Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 14.11.2022, Az.: 10 U 4/22

Diesel-Abgasskandal; Mercedes-Benz GLC 250 4Matic BlueTEC mit dem Motor OM651; SCR-Katalysator; AdBlue-Dosierung; Füllstand-Modus; Online-Modus; Stickoxidintegral; Kühlmittelsolltemperatur; geregelter Kühlmittelthermostat; Grenzwertkausalität; Abgasrückführung; Thermofenster; amtliche Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes; prüfstandbezogene Softwaresteuerung; Typgenehmigungsbogen; Abgasmessungen; Schutzgesetz; sachlicher Schutzbereich; Aussetzung; EuGH; Vorlage; Rantos; kaufrechtliche Gewährleistung; Rücktritt; Mangel; Verjährung; Arglist

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
14.11.2022
Aktenzeichen
10 U 4/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 65103
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 28.02.2019 - AZ: 8 O 158/18

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zu den Substantiierungsanforderungen an den Vortrag einer sittenwidrigen Schädigung durch eine von einem Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes betroffene, nicht prüfstandsbezogene Softwaresteuerung (hier: dauerhafte Umschaltung auf einen sog. Online-Modus zur Steuerung der AdBlue-Dosierung für den SCR-Katalysator sowie dessen Ausgestaltung).

  2. 2.

    Zu den Substantiierungsanforderungen an die behauptete Ausstattung eines Fahrzeugs mit einer eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellenden Softwaresteuerung.

  3. 3.

    Die Einstufung einer die Abgaswerte eines Fahrzeugs regelnden Softwaresteuerung als unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 setzt bei einer nicht prüfstandsbezogenen Softwaresteuerung voraus, dass die Verwendung der Softwaresteuerung erforderlich ist, um die Grenzwerte auf dem Prüfstand einzuhalten (Grenzwertkausalität).

  4. 4.

    Zu den Voraussetzungen einer Haftung gemäß §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 263 StGB sowie einer Arglist i.S.d. § 438 Abs. 3 BGB beim Erwerb eines Fahrzeugs direkt beim Hersteller, das mit einer von einem Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes betroffenen, nicht prüfstandsbezogenen Softwaresteuerung ausgestattet ist (hier: dauerhafte Umschaltung auf einen sog. Online-Modus zur Steuerung der AdBlue-Dosierung für den SCR-Katalysator sowie dessen Ausgestaltung).

  5. 5.

    Der Erwerber eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs kann einen Anspruch auf Freistellung von den Folgen des Fahrzeugerwerbs nicht auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV stützen. Ein solcher Schadensersatzanspruch fällt unabhängig von einem etwaigen europarechtlich begründeten Schutzgesetzcharakter der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV nicht in deren sachlichen Schutzbereich. Insoweit ist trotz des Schlussantrags des Generalanwalts Rantos vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 weiterhin von einem acte clair auszugehen.

In dem Rechtsstreit
R. K.
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
...
gegen
M AG
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Klocke, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Hoffmann und die Richterin am Oberlandesgericht Wölber auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2022 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 28.02.2019, Az. 8 O 158/18, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 28.02.2019, Az. 8 O 158/18, ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf die Wertstufe bis 65.000,- € bis zum 25.04.2021 und auf die Wertstufe bis 30.000,- € ab dem 26.04.2021.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf deliktischen Schadensersatz wegen eines mit ihr geschlossenen Kaufvertrags über einen der Euro-6-Norm unterliegenden Neuwagen Mercedes-Benz GLC 250 4Matic BlueTEC mit einem Motor OM651 sowie auf gewährleistungsrechtliche Rückabwicklung des Vertrages in Anspruch.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil verwiesen. Zu ergänzen ist:

Das Fahrzeug des Klägers wurde am 05.09.2019 bei einem Kilometerstand von 66.105 km für 28.100 € verkauft.

Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt über ein SCR-System, das aus einem SCR-Katalysator und einer Vorrichtung zur Einspritzung von Harnstofflösung (AdBlue) besteht. Der Fahrzeugnutzer kann den 27,5 l großen AdBlue-Tank über einen Füllstutzen, der direkt neben dem Diesel-Einfüllstutzen liegt, mit im Handel für ca. 1,- € / Liter frei erhältlichem AdBlue betanken. Das System wandelt, nachdem die hierfür erforderlichen Temperaturen erreicht sind (Light-off-Temperatur, anknüpfend an die Abgastemperatur), die eingespritzte Harnstofflösung in Ammoniak, ein stark stechend riechendes, giftiges Gas, um. Dieses reagiert mit den Stickoxiden zu Stickstoff und Wasser und wandelt diese so in ungefährliche Stoffe um. Nach Erreichen der für die SCR-Reaktion erforderlichen Light-off-Temperatur wird zunächst Ammoniak in den Katalysator eindosiert und lagert sich dort ab, d.h. es wird von diesem adsorbiert, bis der Katalysator (beinahe) gesättigt ist. Zur Reaktion mit den Stickoxiden steht vom Katalysator wieder abgegebenes (desorbiertes) Ammoniak zur Verfügung sowie das eindosierte Ammoniak, das der Katalysator nicht (mehr) aufnehmen kann. Im Fall einer Überdosierung von AdBlue mit der Folge, dass das zur Reaktion zur Verfügung stehende Ammoniak nicht vollständig mit dem Stickoxidaufkommen reagieren kann, wird Ammoniak in die Umwelt emittiert (sog. Ammoniak-Schlupf). Wegen dieses Risikos kann Ammoniak nicht unbegrenzt eindosiert werden. Zur Reduzierung dieses Risikos verwendet das SCR-System zwei Dosiermodi. Der Füllstand-Modus ist regelmäßig nach dem Motorstart aktiv und dosiert zur schnellen Sättigung des Katalysators mehr Ammoniak ein, als zur Reinigung der vorhandenen Stickoxide benötigt. Zu einem späteren Zeitpunkt wird alternativ ein sog. Online-Modus aktiviert, der geringere Mengen Ammoniak eindosiert. Die Softwaresteuerung kann, abhängig von verschiedenen Parametern, u.a. der Temperatur des SCR-Katalysators und dem Massenstrom der Stickoxid-Rohemissionen, zwischen den verschiedenen Modi hin- und herschalten, wobei jedenfalls ab einer bestimmten Gesamtmenge der Stickoxid-Rohemissionen (bezeichnet auch als Stickoxid-Rohemissionen-Integral) bis zum nächsten Zündungswechsel dauerhaft der Online-Modus aktiviert bleibt.

Weiter verfügt das Fahrzeug über einen geregelten Kühlmittelthermostat. Der Kühlmittelthermostat beeinflusst die Temperaturentwicklung des Kühlmittels, indem mechanisch über eine sich ausdehnende Wachspatrone bestimmt wird, ob das Kühlmittel durch einen kleinen Kühlmittelkreislauf läuft oder einen großen Kühlmittelkreislauf, in dem die Kühlleistung höher ist. Der geregelte Kühlmittelthermostat bewirkt eine langsamere Aufheizung des Kühlmittels, indem er durch elektrische Beheizung geöffnet wird, bevor die Kühlmitteltemperatur den konstruktionsbedingten Öffnungspunkt erreicht. Die (De)Aktivierung des Thermostats erfolgt unter Berücksichtigung der Außen- und Ansauglufttemperatur, des Umgebungsdrucks, der Last und Drehzahl, der Motoröltemperatur sowie eines von der Temperatur des Kühlmittels beim Motorstart abhängigen Zeitraums, nach dem die Regelung spätestens deaktiviert wird. Wegen des geregelten Kühlmittelthermostats wurden Euro-5-Fahrzeuge der Beklagten vom Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) zurückgerufen.

Die Softwaresteuerungen, die in dem vom Kläger als Anlage BK10 zur Akte gereichten Gutachten eines IT-Sachverständigen F. D. vom 28.09.2020 diskutiert werden, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 05.11.2021 zur Kenntnis gelangte (Bl. 786-816 II d.A.) und einen Mercedes E350 mit einem Motor OM642 der Abgasnorm Euro 6 mit SCR-Katalysator betrifft, sind dem KBA bekannt. Es hat diese nach einer ausschnittweise zitierten dpa-Meldung vom 05.11.2021 (Bl. 923 d.A.) nicht für unzulässig befunden. Das vom Privatgutachter D. untersuchte Fahrzeug war von einem Bescheid des KBA vom 06.08.2020 betroffen, mit dem bezüglich verschiedener Fahrzeuggruppen ein zuvor erlassener Rückrufbescheid vom 03.08.2018 zurückgenommen wurde.

Im Zusammenhang mit dem Typgenehmigungsantrag für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp hat die Beklagte den zur Akte gereichten EG-Typgenehmigungsbogen vom 18.09.2015 sowie den diesem beigefügten Prüfbericht und den diesem ebenfalls beigefügten Beschreibungsbogen für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell beim KBA eingereicht (Anlage BB25, Bl. 812ff I d.A.).

Gegen den das streitgegenständliche Fahrzeug betreffenden Rückrufbescheid des KBA vom 03.08.2018 hat die Beklagte nach einem erfolglosen Widerspruchsverfahren Klage erhoben. Das Klageverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Gegen Mitarbeiter der Beklagten sind durch Strafbefehle Bewährungsstrafen verhängt worden wegen Softwaresteuerungen der Abgasnachbehandlung in Fahrzeugen der Beklagten. Gegen die wegen dieser Softwaresteuerungen ergangenen Rückrufbescheide des KBA hat die Beklagte Anfechtungsklage erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Selbst bei Unterstellung einer unzulässigen Abschalteinrichtung bestünden weder vertragliche noch deliktische Ansprüche.

Die Rücktrittserklärung vom 03.05.2018 sei gemäß § 218 BGB wegen Ablaufs der zweijährigen Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB unwirksam. Mangels arglistiger Täuschung gelte nicht die 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Eine arglistige Täuschung komme weder durch aktives Tun noch durch Verschweigen besonders wichtiger Umstände in Betracht. Die für eine arglistige Täuschung u.a. erforderliche Voraussetzung, dass es um einen wertbildenden Faktor der Kaufsache von besonderem Gewicht gehe, liege nicht vor. Das Fahrzeug sei trotz der (unterstellten) unzulässigen Abschalteinrichtung mit einer gültigen Typgenehmigung und einer ebenfalls gültigen Übereinstimmungsbescheinigung ausgestattet und ordnungsgemäß zum Verkehr zugelassen. Der Kläger habe das Fahrzeug uneingeschränkt nutzen können und tue dies auch weiter. Eine Stilllegung wegen der Anordnung der Nachrüstung durch das KBA habe der Kläger, nachdem er das Update habe aufspielen lassen, nicht mehr zu befürchten. Wertverluste von Dieselfahrzeugen beträfen Fahrzeuge aller Hersteller und seien nicht auf diejenigen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung begrenzt. Vor diesem Hintergrund sei eine Zuordnung eines etwaigen Minderwertes zu der unzulässigen Abschalteinrichtung für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht vorgetragen.

Jedenfalls sei der Rücktritt ohne zuvor gesetzte, nicht entbehrliche Frist zur Nachbesserung erklärt worden sei. Eine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Nachbesserung gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB liege wegen des angebotenen Updates ebenso wenig vor wie besondere Umstände gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Das Update beseitige die Abschalteinrichtung gemäß der Bestätigung des KBA vom 12.03.2018 (Anlage B3), die gemäß § 417 ZPO vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen erbringe. Soweit der Kläger negative Folgen für sein Fahrzeug befürchte, ergebe sich das von ihm behauptete unterschiedliche Verhalten des Fahrzeugs auf dem Prüfstand und im Straßenverkehr aus den vorgelegten Unterlagen nicht eindeutig. Eine solche Befürchtung sei nach der technischen Überprüfung des KBA und seiner Freigabeerklärung unbegründet und damit das Aufspielen des Updates zumutbar. Auch eine arglistige Täuschung würde eine Fristsetzung nicht entbehrlich machen, da vorliegend die Maßnahme der Kontrolle des KBA als Bundesbehörde unterliege.

Es bestünden auch keine Ansprüche gegen die Beklagte aus Delikt, insbesondere nicht aus § 823 BGB i.V.m. § 263 StGB. Im Hinblick auf eine Einstufung in die Euro-6-Norm liege keine Täuschung vor, da das Fahrzeug dort eingestuft sei. Die Beklagte habe den Kläger auch nicht über die Werte im realen Straßenverkehr getäuscht. Er habe dazu weder konkret vorgetragen, noch ergebe sich dies aus der allgemeinen Prospektwerbung, die Hinweise auf von den Prüfstandwerten möglicherweise abweichende tatsächliche Verbrauchswerte enthalte. Hinsichtlich einer grundsätzlich in Betracht kommenden Täuschung bezüglich einer unzulässigen Abschalteinrichtung (Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziffer 10 der VO (EG) 715/2007) habe die Beklagte den Kläger nicht aktiv getäuscht. Jedenfalls sei dem Kläger kein Schaden entstanden, insbesondere auch nicht durch Abschluss eines ungewollten Kaufvertrages, da das Fahrzeug für die Zwecke des Klägers voll brauchbar sei.

Es bestehe auch kein Anspruch aus § 826 BGB. Eine Ersatzpflicht im Rahmen des § 826 BGB bestehe nur für Schäden, die dem in anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammten. Das Verbot unzulässiger Abschalteinrichtungen diene dem Allgemeininteresse der Verbesserung der Luftqualität. Soweit ggf. auch die Gesundheit einzelner Europäer geschützt werde, mache der Kläger den Schutz seines Vermögens geltend. Durch das Ausstellen der Übereinstimmungsbescheinigung sei ebenfalls kein Anspruch aus § 826 BGB gegeben. Der Schutzzweck der §§ 6, 27 EG-FGV betreffe nicht den vom Kläger geltend gemachten Vermögensschaden.

Wegen der erörterten Gültigkeit von Typgenehmigung und Übereinstimmungsbescheinigung bestehe unabhängig vom Schutznormcharakter auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV.

Gegen das dem Kläger am 28.02.2019 zugestellte Urteil hat dieser am 19.03.2019 Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer (Eingang des Schriftsatzes am 29.04.2019, einem Montag) Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.05.2019 durch einen an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung hat der Kläger bis zum Verkauf seines Fahrzeugs seinen erstinstanzlichen Klageantrag zu 1. auf Erstattung des um gezogene Nutzungen reduzierten Kaufpreises und Zahlung von neu errechneten Deliktszinsen gemäß § 849 BGB seit dem Erwerb des Fahrzeugs, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, sowie seinen Klageantrag zu 2. auf Feststellung des Annahmeverzugs weiterverfolgt. Nach dem Verkauf des Fahrzeugs verfolgt er, ergänzt um eine Erledigungserklärung im Übrigen, nur noch einen reinen Zahlungsantrag nebst Zinsen gemäß §§ 286, 288 BGB ab dem 10.05.2018, gerichtet auf Erstattung des um die gezogenen Nutzungen reduzierten Kaufpreises unter zusätzlicher Anrechnung des Verkaufserlöses.

Der Kläger rügt, dass die Klage zu Unrecht abgewiesen worden sei. Ihm stünden Ansprüche gemäß § 826 BGB, § 831 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB sowie ein wegen arglistiger Täuschung unverjährter Anspruch aus § 346 BGB i.V.m. § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB zu. Mit Schriftsatz vom 02.09.2022 beruft sich der Kläger erneut auf einen bereits erstinstanzlich vertretenen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen.

Das Verhalten der Beklagten sei sittenwidrig i.S.v. § 826 BGB und auch arglistig i.S.v. § 438 Abs. 4 S. 1 BGB. Entgegen dem Gedankengang des Gerichts auf Seite 7-9 des Urteils sei das schädigende Verhalten der Beklagten darin zu sehen, dass sie im streitgegenständlichen Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut und das Fahrzeug in den Verkehr gebracht habe, ohne über die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtungen aufzuklären. Hierdurch habe sie die Klagepartei wie jeden anderen potentiellen Käufer konkludent darüber getäuscht, dass das Fahrzeug den gesetzlichen Vorschriften entspreche, mangelfrei sei sowie ohne zusätzliche Maßnahmen am Straßenverkehr teilnehmen könne, und die Zulassung und die Typgenehmigung erschlichen. Die Emissionsgrenzwerte bezögen sich auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei der Verwendung. Die Wirkungsweise der Abschalteinrichtungen sei dem Prüfer nicht bewusst gewesen und von der Beklagten gezielt verschleiert worden. Entsprechend wörtlich zitierten Ausführungen des Landgerichts Stuttgart in einem als Anlage BK1 eingereichten Urteil komme vorliegend als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs allein die angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Es sei lebensfremd, dass die Beklagte das mit der Verwendung der Abschaltsoftware verbundene erhebliche Risiko ohne wirtschaftlichen Vorteil eingegangen wäre. Die Beklagte sei sich auch der Rechtswidrigkeit ihres Tuns bewusst gewesen. Das Verhalten des Vorstandes, hinsichtlich dessen Kenntnis von dem massenhaften Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtungen die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast treffe, sei dieser gemäß § 31 BGB (analog) zuzurechnen. Unstreitig seien von dem Software-Update hunderttausende von Fahrzeugen verschiedenster Modellreihen betroffen, die entweder bereits offiziell zurückgerufen worden seien oder für die Kundendienstmaßnahmen ausgewiesen würden. Dass dies über mehrere Jahre hinweg ohne Kenntnis des Vorstands erfolgt sei, sei abwegig. Der Schaden bestehe im Abschluss des Kaufvertrages, die Klagepartei habe zumindest ein sachgedankliches Mitbewusstsein hinsichtlich der konkludent erklärten Ordnungsgemäßheit des Fahrzeugs gehabt. Diesem Schaden stehe eine etwaige objektive Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht entgegen, zumal der Klagepartei auch nach der Differenzhypothese ein wirtschaftlicher Nachteil entstanden sei. Die Klagepartei hätte den Kaufvertrag in Kenntnis der gesetzeswidrigen Abschalteinrichtung nicht geschlossen, weshalb konkrete Vorstellungen in Bezug auf Schadstoffausstoß und Umweltverträglichkeit des Fahrzeugs dahinstehen könnten. Die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung stelle einen wertbildenden Faktor von besonderem Gewicht dar. Der Klagepartei drohe wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach § 5 Abs. 1 FZV ungeachtet der formalen Erteilung der Typgenehmigung oder Übereinstimmungsbescheinigung die Betriebsuntersagung. Die EG-Typgenehmigung sei irrelevant, sie habe allenfalls öffentlich-rechtliche Wirkung im Verhältnis zu den jeweiligen Behörden gehabt, nicht jedoch zur Klagepartei. Das Aufspielen des Updates sei nicht relevant, da maßgeblicher Zeitpunkt für den deliktischen Anspruch der Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei. Es werde weiterhin bestritten, dass das Software-Update keine nachteiligen Auswirkungen habe. Auch aus Schutzzweckgesichtspunkten sei die Kausalität nicht abzulehnen. § 826 BGB knüpfe nicht unmittelbar an den Verstoß gegen die VO (EG) 715/2007, sondern an die bereits dargestellte Täuschungshandlung an, die für den Rechtskreis des Käufers ersichtlich von Bedeutung sei. Selbst wenn nicht von einer Kenntnis des Vorstands ausgegangen werde, sei der Anspruch nach dem wahlweise neben § 826 BGB stehenden § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen Handelns von Verrichtungsgehilfen der Beklagten begründet.

Im Hinblick auf den Anspruch aus § 346 BGB i.V.m. § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB sei das streitgegenständliche Fahrzeug wegen der drohenden Betriebsuntersagung mangelhaft gewesen. Das Aufspielen des Updates sei nicht relevant, da maßgeblicher Zeitpunkt für den Gewährleistungsanspruch die Übergabe des Fahrzeugs sei. Die allein aus der Perspektive des Käufers zu beurteilende Unzumutbarkeit der Nachbesserung folge aus der nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses durch die arglistige Täuschung und aus einem berechtigten Mangelverdacht. Die Beklagte habe nicht bewiesen, dass durch das Update keine Folgemängel entstünden. Die Freigabe des Updates durch das KBA begründe aus der allein maßgeblichen Sicht des Käufers nicht ausnahmsweise ein Vertrauen; denn das KBA habe durch sein (Nicht-) Agieren im Abgasskandal jeglichen Kredit verspielt und sich als Interessenvertreter der Autoindustrie und nicht der Fahrzeughalter erwiesen. Der Mangel sei auch nicht unerheblich, weil die Kosten der Beseitigung, was der Kläger bestreite, unter 5 % der Gegenleistung lägen, zumal auch die erheblichen Kosten der aufwändigen Entwicklung der Mangelbeseitigung, beispielsweise in Form eines Software-Updates, zu berücksichtigen seien.

Im Hinblick auf den Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB vertritt der Kläger die Ansicht, die durch die Verwendung des nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als unzulässige Abschalteinrichtung einzustufenden Thermofensters (Rechtssachen C-128/20, C-134/20 und C-145/20) verletzten Normen der VO (EG) 715/2007, insbesondere unter Berücksichtigung von Art. 18 Abs. 1, 26 Abs. 1 RL 2007/46 die Vorschriften zur Übereinstimmungsbescheinigung, seien nach dem Schlussantrag des Generalanwalts Rantos in der Rechtssache C-100/21 Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB und schützten die Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeuges, dem auch ein materieller und immaterieller Schaden entstünde. Diese Normen habe die Beklagte zumindest fahrlässig verletzt. Bei anderer Auffassung des Gerichtes werde die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung der Rechtssache C-100/2 beantragt.

