Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 30.11.2022, Az.: 2 W 113/22
Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung des Grundbuchamts zu einer Veräußerungsgenehmigung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 30.11.2022
- Aktenzeichen
- 2 W 113/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59341
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 05.10.2022 - AZ: HB 557-8
Rechtsgrundlage
- § 2 Abs. 1 S. 1 GrdstVG
Fundstelle
- MDR 2023, 354-355
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Das Niedersächsische Gesetz über Grundstücksgeschäfte im Bereich der Landwirtschaft (NGrdstLwG) vom 29.06.2022 gilt für Veräußerungsgeschäfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 GrdstVG, sofern der Eintragungsantrag erst nach seinem Inkrafttreten bei dem Grundbuchamt eingeht.
Tenor:
Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Bad Gandersheim vom 05.10.2022 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Wert der Beschwerde: 5.000,00 Euro.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1. ist eingetragener Eigentümer des im Grundbuch von Heckenbeck Blatt 557 verzeichneten Grundbesitzes. Dabei handelt es sich um eine Landwirtschaftsfläche in der Größe von 7.332 qm.
Mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 20.06.2022 (UR-Nr.: 434/22 des Notars E, Northeim/Bl. 43. ff. d. A.) hat der Beteiligte zu 1. der Beteiligten zu 2. den Grundbesitz verkauft. Gleichzeitig ist unter § 2 des Vertrags die Auflassung erklärt worden.
Mit am 29.09.2022 bei dem Grundbuchamt eingegangenem Antrag vom 24.09.2022 hat der Notar den Antrag auf Eigentumsumschreibung gestellt. Das Grundbuchamt hat mit Verfügung vom 05.10.2022 auf Eintragungshindernisse hingewiesen und im Hinblick auf das Niedersächsische Gesetz über Grundstücksgeschäfte im Bereich der Landwirtschaft (NGrdstLwG) vom 29.06.2022 die Vorlage einer Genehmigung/eines Negativattests nach § 2 GrdstVG verlangt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 14.11.2022, mit welcher sie die Auffassung vertreten, dass keine Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erforderlich sei, weil der Vertrag bereits am 22.06.2022 geschlossen worden sei und deshalb das bis zum 31.08.2022 geltende Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum Grundstücksverkehrsgesetz zur Anwendung komme. Dieses Ergebnis folge auch aus § 1 Abs. 1 S. 2 NGrdstLwG, da hiernach zur Berechnung der Größe der Grundstücke auch diejenigen Grundstücke mit einzuschließen seien, die bis zum 31.08.2022 nach § 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Grundstücksverkehrsgesetz veräußert worden seien.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.11.2022 nicht abgeholfen, weil es auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Eigentumsumschreibung bei dem Grundbuchamt ankomme, und die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Die zulässige Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 71 Abs. 1, 73 GBO) ist unbegründet.
Das Grundbuchamt hat zu Recht mit Zwischenverfügung vom 05.10.2022 die Vorlage einer Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz verlangt.
a) Nach § 7 Abs. 1 GrdstVG darf eine Rechtsänderung aufgrund einer genehmigungsbedürftigen Veräußerung erst dann in das Grundbuch eingetragen werden, wenn dem Grundbuchamt die Unanfechtbarkeit der Genehmigung nachgewiesen wird. Bis zur Erteilung der Genehmigung ist die Verfügung schwebend unwirksam (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl., § 19 Rn. 117; Hügel, a. a. O., Rn. 31 m. w. N.). Das Grundbuchamt hat deshalb sowohl im Rahmen des § 19 GBO bei der Frage der Bewilligungsberechtigung als auch nach § 20 GBO bei der Frage der Verfügungsbefugnis des Veräußerers von Amts wegen zu prüfen, ob der Rechtsvorgang sachlich und zeitlich genehmigungspflichtig ist oder wenigstens sein kann. Kommt das Grundbuchamt zu dem Ergebnis, dass eine Genehmigungspflicht besteht oder hält es diese nicht für völlig ausgeschlossen, so hat es den Nachweis der Genehmigung oder eine Negativbescheinigung der Genehmigungsbehörde zu verlangen (vgl. Munzig in Keller/Munzig, Grundbuchrecht, § 20 Rn. 139 f.; Hügel in: BeckOK GBO, 47. Edition, „Verfügungsbeeinträchtigungen“ Rn. 67 m. w. N.).
b) So liegen die Dinge hier.
aa) Nach § 2 Abs. 1 S. 1 GrdstVG bedürfen die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks und der schuldrechtliche Vertrag hierüber der Genehmigung. Da Gegenstand des Kaufvertrags vom 20.06.2022 ein landwirtschaftliches Grundstück im Sinne von § 1 Abs. 1 GrdstVG ist und die Voraussetzungen eines genehmigungsfreien Rechtsgeschäfts nach § 4 GrdstVG nicht vorliegen, ist der Vertrag vom 20.06.2022 grundsätzlich genehmigungsbedürftig.
Demgemäß hat das Grundbuchamt zu Recht nach § 18 Abs. 1 S. 1 GBO auf der Eintragung entgegenstehende Hindernisse hingewiesen und eine angemessene Frist zur Behebung des Hindernisses durch Vorlage einer Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz oder eines Negativattests nach § 5 GrdstVG gesetzt.
bb) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist das Geschäft nicht gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG genehmigungsfrei.
