Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 23.11.2022, Az.: 1 WF 138/22

Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen beabsichtigten Vollstreckungsabwehrantrag hinsichtlich eines titulierten Kindesunterhaltsanspruchs

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
23.11.2022
Aktenzeichen
1 WF 138/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59338
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 19.08.2022 - AZ: 247 F 125/22

Fundstellen

  • FamRB 2023, 140
  • FuR 2023, 187
  • JAmt 2023, 139-140
  • NJW-RR 2023, 291-293
  • NJW-Spezial 2023, 133-134
  • NZFam 2023, 275

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment kann trotz einer bereits vorhandenen Titulierung durch Jugendamtsurkunde ausnahmsweise gegeben sein, obwohl etwaige Vollstreckungsversuche wegen der Leistungsunfähigkeit des Schuldners voraussichtlich erfolglos geblieben wären. Dies kommt in Betracht, wenn die Unterhaltsvorschussstelle einen Unterhaltsschuldner nicht über die Möglichkeit der Titelumschreibung und Vollstreckung aus der bereits über 15 Jahre nicht mehr relevant gewesenen Jugendamtsurkunde informiert, sondern für den Fall der Nichterteilung der angeforderten Auskunft und der Nichtzahlung einen Antrag auf Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren androht.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Braunschweig vom 19.08.2022 abgeändert und dem Antragsteller ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für die erste Instanz unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen beabsichtigten Vollstreckungsabwehrantrag.

Durch vollstreckbare Jugendamtsurkunde vom 06.05.2003 hatte sich der Antragsteller zur Zahlung von 100 % des Mindestunterhalts für seinen am 20.11.2002 geborenen Sohn J. T. verpflichtet, der damals im Haushalt seiner Mutter lebte. Etwa von seinem vierten bis zum dreizehnten Lebensjahr wohnte J. dann beim Antragsteller, der währenddessen keine Unterhalts- oder Unterhaltsvorschussleistungen erhielt.

Mit Schreiben vom 23.08.2018 meldete sich die Antragsgegnerin beim Antragsteller und informierte ihn über die für J. beantragten Unterhaltsvorschussleistungen sowie über den Übergang von Kindesunterhaltsansprüchen auf das Land Niedersachsen. Der Antragsteller wurde zur Zahlung von monatlich 273,00 € oder zur Auskunft über sein Einkommen bis zum 06.09.2018 aufgefordert. Für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs wurde die Stellung eines Antrags auf Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren angedroht. Mit weiterem Schreiben vom 21.11.2018 erfolgte eine erneute Zahlungsaufforderung in Höhe des bisher aufgelaufenen Rückstands von 1.365,00 € sowie eines laufenden monatlichen Betrags von 273,00 €. Einen Hinweis auf einen bereits vorliegenden Unterhaltstitel enthielten die Schreiben nicht.

In den Jahren 2019 bis 2022 bemühte sich die Antragsgegnerin um den Erhalt der vollstreckbaren Ausfertigung der Jugendamtsurkunde vom 06.05.2003, um diese in Höhe eines Teilbetrags von 2.202,00 € auf sich umschreiben zu lassen. Die Angelegenheit verzögerte sich wegen der mangelnden Mitwirkung der Kindesmutter, so dass die Titelumschreibung schließlich erst am 11.04.2022 erfolgte.

Beim Antragsteller meldete sich die Antragsgegnerin erst wieder mit Schreiben vom 30.08.2021. Darin teilte sie mit, im Zeitraum von Juli 2018 bis Februar 2019 Unterhaltsvorschussleistungen für J. in Höhe von insgesamt 2.202,00 € erbracht zu haben und forderte ihn zur Erstattung dieses Betrags binnen 14 Tagen auf. Unter dem 01.10.2021 erfolgte eine Zahlungserinnerung, in der erstmals auch die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen angedroht wurde. Mit weiteren Schreiben vom 19.10.2021 und 14.01.2022 wies die Antragsgegnerin auf den Bestand der Urkunde vom 06.05.2003 hin und wiederholte ihre Zahlungsaufforderung sowie die Androhung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.

Mit seiner Antragsschrift vom 24.06.2022 begehrt der Antragsteller, die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Teilausfertigung der vollstreckbaren Urkunde der Stadt B. vom 06.05.2003, Az. ./., vom 11.04.2022 für unzulässig zu erklären und hat hierfür die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Er erhebt den Einwand der Verwirkung und behauptet, er habe im Jahr 2018 das Jobcenter gebeten, der Antragsgegnerin Auskunft über seine Einkommensverhältnisse zu erteilen, woraufhin ihm durch den Sachbearbeiter des Jobcenters entsprechende Erledigung zugesagt worden sei. In den Jahren danach sei er zu der Auffassung gelangt, dass eine Unterhaltsverpflichtung wegen seiner nachgewiesenen Leistungsunfähigkeit nicht mehr in Betracht komme.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie behauptet, der Antragsteller habe auf die Aufforderung zur Auskunftserteilung vom 23.08.2018 nicht reagiert, sondern lediglich im Mai 2018 und wohl erneut im Jahr 2019 aufgrund einer vorübergehenden Unterbringung von J. gegenüber der wirtschaftlichen Jugendhilfe Auskunft erteilt. Im Übrigen habe eine telefonische Rücksprache ergeben, dass sich der vom Antragsteller als Zeuge benannte Mitarbeiter des Jobcenters, Herr H., an die angebliche Auskunftserteilung nicht mehr erinnern könne.