Der Kläger vertritt die Ansicht, ihm habe danach bis zum Verkauf des Fahrzeugs ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 65.317,61 € gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zugestanden, von dem die gezogenen Nutzungen abzuziehen seien, bzw. nach Verkauf des Fahrzeugs ein entsprechender Zahlungsanspruch unter zusätzlichem Abzug des Verkaufserlöses. Die Gesamtlaufleistung für Fahrzeuge der Beklagten sei auf 300.000 km zu schätzen. Danach ergebe sich ein Gebrauchsvorteil von 12.832,52 € und ein Anspruch in Höhe von 52.485,09 € bei Einreichung der Berufungsbegründung bzw. nach Verkauf des Fahrzeugs unter Anrechnung eines Gebrauchsvorteils von 14.392,74 € ein Anspruch in Höhe von 22.824,87 €.

Die Ausstattung des klägerischen Fahrzeugs mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ergebe sich daraus, dass es Teil eines verpflichtenden Rückrufs gewesen sei, was jedenfalls zu einer von der Beklagten nicht erfüllten sekundären Darlegungslast oder zur Notwendigkeit konkreten Vortrags zur Funktionsweise der Komponente führe. Sowohl die Steuerung des SCR-Katalysators als auch des Abgasrückführungssystems (im Folgenden Abgasrückführung = AGR) stellten unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 dar. Insoweit hat der Kläger zunächst eine die Stickoxidemissionen erheblich erhöhende Reduzierung bzw. komplette Abschaltung der Wirkungsweise sowohl des SCR-Katalysators als auch des AGR-Systems bei kühleren Außentemperaturen sowie bei bestimmten Drehzahlen bzw. geringer Last behauptet, seinen Vortrag zu unzulässigen Abschalteinrichtungen zweitinstanzlich jedoch auf der Grundlage mehrerer zur Akte gereichter Privatgutachten bzw. Gutachten aus Parallelverfahren ergänzt.

Bezüglich des AGR-Systems hat sich der Kläger zunächst auf Sachvortrag der Beklagten vor dem Landgericht Stuttgart bezogen, dass die AGR unter 7 °C um 45 % reduziert und unter -30 °C gänzlich abgeschaltet werde, und die Ansicht vertreten, dies begründe eine unzulässige Abschalteinrichtung. Mit Schriftsatz vom 02.09.2022 trägt der Kläger eine schrittweise Reduzierung sowie schließlich vollständige Deaktivierung der AGR außerhalb des Temperaturfensters des NEFZ von 20 °C bis 30 °C vor. Der Vortrag der Beklagten zur Notwendigkeit des Thermofensters aus Gründen des Motor- oder Bauteileschutzes werde bestritten. Einer Notwendigkeit stehe entgegen, dass eventuelle Langzeitschäden in Form einer Versottung des Motors durch eine permanente komplette AGR nach dem aktuellen Stand der Technik gemäß Seite 17f der Klageschrift und Seite 5f des Schriftsatzes vom 06.12.2018 durch anderweitige Motorkonzeptionen hätten vermieden werden können. Auch handele es sich bei der Versottung um einen langwierigen Prozess, der keine Beschädigung im Sinne der Verordnung sein könne, da eine solche ein plötzliches, gravierendes Ereignis im Rang eines Unfalls voraussetze. Die Grenzwerte im realen Fahrbetrieb würden nicht eingehalten, weil schon bei in Deutschland normalen Außentemperaturen und damit den Großteil des Jahres der Wirkungsgrad der Abschalteinrichtung deutlich reduziert werde. Könne ein Hersteller ansonsten die Dauerhaltbarkeit nicht gewährleisten, müsse er zu anderen technischen Systemen greifen oder vom Bau derartiger Dieselmotoren absehen. Bestätigt werde das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung durch die Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 17.12.2020 (Rechtssache C-693/18) sowie die Schlussanträge des Generalanwalts Rantos in den Rechtssachen C-128/20, C-134/20 und C-145/20. Danach umfasse die Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) 715/2007 nur unmittelbare Beschädigungsrisiken, jedoch keine nur den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors verhindernden Einrichtungen.

Auf der Grundlage eines schriftsätzlich als Anlage BK4 bezeichneten (tatsächlich aber mit BK5 gekennzeichneten) Gutachtens eines Dr. M. H. vom 12.11.2020 in einem Verfahren gegen die Beklagte vor dem Landgericht Stuttgart mit Untersuchungen der Motorsteuerungssoftware eines Euro-5-Modells Mercedes E 250 CDI mit dem Motor OM651 (Bl. 538ff d.A.; unstreitig den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18.12.2020 erstmalig zur Kenntnis gelangt), zweier als Anlage BK6 und BK7 zur Akte gereichter, ausschnittweise zitierter Auskünften des KBA vom 09.03.2021 und 23.02.2021 in Verfahren gegen die Beklagte vor dem Landgericht Mönchengladbach und dem Oberlandesgericht Stuttgart betreffend einen Mercedes C 220 CDI Euro 5, Motortyp OM651, sowie eines weiteren eingereichten Gutachtens des Dr. M. H. vom 26.07.2021 in einem Verfahren gegen die Beklagte vor dem Oberlandesgericht Stuttgart mit Untersuchungen der Motorsteuerungssoftware eines Fahrzeugs mit dem Motortyp OM651 und der Abgasnorm Euro 6 (Anlage BK9; Bl. 839-843 II, 844-857 d.A.; unstreitig den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28.07.2021 zur Kenntnis gelangt) behauptet der Kläger, dass eine Abschalteinrichtung vorliege, die den NEFZ an einer im realen Fahrbetrieb nicht auftretenden geringeren Motordrehzahl und einem im realen Fahrbetrieb nicht auftretenden geringen Luftmassenstrom erkenne und dann die Kühlmittelsolltemperatur von 100 °C auf 70 °C absenke, was zu unrealistisch niedrigen NOX-Messungen führe. Anhand bestimmter Parameter, die im Normalbetrieb bereits beim ersten Anfahren erfüllt seien, werde die Solltemperatur auf 100 °C heraufgesetzt. Zusätzlich sei die für die Absenkung der Solltemperatur auf 70 °C erforderliche Stromversorgung des Thermostats im Temperaturbereich des NEFZ auf etwas mehr als die Dauer des NEFZ begrenzt. Im Realbetrieb sei die Solltemperatur von 70 °C dagegen regelmäßig ohne Auswirkung, weil die Bestromungszeit beim Warmstart bereits abgelaufen sei, bevor das Kühlmittel sich auf 70 °C erwärmt habe. Diese Programmierung sei prüfstandbezogen und jedenfalls offenkundig und eindeutig unzulässig, weil sie aus technischer Sicht nicht sinnvoll, sondern sogar kontraproduktiv sei und ohne sie die NOX-Werte nicht eingehalten würden. Dies gelte insbesondere für die Senkung der Kühlmittelsolltemperatur bei geringer Last sowie deshalb, weil es erwünscht sei, dass der Motor und das Emissionskontrollsystem nach dem Kaltstart möglichst schnell die Betriebstemperatur erreiche, dies jedoch durch den geregelte Kühlmittelthermostat verzögert werde.

Die Feststellungen aus dem Gutachten vom 12.11.2020 gälten nach ausschnittsweise zitierten Ausführungen für sämtliche Euro-5-Dieselfahrzeuge der Beklagten, und es komme ein ähnliches Kennfeld auch in ihren Euro-6-Fahrzeugen zur Anwendung. Auch die als Anlage BK7 eingereichte Auskunft des KBA vom 23.02.2021 bestätige, dass Motoren vom Typ OM 640, OM642 und OM651 grundsätzlich mit dieser Funktion ausgestattet seien.

Weiter behauptet der Kläger auf der Grundlage eines schriftsätzlich als Anlage BK5 bezeichneten (tatsächlich aber mit BK4 gekennzeichneten) Gutachtens eines Prof. Dr.-Ing. E. vom 16.02.2021 in einem Verfahren gegen die Beklagte vor dem Landgericht Ellwangen mit Untersuchungen der Motorsteuerungssoftware eines Euro-5-Modells Mercedes GLK 220 CDI 4Matic mit dem Motor OM651 (Bl. 482ff d.A.; unstreitig den Prozessbevollmächtigten des Klägers erstmalig am 01.03.2021 zur Kenntnis gelangt) eine Softwaresteuerung im streitgegenständlichen Fahrzeug, die den Kühlwasserthermostat erst ab und bis zu bestimmten Umgebungs- und Kühlwassertemperaturen ansteuere, wobei die AGR-Ventilposition in der Form an die Kühlwassertemperatur gekoppelt sei, dass mit Erreichen einer Kühlwassertemperatur von ca. 80 °C die Öffnungsposition des AGR-Ventils systematisch niedriger sei als bei geringeren Kühlwassertemperaturen. Diese Temperatur sei nach dem Kaltstart im Unterschied zu den sonstigen Testfahrten früher erreicht worden, weil der Kühlwasserthermostat nicht bei 70 °C aktiviert worden sei. Auch insoweit liege eine die Wirkung des Emissionskontrollsystems verringernde Abschalteinrichtung vor, ohne dass eine Ausnahme nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) 715/2007 geltend gemacht worden sei. Die Umschaltlogik sei weder zur Vermeidung von Motorschäden und Unfällen noch zur Gewährleistung des sicheren Betriebs des Fahrzeuges erforderlich und stehe auch nicht im Zusammenhang mit dem Anlassen des Motors. Auch sei von einer Erhöhung der NOX-Emissionen durch die fehlende Aktivierung des geregelten Kühlwasserthermostates auszugehen.

Auf Grundlage des als Anlage BK10 zur Akte gereichten Gutachtens F. D. vom 28.09.2020 (Bl. 786ff II d.A.) behauptet der Kläger weiter, sein Fahrzeug sei ebenso wie das vom Sachverständigen untersuchte Fahrzeug mit von diesem festgestellten weiteren acht Abschalteinrichtungen ausgestattet, die die Beklagte im Typgenehmigungsantrag nicht angegeben habe. Es gebe weitere sechs SCR-bezogene Steuerungselemente (Abgasmassenstrom, Stickoxidmassenstrom, Ansauglufttemperatur, Motorstarttemperatur, SCR-Temperatur, AdBlue-Durchschnittsverbrauch), die die Umschaltung der AdBlue-Dosierung in den weniger effektiven Online-Modus mit einem Zielwirkungsgrad der Abgasreinigung für die meisten Betriebsbedingungen von unter 60 % erzwängen. Zusätzlich werde bzgl. verschiedener Steuerungselemente ein im NEFZ vermutlich noch nicht erreichter SCR-Alterungsfaktor verwendet, der den Schwellenwert für das Eingreifen der Abschalteinrichtung sehr früh im Verhältnis zu Alter und Laufleistung des Katalysators reduziere. In Fortführung bereits geleisteten erstinstanzlichen Vortrags zu Kartellabsprachen zwischen der Beklagten und weiteren Autoherstellern verweist der Kläger auf eine ausschnittweise zitierte Pressemitteilung der europäischen Wettbewerbsbehörde, nach der u.a. auch gegen die Beklagte wegen Wettbewerbsabsprachen hinsichtlich AdBlue-Dosierstrategien und der Größe von AdBlue-Tanks ermittelt wurde, und behauptet, für diese Steuerungen gebe es keine technische Notwendigkeit. Vielmehr seien sie verwendet worden, um kostensparend die Langlebigkeit des Fahrzeugs zu erhöhen und den AdBlue-Verbrauch zu reduzieren. Soweit die Beklagte als Grund für die Programmierung anführe, die NOX-Sensoren könnten nicht zwischen NOX und Ammoniak unterscheiden, sei eine entsprechende Technik aufgrund eines in Form eines Abstracts in den Schriftsatz vom 02.09.2022 eingerückten Patentes aus dem Jahr 1997 (Bl. 1029 d.A.) bereits lange vorhanden gewesen. Diese Komponenten seien der Beklagten offenbar zu teuer gewesen, weshalb der AdBlue-Tank wegen der benötigten größeren Menge AdBlue nicht mehr für ein Serviceintervall ausgereicht hätte.

Nach dem Gutachten D. werde weiter die AGR-Rate in Abhängigkeit von der maximal im Fahrzeug beobachteten Motortemperatur und der Starttemperatur reduziert, wobei der volle AGR-Betrieb nur bei Starttemperaturen zwischen 18 °C und 35 °C und Motortemperatur bis zu 86 °C möglich sei. Auch werde die AGR-Rate reduziert, wenn sich der warmgelaufene Motor im Leerlauf befinde. Die erhöhten NOX-Emissionen führten wiederum zu einer früheren Umschaltung in den Online-Modus mit der Folge eines weiteren massiven Anstiegs der Realemissionen. Insgesamt hebelten die von Herrn D. ermittelten Steuerungen den SCR-Katalysator im Regelbetrieb aus. Die Erhöhung der Reinigungsleistung durch das Software-Update erhöhe den AdBlue-Verbrauch von 0,7 l / 1000 km auf 1,6 l / 1000 km. Ein vergleichendes Schaubild der SCR-Effizienz vor und nach dem Update verdeutliche, dass die Originalsoftware ganz überwiegend im Alternativmodus mit geringem Zielwirkungsgrad betrieben werde, nach dem Update jedoch das Reinigungsverhalten umgekehrt sei.

Nach Abgasmessungen an dem streitgegenständlichen Fahrzeug vergleichbaren Fahrzeugen seien, sobald das Fahrzeug außerhalb des NEFZ betrieben werde, die NOX-Emissionen deutlich erhöht. Dies ergebe sich aus Messungen des KBA seit 2016 im Rahmen der Marktüberwachung, die aus einer in den Schriftsatz vom 02.09.2022 eingerückten Tabelle (Bl. 1033 d.A.) für einen dem streitgegenständlichen Fahrzeug vergleichbaren Mercedes-Benz C 220d, Euro 6, Motor OM 651 hervorgingen. Ausweislich dieser Daten lägen die NOX-Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen etwa bei dem 11,8-fachen des NOX-Grenzwertes für Euro-6-Fahrzeuge von 80 mg/km. Daraus ergebe sich nach zitierten obergerichtlichen Entscheidungen ein hinreichendes Indiz für die Übertragbarkeit der Feststellungen auf das streitgegenständliche Fahrzeug.

Die Behauptung der Beklagten, die Grenzwerte im NEFZ würden auch ohne die Abschalteinrichtungen eingehalten, werde mit Nichtwissen bestritten. Die Behauptung sei unplausibel, weil die Abschalteinrichtung dann aus Sicht des Herstellers überflüssig wäre. Im Übrigen sei es für die Annahme einer unzulässigen Abschalteinrichtung unerheblich, ob die Funktion zur Einhaltung der Grenzwerte auf dem Prüfstand notwendig sei. Auch die Normen der VO (EG) 715/2007 ergäben weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck eine "Grenzwertkausalität".

Die Verwendung einer solch massiven Anzahl unzulässiger, die AdBlue-Dosierung ohne technische Notwendigkeit reduzierender Abschalteinrichtungen mit teilweiser Prüfstandsbezogenheit lasse auf einen Vorsatz und eine Sittenwidrigkeit schließen. Die Beklagte treffe im Hinblick auf die Einzelheiten des Abgasreinigungssystems und die Kenntnis des Vorstandes eine sekundäre Darlegungslast. Die Klagepartei habe naturgemäß keinen Zugang zu den notwendigen Informationen, während die Beklagte als Herstellerin des Motors ohne Schwierigkeiten Angaben machen könne.

Eine besonders verwerfliche Täuschung des KBA durch die Beklagte folge daraus, dass sie im Genehmigungsverfahren ihre Mitteilungspflichten gegenüber dem KBA nicht erfüllt habe. Es hätten insbesondere im Beschreibungsbogen zum Genehmigungsantrag Angaben zum Funktionieren des AGR-Systems bei niedrigen Temperaturen sowie die Beschreibung der Auswirkung niedriger Temperaturen auf die Emissionen (vgl. Art. 3 Nr. 9 UAbs. 3, 4 VO (EG) 692/2008) gefehlt. Gleiches gelte für Angaben betreffend die Kühlmittelsolltemperatur-Regelung dahingehend, dass das Erkennen der Randbedingungen des Prüfverfahrens ein Parameter für die Steuerung der AGR-Rate sei (vgl. Art. 3 Nr. 9 UAbs. 3 VO (EG) 692/2008), sowie betreffend die Auswirkungen dieser Funktion auf die Emissionen (vgl. Art. 3 Nr. 9 UAbs. 4 VO (EG) 692/2008). Diese Norm sei unmissverständlich und auch für einen juristischen Laien verständlich. Es widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass dies durch die Beklagte über Jahre hinweg in unzähligen Genehmigungsanträgen von einer Vielzahl von Personen immer wieder nur fahrlässig verkannt worden sei. Die Beklagte behaupte auch nicht ein schlichtes Übersehen der Anforderungen des Art. 3 Nr. 9 VO (EG) 692/2008. Das Unterlassen von Angaben trotz Kenntnis lege den Schluss nahe, dass dies bewusst erfolgt sei, um eine Beanstandung der Motorsteuerung durch die Typgenehmigungsbehörde oder auch die Europäische Kommission im Falle eines Vorlageverlangens nach Art. 3 Nr. 9 UAbs. 6 VO (EG) 692/2008 zu verhindern. Für den Fall einer fehlenden Überzeugung der Beklagten von der Verwendung zulässiger Abschalteinrichtungen folge die Verwerflichkeit des Handelns daraus, dass sie ihre Auskünfte "ins Blaue hinein" gemacht habe. Auch das leichtfertige Unterlassen von Angaben genüge, weil dadurch eine besondere Bedenkenlosigkeit gegenüber dem ordnungsgemäßen Ablauf des Prüfverfahrens zum Ausdruck komme.

Die schlichte Angabe der Beklagten, die AGR richte sich nach der Lufttemperatur, beinhalte die konkludente, falsche Erklärung, dass es keine nennenswerte Abweichung der Arbeitsweise des AGR-Systems bei niedrigen Temperaturen gebe. Weiter habe die Beklagte wegen Art. 3 Nr. 9 UAbs. 4 VO (EG) 692/2008 konkludent falsch erklärt, die temperaturabhängige Steuerung der AGR habe keine Auswirkungen auf die Emissionen bei niedrigen Temperaturen. Der regelmäßige, bestrittene Einwand der Beklagten, sie habe lediglich die vom KBA ausdrücklich angeforderten Angaben machen müssen, stehe im Widerspruch zum europäischen Recht. Verwaltungsvorschriften des KBA, auch nach dem Vorlagepflichten der Genehmigungsbehörde gegenüber der Kommission regelnden Art. 3 Nr. 9 UAbs. 6 VO (EG) 692/2008, seien nicht geeignet, die verbindlichen Normen des Europarechtes zu modifizieren. Ebenso wenig werde die Mitteilungspflicht des Herstellers durch ein fehlendes gesondertes Feld für diese Angaben im Muster-Beschreibungsbogen beschränkt. Die Beklagte hätte von der von ihr regelmäßig genutzten Möglichkeit Gebrauch machen können, in dem Beschreibungsbogen auf Anlagen zum Antrag mit zusätzlichen Angaben zu verweisen. Das gleiche gelte für die Arbeitsweise des AGR-Systems in Abhängigkeit von der Erkennung der Prüfbedingungen und die entsprechenden Auswirkungen auf die Emissionen (Kühlmittelsolltemperatur-Regelung). Es sei an der Beklagten, dem Vortrag substantiiert entgegenzutreten und im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast offenzulegen, welche Angaben sie konkret im Genehmigungsverfahren getätigt und auf Grundlage welcher Rechtsauffassung sie gehandelt habe.

Es fehle an Anhaltspunkten für eine Unklarheit der Beklagten hinsichtlich der Auslegung der Normen des Genehmigungsrechtes. Es komme nicht auf die abstrakte Erwägung an, ob die Auslegung der Beklagten (objektiv) vertretbar gewesen sein könnte, sondern nur darauf, ob die tatsächlich vorgenommene Auslegung im maßgeblichen Zeitpunkt vertretbar gewesen sei. Die Beklagte trage aber nur abstrakt zur Auslegung der Verordnung vor. Sie hätte die Diskussion über die Zulässigkeit des Thermofensters mit den Behörden bei Inverkehrbringen des Motors führen müssen, gerade vor dem Hintergrund der bewussten Inanspruchnahme eines Ausnahmetatbestandes. Auch begründe die Eindeutigkeit der rechtlichen Würdigung durch den Europäischen Gerichtshof und den Generalanwalt Rantos in den Rechtssachen C-693/18, C-128/20, C-134/20 und C-145/20 ein Indiz für eine bewusste Täuschung des KBA durch die Beklagte im Genehmigungsverfahren.