(1) Nach dieser Norm können die Länder bestimmen, dass die Veräußerung von Grundstücken bis zu einer bestimmten Größe keiner Genehmigung bedarf. Richtig ist zwar, dass nach § 1 GrdstVGAG ND (Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Grundstücksverkehrsgesetz) die Veräußerung von Grundstücken, die kleiner als 1,00 ha sind, genehmigungsfrei gestellt worden ist. Dies trifft auf das hier in Rede stehende Grundstück zu, weil die Größe lediglich 7.332 qm beträgt. Das Niedersächsische Ausführungsgesetz zum Grundstücksverkehrsgesetz ist jedoch nach § 4 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 NGrdstLwG mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.09.2022 außer Kraft getreten. Gemäß dem nun geltenden § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NGrdstLwG ist nur noch die Veräußerung von solchen Grundstücken nach dem Grundstücksverkehrsgesetz genehmigungsfrei, die kleiner als 0,5 ha sind, was auf das hier verkaufte Grundstück nicht zutrifft.
(2) Dass das Niedersächsische Gesetz über Grundstücksgeschäfte im Bereich der Landwirtschaft erst nach Abschluss des Vertrags vom 20.06.2022 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die Genehmigungsbedürftigkeit muss zum Zeitpunkt der Grundbucheintragung bestehen (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl., § 19 Rn. 116 m. w. N.). Die Einführung eines Genehmigungszwangs hat zwar regelmäßig keine Rückwirkung, wenn nur das Verpflichtungsgeschäft für genehmigungspflichtig erklärt wird und bereits wirksam ist. Eine Genehmigungspflicht entsteht aber dann, wenn die rechtsgeschäftliche Verfügung vor ihrer Eintragung in das Grundbuch einem Genehmigungszwang unterworfen wird (Hügel, a. a. O., Rn. 34; Keller/Munzig, a. a. O., Rn. 146; Demharter, a. a. O., § 19 Rn. 121).
Hieran gemessen ist die Eigentumsübertragung genehmigungspflichtig.
(a) Nach § 2 Abs. 1 S. 1 GrdstVG sind sowohl die rechtgeschäftliche Veräußerung des Grundstücks als auch der schuldrechtliche Vertrag hierüber genehmigungsbedürftig. Da der schuldrechtliche Vertrag am 20.06.2022 und damit noch unter Geltung des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Grundstücksverkehrsgesetz geschlossen worden ist, ist er ohne Genehmigung wirksam. Dies führt jedoch nicht zu einer genehmigungsfreien Wirksamkeit der Veräußerung. Denn nach § 2 Abs. 1 S. 2 GrdstVG gilt nur bei Genehmigung des schuldrechtlichen Vertrags, die hier nicht vorliegt, auch die in Ausführung des Vertrags vorgenommene Auflassung als genehmigt.
Die nach § 2 Abs. 1 S. 1 GrdstVG grundsätzlich genehmigungsbedürftige rechtsgeschäftliche Veräußerung des Grundstücks bedarf für ihre materiell-rechtliche Wirksamkeit nach § 873 Abs. 1 BGB neben der schon vorliegenden Einigung der Beteiligten über die Rechtsänderung noch der Eintragung im Grundbuch, an der es hier fehlt. Die Verfügung ist mithin noch nicht wirksam vorgenommen worden. Der hierfür noch erforderliche Rechtsakt, nämlich die Eintragung im Grundbuch, vollzieht sich vielmehr unter der Geltung des am 01.09.2022 in Kraft getretenen Niedersächsischen Gesetzes über Grundstücksgeschäfte im Bereich der Landwirtschaft, so dass auch dessen Freistellungsgrenze zur Anwendung kommt (vgl. auch BayObLG, Beschluss v. 14.07.1977 – BReg. 2 Z 31/76, BayObLGZ 1977, 206).
(b) Die Regelung in § 1 Abs. 1 S. 2 NGrdstLwG führt zu keinem anderen Ergebnis. Hiernach errechnet sich die Größe von Grundstücken zwar u. a. unter Einschluss von Grundstücken, die innerhalb von drei Jahren vor der Veräußerung aus dem im Zuständigkeitsbereich derselben Genehmigungsbehörde gelegenen Grundeigentum der veräußernden Person genehmigungsfrei bis zum 31.08.2022 nach § 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Grundstücksverkehrsgesetz veräußert wurden. Daraus folgt jedoch nicht, dass bis zum 31.08.2022 erklärte Auflassungen generell nach dem alten Rechtsstand zu beurteilen sind; es geht vielmehr um Veräußerungen, die bis zum 31.08.2022 durch Eintragung im Grundbuch wirksam geworden sind bzw. deren Eintragungsantrag bis zu diesem Zeitpunkt gestellt worden ist.
2.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da sich die Kostenregelung unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (§§ 1 Abs. 1, 22 Abs. 1 GNotKG i. V. m. Nr. 14510 KV GNotKG).
3.
Gemäß § 78 GBO war die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
4.
Der Beschwerdewert ist gemäß den §§ 79 Abs. 1, 61 Abs. 1, 36 Abs. 1 u. 3 GNotKG festgesetzt worden.