schon jetzt konkret angelegt ist, liegen dagegen nicht vor.
Dass jeder Miteigentümer das Recht hat, die Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft zu betreiben und die Auseinandersetzung und Aufhebung der Gemeinschaft die Gefahr der Zerstückelung in sich trägt (so Wöhrmann, a. a. O.), stellt im Lichte der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (Grundgesetz) keinen hinreichenden Grund dar, der Begründung von Miteigentum generell die Genehmigung zu versagen. Eine solche Sichtweise verkennt die Systematik des Grundstücksverkehrsgesetzes. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 GrdstVG bedarf die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks der Genehmigung, wobei der Veräußerung eines Grundstücks zwar die Einräumung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück gleichsteht. Damit ist jedoch noch nichts darüber gesagt, ob die Genehmigung versagt werden kann. Dies regelt § 9 GrdstVG, wonach die Genehmigung nur unter bestimmten Voraussetzungen versagt oder durch Auflagen oder Bedingungen eingeschränkt werden darf. Daraus folgt, dass die Erteilung der Genehmigung die Regel und ihre Versagung oder Einschränkung die Ausnahme ist. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis würde ins Gegenteil verkehrt, knüpfte man allein an die Einräumung oder Begründung von Miteigentum bereits die Versagung der Genehmigung.
Hinzu kommt, dass eine Veräußerung der Miteigentumsanteile und spätere Realteilung des Grundbesitzes der erneuten landwirtschaftsrechtlichen Genehmigung bedarf, eine spätere Realteilung also versagt werden könnte (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27.05.1975 – 15 W(b) 1/75; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.10.1997 – 3 W 69/97, AgrarR 1998, 317). Damit kann der Gefahr der Zerstückelung entgegengewirkt werden, wenn sie sich tatsächlich konkretisiert. Eine Teilungsversteigerung zur Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft nach § 180 ZVG wiederum würde nicht zur Teilung des Grundstücks in Natur, sondern lediglich zur Teilung des Erlöses führen (ebenso Netz, a. a. O.; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 28.10.1997, a. a. O.).
2.
Gemäß den §§ 34, 42 S. 1 LwVG ist von der Erhebung von Gerichtskosten abgesehen worden. Die hierfür nötigen besonderen Gründe liegen vor, weil die Landwirtschaftsbehörde, also der Landkreis Göttingen, nach § 7 Abs. 6 FamFG nicht Beteiligter ist (vgl. Ernst, LwVG, 8. Aufl., § 14 Rn. 286), so dass ihm, obwohl er die Genehmigung des Grundstücksüberlassungsvertrags zu Unrecht nur unter einer Bedingung erteilt hat, die in dem durch den Antrag auf gerichtliche Entscheidung eröffneten Verfahren entstandenen Kosten nicht auferlegt werden können. Dies rechtfertigt das Absehen von der Erhebung von Gerichtskosten (vgl. Hornung in Düsing/Martinez, AgrarR, 2. Aufl., § 42 LwVG Rn. 3 m. w. N.). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 45 S. 1 LwVG findet nicht statt.
3.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren ist gemäß den §§ 79 Abs. 1 GNotKG i. V. m. §§ 36 Abs. 1, 46 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 2 GNotKG entsprechend dem Verkehrswert des Grundbesitzes festgesetzt worden.
4.
Das Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung nach § 2 Abs. 2 LwVG unter Hinzuziehung von ehrenamtlichen Richtern zu fällen ist, sofern kein Ausnahmefall nach § 20 LwVG vorliegt, was hier nicht der Fall ist.