Der Vorsatz der Beklagten, auch bezüglich der Schädigung der Käufer, folge aus dem jahrelangen Handeln von Personen aus der Organisation der Beklagten in Kenntnis der Sittenwidrigkeit des Verhaltens. Wer in Kenntnis der Mitteilungspflichten gemäß Art. 3 Nr. 9 VO (EG) 692/2008 und der Erheblichkeit der Angaben für die Beurteilung der Zulassungsfähigkeit erforderliche Angaben nicht mache, täusche das KBA, rechne mit nachträglichen Beanstandungen bei Bekanntwerden von Details der Steuerung und möglichen Maßnahmen nach § 25 EG-FGV und nehme in Kauf, dass Fahrzeugkäufer sich bei Kenntnis des Risikos gegen den Kauf des Fahrzeuges entschieden hätten.

Auch aus den Bewährungsstrafen gegen Mitarbeiter der Beklagten, die sich auf Euro-6-Fahrzeuge in den Jahren 2011 bis 2016 bezogen hätten, folge, dass diese bei der Implementierung der Abschalteinrichtungen keiner vertretbaren Rechtsauffassung gefolgt seien. Das Verhalten dieser Mitarbeiter sei der Beklagten gemäß § 31 BGB zuzurechnen, da die Zuweisung dieser Aufgabe an diese Mitarbeiter bedingt habe, dass ihnen eine wesensmäßige Funktion zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Bearbeitung zugewiesen worden sei.

Der Kläger hat mit der Berufungsbegründung zunächst beantragt,

unter Abänderung des am 28.02.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Göttingen, Az. 8 O 158/18

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 52.485,09 € sowie Zinsen in Höhe von 8.571,12 €, nebst weiteren Zinsen aus 65.317,61 € in Höhe von 4 Prozent pro Jahr seit dem 01.05.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Mercedes-Benz GLC 250 4Matic BlueTEC mit der Fahrzeugidentifikationsnummer .....

  2. 2.

    festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer 1. genannten Fahrzeuges seit dem 10.05.2018 in Annahmeverzug befindet.

Nach Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs hat der Kläger seine Anträge durch Schriftsatz vom 26.04.2021 umgestellt und beantragt unter gleichzeitiger Erklärung des Rechtsstreites hinsichtlich der Differenz zum ursprünglichen Antrag zu 1 sowie des Antrages zu 2 für erledigt, nunmehr:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 22.824,87 € sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10.05.2018 zu zahlen.

Die Beklagte schließt sich der Erledigungserklärung nicht an und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Wie das Landgericht zutreffend herausstelle, bestünden unabhängig von der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Fahrzeug des Klägers mangels Täuschung und sittenwidriger Schädigung keine Ansprüche. Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz erstmals den Vorwurf erhebe, den Prüfern des KBA sei die Wirkungsweise der Abschalteinrichtung nicht bewusst gewesen, da die Beklagte diese gezielt verschleiert und nicht offengelegt habe, werde dieser Vortrag höchst vorsorglich bestritten.

Das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge nicht über einen Mangel in Form einer den Prüfstand erkennenden und abhängig davon emissionsmindernde Maßnahmen veranlassenden Funktion. Das Verbot von Abschalteinrichtungen solle "defeat devices" verbieten, also nur Fälle der gezielten Umgehung der behördlichen Fahrzeugprüfung, nicht dagegen Fälle einer Optimierung von Emissionskontrollsystemen. Einer mangelnden Rechtskonformität des Fahrzeugs stehe die Tatbestandswirkung der (nicht irrelevanten) EG-Typgenehmigung entgegen. Dem Kläger drohe wegen des für die Zivilgerichte bindenden, nur eine nachträgliche Nebenbestimmung erlassenden (von der Beklagten für rechtswidrig gehaltenen und angefochtenen) Bescheids vom 23.05./03.08.2018 sowie wegen des aufgespielten Updates keine Betriebsuntersagung.

Zur Beurteilung der Erheblichkeit des nicht vorliegenden Mangels seien entsprechend dem Vortrag auf S. 4 der Klageerwiderung lediglich die Kosten der konkret am Fahrzeug vorzunehmenden Maßnahme zu berücksichtigen, die angesichts eines Zeitaufwandes von typischerweise weniger als 1 Stunde offensichtlich nicht die Schwelle von 5 % überschritten. Ein Anspruch wäre, wie das Landgericht folgerichtig feststelle, ohnehin wegen Verjährung nicht durchsetzbar. Die 3-jährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB finde mangels arglistig verschwiegenen Mangels keine Anwendung. Auch die übrigen Voraussetzungen eines Rücktritts seien nicht erfüllt. Es fehle an einer Fristsetzung zur Nachbesserung, die nicht nach § 440 BGB und § 323 Abs. 2 BGB entbehrlich sei. Eine Nacherfüllung sei möglich und zumutbar. Soweit der Kläger vortrage, das KBA habe jeglichen Kredit verspielt, lege er nicht dar, woran er diesen Vorwurf festmache. Das Fahrzeug des Klägers unterliege auch keinem merkantilen Minderwert, erst recht nicht nach Aufspielen des Software-Updates.

Das Landgericht habe zu Recht eine arglistige Täuschung und sittenwidrige Schädigung allenfalls durch Verschweigen besonderer Umstände in Betracht gezogen und ein treuwidriges Verschweigen verneint. Im Hinblick auf eine sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB fehle es an einem besonderen Verwerflichkeitsvorwurf in objektiver Hinsicht, weil eine Auslegung von Emissionskontrollsystemen gemäß dem Stand der Wissenschaft und Technik und den entsprechenden Erkenntnismöglichkeiten eines Entwicklers nicht sittenwidrig sein könne. Hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen obliege der Beklagten keine sekundäre Darlegungslast. Zudem fehle es an einem Schaden. Dieser könne nicht im Abschluss eines Kaufvertrages liegen, da das streitgegenständliche Fahrzeug uneingeschränkt nutzbar und das Software-Update aufgespielt sei, sodass kein Entzug der Zulassung und keine Stilllegungsverfügung gedroht hätten. Auch falle ein unterstellter Schaden nicht in den Schutzbereich der vermeintlich verletzten Norm (VO (EG) 715/2007). Weiter vertritt Beklagte die Ansicht, jedenfalls der Verkauf des Fahrzeugs lasse einen Schaden entfallen.

Im Hinblick auf einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB und den Aussetzungsantrag wegen des Schlussantrags des Generalanwalts Rantos in der Rechtssache C-100/21 folge auch aus der Beanstandung von Softwaresteuerungen durch das KBA im Wege nachträglicher Nebenbestimmungen kein schuldhafter Verstoß und keine einfache Fahrlässigkeit. Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1, 2 VO (EG) 715/2007 seien "in hohem Maße unbestimmte und auslegungsbedürftige Rechtsnormen mit erheblichen rechtlichen Bewertungsspielräumen für das KBA", die Rechtslage sei daher, auch mangels höchstrichterlicher Urteile und einer gefestigten Meinung in der Fachliteratur zu unzulässigen Abschalteinrichtungen, "in besonderem Maße unklar" und die Bewertung des technischen Sachverhalts durch komplexe technische Wertungen geprägt gewesen. Auch folge aus den Schlussanträgen des Generalanwalts nicht die Rechtsansicht, dass die Vorschriften zur Typgenehmigung und zur Übereinstimmungsbescheinigung einen Anspruch auf Rückabwicklung des geschlossenen Vertrages/Erstattung des Kaufpreises gäben. Die vom Bundesgerichtshof angenommene drastische Konsequenz der Rückabwicklung des Vertrags ohne materiellen Schaden beruhe gerade auf dem sittenwidrigen Verhalten, das nicht durch eine einfache Nachbesserung beseitigt werden könne. Bei einfachen Gesetzesverstößen sei diese drastische Rechtsfolge unionsrechtlich nicht gefordert, wäre unverhältnismäßig und würde das vertragsrechtlich differenziert geregelte, verbrauchskäuferrechtliche Gewährleistungsrecht verdrängen.

Zu den behaupteten Abschalteinrichtungen bezieht sich die Beklagte zunächst auf den Vortrag auf Seite 11 ff der Klageerwiderung und Seite 6 ff der Duplik zur Funktionsweise der AGR und des SCR-Katalysators. Die Abgasreinigungssysteme würden anhand verschiedener Optimierungskriterien gesteuert, von denen die Motordrehzahl nur eines sei. Eine Abschaltung des Systems bei geringer Last allein aufgrund zu hoher Drehzahl sei praktisch nicht zu erwarten. Auch genüge diese von den Klägervertretern in allen Verfahren unabhängig vom konkreten Fahrzeug aufgestellte Behauptung nicht den Substantiierungsanforderungen, denn der Motorentyp OM651 komme in zehn verschiedenen Leistungsstufen in unterschiedlichen Modellen zum Einsatz und benötige je nach Fahrzeug unterschiedliche Motorsteuerungen. So hätten die in BK4 und BK5 untersuchten Fahrzeuge jeweils der Euro-5-Norm unterlegen, während das streitgegenständliche Fahrzeug der Euro-6-Norm zuzuordnen sei und über eine SCR-Abgasnachbehandlung verfüge.

Zu dem AGR-bezogenen Thermofenster behauptet die Beklagte, dieses sei so ausgestaltet, dass die AGR zwischen 14 °C und 35 °C zu 100 % aktiv sei, im Temperaturfenster bis 5 °C eine sukzessive Reduzierung um maximal 18 %-Punkte [gemäß Tatbestandsberichtigungsbeschluss vom 09.01.2023 "um maximal 18 %-Punkte" anstelle von "18 %"] (bei 5 °C) erfolge, wobei eine komplette Abschaltung im niedrigen Temperaturbereich nicht erfolge, im hohen Temperaturbereich dagegen ab 99 °C. Alternativtechnologien seien lange Zeit nicht fahrzeugübergreifend verfügbar und nicht ausreichend praktisch erprobt gewesen, um mit der gebotenen Sicherheit Verwendung finden zu können. Erst in den vergangenen Jahren erlangte neue Erkenntnisse in der Verbrennungsanalyse, bessere Datenerfassung und -auswertung sowie Felderfahrungen hätten eine schrittweise Erhöhung der Leistung der AGR-Systeme ermöglicht.

In dem das SCR-System betreffenden Rückrufbescheid vom 03.08.2018 habe das KBA keine der Umschaltlogik im VW-Motor EA189 entsprechende Funktion, die in dem Fahrzeug auch nicht verbaut sei, beanstandet, sondern lediglich die Auslegung einzelner Steuerungsparameter des auf dem Prüfstand und im Realbetrieb gleich arbeitenden SCR-Systems, die sich auf die Umschaltung zwischen dem Füllstand- und dem Online-Modus bezögen und aus Sicht des KBA mit einer mit einem Ausgangsbescheid vom 23.05.2018 beanstandeten "Strategie A" der Beklagten (dauerhafte Umschaltung auf den Online-Modus nach Erreichen eines Stickoxidintegrals) vergleichbar seien. Ohne Berücksichtigung des integrierenden Charakters des SCR-Systems sei damit letztlich nur die fehlende Optimierung hin zu den Systemgrenzen beanstandet worden, woraus keine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Abs. 10 VO (EG) 715/2007 folge. Dies sei der Grund für das verwaltungsgerichtliche Vorgehen der Beklagten gegen den Bescheid.

Tatsächlich sei weder der Füllstand-Modus noch der Online-Modus generell der sauberere Modus. Auch im Online-Modus erziele der Katalysator regelmäßig eine absolut gesehen höhere Reinigungsleistung als diejenige, die für die Einhaltung der Grenzwerte innerhalb des NEFZ erforderlich wäre. Die zur Steuerung des SCR-Systems maßgeblichen Parameter (insb. die Menge des eingelagerten Ammoniaks und dessen Abgabe) könnten nur teilweise und mit gegenüber stationären Messgeräten höheren technischen Toleranzen gemessen werden, während andere rein rechnerisch modelliert werden müssten, wobei die daraus resultierenden Ungenauigkeiten im Laufe des Fahrbetriebes kumulierten. Die zur Messung der Menge der Stickoxid-Rohemissionen eingesetzten Stickoxidsensoren könnten wegen der Ähnlichkeit der Moleküle nicht zwischen Stickoxiden und Ammoniak unterscheiden (sogenannte Kreuzsensitivität), weshalb der hinter dem SCR-Katalysator angebrachte Sensor bei einem Ammoniak-Schlupf eine unzureichende Reinigung melde, auf die das System irrig mit einer zusätzlichen AdBlue-Dosierung sowie ggf. mit falsch positive Diagnosen des OBD-Systems reagiere. Es bedürfe deshalb einer komplexen Dosierstrategie, um einen Ammoniak-Schlupf und eine durch unerwünschte Ablagerungen von Harnstoffkristallen drohende Beschädigung des Motors sicher zu vermeiden. An der unstreitig begrenzten Einsetzbarkeit des Füllstand-Modus ändere auch "ein erfolgloser Patentantrag mit dem Ziel, NOX-Sensoren ohne Ammoniak-Querempfindlichkeit zu entwickeln", nichts. Im Übrigen fehle es an Vortrag dazu, dass die Technologie überhaupt in Fahrzeugen der Beklagten oder im streitgegenständlichen Fahrzeug einsatztauglich gewesen wäre. Der Einsatz bestimmter Technologien sei von einer ingenieurtechnischen Prognose abhängig, bei der sich die Beklagte nicht ausschließlich oder primär an Kostenerwägungen orientiert habe. Im Hinblick auf die behauptete Reduzierung der Wirksamkeit des SCR-Systems bei niedrigen Temperaturen weise die Beklagte darauf hin, dass die absolute Reinigungsleistung des SCR-Systems bei einem NEFZ, der mit 0° gefahren wäre, deutlich höher sei als in der gesetzlichen Prüfung zwischen 20 °C und 30 °C.

Die Übertragung der aus dem Kraftwerksbau bekannten SCR-Technologie auf Fahrzeuge habe wegen der sich dort während des Betriebs verändernden äußeren Bedingungen neue Anforderungen gestellt, die teilweise erst mit zunehmenden Erfahrungen und fortschreitender Grundlagenforschung durch eine kontinuierliche Verbesserung des Systems hätten bewältigt werden können. Aus dem zwischenzeitlich erzielten Fortschritt könne nicht gefolgert werden, dass frühere Lösungen unzureichend, mangelhaft oder gar sittenwidrig gewesen seien. Im Übrigen würden durch die Verringerung des Ammoniak-Schlupf-Risikos Sekundäremissionen i.S.d. 10. Erwägungsgrunds zur VO (EG) 715/2007 vermieden, weshalb insoweit ein Ermessensspielraum zur Lösung des Zielkonfliktes zwischen diesen Emissionen sowie den NOX-Emissionen bestanden habe. Wegen des hohen Ammoniak-Schlupf-Risikos bei gesättigtem Katalysator und hohem Wirkungsgrad sei es in diesen Zuständen geboten, die Dosier-Strategie im Sinne eines sicheren Ausschlusses des Ammoniak-Schlupfes so zu gestalten, dass hinreichend Stickoxide zur Reaktion zur Verfügung stünden. Deshalb betrage der Zielwirkungsgrad im Online-Modus von vornherein weniger als 100 %, was auch nicht vom Gesetzgeber gefordert werde. Letztlich habe das KBA mit dem Rückrufbescheid damit eine Softwareanpassung verlangt, wie sie regelmäßig erst im Laufe der Zeit mit zunehmendem Erkenntnisfortschritt und nunmehr aufgrund verbesserter Berechnungsmodelle in Form des Software-Updates möglich sei. Im Hinblick auf die Frage der Sittenwidrigkeit seien die Erwägungen der Beklagten nicht nur rechtlich und technisch vertretbar, sondern von Motiven getragen gewesen, die nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstießen, sondern nachvollziehbar und billigenswert seien, weil sie gerade dem Ziel gedient hätten, Umwelt und Gesundheit durch sinnvolle Regulierung des Ammoniak-Schlupfes zu schützen.

Der AdBlue-Verbrauch sei nicht gesetzlich normiert und vom individuellen Fahrverhalten abhängig. Er liege bei einem Normalfahrer nicht bei den vom Kläger angenommen Werten, sondern zwischen 1 bis 2 l/1.000 km, weshalb weit mehr AdBlue als vom Kläger angenommen zur Verfügung stehe. Unabhängig davon komme die Reinigungsfähigkeit des Katalysators bei hoher Last des Motors, z.B. bei langen, schnellen Autobahnfahrten bzw. Betriebszuständen mit besonders hoher Stickoxid-Rohemission, an ihre physikalischen Grenzen.

Das von der Beklagten entwickelte und vom KBA freigegebene (Anlage B3) Software-Update habe keinen relevanten Einfluss auf die zertifizierten Werte zum Kraftstoffverbrauch und zu CO2-Emissionen und nach umfangreicher Erprobung auch nicht auf die Motorleistung, das Drehmoment, die Geräuschemissionen und die Dauerhaltbarkeit des Fahrzeugs.

Zu den unzulässige Abschalteinrichtungen im Zusammenhang mit der Kühlmittelsolltemperatur und dem geregelten Kühlmittelthermostaten betreffenden Klägervortrag behauptet die Beklagte, der Rückruf für das streitgegenständliche Fahrzeug habe sich nicht auf den geregelten Kühlmittelthermostaten bezogen. Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handele es sich um eines der Fahrzeuge, für die mit einem sog. "Testing-Out" unter erschwerten Prüfbedingungen (Prüfkammer-Temperatur 28 °C, Unterschreitung der Grenzwerte um mindestens 5 %) die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte auch mit deaktiviertem geregeltem Kühlmittelthermostat nachgewiesen worden sei. Dann aber fehle es an einer entgegen der Ansicht des Klägers für eine unzulässige Abschalteinrichtung erforderlichen Grenzwertkausalität. Tatsächlich sei kein Euro-6-Fahrzeug der Beklagten von einem diesbezüglichen Rückruf des KBA betroffen gewesen. Selbst von den von den Gutachten und KBA-Auskünfte ausschließlich betroffenen Euro-5 Fahrzeugen sowie Fahrzeugen mit einem Motor OM642 seien über 80% vom KBA nicht beanstandet worden und bei weiteren 14,4 % die Grenzwert-Kausalität zwischen der Beklagten und dem KBA streitig.

Auch für das im Gutachten des Dr. M. H. vom 12.11.2020 untersuchte Fahrzeug habe das KBA keinen Rückruf erlassen, weil die NOX-Grenzwerte auch ohne das geregelte Kühlmittelthermostat eingehalten würden. Dieses Gutachten könne ebenso wenig wie das Gutachten Dr. H. vom 26.07.2021 die Frage einer unzulässigen Abschalteinrichtung beantworten, weil sie reine Softwaregutachten eines befangenen Gutachters seien, die Software nur lückenhaft und partiell bezüglich sog. a21-Dateien unklaren Ursprung untersuchten und weitere, im Einzelnen erläuterte methodische Mängel aufwiesen. Aus den Gutachten gehe nicht hervor, dass sich das Emissionsverhalten auf dem Prüfstand vom tatsächlichen Fahrbetrieb unterscheide. Aus einer zur Akte gereichten, im Einzelnen schriftsätzlich erläuterten Stellungnahme eines Prof. Dr. T. (Anlage BB28, Bl. 780-811 I d.A.) zum Gutachten vom 12.11.2020 folge, dass die beschriebene Regelung der Kühlmittelsolltemperatur keine Prüfstanderkennung und dazu sogar ungeeignet sei. Das Gutachten Prof. Dr.-Ing. E. vor dem Landgericht Ellwangen sei auf das streitgegenständliche Fahrzeug nicht übertragbar und belege zudem bei dem begutachteten Fahrzeug keine unzulässige und prüfstandbezogene Abschalteinrichtung, weil der Gutachter verschiedene Prüfungen mit vom NEFZ teilweise erheblich abweichenden Anforderungsprofilen durchgeführt habe, bei denen der geregelte Kühlmittelthermostat aktiv gewesen sei. Auch stütze sich das Gutachten wegen eines Defektes des PEMS-Messgerätes nicht auf Emissionsmessungen, obwohl die Untersuchung der Auswirkungen einer Funktion auf die Emissionskontrolle des Fahrzeuges erforderlich sei.

Die Auskunft des KBA vom 09.03.2021 (Anlage BK6) zu einem Timer beruhe auf einem Irrtum, da das KBA deshalb keinen Rückruf angeordnet habe. Auch sei die maximal applizierte Betriebsdauer länger als die gesetzliche Prüfung, weshalb der geregelte Kühlmittelthermostat in einigen Fahrzeugen erst nach der gesetzlichen Prüfung einen nennenswerten Einfluss auf die Stickoxid-Emissionen entfalte. In einigen Fahrzeugen werde dieses noch während der Prüfung deaktiviert, weil eine weitere Kühlung physikalisch nicht möglich sei. Die maximale Dauer hänge von der Kühlmitteltemperatur bei Motorstart ab, sie werde entgegen den Behauptungen des Klägers nicht starr nach Ablauf eines Timers geschaltet. Bei einem atypisch lange dauernden Warmlauf ergänze der herstellerübergreifend eingesetzte Timer die physikalischen Schaltbedingungen um ein sog. "Not-Aus" und sei deshalb von nachgeordneter Relevanz. Eine erneute Aktivierung im laufenden Betrieb finde deshalb nicht mehr statt, weil ein Abkühlen des Motors auf relevante Temperaturbereiche innerhalb eines Zündungslaufs äußerst unwahrscheinlich sei.

Im Übrigen erfolge die (De)Aktivierung des geregelten Kühlmittelthermostats deshalb unter Berücksichtigung der angegebenen Parameter sowie eines von der Temperatur des Kühlmittels beim Motorstart abhängigen Zeitraums, nach dem die Regelung spätestens deaktiviert werde, weil aus dessen Einsatz Risiken für Motor und Bauteile sowie den sicheren Fahrbetrieb resultierten, insbesondere durch Ölverdünnung, Schmierverlust und Ablagerungen. Da nicht nur der NEFZ an den Kaltstart anknüpfe, sondern Letzterer auch für einen Großteil der Pkw-Fahrten repräsentativ sei, sei die Fahrzeugentwicklung der Beklagten darauf ausgelegt gewesen, die Emissionen im Warmlauf gering zu halten. Während dieser Phase könne das geregelte Kühlmittelthermostat unter bestimmten Betriebsbedingungen durch Absenkung der Sollwerttemperatur von 100 °C auf 70 °C, auch durch eine damit einhergehende indirekte Kühlung des Zylinderraumes, die eine höhere AGR-Rate ermögliche, die Emissionen des Fahrzeuges reduzieren, ohne dass damit Nachteile für den Motor einhergingen. Bei einem warmen Motor habe eine indirekte Kühlung jedoch praktisch keinen Effekt mehr. Im hohen Drehzahl- und Lastenbereich mache die Regelung keinen Sinn, weil dann das Luft-Kraftstoff-Gemisch zu kurz im Zylinder verweile, um ausreichend gekühlt zu werden. Die vom Kläger beschriebenen Aktivierungsbedingungen des geregelten Kühlmittelthermostats, von denen die behauptete 5-Sekunden- oder 50-Minuten-Automatik nicht existiere, erlaubten eine häufige und nicht nur zufällige Verwendung des Thermostaten im realen Fahrbetrieb und entsprächen nicht den Bedingungen des NEFZ.

Auch das vom Kläger als Anlage BK10 vorgelegte Gutachten des Herrn D. vom 28.09.2020 habe mangels Emissionsmessungen keine Aussagekraft und sei auf das streitgegenständliche Fahrzeug wegen Ausstattung mit einem anderen Motor nicht übertragbar. Der Gutachter gehe selbst bzgl. verschiedener erörterter Funktionalitäten davon aus, dass gemessene Werte nur Stichproben seien und nicht unbedingt die Situation bei anderen Fahrzeugen wiedergäben. Die im Gutachten beschriebenen Funktionen seien aus im Einzelnen erörterten Gründen legitime physikalische Größen zur Steuerung des SCR-Systems zwecks Vermeidung eines Ammoniak-Schlupfes, was auch der Gutachter teilweise anerkenne, arbeiteten auf dem Prüfstand und im Normalbetrieb in gleicher Weise und führten im realen Fahrbetrieb nicht nur zufällig und punktuell zu einer Emissionsverbesserung. Letzteres folge schon aus den Untersuchungen und Messungen des Gutachters bei Fahrten im Straßenbetrieb. Soweit der Kläger auf einen Alterungsfaktor des SCR-Katalysators abstelle, der anders als im NEFZ schon ab einer Laufleistung von ca. 3.000 km greife, werde die Prüfung Typ 1 im NEFZ gerade mit einem Fahrzeug absolviert, das vor der Prüfung mindestens 3.000 km zurückgelegt habe. Die von Gutachter festgestellten Alterungsfaktoren ließen sich damit erklären, dass es eine dauerhafte, asymptomatische, thermische, bei der Abgassteuerung zu berücksichtigende Alterung des SCR-Katalysators gebe, aufgrund derer sich der Anteil der zur Katalyse zur Verfügung stehenden Oberfläche reduziere und die zu Beginn der Nutzung des Katalysators stärker sei als im weiteren Verlauf.

Auf die (mit Schriftsatz vom 02.09.2022 vorgetragenen) angeblichen Diskrepanzen zwischen Emissionen auf der Straße und im NEFZ komme es nicht an, sie ließen nicht einmal indizielle Rückschlüsse auf eine Prüfstanderkennung zu. Die vorgetragenen Testergebnisse seien auch unerheblich, da sie ein Fahrzeug des Typs C 200 d und damit ein völlig anderes als das streitgegenständliche Fahrzeug beträfen. Die Beklagte bestreite lediglich vorsorglich eine technisch, methodisch und rechnerisch richtige Ermittlung der Testergebnisse.

Im Hinblick auf den Vorwurf der Täuschung des KBA trägt die Beklagte vor, der von ihr eingereichte Typgenehmigungsbogen vom 18.09.20215 nebst Anlagen (Anlage BB25; Bl. 812ff d.A.) enthalte alle erforderlichen Abgaben und Nachweise. Aus dem Typgenehmigungsbogen ergebe sich die Angabe der Lufttemperatur als Parameter der AGR-Rate. Auch bezogen auf das SCR-System sei aus ihren Angaben die elektronische Steuerung des SCR-Systems anhand unterschiedlicher Parameter, wie u.a. der NOX-Menge, der Abgastemperatur, der Temperatur des Reagenzes, und "die Verknüpfung u.a. mit dem thermodynamischen und sonstigen Motormanagement" erkennbar gewesen. Hinsichtlich des AdBlue-Tanks sei in einem zur Akte gereichten Musterformular für den Beschreibungsbogen (Anlage BB27; Bl. 761ff I d.A.) keine Angabe vorgesehen. Im Hinblick auf das Kühlsystem habe die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren ebenfalls die in der Praxis erwarteten und den gesetzlichen Formularen entsprechenden Angaben gemacht und Nachweise erbracht. Der geregelte Kühlmittelthermostat sei ein Bestandteil des thermodynamischen Motormanagements eines Diesel-Motors. Gesonderte Angaben zur Funktionsweise seien zum Zeitpunkt des Typgenehmigungsantrages nicht erforderlich gewesen.

Soweit der Kläger pauschal behaupte, die Beklagte sei sich der Rechtswidrigkeit ihres Tuns bewusst gewesen, sei die Auslegung von Emissionskontrollsystemen am Stand der Wissenschaft und Technik und der entsprechenden Erkenntnismöglichkeiten eines Entwicklers sicherlich nicht rechtswidrig.

Den - für Zivilgerichte keine Bindungswirkung entfaltenden - Strafbefehlen gegen einzelne Mitarbeiter der Beklagten lägen nur einzelne Fahrzeuge zugrunde. Die Rechtmäßigkeit der in diesen Euro-6b-Fahrzeugen verwendeten Steuerung vertrete die Beklagte nach wie vor in einer Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht Schleswig, auch habe sie insoweit im Typgenehmigungsverfahren die vom KBA in der Praxis erwarteten und nach den gesetzlichen Mustervorgaben vorgesehenen Angaben gemacht. Deshalb scheide eine Täuschung des KBA sowie der Kunden aus.

Im Übrigen verweist die Beklagte auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und die dortigen Beweisangebote.

Aufgrund eines Beweisbeschluss vom 08.06.2021, den der vor Übertragung auf den 10. Zivilsenat durch Beschluss des Präsidiums der Oberlandesgerichts Braunschweig vom 29.04.2022 zuständige 7. Zivilsenat erlassen hat, hat das KBA unter dem 25.02.2022 Auskunft erteilt. Hinsichtlich der an das KBA gerichteten Fragen wird auf den Beschluss vom 08.06.2021 (Bl. 751ff II d.A.), hinsichtlich des Inhalts der Auskunft auf das Schreiben des KBA vom 25.02.2022 (Bl. 773-778 II d.A.) verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, jedoch unbegründet. Dies gilt sowohl bzgl. des noch rechtshängigen Leistungsantrags als auch bzgl. des nach der teilweisen streitigen Erledigungserklärung nach Verkauf des Fahrzeugs zusätzlich rechtshängigen Antrags auf Feststellung der Erledigung. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der mit dem zuletzt gestellten Leistungsantrag noch geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu. Eine Feststellung der Erledigung ist nicht auszusprechen, da die der Begründetheit des noch rechtshängigen Leistungsantrags entgegen stehenden Gründe auch der Begründetheit des zuvor geltend gemachten Leistungsantrags sowie des Antrags auf Feststellung des Annahmeverzugs entgegen gestanden haben.

1. Soweit der Kläger seine Ansprüche auf eine sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB stützt, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Das Landgericht hat einen Anspruch aus dieser Anspruchsgrundlage zu Recht verneint, dies im Ergebnis auch unter Heranziehung des nach § 531 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähigen neuen zweitinstanzlichen Vortrags.

Sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB ist ein Verhalten, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, wobei dies aufgrund einer umfassenden Würdigung von Inhalt, Zweck und Beweggründen des Handelns zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, Rn. 29, juris; BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, Rn. 16, juris). Nicht bei jedem Pflichtverstoß sind diese Voraussetzungen zu bejahen, sondern es muss eine besondere Verwerflichkeit hinzukommen, die im Falle einer Pflichtverletzung durch Unterlassen voraussetzt, dass das geforderte Handeln einem sittlichen Gebot entsprechen muss (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, Rn. 16, juris). Zur Feststellung der Sittenwidrigkeit bedarf es einer Gesamtabwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände, bei der auch die Kenntnisse, Ansichten und Beweggründe des Handelnden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, Rn. 30, juris; BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 15, juris; BGH, Beschluss vom 09. März 2021 - VI ZR 889/20 -, Rn. 12, juris) sowie bei mittelbaren Schädigungen zu berücksichtigen ist, ob im Hinblick auf den konkreten Anspruchsteller und das von ihm geltend gemachte Interesse die Voraussetzungen einer haftungsbegründenden sittenwidrigen Schädigung erfüllt sind (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, Rn. 29, juris; BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 15, juris; BGH, Beschluss vom 09. März 2021 - VI ZR 889/20 -, Rn. 12, juris; BGH, Urteil vom 20. Februar 1979 - VI ZR 189/78 -, Rn. 17f, juris).

Nach diesen Grundsätzen reicht die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten eines Fahrzeugherstellers, der ein Fahrzeug mit einer solchen Abschalteinrichtung auf den Markt bringt, ein sittenwidriges Gepräge zu geben (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 -, Rn. 16, juris; BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 -, Rn. 13, juris; BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 3/21 -, Rn. 12, juris; BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 -, Rn. 15, 28, juris; BGH, Urteil vom 23. September 2021 - III ZR 200/20 -, Rn. 22, juris; BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 179/21 -, Rn. 22, juris; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2022 - VII ZR 424/21 -, Rn. 33, juris).

Eine Sittenwidrigkeit ist jedoch dann zu bejahen, wenn die unzulässige Abschalteinrichtung in einer Softwaresteuerung besteht, die die Abgasreinigung gezielt im Prüfstand verstärkt und damit im für die Erteilung der Typgenehmigung maßgeblichen NEFZ die Abgaswerte gegenüber dem Realbetreib gezielt verbessert (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 - VII ZR 602/21 -, Rn. 15, juris, m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. Januar 2022 - VII ZR 424/21 -, Rn. 35, 37, juris; BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 179/21 -, Rn. 25, juris; BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 126/21 -, Rn. 18, juris; BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 -, Rn. 19, juris). Im Zusammenhang mit dem Motor EA189 der VW AG ist bei einer solchen Programmierung eine Sittenwidrigkeit damit begründet worden, dass die Fahrzeugherstellerin aufgrund einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in siebenstelligen Stückzahlen auch in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr brachte, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer speziellen, nur auf dem Prüfstand aktiven Programmierung nur dort eingehalten wurden. Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden einher und andererseits die Gefahr, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge hätte erfolgen können. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu allen Personen, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwarben, obwohl sie sich auf eine Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften verlassen durften, besonders verwerflich und mit grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 16, 17-25, juris; vgl. auch BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 367/19 -, Rn. 12f, juris; BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 397/19 -, Rn. 11f, juris). Auch ist wegen der aus diesem Sachverhalt folgenden grundlegenden strategischen Entscheidung für ein solches Vorgehen davon auszugehen, dass der Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung durch unter § 31 BGB fallende Funktionsträger der Fahrzeugherstellerin erfüllt wurde und diese vorsätzlich handelten, wenn die Fahrzeugherstellerin einer ihr obliegenden sekundären Darlegungslast zu von ihr veranlassten Ermittlungen zum Sachverhalt sowie zu im maßgeblichen Zeitraum bestehenden Organisationsstruktur, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sowie Berichtspflichten nicht nachkommt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 37ff, juris; vgl. auch BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 367/19 -, Rn. 16ff, juris). Schließlich ist in einer solchen Fallkonstellation davon auszugehen, dass einem Kunden durch den Abschluss des Kaufvertrages über ein solches Fahrzeug ein Schaden in Form eines ungewollten Vertrages entstanden ist, für den das sittenwidrige Verhalten der Fahrzeugherstellerin, der Bau und das Inverkehrbringen des mit einer Prüfstanderkennungssoftware versehenen Fahrzeugs, ursächlich geworden ist (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 44ff, juris; BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 367/19 -, Rn. 20ff, juris). Die letztgenannten Haftungsvoraussetzungen werden letztlich durch die Verbesserung der Abgasreinigung gezielt nur auf dem Prüfstand indiziert (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 - VII ZR 602/21 -, Rn. 15, juris, m.w.N.).

Fehlt es dagegen an einer substantiierten Behauptung bzw. dem Nachweis einer solchen Prüfstandsbezogenheit einer Abschalteinrichtung, müssen für die Haftung eines Fahrzeugherstellers gemäß § 826 BGB wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Denn wenn die Steuerung der AGR nicht danach unterscheidet, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet, also bei erkanntem Prüfstandsbetrieb keine verstärkte AGR aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise arbeitet, fehlt es an einer Prüfstanderkennung als das Sachverhaltselement, das der entscheidende Ansatz für die Bejahung der besonderen Verwerflichkeit sowie des vorsätzlichen Handelns ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 -, Rn. 18f, juris; BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 45/21 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 24. März 2022 - III ZR 263/20, Rn. 22, juris). Aus diesem Grund ist der in der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung liegende Gesetzesverstoß auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht eines Autoherstellers für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz der Steuerungssoftware durch die für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 -, Rn. 16-18, juris; BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 -, Rn. 28, juris; BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 -, Rn. 13, juris; BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 3/21 -, Rn. 12, juris; BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 101/21 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 -, Rn. 15, 28, juris; BGH, Urteil vom 23. September 2021 - III ZR 200/20 -, Rn. 22, juris; BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 45/21 -, Rn. 12, 15, juris; BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 295/20 -, Rn. 15, juris). Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt dann andere Feststellungen dazu voraus, dass diesen Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der Abschalteinrichtung deren Unzulässigkeit bewusst war und sie den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 -, Rn. 19, juris; BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 -, Rn. 28, juris; BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 -, Rn. 13, juris; BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 3/21 -, Rn. 12, juris; BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 101/21 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 -, Rn. 16, juris; BGH, Urteil vom 23. September 2021 - III ZR 200/20 -, RN. 22, juris; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2022 - VII ZR 424/21 -, Rn. 37ff, juris). Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzungen nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 -, Rn. 19, juris; BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 -, Rn. 11, juris; BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 35, juris).

Nach diesen Grundsätzen trägt der Kläger für die verschiedenen behaupteten Abschalteinrichtungen unter Berücksichtigung des gesamten Parteivortrags sowie der Auskunft des KBA von 25.02.2022 die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung nicht (mehr) substantiiert bzw. schlüssig vor:

a) Soweit der Kläger seinen Anspruch gemäß § 826 BGB auf eine unzulässige Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der AdBlue-Einspritzung für den SCR-Katalysator stützt, sind trotz des Umstandes, dass das KBA unstreitig auf eine diesbezügliche Softwaresteuerung einen Rückrufbescheid vom 03.08.2018 gestützt und auch in der Auskunft vom 25.02.2022 die Annahme einer unzulässigen Abschalteinrichtung bestätigt hat, die Voraussetzungen einer Haftung nach § 826 BGB nicht (mehr) schlüssig dargelegt.

aa) Behauptet und Gegenstand des Auskunftsersuchens an das KBA vom 08.06.2021 ist eine AdBlue-Dosierungsstrategie durch Programmierung eines Füllstandmodus (Eindosierung hoher Mengen von AdBlue, um eine Sättigung des Katalysators zu erreichen, damit sodann überschüssiges Ammoniak zur Umwandlung von NOX in Stickstoff und Wasser(dampf) verwendet werden kann) sowie eines Online-Modus (geringere Eindosierung von AdBlue nach / bei erfahrungsgemäß anzunehmender Sättigung des Katalysators), wobei letzterer nach Erreichen einer bestimmten Gesamt-Stickoxidmenge (Stickoxidintegral) bis zum nächsten Motorstart dauerhaft eingestellt wird (vgl. dazu die Fragen 1. und 2. des Beschlusses vom 08.06.2021). Unter Berücksichtigung der Auskunft des KBA vom 25.02.2022 sowie weiteren, seit Erlass des Beschlusses vom 08.06.2021 geleisteten Parteivortrags folgt aus der Verwendung dieser Abschalteinrichtung keine sittenwidrige Schädigung, ohne dass es darauf ankäme, ob die Software-Steuerung tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt. Es handelt es sich weder um eine den Prüfstand erkennende Softwaresteuerung (vgl. (1)), noch ist die Softwaresteuerung so ausgestaltet, dass sie - dem gleichgestellt - fast ausschließlich im Prüfstand aktiv ist (2). Weiter fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass die Verwendung der Software unabhängig davon im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit erfolgte (3).

(1) Nicht vorgetragen ist, dass diese AdBlue-Dosierung aufgrund einer - dem Motor EA189 der VW AG vergleichbaren - Software beruht, die den Prüfstand erkennt und den Online-Modus gezielt nur auf dem Prüfstand aktiviert. Mit einer solchen Programmierung ist der zwischen den Parteien unstreitige Umstand unvereinbar, dass die Umschaltung der AdBlue-Dosierung in den Online-Modus nach Erreichen eines bestimmten, selbstverständlich auch im Realbetreib auftretenden Massenstroms erfolgt.

In diesem Sinne führt auch das KBA auf Seite 5 oben der Auskunft vom 25.02.2022 ausdrücklich aus, dass die von ihm als beanstandet bestätigte Softwaresteuerung durch dauerhafte Aktivierung eines Online-Modus nach Erreichen eines vorgegebenen Stickoxidintegrals nicht nur auf dem Prüfstand wirkt, sondern bei Vorliegen entsprechender Randbedingungen auch im Straßenbetrieb.

(2) Soweit der Bundesgerichtshof annimmt, dass eine exakte Zuschneidung der Softwaresteuerung auf die Bedingungen des Prüfstands ebenso wie die "klassische" Prüfstanderkennung den Vorwurf der Arglist rechtfertigt (BGH, Beschluss vom 20. April 2022 - VII ZR 720/21 -, Rn. 25, juris [Softwaresteuerungen, die "faktisch ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktivieren"]; noch offen gelassen in BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 -, Rn. 19, juris), ist auch eine solche Fallkonstellation nicht zu bejahen. Insbesondere folgt eine solche Fallkonstellation entgegen der offenbar vom Kläger vertretenen Ansicht nicht aus dem Umstand, dass, wie es nach der Auskunft des KBA bzgl. der in Rede stehenden Softwareprogrammierung der Fall ist, eine optimale Abgasreinigung auf dem Prüfstand (durch Verwendung eines anfänglichen, effektiveren Dosier-Modus) sichergestellt ist, während zu einem Zeitpunkt, der sicher nach Ablauf des Prüfzyklus liegt, dauerhaft auf einen geringer dosierenden Modus umgeschaltet wird. Denn für ein solches Ergebnis der Programmierung kann es, anders als bei einer reinen, die Abgasreinigung gezielt auf dem Prüfstand abweichend steuernde Programmierung, andere, insbesondere technische Gründe geben, die die Beklagte in Erfüllung ihrer sekundären Darlegungslast vorgetragen hat, ohne dass der Kläger dem entgegen getreten ist. Im Übrigen geht das KBA ausweislich der unter (1) erörterten Ausführungen auf Seite 5 oben der Auskunft vom 25.02.2022 auch selbst von solchen technischen Gründen aus. Genau dies ist in Fällen nicht prüfstandbezogener Softwaresteuerungen der Grund für die Notwendigkeit weiteren Vortrags zu Umständen, die einen Schluss auf die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung, insbesondere auf ein Unrechtsbewusstsein der verantwortlich Handelnden erforderlich machen.

(3) Für die danach nicht prüfstandsbezogene Softwaresteuerung fehlt es, selbst wenn sie eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen würde, an objektiven Anhaltspunkten dafür, dass die verantwortlich Handelnden der Beklagten sich der Unzulässigkeit der Softwaresteuerung bewusst waren.

Im Hinblick auf die Substantiierungsanforderungen an den diesbezüglichen Vortrag ist zu berücksichtigen, dass Sachvortrag einer Partei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bereits dann schlüssig und erheblich ist, wenn die von der Partei vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 -, Rn. 20ff, juris; BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19 -, Rn. 7, juris; ebenso BGH, Beschluss vom 28. Mai 2019 - VI ZR 328/18 -, Rn. 10, juris; BGH, Beschluss vom 26. März 2019 - VI ZR 163/17 -, Rn. 11, juris; BGH, Beschluss vom 25. September 2018 - VI ZR 234/17 -, Rn. 8, juris). Unbeachtlich ist ein auf Vermutungen gestützter Sachvortrag einer Partei jedoch dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 -, Rn. 22, juris; BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19 -, Rn. 7, juris). Nach diesen Grundsätzen reicht die schlichte Behauptung, eine nicht prüfstandbezogene Softwaresteuerung sei gegenüber dem KBA nicht offengelegt worden, ebenso wenig aus zur substantiierten Darlegung eines Bewusstseins, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, wie die schlichte Behauptung eines solchen Bewusstseins (BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 3/21 -, Rn. 15, juris; BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 101/21 -, Rn. 18, juris [jeweils: "substanzlose und damit unbeachtliche Behauptung der Kenntnis des Vorstands"]; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 -, Rn. 29, juris; BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 -, Rn. 14, juris; BGH, Beschluss vom 25. November 2021 - III ZR 202/20 -, Rn. 14, juris; BGH, Urteil vom 24. März 2022 - III ZR 263/20 -, Rn. 25, juris). Vielmehr ist Vortrag zu einem heimlichen oder manipulativen Vorgehen oder zu einer Überlistung des KBA im Hinblick auf einen bewussten Gesetzesverstoß erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 3/21 -, Rn. 17, juris; BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 101/21 -, Rn. 20, juris; BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 -, Rn. 126, juris), der sich, um nicht als unsubstantiiert eingestuft zu werden, auf greifbare Anhaltspunkte für ein entsprechendes Bewusstsein stützen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2021 - III ZR 202/20 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 24. März 2022 - III ZR 263/20 -Rn. 25, juris).

Gemessen daran fehlt es an substantiiertem Klägervortrag zu einem Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, und zwar auch und gerade unter Berücksichtigung des vereinzelten Beklagtenvortrags zu den technischen Hintergründen der Softwaresteuerung, dem der Kläger überwiegend gar nicht und im Übrigen nicht substantiiert entgegen getreten ist.

(a) Die Behauptung des Klägers, die verantwortlich Handelnden der Beklagten hätten bewusst mit dem Ziel der Kostensenkung und Gewinnmaximierung unter Umgehung technischer Probleme rechtlich und technisch mögliche teurere Lösungen zur Abgasreinigung nicht genutzt und hohe Zahlen von Fahrzeugen in den Verkehr gebracht, die von einem Rückruf bedroht gewesen seien, reicht nach den einleitenden Ausführungen gerade nicht aus. Letztlich hat der Kläger insoweit lediglich Sachvortrag geleistet unter Verwendung der vom Bundesgerichtshof in den Fällen des VW-Motors EA189 berücksichtigten Sachverhaltselemente, ohne dass aus diesem Vortrag greifbare Anhaltspunkte für einen entsprechenden Schluss rechtfertigende Umstände auch im vorliegenden Fall folgen.

Zunächst liegen keine greifbaren Anhaltspunkte für eine Verwendung der Software-Steuerung trotz rechtlich und technisch möglicher, aber teurerer Lösungen vor. Vielmehr gibt es umgekehrt unstreitig technische Gründe, insbesondere das Risiko eines Ammoniak-Schlupfes bei einer zu hohen AdBlue-Dosierung nach Erreichen der AdBlue-Sättigung des SCR-Katalysators im Rahmen des Füllstand-Modus, die es erforderlich machen, zwischenzeitlich in einen abweichenden, die Sättigung des Katalysators berücksichtigenden, die AdBlue-Dosierung reduzierenden Online-Modus zu wechseln. Zusätzlich berücksichtigt hat der Senat, dass die Höhe der nach der Sättigung des Katalysators angemessenen AdBlue-Dosierung von verschiedenen Faktoren abhängig ist, von denen nur einige während des Motorbetriebs gemessen, andere dagegen nur rechnerisch hergeleitet werden können, wobei die rechnerische Ermittlung der erforderlichen AdBlue-Menge bei fortschreitendem Motorbetrieb ungenauer wird, weshalb eine Programmierung gewählt wurde, die nach Erreichen eines festgelegten Integrals des Luftmassenstroms dauerhaft in einen Modus mit einer geringeren Dosierung von AdBlue umschaltet. Den letztgenannten, von der Beklagten in Erfüllung ihrer sekundären Darlegungslast geleisteten Vortrag hat der Kläger - mit Ausnahme des noch zu erörternden Vortrags im Schriftsatz vom 02.09.2022, dass es ein Patent für einen Sensor gebe, der zwischen Ammoniak und NOX unterscheiden könne - in den weiteren Schriftsätzen nicht bestritten. Vielmehr hat er das Risiko eines Ammoniak-Schlupfes im Schriftsatz vom 02.09.2022 sogar zu seinem eigenen Sachvortrag gemacht. Im Übrigen hat das KBA in seiner Auskunft vom 25.02.2022 (Seite 5 oben) ausdrücklich bestätigt, dass eine Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen Dosierungsmodi im Grundsatz dem Stand der Technik entspricht und nicht Grund des Rückrufs war.

Auf die Existenz eines vom Kläger im Schriftsatz vom 02.09.2022 behaupteten Patentes, das zwischen Stickoxid- und Ammoniak-Moleküle unterscheiden könne, kommt es nicht an. Ein solches Patent würde nämlich letztlich nur eines von vielen von der Beklagten vorgetragenen Argumenten für die Verwendung des Stickoxid-Integrals entkräften, nämlich das Argument, dass ein Sensor die mit der Kreuzsensivität von Ammoniak und NOX begründete Gefahr eines Notaus des Fahrzeugs beim Ammoniak-Schlupf hätte verhindern können. Dies ändert aber nichts daran, dass bereits die Verhinderung des Ammoniak-Schlupfes auch unabhängig davon ein nach dem unstreitigen Vortrag technisch begründetes Programmierungsziel ist.

(b) Auch die Behauptung, die Softwaresteuerung sei dem KBA verschwiegen / nicht offengelegt worden, ist kein greifbarer Anhaltspunkt zur Begründung der Sittenwidrigkeit; denn das KBA hätte wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes im Typgenehmigungsverfahren nachfragen können (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 3/21 -, Rn. 17, juris; BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 101/21 -, Rn. 20, juris; BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 -, Rn. 26, juris; BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 45/21 -, Rn. 17, juris; BGH, Urteil vom 24. März 2022 - III ZR 263/20 -Rn. 26, juris).

Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 02.09.2022 erneut darauf abstellt, die von ihm zur Begründung der Notwendigkeit von Angaben herangezogenen Vorschriften, insb. in Art. 3 Nr. 9 VO (EG) 692/2008, seien eindeutig, ergibt sich daraus nichts Abweichendes. Vielmehr ist der notwendige Inhalt der Beschreibungsbögen europaweit einheitlich in Anhang III der Richtlinie 2007/46/EG geregelt. Der durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 01.06.2021 (Anlage BB25; Bl. 812ff I d.A.) vorgelegte Typgenehmigungsbogen genügt entgegen der weiterhin nur pauschalen Behauptung des Klägers dem vom ihm zitierten Art. 3 Nr. 9 VO (EG) 692/2008. Angaben des Herstellers zur Funktionsweise bei niedrigen Temperaturen verlangt diese Norm nur bzgl. der AGR-Nachbehandlung (nicht aber bzgl. der NOX-Nachbehandlung). Soweit im letzten Unterabsatz von Art. 3 Nr. 9 VO (EG) 692/2008 die Vorlage von "Angaben zur Leistung der NOx-Nachbehandlungseinrichtungen und des AGR-Systems bei niedrigen Temperaturen" geregelt ist, betrifft dies eine Vorlagepflicht der Genehmigungsbehörden gegenüber der Kommission.

In diesem Sinne hat auch das KBA in seiner Auskunft vom 25.02.2022 ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Typgenehmigung in den Beschreibungsbögen keine Angaben des Herstellers zu den einzelnen Emissionsstrategien des Fahrzeuges gefordert wurden (vgl. S. 6 der Auskunft des KBA vom 25.02.2022). Da diese Auskunft nach den vorstehenden Ausführungen der Gesetzeslage entspricht, geht auch das Argument des Klägers ins Leere, die Erforderlichkeit von Angaben könne nicht zur Disposition des KBA stehen.

(c) Soweit der zuvor zuständige 7. Zivilsenat in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2021 ausgeführt hat, dass ein Indiz für ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit die Beteiligung der Beklagten an Kartellabsprachen über die Größe von AdBlue-Tanks sei, wird daran unter Berücksichtigung des weiteren Votrages der Beklagten, den der Kläger nicht substantiiert bestritten hat, nicht festgehalten. Insoweit hat sich der 7. Zivilsenat auf den Klägervortrag gestützt, dass die Beklagte an Kartellabsprachen beteiligt gewesen sei, nach denen die AdBlue-Tanks zu klein bemessen gewesen seien und deshalb der AdBlue-Verbrauch bewusst reduziert worden sei, um ein Nachfüllen von AdBlue zwischen den Inspektionen zu vermeiden. Dabei kommt es nicht einmal darauf an, ob die Angaben des Klägers oder die Angaben der Beklagten zum durchschnittlichen AdBlue-Verbrauch richtig sind. Gegen eine wegen eines zu kleinen Tanks bewusste, den AdBlue-Verbrauch reduzierende Softwaresteuerung spricht nämlich bereits der vom Kläger auch im Schriftsatz vom 02.09.2022 unberücksichtigt gebliebene Umstand, dass direkt neben dem Kraftstoff-Tankstutzen ein Tankstutzen für ohne weiteres im Handel zu erwerbendes AdBlue eingebaut ist, der dem Kunden problemlos und unabhängig von den Inspektionsintervallen das Betanken des Fahrzeuges mit AdBlue in einem 27,5 Liter großen Tank ermöglicht. Unter dieser Voraussetzung bestand für die Beklagte kein Anlass, den AdBlue-Verbrauch bewusst niedrig zu halten.

(d) Soweit der Kläger schließlich als Indiz für ein Unrechtsbewusstsein der für die Beklagten nach § 31 BGB verantwortlich Handelnden auf Bewährungsstrafen verhängende Strafbefehle gegen Mitarbeiter der Beklagten wegen der Programmierung von Fahrzeugen verweist, ist nicht ersichtlich, dass diese den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp betreffen. Zwar behauptet der Kläger auf der Grundlage eines Artikels in der Stuttgarter Zeitung (Anlage BK10; Bl. 816f I d.A.) eine Verhängung der Freiheitsstrafen wegen Softwaresteuerungen von Euro-6-Fahrzeugen, und das Klägerfahrzeug unterliegt der Euro-6-Norm. Daraus ergibt sich angesichts der Vielzahl der von der Beklagten angebotenen Fahrzeuge mit unterschiedlichen Motorisierungen jedoch nicht, dass auch der streitgegenständliche Fahrzeugtyp von den Strafbefehlen betroffen war. Dies gilt umso mehr, als der Kläger auf den Vortrag der Beklagten, von den Strafverfahren seien nur einzelne Fahrzeuge (nach Beklagtenvortrag sogar nur solche der Schadstoffnorm Euro-6b) betroffen gewesen, nicht erwidert, sondern sich weiterhin auf den pauschalen Verweis auf Verurteilungen von Mitarbeitern der Beklagten wegen Softwaresteuerungen beschränkt hat. Auch folgt aus einer etwaigen bewussten Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in diesen Fahrzeugtypen kein Indiz dafür, dass dies auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug erfolgte.

bb) Soweit der Kläger die Einstellung der AdBlue-Einspritzung nach 26 km behauptet, stellt sich dieser Vortrag nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als unbeachtliche Behauptung ins Blaue hinein dar. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Substantiierungsanforderungen an den Vortrag der darlegungspflichtigen Partei u.a. auch davon abhängig sind, wie vereinzelt der Gegner dem Vortrag entgegentritt (vgl. BeckOK ZPO/von Selle, 44. Ed. 1.3.2022, ZPO § 138 Rn. 18; MüKo-ZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO § 286 Rn. 106), und sich die Substantiierungsanforderungen bei einer fortschreitenden allgemeinen Erkenntnislage (in Diesel-Abgas-Fällen speziell im Hinblick auf Maßnahmen und Bescheide des KBA) erhöhen können (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12. Januar 2022 - VII ZR 424/21 -, Rn. 36, juris).

Für die vom Kläger behauptete Einstellung der AdBlue-Einspritzung nach 26 km, die Gegenstand der Frage 3. a) aa) im Beschluss vom 08.06.2021 gewesen ist, fehlt es an jeglichem Vortrag zu greifbaren Anhaltspunkten. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen dazu, dass die Indizwirkung des vom Kläger vorgetragenen AdBlue-Kartells für eine gezielte Manipulation der AdBlue-Dosierung durch den unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten, eine AdBlue-Betankung des Fahrzeugs durch den Kunden sei problemlos möglich, entfallen ist. Spätestens, nachdem das KBA in seiner Auskunft vom 25.02.2022 mitgeteilt hat, weitere als die mit dem Rückrufbescheid vom 03.08.2018 beanstandete unzulässige Abschalteinrichtungen seien an dem Fahrzeugtyp nicht festgestellt worden (S. 5 drittletzter Absatz; Bl. 777 d.A.), hätte der Kläger seine diesbezügliche Behauptung durch Vortrag von anderweitiger greifbarer Anhaltspunkte weiter substantiieren müssen.

Diese Erwägungen gelten gleichermaßen und erst recht für die pauschale Behauptung im Schriftsatz vom 02.09.2022, die AdBlue-Einspritzung werde außerhalb des NEFZ komplett eingestellt.

cc) Soweit der Kläger in seinem nach Einholung der Auskunft des KBA eingereichten Schriftsatz vom 24.03.2022 weitere, in einem eingereichten IT-Gutachten des Privatsachverständigen D. festgestellte sechs SCR-bezogene Software-Schaltungen behauptet, die unzulässige Abschalteinrichtungen seien, sind dies weitere Steuerungselemente, die (ebenso wie das zum Gegenstand des Beschlusses vom 08.06.2021 gemachte Erreichen eines Stickoxidintegrals; vgl. Fragen 1 und 2. des Beschlusses vom 08.06.2021) die Umschaltung zwischen zwei verschiedenen Dosiermodi für die AdBlue-Zufuhr betreffen. Neben verschiedenen Steuerungsparametern der Umschaltung behauptet der Kläger insoweit weiter unter Berufung auf das Gutachten eine Kombination dieser Steuerungselemente mit einem Alterungsfaktor, der zu einer frühen Reduzierung des Zielwirkungsgrads der Abgasreinigung auf 60 % führe, aber zum Zeitpunkt der NEFZ-Prüfung "vermutlich noch nicht erreicht" sei. Auch mit diesem Vortrag hat der Kläger die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB nicht schlüssig vorgetragen. Es fehlt bereits an greifbaren Anhaltspunkten für eine Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit entsprechenden Softwaresteuerungen (vgl. (2)), und selbst im Fall einer entsprechenden Ausstattung wäre ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit und insb. eine Sittenwidrigkeit der Verwendung entsprechender Software-Steuerungen zu verneinen gewesen (vgl. (3)).

(1) Bei dem auf das IT-Gutachten D. gestützten Vortrag des Klägers handelt es sich um im Wesentlichen streitigen, gemäß § 531 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähigen neuen Vortrag 2. Instanz.

Dass entsprechende Softwaresteuerungen im streitgegenständlichen Fahrzeug bestritten werden sollen, folgt aus dem Vortrag der Beklagten, es handele sich bei dem vom Privatgutachter D. analysierten Fahrzeug um ein solches mit einem Motor OM642, während das streitgegenständliche Fahrzeug über den Motor OM651 verfügt. An einem Bestreiten ändert dabei auch der Umstand nichts, dass die Beklagte zu den technischen Gründen für die vom Privatgutachter herausgearbeiteten und als nicht physikalisch begründet bezeichneten Steuerungselementen vorträgt. Insbesondere folgt daraus nicht, dass die Beklagte entsprechend ausgestaltete Softwaresteuerungen (auch) im streitgegenständlichen Fahrzeug eingestehen wollte. Denn das Bestreiten der Schlussfolgerungen des Privatgutachters bzgl. der dort überprüften Softwaresteuerung macht insbesondere im Hinblick auf die vom Kläger (und letztlich auch vom Privatgutachter; vgl. letzter Absatz unter 3. auf S. 4 des Privatgutachtens; Bl. 789 d.A.) gezogene Schlussfolgerung Sinn, ein manipulatives Verhalten der Beklagten bei dem von Herrn D. untersuchten Fahrzeug lasse die Behauptung hinreichend substantiiert werden, dass auch das streitgegenständliche Fahrzeug über eine entsprechende Softwaresteuerung verfüge. In diesem Sinne hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich auf Befragen zu der Steuerung "Hot & Idle", erklärt, aus der grundsätzlichen Stellungnahme zu den von Herrn D. ermittelten Steuerungen folge nicht, dass diese für das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig gestellt werden sollten (S. 5 des Protokolls vom 12.09.2022).

Der eingangs zusammengefasste neue Klägervortrag ist nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen; denn der Kläger beruft sich unbestritten darauf, von dem diesem Vortrag zugrunde liegenden IT-Gutachten erst im November 2021 Kenntnis erlangt zu haben.

(2) Bereits die Ausstattung des Klägerfahrzeugs mit einer als unzulässig einzustufenden Softwaresteuerung, wie sie der Privatgutachter festgestellt haben will, ist nach den unter aa) (2) beschriebenen Anforderungen des Bundesgerichtshofs an einen substantiierten Sachvortrag in Abgrenzung zu Behauptungen ins Blaue hinein nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.

Zwar kann ein amtlicher Rückruf für Fahrzeuge mit demselben Motor ein Umstand sein, der einen einer Behauptung ins Blaue hinein entgegen stehenden greifbaren Anhaltspunkt dafür bietet, dass auch im streitgegenständlichen Fahrzeug eine entsprechende Abschalteinrichtung verbaut ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 -, Rn. 24, juris; BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19 -, Rn. 11f, juris). Auch hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich festgestellt, dass für die Bejahung greifbarer Anhaltspunkte jedenfalls kein das konkrete Fahrzeug betreffender Rückrufbescheid erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19 -, Rn. 13, juris). Weiter liegt es nahe, entsprechende Kriterien auch dann anzuwenden, wenn die Klägerseite ein unzulässige Softwaresteuerungen feststellendes Privatgutachten einreicht, das ein Fahrzeug mit dem gleichen Motor betrifft. Diese Gesichtspunkte führen vorliegend jedoch nicht dazu, von einem hinreichend substantiierten Vortrag auszugehen, und zwar auch und insbesondere erneut unter Berücksichtigung des bereits unter bb) ausgeführten Umstandes, dass sich die Substantiierungsanforderungen mit dem Voranschreiten der allgemeinen Erkenntnislage erhöhen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12. Januar 2022 - VII ZR 424/21 -, Rn. 36, juris).

Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass das vom Privatgutachter D. untersuchte Fahrzeug ein solches mit einem Motor OM642 ist (vgl. S. 5 des Gutachtens; Bl. 790 II d.A.), während das streitgegenständliche Fahrzeug über einen Motor OM651 verfügt. Damit fehlt es schon an einer gutachterlichen Feststellung bezüglich eines Fahrzeugs mit dem gleichen Motor. Dies gilt umso mehr, als der Privatgutachter D. zwar auf S. 4 seines Gutachtens (Bl. 789 II d.A.) ausführt, er gehe "vom technischen Standpunkt davon aus, dass andere Mercedes-Fahrzeuge mit vergleichbaren Motoren und Technologien vergleichbare illegale Abschalteinrichtung enthalten dürften", sodann aber entsprechend den Ausführungen der Beklagten (vgl. S. 38 des Schriftsatzes vom 20.04.2022; Bl. 925 d.A.) z.B. auf S. 15, 18, 23 (Bl. 800, 803, 808 II d.A.) feststellt, die erhobenen Daten spiegelten "nicht unbedingt die Situation bei anderen Fahrzeugen [...] wider".

Selbst wenn das Fahrzeug jedoch mit dem gleichen Motortyp ausgestattet wäre, hätte im vorliegenden Fall weiterer, vom Kläger unbestritten gebliebener Beklagtenvortrag dazu geführt, greifbare Anhaltspunkte für die Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einer als unzulässig einzustufenden SCR-Softwaresteuerung, wie sie der Privatgutachten festgestellt haben will, zu verneinen. Denn das vom Privatgutachter untersuchte Fahrzeug war zwar (ebenfalls) von einem Rückrufbescheid vom 03.08.2018 betroffen, doch wurde dieser - anders als der sich auf eine andere SCR-Steuerung beziehende Bescheid für das streitgegenständliche Fahrzeug (vgl. dazu oben aa)) - nachträglich durch Bescheid vom 06.08.2020 wieder aufgehoben, was ihm selbst für das dort untersuchte Fahrzeug den Charakter als greifbarer Anhaltspunkt für dessen Ausstattung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung nimmt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 29. Oktober 2021 - 23 U 165/21 -, Rn. 53, juris). In diesem Sinne hat das KBA in einer dpa-Meldung vom 05.11.2021 mitgeteilt, dass ihm die von Herrn D. herausgearbeiteten Software-Steuerungen bekannt und von ihm nicht für unzulässig befunden worden sind (vgl. Bl. 932 d.A.).

Vor diesem Hintergrund kommt es nicht einmal mehr darauf an, dass das KBA in seiner Auskunft vom 25.02.2022 mitgeteilt hat, am streitgegenständlichen Fahrzeug seien weitere unzulässige Abschalteinrichtungen (also solche über die mit Bescheid vom 03.08.2018 gerügte SCR-Steuerung hinaus) nicht festgestellt worden.

(3) Jedenfalls aber würde die Mitteilung des KBA gemäß der dpa-Meldung vom 05.11.2021 dazu führen, dass selbst dann, wenn dem Privatgutachten D. entsprechende Software-Steuerungen als Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unterstellt würden und entgegen der Einschätzung des KBA doch unzulässig wären, insoweit eine unklare, unsichere bzw. zweifelhafte Rechtslage gegeben wäre, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gegen ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit und insb. eine Sittenwidrigkeit der Verwendung entsprechender Software-Steuerungen spricht (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 101/21 -, Rn. 23f, juris; BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 45/21 -, Rn. 16, juris; BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 295/20 -, Rn. 25, juris; BGH, Urteil vom 24. März 2022 - III ZR 270/20 -, Rn. 18, juris).

b) Auch aus dem Vortrag zu einer unzulässigen Regelung der Kühlmittelsolltemperatur sowie einer damit zusammenhängenden Programmierung eines sog. geregelten Kühlmittelthermostats, der ebenfalls Gegenstand des Beschlusses vom 08.06.2021 gewesen ist (vgl. Fragen 4.-6.), folgt keine Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB, und zwar auch unter Berücksichtigung des von den Parteien nach Abfassung des Beschlusses vom 08.06.2021 vertieften und ergänzten Vortrags und der Auskunft des KBA vom 25.02.2022.

aa) Der Vortrag des Klägers zur Ausstattung des Fahrzeugs mit einer als unzulässig einzustufenden Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der (unstreitigen und schon deshalb nach § 531 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähigen) Nutzung eines geregelten Kühlmittelthermostats (vgl. Fragen 5 des Beschlusses vom 08.06.2021) ist aufgrund der Auskunft des KBA vom 25.02.2022 nicht (mehr) hinreichend substantiiert.

Insoweit hat das KBA mitgeteilt, dass der Rückruf bzgl. dieses Fahrzeugs nicht wegen der Regelungen zur Kühlmittel-Solltemperatur erfolgte, und in seiner Auskunft die Behauptung der Beklagten bestätigt, sie habe durch ein sog. Testing-Out den Nachweis erbracht, dass die im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp verwendete diesbezügliche Software-Steuerung nicht grenzwertkausal ist, weil auch unter deren Deaktivierung die Abgaswerte auf dem Prüfstand eingehalten werden.

(1) Eine solche fehlende Grenzwertkausalität der Softwaresteuerung steht deren Einstufung als unzulässige Abschalteinrichtung entgegen. Die gegenteilige Ansicht des Klägers überzeugt nicht. Zwar verbietet Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 dem Wortlaut nach eine Abschalteinrichtung schon dann, wenn sie die Wirkung des Emissionskontrollsystems verringert, doch ist diese Vorschrift unter ergänzender Heranziehung von Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 auszulegen. Diese Vorschrift verlangt nur, "dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert [...] sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht." Danach und unter Berücksichtigung der Zielsetzung der VO (EG) 715/2007 ist es nur dann gerechtfertigt, eine Software-Programmierung den strengen Anforderungen des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 zu unterwerfen, wenn deren an bestimmte Betriebsbedingungen geknüpfte Abschaltung / Deaktivierung zu einem Verstoß gegen diese Anforderung der VO (EG) 715/2007 führt. Da maßgeblich für die Erteilung der Typgenehmigung die Einhaltung der Grenzwerte im NEFZ ist, ist dies dann nicht der Fall, wenn eine Software-Steuerung unter den für die Erteilung der Typgenehmigung maßgeblichen Bedingungen des NEFZ gar nicht erforderlich ist, um die Grenzwerte einzuhalten.

Dagegen kann der Kläger auch nicht (entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Naumburg, u.a. in dem vom Kläger insoweit herangezogenen Urteil Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. April 2021 - 8 U 68/20 -, Rn. 31, juris) einwenden, der Autohersteller könne es nicht in der Hand haben, Fahrzeuge mit einer Abschalteinrichtung zu bauen, um nach deren Bekanntwerden die fehlende Grenzwertkausalität nachweisen zu können. Diese Argumentation ist überzeugend, soweit es um prüfstandbezogene Abschalteinrichtungen geht, die gezielt die Abgaswerte im NEFZ verändern (vgl. für einen entsprechenden Fall OLG Köln, Urteil vom 10. März 2022 - I-24 U 112/21 -, Rn. 35ff, insb. Rn. 38, juris). Sie würde aber in den Fällen, in denen Softwaresteuerungen auf technischen Gründen und/oder auf Abwägungen zwischen Kostenfaktoren und Emissionsminderungen beruhen, die Autohersteller dazu zwingen, ohne jeden Bezug dazu, ob dies zur Einhaltung der Grenzwerte erforderlich ist, die im Hinblick auf die Abgaswerte optimale Programmierung zu wählen. Dies kann nicht Sinn und Zweck der Regelungen sein, die als maßgebliche Größe für die Zulassung eines Fahrzeuges im NEFZ erzielte Grenzwerte festgelegen (ebenso eine unzulässige Abschalteinrichtung bei fehlender Grenzwertkausalität verneinend: OLG Hamm, Urteil vom 24. Juni 2022 - 30 U 90/21 -, Rn. 42, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Juli 2021 - 22 U 97/20 -, Rn. 102, juris; vgl. auch, jedenfalls eine Sittenwidrigkeit verneinend Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Urteil vom 4. Februar 2022 - 2 U 87/21 -, Rn. 46, 47, juris; OLG Köln, Urteil vom 27. Januar 2022 - I-15 U 11/21 -, Rn. 48ff, juris).

(2) Soweit der Kläger auf S. 15 des Schriftsatzes vom 02.09.2022 die in der Auskunft des KBA bestätigte fehlende Grenzwertkausalität des geregelten Kühlmittelthermostats mit Nichtwissen bestreitet und unter Protest gegen die Beweislast Sachverständigengutachten anbietet, ist dieser Vortrag unbeachtlich.

Einerseits handelt es sich bei fehlender Grenzwertkausalität um eine Tatsache, bzgl. derer sich der Kläger nicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen (oder ein bereits auf S. 2 des Schriftsatzes vom 20.05.2021 [Bl. 710 d.] erfolgtes schlichtes Bestreiten) hätte beschränken dürfen, sondern die Grenzwertkausalität vielmehr ausdrücklich hätte behaupten müssen. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist, wie jedes Bestreiten, nur zulässig bzgl. Tatsachen, für die die Partei nicht darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2009 - III ZR 333/08 -, Rn. 14, juris, m.w.N.), und der Kläger ist für die Grenzwertkausalität darlegungs- und beweisbelastet. Die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen des § 826 BGB. Dies umfasst auch die Frage der Grenzwertkausalität, zumal eine fehlende Grenzwertkausalität nicht dazu führt, dass i.S.d. Ausnahmetatbestände des Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO (EG) 715/2007 die Abschalteinrichtung ausnahmsweise zulässig wäre, sondern umgekehrt die Grenzwertkausalität nach den vorstehenden Ausführungen Voraussetzung einer unzulässigen Abschalteinrichtung ist.

Selbst wenn man entgegen dem § 138 Abs. 4 ZPO entsprechenden Wortlaut den Klägervortrag wegen des unter Protest gegen die Beweislast erfolgten Beweisantritts "Sachverständigengutachten" als positive Behauptung einer Grenzwertkausalität auslegen würde, wäre dies eine unbeachtliche Behauptung ins Blaue hinein, und zwar auch und insbesondere wegen der aus der Auskunft des KBA vom 25.02.2022 folgenden erhöhten Substantiierungsanforderungen. Weder gegen die Richtigkeit der Auskunft noch gegen die Korrektheit des vom KBA bestätigten sog. "Testing-Out" der Beklagten hat der Kläger trotz des in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweises, dass der Senat beabsichtigt, die hierzu erteilte Auskunft des KBA zugrunde zu legen, irgendwelche Einwendungen vorgebracht oder Anhaltspunkte dafür vorgetragen, weshalb er trotz dieser Testergebnisse von einer Grenzwertkausalität ausgeht.

bb) Soweit der Kläger unter Berufung auf Inhalte verschiedener (Privat-)Gutachten, nämlich von Dr. M. H. (BK5, vom Kläger bezeichnet als BK4, Bl. 538ff d.A., sowie BK9, Bl. 839ff II d.A), Prof. Dr.-Ing. W. E. (BK4, vom Kläger bezeichnet als BK5, Bl. 482ff d.A.) und Dipl.-Wirt.-Ing H. L. (nur zitiert) erstmals in 2. Instanz und teilweise nach dem Beschluss vom 08.06.2021 weitere unzulässige, nicht technisch begründete Regelungen der Kühlmittel-Solltemperatur im streitgegenständlichen Fahrzeug behauptet, die in ihrer Kombination, u.a. auch mit der Regelung der Abgasrückführung, zu einer Einhaltung der NOX-Werte nur auf dem Prüfstand führten, ist dieser nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassende Vortrag nicht hinreichend substantiiert.

(1) Entsprechend den Ausführungen unter a) cc) (1) ist die Behauptung einer Ausstattung des Fahrzeugs mit entsprechenden Steuerungen auf der Grundlage des Beklagtenvortrags trotz deren Erläuterungen zu den technischen Hintergründen einzelner Steuerungselemente als streitig einzustufen, aber gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da sich der Kläger auch insoweit unbestritten darauf beruft, von diesen Software-Steuerungen erst durch ihm nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils bekannt gewordene Gutachten erfahren zu haben.

(2) Nach den oben beschriebenen höchstrichterlichen Grundsätzen zu den Substantiierungsanforderungen an Parteivortrag handelt es sich auch bei der Behauptung des Klägers, das streitgegenständliche Fahrzeug sei mit entsprechenden Software-Steuerungen ausgestattet, um Sachvortrag, der ohne jede greifbare Anhaltspunkte ins Blaue hinein erfolgt. Auch insoweit hat der Senat wiederum den unter a) bb) erörterten Umstand berücksichtigt, dass sich die Substantiierungsanforderungen bei einer fortschreitenden allgemeinen Erkenntnislage, vor allem durch Maßnahmen und Bescheide des KBA, erhöhen können.

Ein solcher, die Substantiierungsanforderungen erhöhender Umstand ist zunächst die (allgemeine) Auskunft des KBA vom 25.02.2022, dass weitere unzulässige Abschalteinrichtungen (also solche über die mit Bescheid vom 03.08.2018 gerügte SCR-Steuerung hinaus) nicht festgestellt worden sind, die es bzgl. der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, bezogen auf die ihm vorgelegten Fragen 4 und 6 des Beschlusses vom 08.06.2021, um die Auskunft ergänzt hat, eine solche sei nach seiner Kenntnis im streitgegenständlichen Fahrzeug nicht verbaut. Daraus folgt, dass das KBA, trotz Überprüfung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps und Feststellung einer (nach seiner Wertung) unzulässigen Abschalteinrichtung, die vom Kläger behaupteten Softwaresteuerungen nicht festgestellt hat. Dieser Umstand erfasst neben den vom Kläger schon vor dem Beschluss vom 08.06.2021 behaupteten Steuerungen der Kühlmittel-Solltemperatur (Fragen 4 und 6 des Beschlusses vom 08.06.2021) auch die im Schriftsatz vom 24.03.2022 zusätzlich aufgestellten Behauptungen zu weiteren Steuerungselementen.

Ergänzend hat der Senat auch den Vortrag der Beklagten berücksichtigt, dass die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung vom KBA nur bzgl. eines kleinen Anteils der Fahrzeugflotte und bei keinem Fahrzeug der Euro-Klasse 6 beanstandet wurde. Diesen Vortrag hat der Kläger nicht bestritten, sondern ihn letztlich sogar durch die von ihm selbst als Anlage BK7 vorgelegte KBA-Auskunft vom 23.02.2021 an das OLG Stuttgart (Bl. 548f d.A.) bestätigt, nach der die Rückrufe des KBA "nur bestimmte Varianten, vereinzelte Emissions-Genehmigungen und begrenzte Produktionszeiträume" betrafen. Vor diesem Hintergrund erlangt weiter der Umstand Bedeutung, dass mehrere der vom Kläger insoweit vorgelegten, zur Grundlage seiner Behauptungen gemachten Gutachten Euro-5-Fahrzeuge betrafen (Gutachten Dr. H. BK5 [Bl. 585ff d.A.], Gutachten E. BK4 [Bl. 482ff d.A.]; Textausschnitt Gutachten L.), während das streitgegenständliche Fahrzeug ein Euro-6-Fahrzeug ist. Denn ein nach Überprüfung durch das KBA erfolgter Rückruf nur bzgl. Euro-5-Fahrzeugen und nicht bzgl. des streitgegenständlichen Fahrzeugs nimmt diesen Gutachten ihren Charakter als greifbarer Anhaltspunkt für die Ausstattung auch des streitgegenständlichen Euro-6-Fahrzeugs mit entsprechenden (unzulässigen) Steuerungen (vgl. für einen vergleichbaren Fall BGH, Beschluss vom 12. Januar 2022 - VII ZR 424/21 -, Rn. 36, juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass das mit Schriftsatz vom 24.03.2022 eingereichte zweite Gutachten des Dr. M. H. BK9 (Bl. 839ff d.A.) ein Euro-6-Fahrzeug betraf. Denn dies ändert nichts daran, dass das KBA für das streitgegenständliche Fahrzeug eine entsprechende unzulässige Software-Steuerung trotz Rückrufs bzgl. einzelner Fahrzeuggruppen nicht festgestellt hat.

c) Auch der Klägervortrag zur Steuerung der AGR verhilft der Berufung unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs wegen sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB nicht zum Erfolg. Die einleitend unter 1. zusammengefassten Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung durch Verwendung einer (unterstellt) gegen Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 verstoßenden diesbezüglichen Softwaresteuerung hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen.

aa) Dies gilt nach inzwischen gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 -, Rn. 16-18, juris; BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 -, Rn. 28, juris; BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 -, Rn. 13, juris; BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 3/21 -, Rn. 12, juris; BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 101/21 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 -, Rn. 15, 28, juris; BGH, Urteil vom 23. September 2021 - III ZR 200/20 -, Rn. 22, juris; BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 45/21 -, Rn. 12, 15, juris; BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 295/20 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 24. März 2022 - III ZR 263/20 -, Rn. 20ff, juris) zunächst hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Thermofensters, bzgl. dessen sich der Kläger zunächst auf Sachvortrag der Beklagten vor dem Landgericht Stuttgart bezogen hat, nach dem die AGR unter 7 °C um 45 % reduziert und unter -30 °C gänzlich abgeschaltet werde (vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 29.01.2019; Bl. 116 d.A.), und mit Schriftsatz vom 02.09.2022 ergänzend eine schrittweise Reduzierung sowie schließlich vollständige Deaktivierung der AGR außerhalb des Temperaturfensters des NEFZ von 20 °C bis 30 °C vorgetragen hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das unstreitig im Fahrzeug zur Anwendung kommende Thermofenster tatsächlich wie vom Kläger behauptet ausgestaltet ist (vgl. zum Beklagtenvortrag zur Ausprägung des Thermofensters S. 3 des Sitzungsprotokolls vor dem 7. Zivilsenat vom 04.05.2021 [Bl. 702 d.A]) und ob es eine unzulässige Abschalteinrichtung wäre. Denn allein dessen Verwendung begründet unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mangels Prüfstandsbezogenheit keine Haftung nach § 826 BGB. Darüber hinaus erforderlichen substantiierten Vortrag von greifbaren Anhaltspunkten, die die Verwendung der Softwaresteuerung durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen, insbesondere auf ein Bewusstsein der Unzulässigkeit der Softwaresteuerung schließen lassen, leistet der Kläger nicht.

Soweit er sich auch bzgl. des Thermofensters darauf beruft, die Softwaresteuerung sei dem KBA verschwiegen / nicht offengelegt worden, wird zunächst auf die Ausführungen unter a) aa) (2) (b) zu dem entsprechenden Sachvortrag in Bezug auf die SCR-Steuerung verwiesen. Diese Ausführungen gelten, mit Ausnahme erforderlicher ergänzender Erwägungen zu Art. 3 Nr. 9 VO (EG) 692/2008 (vgl. sogleich), im Hinblick auf Angaben zur genauen Ausgestaltung des Thermofensters entsprechend. Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass Art. 3 Nr. 9 VO (EG) 692/2008, wie unter a) aa) (2) (b) ausgeführt, anders als bzgl. der SCR-Steuerung bzgl. der AGR-Nachbehandlung Angaben des Herstellers zur Funktionsweise bei niedrigen Temperaturen verlangt. Dieser Umstand ändert nichts an den unter a) aa) (2) (b) erörterten Argumenten, dass sich dennoch der notwendige Inhalt der Beschreibungsbögen europaweit aus Anhang III der Richtlinie 2007/46/EG ergibt, der Kläger nicht vorgetragen hat, der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 01.06.2021 vorgelegte Typgenehmigungsbogens (Anlage BB25, Bl. 812 I ff d.A.) entspreche nicht den daraus folgenden europarechtlichen Vorgaben, und der letzte Unterabsatz von Art. 3 Nr. 9 VO (EG) 692/2008 nur eine Vorlagepflicht der Genehmigungsbehörden gegenüber der Kommission betrifft. Soweit abweichend davon weitergehend Angaben zur AGR-Nachbehandlung verlangt werden, wird der als Teil des Typgenehmigungsbogens eingereichte Beschreibungsbogen auf S. 29 (Bl. 841 I d.A.) auch den Anforderungen des Art. 3 Nr. 9 UAbs. 3, 4 VO (EG) 692/2008 gerecht, weil er angibt, dass die AGR-Rate u.a. anhand der Lufttemperatur geregelt wird und die AGR-Funktion auch bei niedrigen Umgebungstemperaturen aktiv ist. Diese Angabe ist richtig; denn auch nach Klägervortrag wird die AGR erst ab einer Temperatur von -30 °C komplett ausgeschaltet. Dass weitergehende, genauere Beschreibungen erforderlich wären, geht aus den europarechtlichen Vorschriften nicht hervor; auch folgt aus der Auskunft des KBA vom 25.02.2022, dass diese nicht verlangt wurden. In diesem Sinne geht auch der Bundesgerichtshof davon aus, dass die Behauptung einer unterbliebenen Offenlegung der Einzelheiten des Thermofensters keinen Umstand darstellt, der einen Schluss auf ein Unrechtsbewusstsein zulässt, weil das KBA wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes im Typgenehmigungsverfahren hätte nachfragen können (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 3/21 -, Rn. 17, juris; BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 101/21 -, Rn. 20, juris; BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 -, Rn. 26, juris; BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 45/21 -, Rn. 17, juris; BGH, Urteil vom 24. März 2022 - III ZR 263/20 -Rn. 26, juris).

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Rechtslage sei im Hinblick auf die Unzulässigkeit des Thermofensters so eindeutig gewesen, dass sich die Handelnden der Unzulässigkeit hätten bewusst sein müssen und bewusst eine Klärung durch Nachfrage vermieden hätten.

Soweit er Entsprechendes aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17.12.2020 in der Rechtssache C-693/ herleiten will, überzeugt dies nicht. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs enthält keine Positionierung zur Unzulässigkeit eines Thermofensters; denn die Vorlagefragen dieses Verfahren (vgl. insb. Vorlagefragen 3., 4. b)) bezogen sich eindeutig nur auf eine Prüfstanderkennungssoftware. Dass der Europäische Gerichtshof bei der Beschreibung der Funktionsweise des AGR-Systems u.a. das Wort "Lufttemperatur" verwendet (vgl. EuGH, Urteil vom 17.12.2020, C-693/18, Celex-Nr. 62018CJ0693, Rn. 33, juris), führt nicht dazu, dass sich die rechtlichen Ausführungen deshalb (außerhalb der Vorlagefragen) auch auf ein Thermofenster beziehen. Dies gilt umso mehr, als auch die von der Klägerseite auf Seite 11f des Schriftsatzes vom 02.09.2022 zitierten Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes ausdrücklich an eine Prüfstanderkennung anknüpfen.

Lediglich klarstellend sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich entgegen der Ansicht der Beklagten aus dem Urteil aber auch nicht herleiten lässt, nur eine Prüfstanderkennung erfülle den Begriff der Abschalteinrichtung ("defeat device"; vgl. Vorlagefrage 3., Überschrift). Der Umstand, dass der Europäische Gerichtshof (aufgrund sich nur darauf beziehender Vorlagefragen) die Prüfstandserkennung unter den Begriff des "defeat device" subsumiert, bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass Softwaresteuerungen, die nicht auf einer Prüfstandserkennung beruhen, deshalb nicht unter diesen Begriff subsumiert werden könnten. Im Übrigen folgt entgegen der Ansicht des Klägers umgekehrt eine nicht eindeutige Rechtslage aus der Notwendigkeit ausführlicher Rechtsprüfungen in den tatsächlich Thermofenster (allerdings zwischen 15 °C und 33 °C) betreffenden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs in den Verfahren C 128/20, 134/20, 145/20. In diesem Sinne geht auch der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung von einer einem Bewusstsein der Rechtswidrigkeit und einer Sittenwidrigkeit entgegen stehenden zweifelhaften Rechtslage aus (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 101/21 -, Rn. 23f, juris; BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 45/21 -, Rn. 16, juris; BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 295/20 -, Rn. 25, juris; BGH, Urteil vom 24. März 2022 - III ZR 263/20 -, Rn. 23, juris).

Schließlich kann der Kläger auch nicht einwenden, wenn sich die Beklagte auf einen Subsumtions- bzw. Verbotsirrtum berufen wolle, sei sie dafür darlegungs- und beweispflichtig. Bei § 826 BGB geht es nicht um (schlichte) Rechtswidrigkeit oder Verschulden im Hinblick auf einen Rechtsverstoß, sondern um die in die Darlegungs- und Beweislast des Anspruchstellers fallende Frage, ob zusätzlich zu einem Pflichtverstoß eine besondere Verwerflichkeit zu bejahen ist, weil das Verhalten gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, Rn. 16, juris; BGH, Urteil vom 19. Juli 2014 - II ZR 402/02 -, BGHZ 160, 149-159, Rn. 49, juris; BGH, Urteil vom 04. Juni 2013 - VI ZR 288/12 -, Rn. 14, juris).

bb) Die Voraussetzungen einer Haftung nach § 826 BGB ergeben sich auch nicht aus dem vom Kläger unter Bezugnahme auf das IT-Gutachten D. vom 28.09.2020 geleisteten Vortrag zu weiteren, aus seiner Sicht als unzulässige Abschalteinrichtungen einzustufende Steuerungen der AGR durch eine Reduzierung der AGR-Rate in Abhängigkeit von der maximal im Fahrzeug beobachteten Motortemperatur und der Starttemperatur ("Illegale Abschalteinrichtung Nr. 7 (AGR)"; vgl. S. 25 des IT-Gutachtens D.; Bl. 810 II d.A.) und durch eine Reduzierung der AGR-Rate im Leerlauf bei warmgelaufenem Motor "Hot & Idle" ("Illegale Abschalteinrichtung NR. 8 (AGR)"; vgl. S. 26f des IT-Gutachtens D.; Bl. 811f II d.A.). Gleiches gilt auch für Vortrag auf S. 5, 6 des Schriftsatzes vom 02.09.2022 (Bl. 1024, 1025 d.A.), dass die AGR-Rate, anknüpfend an die Parameter Temperatur, Motorlast und Drehzahl, unter Normalbedingungen regelmäßig reduziert werde, mithin eine volle AGR und damit eine Einhaltung der NOX-Grenzwerte nur unter den NEFZ-Bedingungen umgesetzt werde.

(1) Hinsichtlich der Berücksichtigung dieses neuen Vortrags gemäß § 531 Abs. 2 ZPO wird auf die Ausführungen zu den SCR-bezogenen (sechs von acht) vom IT-Gutachter D. ermittelten und vom Kläger vorgetragenen unzulässigen Abschalteinrichtungen verwiesen (vgl. oben a) cc) (1)).

(2) Ebenso wie bzgl. der SCR-Steuerungen fehlt es nach den Ausführungen oben unter a) cc) (2) an einem substantiierten Vortrag der Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeuges mit entsprechenden Softwaresteuerungen, da sich das IT-Gutachten D. auf einen Motor OM642 bezieht, während das vorliegende Fahrzeug ein solches mit einem Motor OM651 ist.

Unabhängig davon würde entsprechend den SCR-bezogenen Ausführungen unter a) cc) (3) jedenfalls die Mitteilung des KBA gemäß der dpa-Meldung vom 05.11.2021 dazu führen, dass selbst dann, wenn das streitgegenständliche Fahrzeug entsprechend dem Privatgutachten D. mit unzulässigen AGR-Steuerungen ausgestattet wäre, insoweit eine der Annahme einer Sittenwidrigkeit entgegen stehende unklare, unsichere bzw. zweifelhafte Rechtslage gegeben wäre.

Auch insoweit kommt es mithin nicht einmal mehr darauf an, dass nach der Auskunft des KBA vom 25.02.2022 an dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp über die mit Bescheid vom 03.08.2018 beanstandete Software-Steuerung hinaus keine weiteren unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt wurden.

d) Auch aus dem Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 02.09.2022, dass in dem Schriftsatz in Form einer Tabelle eingerückte Messungen des KBA bzgl. eines Mercedes C 220d, Euro 6 (Bl. 1033 d.A.) erhebliche Grenzwertüberschreitungen im Realbetrieb ergeben hätten, folgen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass das streitgegenständliche Fahrzeug zumindest mit einer der vorstehend erörterten, vom Kläger behaupteten Abschalteinrichtungen ausgestattet sein muss.

aa) Mit dem Vortrag, aus diesen aus der Tabelle hervorgehenden Messdaten folgten erhebliche Grenzwertüberschreitungen außerhalb der Bedingungen des Prüfstandes, ist der Kläger bereits nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Insoweit handelt es sich um neuen zweitinstanzlichen, streitigen und damit § 531 Abs. 2 ZPO unterfallenden Vortrag. Zwar hat die Beklagte im Schriftsatz vom 08.09.2022 die Messwerte in der Tabelle nicht bestritten, jedoch deren Übertragbarkeit auf das streitgegenständliche Fahrzeug sowie deren korrekte Erhebung und damit die für den Klägervortrag entscheidende Aussagekraft der Tabellenwerte für Grenzwertüberschreitungen im Realbetrieb. Gründe für einen Vortrag der gemessenen Grenzwertüberschreitungen erst im Berufungsverfahren i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO trägt der Kläger nicht vor.

bb) Unabhängig davon ergibt sich selbst bei Berücksichtigung der Tabellendaten als korrekt erhobene Daten keine abweichende Beurteilung der Substantiiertheit des Klägervortrags zu den behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen.

Unstreitig handelt es sich bei dem überprüften Fahrzeug nicht um den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp. Auch stützt die Tabelle nicht die Behauptung einer Überschreitung der Grenzwert um das 11,8fache. Nur ein gemessener Wert ist entsprechend hoch, Überschreitungen liegen nur bei Temperaturbereichen unter 6 °C bei einem Vielfachen, und weitere Werte liegen, auch außerhalb des Temperaturfensters des NEFZ, unterhalb oder knapp oberhalb der Grenzwerte.

Im Übrigen sind Grenzwertüberschreitungen im Realbetrieb, und zwar selbst um ein Vielfaches in bestimmten Fahrsituationen, für sich genommen kein greifbarer Anhaltspunkt für eine Ausstattung eines Fahrzeugs mit einer behaupteten Abschalteinrichtung, wenn, wie nach den vorstehenden Ausführungen im vorliegenden Fall, weitere Anhaltspunkte nicht vorgetragen werden; denn solche Messergebnisse sind angesichts der unterschiedlichen Bedingungen im NEFZ und im Realbetrieb zu erwarten (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2022, VI ZR 435/20, Rn. 15, juris, für eine Prüfstanderkennung "Warmlaufphase" bei einem Fahrzeug, das von einer freiwilligen Kundendienstmaßnahme betroffen war; vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 2/21 -, Rn. 30, juris). Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als das Fahrzeug vom KBA überprüft und daraufhin dem (keine Haftung nach § 826 BGB begründenden) Rückruf vom 03.08.2018 wegen eines Teilaspekts der SCR-Steuerung unterworfen wurde.

2. Nach den vorstehenden Ausführungen steht dem Kläger auch kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 263 StGB zu.

a) Dies gilt zunächst, soweit nach den vorstehenden Ausführungen unter 1. bereits die Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit behaupteten (unzulässigen) Softwaresteuerungen nicht substantiiert vorgetragen ist, mithin bzgl. der unter 1. a) bb), cc) erörterten SCR-bezogenen Softwaresteuerungen (Abschaltung der AdBlue-Dosierung nach 26 km, sechs SCR-bezogene Softwaresteuerungen aus dem IT-Gutachten D.), der unter 1. b) bb) erörterten Regelungen der Kühlmittel-Solltemperatur (mit Ausnahme des geregelten Kühlmittelthermostats) sowie der unter 1. c) bb) erörterten zwei AGR-bezogenen Softwaresteuerungen aus dem IT-Gutachten D.. Wenn das Fahrzeug nicht mit einer entsprechenden Steuerung ausgestattet ist, fehlt es bereits an der Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 263 StGB, insbesondere einer Täuschung durch einen für die Beklagte verantwortlich Handelnde i.S.d. § 31 BGB. Gleiches gilt bzgl. der (unstreitigen) Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einem geregelten Kühlmittelthermostat, weil dieser nach den Ausführungen unter 1. b) mangels Grenzwertkausalität keine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt.

b) Soweit die Ausstattung des klägerischen Fahrzeugs mit der unter 1. a) aa) erörterten, durch den Rückrufbescheid des KBA vom 03.08.2018 beanstandeten dauerhaften Umschaltung der AdBlue-Dosierung vom Füllstand-Modus auf den Online-Modus sowie mit einem Thermofenster (vgl. 1. c) aa)) in Rede steht, fehlt es jedenfalls an der Erfüllung des subjektiven Tatbestandes des § 263 StGB durch für die Beklagte verantwortlich Handelnde i.S.d. § 31 BGB.

Dabei kann dahingestellt bleiben, wie sich beim Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung strafrechtlich eine Täuschungshandlung i.S.d. objektiven Tatbestand des § 263 StGB begründen lässt und ob die Softwaresteuerungen tatsächlich unzulässige Abschalteinrichtungen darstellen. Denn jedenfalls fehlt es an dem zur Erfüllung des § 263 StGB erforderlichen (vgl. Tiedemann in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2012, § 263 Betrug, Rn. 241) Vorsatz bzgl. einer etwaigen zu den objektiven Tatbestandsmerkmalen des § 263 StGB gehörenden Täuschung.

Vorsatz bzgl. der Täuschung setzt die Vorstellung des Täters voraus, dass er über eine Tatsache täuscht, wobei i.S. eines dolus eventualis auch eine billigende Inkaufnahme ausreichend ist (vgl. Tiedemann in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2012, § 263 Betrug, Rn. 241, 245). Bezogen auf die Ausstattung des Fahrzeugs mit der vom KBA beanstandeten Softwaresteuerung setzt dies jedenfalls voraus, dass sich die für die Beklagte verantwortlich Handelnden einer (etwaigen) Unzulässigkeit der Softwaresteuerungen bewusst waren bzw. diese zumindest billigend in Kauf nahmen. Dies ist zu verneinen.

Soweit ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Softwaresteuerungen in Rede steht, gelten die Ausführungen unter 1. a) aa) (Steuerung des Online-Modus) und unter 1. c) aa) (Thermofenster) entsprechend, mit denen der Senat begründet hat, dass der Kläger ein für die Bejahung einer Sittenwidrigkeit nach § 826 BGB erforderliches Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Softwaresteuerungen nicht substantiiert vorgetragen hat. Beide Softwaresteuerungen weisen keine Prüfstandsbezogenheit auf, die einen Schluss auf eine täuschende Verwendung zulassen würde, und auch anderweitige Anhaltspunkte für ein Bewusstsein der Unzulässigkeit der Softwaresteuerungen lassen sich aus dem Klägervortrag nicht entnehmen.

Gleiches gilt auch, soweit eine billigende Inkaufnahme der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung in Rede steht. Insoweit führen bzgl. der Umschaltung auf den Online-Modus die Erwägungen unter 1. a) aa) (2) dazu, dass greifbare Anhaltspunkte auch für eine solche billigende Inkaufnahme nicht substantiiert vorgetragen sind. Der Kläger geht, wie unter 1. a) aa) (2) (a) ausgeführt, selbst entsprechend dem Beklagtenvortrag von dem Risiko eines Ammoniak-Schlupfes aus, woraus sich, vom KBA bestätigt, die Rechtfertigung ergibt, unter bestimmten Bedingungen zu deren Vermeidung in einen die AdBlue-Dosierung reduzierenden Online-Modus zu wechseln. Da damit, vom KBA bestätigt, Grund für den Rückruf allein die konkrete Ausgestaltung (geringere Effektivität) des Online-Modus war, fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass die Beklagte deren Unzulässigkeit auch nur erwogen und (trotzdem) billigend in Kauf genommen hätte. Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die vom Kläger vorgetragenen ausdrücklichen oder konkludenten Falschangaben gegenüber dem KBA im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens; denn da die Beklagte entsprechend den Ausführungen unter 1. a) aa) (2) (b) die gesetzlichen Vorgaben einhielt, ist nicht ersichtlich, woraus sich ergeben sollte, dass sie die Notwendigkeit weitergehender Angaben gegenüber dem KBA erwogen und deren Nichterfüllung billigend in Kauf genommen hätte. Erst recht ergeben sich unter Zugrundelegung der Ausführungen unter 1. a) aa) (2) (c) und (d) keine greifbaren Anhaltspunkte für eine billigende Inkaufnahme der Unzulässigkeit der konkreten Softwaresteuerung aus dem Klägervortrag zu Kartellabsprachen und zu Strafbefehlen gegen Mitarbeiter der Beklagten.

All diese Erwägungen gelten unter Zugrundelegung der Ausführungen unter 1. c) aa) gleichermaßen und erst recht im Hinblick auf das im Fahrzeug verbaute Thermofenster. Dabei ist insoweit sogar höchstrichterlich geklärt, dass es angesichts der zweifelhaften Rechtslage an Anhaltspunkten nicht nur für ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit fehlt, sondern auch für eine billigende Inkaufnahme eines Rechtsverstoßes (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 101/21 -, Rn. 23f, juris; BGH, Beschluss vom 29. September 2021 - VII ZR 45/21 -, Rn. 15f, juris; BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 295/20 -, Rn. 24f, juris; BGH, Urteil vom 24. März 2022 - III ZR 263/20 -, Rn. 22f, juris).

3. Dem Kläger steht auch kein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 zu.

Die unzulässige Abschalteinrichtungen verbietende Norm des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 ist, jedenfalls bezogen auf das vom Kläger mit der hiesigen Klage geltend gemachte Interesse, kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.

Schutzgesetz ist jede Rechtsnorm (mithin auch in den Mitgliedsstaaten unmittelbar geltendes Recht der Europäischen Union, zu denen Verordnungen zählen; vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 136/09 -, BGHZ 188, 326-351, Rn. 17, juris), die zumindest auch dazu dienen soll, einen Einzelnen oder einen bestimmten Personenkreis gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 73, juris; BGH, Urteil vom 27. November 1963 - V ZR 201/61 -, BGHZ 40, 306-312, Rn. 1, juris; BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 218/03 -, BGHZ 160, 134-149 Rn. 21, juris; BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 136/09 -, BGHZ 188, 326-351, Rn. 18, juris; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - XI ZR 51/10 -, BGHZ 192, 90-118, Rn. 21, juris). Der Schutz eines Einzelnen ist dabei nicht bereits dann bezweckt, wenn er als Reflex durch Befolgung der Norm objektiv erreicht wird, sondern nur dann, wenn der Gesetzgeber dem Einzelnen selbst die Rechtsmacht in die Hand geben wollte, mit Mitteln des Privatrechts gegen denjenigen vorzugehen, der das Verbot übertritt und sein Rechtsinteresse beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1963 - V ZR 201/61 -, BGHZ 40, 306-312, R. 2, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 136/09 -, BGHZ 188, 326-351, R. 18, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - XI ZR 51/10 -, BGHZ 192, 90-118, R.21, zitiert nach juris). Zusätzlich muss das vom Anspruchsteller geltend gemachte Interesse zu den Rechtsinteressen zählen, deren Schutz durch das Gesetz beabsichtigt ist (sachlicher Schutzbereich), und der Anspruchsteller zum Kreis der geschützten Personen gehören (persönlicher Schutzbereich) (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 73, juris).

Gemessen daran fehlt Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 schon grundsätzlich ein Schutzgesetzcharakter zugunsten des Klägers als Verbraucher. Ziel der Verordnung ist nach den einleitenden Bemerkungen (1) bis (4) die Harmonisierung des Binnenmarktes, u.a. um dadurch die Reinhaltung der Luft sowie ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen. Der Schutz des einzelnen EU-Bürgers vor Verstößen des Autoherstellers gegen die Vorgaben ist danach vom Zweck der Verordnung nicht erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 74, juris; BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 -, Rn. 13, juris; BGH, Beschluss vom 14. September 2021 - VI ZR 491/20 -, Rn. 15, juris; BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 - VII ZR 686/21 -, Rn. 1, 3, juris).

Anhaltspunkte dafür, dass diese vom Bundesgerichtshof im Hinblick auf eine etwaige Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV als "acte clair" bezeichnete Rechtsansicht (vgl. nur BGH, Beschluss vom 14. September 2021 - VI ZR 491/20 -, Rn. 15, juris) europarechtswidrig wäre, ergibt sich auch nicht aus den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21. Vielmehr hat auch der Generalanwalt Rantos hier ausdrücklich festgestellt, dass Art. 5 VO (EG) 715/2007 nicht den individuellen Interessen des Fahrzeugerwerbers zu dienen bestimmt ist (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts/der Generalanwältin vom 02.06.2022, C-100/21, Celex-Nr. 62021CC0100, Rn. 41, juris).

4. Dem Kläger steht weiter kein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV wegen Verstoßes gegen die Vorschriften zur Übereinstimmungsbescheinigung aufgrund der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen durch die Beklagte zu.

Als Schutzgesetz kommen dabei nur diese nationalen Normen in Betracht, weil die europarechtlichen Vorschriften zur Übereinstimmungsbescheinigung (insb. Art. 3 Nr. 5 und 36, Art. 18 der Richtlinie 2007/46/EG) selbst keinen Schutzgesetzcharakter haben können. Denn anders als eine Verordnung wie die VO (EG) 715/2007 (vgl. dazu Art. 288 Abs. 2 AEUV) ist eine Richtlinie kein unmittelbar geltendes Recht, da sie nach Art. 288 Abs. 3 AEUV der Umsetzung in nationales Recht bedarf, wie bzgl. der Übereinstimmungsbescheinigung durch §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV geschehen.

a) Auch diesen Gesetzesvorschriften fehlt jedoch im Hinblick auf die mit der hiesigen Klage geltend gemachten Ansprüche der Schutzgesetzcharakter i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Denn jedenfalls fällt das mit der hiesigen Klage geltend gemachte wirtschaftliche Selbstbestimmungsrechts des Klägers und damit der Schutz davor, einen ungewollten Vertrag über ein Fahrzeug ohne gültige Übereinstimmungsbescheinigung abzuschließen, nicht in den sachlichen Schutzbereich der oben genannten Norm (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 76, juris; BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 -, Rn. 11, juris; BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 - III ZR 87/21 -, Rn. 13f, 17, juris; BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 - VII ZR 686/21 -, Rn. 3, juris).

Die Richtlinie 2007/46/EG dient der Umsetzung der VO (EG) 715/2007 und zielt neben der Klarstellung des geltenden Regelwerkes ebenfalls auf eine Harmonisierung des Binnenmarktes durch gemeinschaftliche Genehmigungsverfahren / Einführung eines verbindlichen Systems gemeinschaftlicher Typgenehmigungen (Erwägungsgründe (1) bis (3), (23)) sowie zusätzlich auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung (Erwägungsgründe (3), (14)). All diese Ziele beziehen sich nicht auf individuelle Interessen eines einzelnen Verbrauchers und insb. nicht auf dessen finanziellen Interessen oder sein wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht. Letzteres gilt auch für den Erwägungsgrund (17), wonach die Regelungen der Richtlinie 2007/46/EG sicherstellen sollen, dass Fahrzeughersteller bei Gesundheits- oder Sicherheitsrisiken durch ein Fahrzeug für den Verbraucher wirksame Schutzmaßnahmen bis hin zum Rückruf von Fahrzeugen treffen; denn diese Formulierung bezieht sich ausdrücklich auf gesundheitliche Interessen des Verbrauchers.

Allenfalls aus Nr. 0 ("Ziele") des Anhangs IX der Richtlinie 2007/46/EG ("Die Übereinstimmungsbescheinigung stellt eine Erklärung des Fahrzeugherstellers dar, in der er dem Fahrzeugkäufer versichert, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Europäischen Union geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmte. Die Übereinstimmungsbescheinigung soll es außerdem den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ermöglichen, Fahrzeuge zuzulassen, ohne vom Antragsteller zusätzliche technische Unterlagen anfordern zu müssen.") lassen sich Anhaltspunkte für einen auch wirtschaftliche Interessen des Verbrauchers erfassenden Schutzgesetzcharakter der Normen zur Übereinstimmungsbescheinigung (und damit der diese auf nationaler Ebene umsetzenden Vorschriften §§ 6, 27 EG-FGV) insoweit herleiten, als ein Bezug zum Verbraucher und dessen Interesse hergestellt wird, ein den geltenden Vorschriften entsprechendes Fahrzeug zu erhalten, das er ohne Vorlage weiterer Unterlagen zugelassen bekommt. In diesem Sinne hat auch der Bundesgerichtshof, nachdem der VI. Zivilsenat den grundsätzlichen Schutzgesetzcharakter zunächst ausdrücklich offen gelassen hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 76, juris, im Hinblick auf ein Interesse des Käufers eines Neuwagens an der [zügigen] Erstzulassung oder das des Käufers eines Gebrauchtwagens an dem Fortbestand der Betriebserlaubnis), später im Hinblick auf das auch im Urteil vom 25.05.2020 erörterte Interesse des Käufers eines Neuwagens an der (zügigen) Erstzulassung oder an dem Fortbestand der Betriebserlaubnis einen Schutzgesetzcharakter bejaht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 - III ZR 87/21 -, Rn. 13, juris). Eine Beeinträchtigung dieses Interesses macht der Kläger mit der hiesigen Klage jedoch nicht geltend, sondern stattdessen mit dem auf Freistellung von den Folgen des Kaufes gerichteten Antrag einen Verstoß gegen das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht. Dass der nationale oder der europäische Gesetzgeber i.S.d. obigen Definition eines Schutzgesetzes beabsichtigt hätten, dem Verbraucher die Rechtsmacht an die Hand zu geben, auch dieses Interesse mit Mitteln des Privatrechts durchzusetzen, ist nicht ersichtlich (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 76, juris; BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 -, Rn. 11, juris; BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 - III ZR 87/21 -, Rn. 13f, 17, juris; BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 - VII ZR 686/21 -, Rn. 3, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 2022 - 24 U 115/22 -, Rn. 85, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. Juli 2022 - 17 U 1348/19 -, Rn. 77, juris).

An dieser rechtlichen Würdigung ändern auch die Ausführungen des Generalanwalts Rantos in seinem Schlussantrag vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 nichts. Zwar leitet der Generalanwalt aus Nr. 0 ("Ziele") des Anhangs IX der Richtlinie 2007/46/EG sowie aus einem Zusammenspiel der VO (EG) 715/2007 und der Richtlinie 2007/46/EG her, dass der Hersteller nur bei Erfüllung der Anforderungen des Art. 5 Abs. 1, 2 VO (EG) 715/2007 im Rahmen der EG-Typgenehmigung eine die Zulassung des Fahrzeugs und den (Weiter-)Verkauf des Fahrzeugs ermöglichende Übereinstimmungsbescheinigung ausstellen kann und die Vorschriften deshalb den Verbraucher davor schützen sollen, dass er ein nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Fahrzeug erwirbt (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts/der Generalanwältin vom 02.06.2022, C-100/21, Celex-Nr. 62021CC0100, Rn. 45-48, 50 juris). Diese rechtliche Wertung bedeutet jedoch nicht, dass der Generalanwalt davon ausgeht, das vom Kläger mit der hiesigen Klage geltend gemachte Interesse auf Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts in dem Sinne, dass er Freistellung von einem normativen Schaden in Form eines ungewollten Vertrages durch Erstattung gesamten Kaufpreises unter Abzug gezogener Vorteile verlangen kann, müsse europarechtlich in den sachlichen Schutzbereich der Normen fallen. Denn ein solcher Schaden ergibt sich angesichts der während der gesamten Besitzzeit gegebenen Zulassung des Fahrzeugs und des zwischenzeitlich erfolgten Weiterverkaufs weder aus den vom Generalanwalt seiner Wertung zugrunde gelegten Problemen mit der Zulassung des Fahrzeugs noch aus solchen beim Weiterverkauf. Auch stellt der Generalanwalt im Zusammenhang mit den Schutzzweckerwägungen zunächst auf einen durch den Einbau der Software verursachten Wertverlust des Fahrzeugs als materiellen Schaden ab (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts/der Generalanwältin vom 02.06.2022, C-100/21, Celex-Nr. 62021CC0100, Rn. 49, juris), der gerade nicht Voraussetzung des streitgegenständlichen normativen Schadens ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 45f, juris). Soweit der Generalanwalt im Zusammenhang mit den Schutzzweckerwägungen zusätzlich einen immateriellen Schaden erwähnt (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts/der Generalanwältin vom 02.06.2022, C-100/21, Celex-Nr. 62021CC0100, Rn. 49, juris), unterscheidet sich auch dieser - unabhängig davon, dass das deutsche Recht einen immateriellen Schaden nur bei Gesundheits- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen kennt - vom Ansatz her grundsätzlich von dem aus dem wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrecht hergeleiteten normativen Schaden. Die im Schlussantrag des Generalanwalts vertretene europarechtliche Notwendigkeit, einem betroffenen Kunden einen Schadensersatz zuerkennen zu müssen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts/der Generalanwältin vom 02.06.2022, C-100/21, Celex-Nr. 62021CC0100, Rn. 54, 59, 62, juris), kann sich deshalb nur auf die Zahlung eines Ersatzbetrages beziehen, nicht dagegen auf den streitgegenständlichen Anspruch auf Freistellung von den Folgen des Vertrages.

Daran ändert auch der vom Generalanwalt angesprochene europarechtliche Effektivitätsgrundsatzes nichts, der u.a. verlangt, dass die - grundsätzlich in seiner konkreten Ausgestaltung dem nationalen Gesetzgeber vorbehaltene (vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09 -, Rn. 94, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 1. August 2022 - 11 U 144/20 -, Rn. 11f, juris; so auch die Schlussanträge des Generalanwalts/der Generalanwältin vom 02.06.2022, C-100/21, Celex-Nr. 62021CC0100, Rn. 54, 55, 61, 65, juris) - Umsetzung europarechtlicher Vorschriften in nationales Recht die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren darf (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juli 2014 - C-362/13, C-363/13 und C-407/13 -, Rn. 63, juris). Bei einer nationalen Umsetzung eines europarechtlich geforderten Ersatzanspruchs muss danach die Form des Schadensersatzes und sowie die Art und Weise deren Berechnung dem erlittenen Schaden so angemessen sein, dass ein effektiver Schutz der Rechte des Einzelnen gewährleistet ist (vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09 -, Rn. 94, juris). Das deutsche Haftungssystem bietet einen solchen effektiven Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher jedoch über die (tausendfach zuerkannten) Ansprüche gegen Hersteller von Fahrzeugen wegen bewusster Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen gemäß § 826 BGB sowie die gewährleistungsrechtlichen Ansprüche, wegen derer nicht mit dem Hersteller identische Verkäufer unter bestimmten Voraussetzungen beim Hersteller Regress nehmen können. Ergänzt werden diese durch die Gefahr einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme bereits abschreckenden Vorschriften noch durch die Bußgeldvorschrift des § 37 EG-FGV (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 2022 - 24 U 115/22 -, Rn. 96-98, juris; OLG München, Beschluss vom 1. Juli 2022 - 8 U 1671/22 -, Rn. 35f, 37, juris). Würde über diese Sanktionen hinaus eine Haftung für einen (ggf. nur fahrlässigen) Verstoß gegen §§ 6, 27 EG-FGV gefordert, dessen Rechtsfolge i.S. eines Schutzes des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts ein Anspruch auf Freistellung von den Folgen des Erwerbs wäre, liefe dies darauf hinaus, das deutsche Haftungssystem unter Verstoß gegen die nationalen Kompetenzen um einen systemfremden Haftungstatbestand zu erweitern (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 1. August 2022 - 11 U 144/20 -, Rn. 14, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 2022 - 24 U 115/22 -, Rn. 99-103, juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 27. Juni 2022 - 7 U 44/22 -, Rn. 31, juris).

b) Vor diesem Hintergrund sieht der Senat keinen Anlass für die vom Kläger im Hinblick auf das Verfahren C-100/21 sowie den dortigen Schlussantrag des Generalanwalts Rantos vom 02.06.2022 "beantragte" Aussetzung des hiesigen Verfahrens gemäß § 148 ZPO analog.

Eine Aussetzung kommt nach § 148 ZPO analog in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV erfüllt sind, aber diese Vorlagemöglichkeit auf der Entscheidungserheblichkeit von Fragen beruht, die bereits in einem anderen Rechtsstreit dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2022 - VIII ZR 149/21 -, Rn. 14, juris, m.w.N.). Dabei setzt eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV durch ein Gericht voraus, dass für die Entscheidung eines vor diesem Gericht anhängigen Rechtsstreits eine Vorabentscheidung über die Auslegung europäischer Verträge erforderlich ist (Art. 267 Abs. 1 lit. a), Abs. 2 AEUV). Maßgeblich ist, ob vor dem Gericht Fragen des Unionsrechts aufgeworfen werden, die für den zu entscheidenden Rechtsstreit entscheidungserheblich sind (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2015 - C-72/14 -, Rn. 55, juris; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2022 - VIII ZR 149/21 -, Rn. 13, 23 juris, m.w.N.). Die Vorlagepflicht entfällt allerdings dann, wenn die unionsrechtlichen Fragen entweder durch den Europäischen Gerichtshof bereits entschieden sind ("acte eclairé"; vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Januar 2015 - 1 BvR 499/12 -, Rn. 9, juris) oder derart offenkundig sind, dass für vernünftige Zweifel keinerlei Raum bleibt ("acte clair"; vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Januar 2015 - 1 BvR 499/12 -, Rn. 9, juris) (vgl. zu diesen Ausnahmen der Vorlagepflicht insgesamt EuGH, Urteil vom 9. September 2015 - C-72/14 -, Rn. 55, juris; vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Januar 2015 - 1 BvR 499/12 -, Rn. 9, juris; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2022 - VIII ZR 149/21 -, Rn. 22, juris).

Nach diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen des Art. 267 AEUV zur Vorlage an die Europäischen Gerichtshof nicht erfüllt und besteht deshalb auch kein Anlass für eine Aussetzung nach § 148 ZPO analog. Zwar betreffen die vom Landgericht Ravensburg dem Europäischen Gerichtshof in dem Verfahren C-100/21 vorgelegten Vorlagefragen 1. - 4. (vgl. LG Ravensburg, EuGH-Vorlage vom 12. Februar 2021 - 2 O 393/20 -, Rn. 62-91, juris) die Frage der Schutzzwecke von Artt. 18, 26, 46 der Richtlinie 2007/46/EG und damit letztlich auch die für dieses Verfahren entscheidungserhebliche Frage des Schutzgesetzcharakters der die Richtlinie umsetzenden §§ 6, 27 EG-FGV. Dennoch ist die rechtliche Wertung, dass die europarechtlichen Vorschriften zur Übereinstimmungsbescheinigung keine das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht schützenden nationalen Regelungen verlangen, nach den vorstehenden Ausführungen so offenkundig, dass die Voraussetzungen eines acte clair erfüllt sind (so die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, BGHZ 225, 316-352, Rn. 77, juris; BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 -, Rn. 16, juris; BGH, Beschluss vom 14. September 2021 - VI ZR 491/20 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 -, Rn. 37, juris; BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 - III ZR 87/21 -, Rn. 17, juris).

Nach den vorstehenden Ausführungen gilt dies auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Schlussantrag des Generalanwalts vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21. Dabei kommt es nicht einmal darauf an, dass diese ohnehin weder verbindlich noch für die zu erwartenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshof vorgreiflich sind. Denn wie unter a) ausgeführt, folgt aus den Ausführungen des Generalanwalts nicht, dass er europarechtlich die Zuerkennung eines Anspruchs auf Freistellung von den Folgen des Vertragsschlusses für erforderlich hält. Vielmehr sprechen die - bereits im Zusammenhang mit dem europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz zitierten - weiteren Ausführungen des Generalanwalts zu den Vorlagefragen 3 bis 6 gegen eine solche Rechtsansicht des Generalanwalts; denn dort führt er aus, dass die Richtlinie 2007/46/EG dem Verbraucher zwar durch die Regelungen zur Übereinstimmungsbescheinigung Rechte gegenüber dem Hersteller verleihe und die Mitgliedsstaaten zum Erlass entsprechender Vorschriften verpflichte (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts/der Generalanwältin vom 02.06.2022, C-100/21, Celex-Nr. 62021CC0100, Rn. 53, 54, juris), es im Übrigen jedoch den Mitgliedsstaaten überlassen bleibe festzulegen, welche von Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG geforderten "wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden" Sanktionen auf nationaler Ebene geregelt werden (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts/der Generalanwältin vom 02.06.2022, C-100/21, Celex-Nr. 62021CC0100, Rn. 54, 55, 61, 65, juris; vgl. dazu auch OLG München, Beschluss vom 1. Juli 2022 - 8 U 1671/22 -, Rn. 30, 34, juris).

5. Dem Kläger stehen die mit der Berufung weiter verfolgten Ansprüche auch nicht als gewährleistungsrechtliche Ansprüche auf Rückabwicklung des mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrags gemäß §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 440, 323, 346ff BGB zu. Etwaige gewährleistungsrechtliche Ansprüche wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen des Fahrzeugs sind wegen der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung nicht mehr durchsetzbar, weil der vom Kläger erklärte Rücktritt gemäß §§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 4 Satz 1, 218 BGB unwirksam ist.

a) Als potentielle mangelbegründende Softwaresteuerungen des Fahrzeugs kommen nach den Ausführungen unter 1. nur die mit dem Rückrufbescheid vom 03.08.2018 vom KBA beanstandete Umschaltung der AdBlue-Dosierung vom Füllstand-Modus auf den Online-Modus sowie das Thermofenster in Betracht.

Dabei geht der Senat davon aus, dass die vom Kläger behauptete Ausstattung des Fahrzeugs mit unzulässigen Abschalteinrichtungen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 einen Mangel des Fahrzeugs i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB darstellt, weil sich das Fahrzeug bei einer entsprechenden Ausstattung nicht uneingeschränkt zu der gewöhnlichen Verwendung eignet.

Ein Kraftfahrzeug eignet sich grundsätzlich nur dann für die gewöhnliche Verwendung, wenn es bei Gefahrübergang eine Beschaffenheit aufweist, die weder seine (weitere) Zulassung zum Straßenverkehr hindert noch ansonsten seine Gebrauchsfähigkeit aufhebt oder beeinträchtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 - VIII ZR 225/17 -, Rn. 5, juris). Dies ist bei einem Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht der Fall (vgl. BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 - VIII ZR 225/17 -, Rn. 4ff, juris; BGH, Urteil vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 254/20 -, BGHZ 230, 296-335, Rn. 17ff, juris OLG München, Beschluss vom 23. März 2017 - 3 U 4316/16 -, Rn. 13, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 21. Juni 2016 - I-28 W 14/16 -, Rn. 28, juris). Denn aus dieser folgt das einer uneingeschränkten Nutzbarkeit entgegenstehende Risiko der Betriebsbeschränkung oder -untersagung für den Fall, dass dessen Verwendung bekannt würde (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 254/20 -, BGHZ 230, 296-335, Rn. 20, juris; BGH, Beschluss vom 09. Juni 2020 - VIII ZR 315/19 -, Rn. 29ff, juris [unter ausdrücklicher Verneinung eines Rechtsmangels; vgl. Rn. 31, juris]; BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, R. 19ff, 52, juris; BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 - VIII ZR 225/17 -, Rn. 17ff, juris;). Dabei ist unerheblich, ob es tatsächlich zu einer Stilllegung des Fahrzeugs gekommen ist; allein das Risiko einer Stilllegung steht einer uneingeschränkten Nutzbarkeit entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 - VIII ZR 225/17 -, Rn. 22, juris; BGH, Urteil vom 21. Juli 2021 - VIII ZR 254/20 -, BGHZ 230, 296-335, Rn. 20, juris).

Substantiiert vorgetragen hat der Kläger nach den Ausführungen unter 1. eine Ausstattung des Fahrzeugs mit einer auch unter rechtlichen Gesichtspunkten als unzulässige Abschalteinrichtung in Betracht kommenden Softwaresteuerung nur bzgl. der mit dem Rückrufbescheid vom 03.08.2018 vom KBA beanstandeten Ausgestaltung der Umschaltung der AdBlue-Dosierung vom Füllstand-Modus auf den Online-Modus (vgl. oben 1. a) aa)) sowie bzgl. des Thermofensters (vgl. oben 1. c) aa)). Auch für die gewährleistungsrechtliche Haftung kann dabei dahingestellt bleiben, ob diese Softwaresteuerungen des Fahrzeugs tatsächlich unzulässige Abschalteinrichtungen gemäß Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 sind; denn selbst wenn dies der Fall wäre, würde den auf diese Softwaresteuerungen gestützten gewährleistungsrechtlichen Ansprüchen des Klägers die Einrede der Verjährung entgegenstehen.

b) Der Rücktritt des Klägers wegen dieser behaupteten Abschalteinrichtungen ist - unter Anwendung der regulären Verjährungsfrist des § 438 Abs.1 Nr. 3 BGB - unwirksam.

Gemäß §§ 438 Abs. 4 Satz 1, 218 BGB ist ein Rücktritt unwirksam, wenn sich der Verkäufer erfolgreich auf die Einrede der Verjährung beruft. Diese Voraussetzungen sind bei Anwendung der regulären Verjährungsfrist für gewährleistungsrechtliche Ansprüche, die gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB zwei Jahren nach Übergabe des Fahrzeuges beträgt, erfüllt. Entsprechend den Ausführungen des Landgerichts auf S. 6 des Urteils war diese Verjährungsfrist nämlich ausgehend von der Fahrzeugübergabe am 19.01.2016 im Januar 2018 abgelaufen, während der Rücktritt erst durch Schreiben vom 03.05.2018 erklärt und Klage erst mit der Klageschrift vom 23.05.2018 erhoben wurde. Unter dieser Voraussetzung führt der Umstand, dass sich die Beklagte auf S. 3f der Klageerwiderung (Bl. 58f d.A.) auf die Einrede der Verjährung berufen hat, zur Unwirksamkeit des Rücktritts.

c) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Ansprüche gemäß § 438 Abs. 3 BGB wegen Arglist der Beklagten der regulären, dreijährigen, kenntnisabhängigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB unterliegen, die im Mai 2018 noch nicht abgelaufen war.

Eine arglistige Täuschung bzgl. eines Mangels liegt vor, wenn ein Verkäufer durch aktives Tun falsche oder irreführende Angaben über vorhandene Mängel macht oder i.S. eines Unterlassens unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht vorhandene Mangel verschweigt. Eine Aufklärungspflicht des Verkäufers kann bereits deshalb bestehen, weil ein Umstand vorliegt, der für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung ist und deshalb ungefragt offenbart werden muss, z.B. weil er geeignet ist, dem Käufer erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2010 - XII ZR 192/08 -, Rn. 22, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Juni 2016 - I-20 U 98/15 -, Rn. 67, juris; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 81. Auflage, § 438 Rn. 12 i.V.m. Grüneberg/ Ellenberger § 123 Rd. 5b). Erforderlich für eine Arglist ist dabei zusätzlich Vorsatz in dem Sinne, dass der Verkäufer gewusst oder damit gerechnet haben bzw. billigend in Kauf genommen haben muss, dass die Kaufsache einen Mangel aufweist und der Käufer den Mangel nicht kannte und er möglicherweise bei Kenntnis den Vertrag so nicht abschließen würde (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2011 - V ZR 171/10 -, BGHZ 190, 272-278, Rn. 19, juris (für § 444 BGB); vgl. auch Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 81. Auflage, § 438 Rn. 12 i.V.m. Grüneberg/ Ellenberger § 123 Rd. 23).

In Anwendung dieser Grundsätze ist - eine Unzulässigkeit der Softwaresteuerungen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unterstellt - objektiv eine Aufklärungspflicht der Beklagten zu bejahen. Diese folgt aus dem (auch zur Begründung einer Mangelhaftigkeit herangezogenen) Risiko einer Stilllegung des Fahrzeugs (vgl. BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 - VIII ZR 225/17 -, Rn. 22 sowie BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 21, juris; BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 397/19 -, Rn. 16, juris). Dieses Risiko führt nach der zur Haftung von Fahrzeugherstellern wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen ergangenen, gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung dazu, dass Käufer eines solchen Fahrzeugs im Rahmen eines Anspruchs gemäß § 826 BGB vom Hersteller Freistellung von den Folgen des Kaufvertrags verlangen können, weil der Abschluss eines Vertrages über ein solches Fahrzeug i.S. eines normativen Schadens objektiv unvernünftig ist (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 - Rn. 48ff, juris; BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 397/19 -, Rn. 16, juris). Die Bejahung eines solchen normativen Schadens bedingt, dass sich die Ausstattung des Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung als für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich ausschlaggebender und damit aufklärungsbedürftiger Umstand darstellt.

Allerdings hat der Kläger den subjektiven Tatbestand der arglistigen Täuschung durch Verletzung einer Aufklärungspflicht nicht substantiiert vorgetragen. Es fehlt an hinreichendem Vortrag dazu, dass sich die Beklagte bzw. die für die Beurteilung der Arglist maßgeblichen handelnden Personen der Rechtswidrigkeit der nach den Ausführungen unter a) als mangelbegründend in Betracht kommenden Softwaresteuerungen, jedenfalls aber des Risikos eines Einschreitens des KBA bei Kenntnisnahme von dessen Inhalt, bewusst waren bzw. dieses zumindest billigend in Kauf nahmen. Insoweit gelten die Ausführungen unter 2. b) zur Anspruchsgrundlage §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 263 StGB, nach denen der strafrechtliche dolus eventualis zu verneinen ist, entsprechend.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da der Senat hinsichtlich der Frage der Grenzwertkausalität von der vom Oberlandesgerichts Naumburg in seinem Urteil vom 9. April 2021 - 8 U 68/20 (Rn. 31, juris) vertretenen Ansicht abweicht.

Klocke
Dr. Hoffmann
Wölber