Mit Beschluss vom 19.08.2022 hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es auf die mangelnde Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung verwiesen und ausgeführt, es fehle an dem für eine Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment, wofür eine bloße Untätigkeit allein nicht ausreiche. Es sei unschädlich, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller nicht auf die fortbestehende Vollstreckungsmöglichkeit hingewiesen habe, da dieser sich insoweit selbst zu informieren habe.

Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 29.08.2022 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der am 28.09.2022 beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Er macht geltend, die Verwirkung sei schon allein aufgrund des Ablaufs eines Zeitraums von drei Jahren begründet. Zudem sei beim Antragsteller nach der Auskunftserteilung über sein Einkommen in nachvollziehbarer Weise der Eindruck entstanden, er werde wegen seiner Leistungsunfähigkeit künftig nicht mehr in Anspruch genommen. Erschwerend komme hinzu, dass ihm der im Jahr 2003 erstellte Titel überhaupt nicht mehr erinnerlich gewesen sei und er aufgrund des Schreibens vom 23.08.2021 davon ausgegangen sei, dass die Antragsgegnerin sich wie von ihr angekündigt einen Unterhaltstitel erst noch beschaffen müsse. Allein deshalb sei vorliegend das Umstandsmoment erfüllt.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 04.10.2022 nicht abgeholfen, die Angelegenheit dem Senat zur Entscheidung vorgelegt und dabei ausgeführt, bei titulierten Ansprüchen seien bei der Prüfung einer Verwirkung an das Umstandsmoment strenge Maßstäbe anzulegen. Ein Verhalten der Antragsgegnerin, aus dem der Antragsteller habe schließen dürfen, dass Unterhalt nicht mehr geltend gemacht werde, liege nicht vor. Dabei sei es unerheblich, dass von beiden wohl zunächst übersehen worden sei, dass bereits ein Titel vorliege.

II.

Die gem. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der vom Antragsteller nachgesuchten Verfahrenskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren gem. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO liegen vor.

1.

Der vom Antragsteller beabsichtigte Vollstreckungsgegenantrag hat nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für den erhobenen Einwand der Verwirkung gegen den in der Jugendamtsurkunde vom 06.05.2003 titulierten, auf die Antragsgegnerin in Höhe eines Teilbetrags von 2.202,00 € umgeschriebenen, Anspruch auf rückständigen Kindesunterhalt sind schlüssig dargetan.

Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 22.11.2006 – XII ZR 152/04, juris Rn. 21). Dies ist hier nach dem Vorbringen des Antragstellers der Fall.

a) An das sogenannte Zeitmoment der Verwirkung sind bei Unterhaltsansprüchen keine strengen Anforderungen zu stellen und es kann bereits dann erfüllt sein, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die ein Jahr oder länger zurückliegen. Dies beruht zum einen auf der Erwägung, dass von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, erwartet werden muss, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht. Zum anderen können Unterhaltsrückstände schnell zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen, so dass der Schuldnerschutz für mehr als ein Jahr zurückliegende Zeitabschnitte von besonderer Bedeutung ist (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 22; ebenso Urteil vom 23.10.2002 – XII ZR 266/99, juris Rn. 10; Beschluss vom 31.01.2018 – XII ZB 133/17 juris Rn. 13). Dies gilt auch dann, wenn ein Unterhaltsanspruch aus übergegangenem Recht geltend gemacht wird, bei dem der Anspruchsberechtigte nicht unbedingt auf die Realisierung der Forderung angewiesen ist. Denn durch den gesetzlichen Übergang von Unterhaltsansprüchen wird deren Natur, Inhalt und Umfang nicht verändert (vgl. BGH, Urteil vom 23.10.2002 – XII ZR 266/99, juris Rn. 12). Auch bei einem bereits titulierten Unterhaltsrückstand bleibt es für das Zeitmoment der Verwirkung – insbesondere aufgrund des Gesichtspunkts des Schuldnerschutzes – grundsätzlich bei der Jahresfrist (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2003 – XII ZR 155/01, juris Rn. 11; KG Berlin, Beschluss vom 28.06.2017 – 13 UF 75/16, juris Rn. 7 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 13.05.2013 – II-2 WF 82/13, juris Rn. 16; OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.07.2011 – 10 UF 115/10, juris, 4. Leitsatz). Hier ist das Zeitmoment erfüllt, weil die Unterhaltsrückstände den Zeitraum von Juli 2018 bis Februar 2019 betreffen und eine Androhung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erstmals im Oktober 2021 erfolgte – mithin mehr als zweieinhalb Jahre nach dem Ende des betroffenen Unterhaltszeitraums.

b) Neben dem reinen Zeitablauf muss für den Eintritt einer Verwirkung auch das sogenannte Umstandsmoment erfüllt sein. Hierfür müssen Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Schuldners rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Dieser Vertrauenstatbestand kann nicht allein durch Zeitablauf geschaffen werden, so dass ein bloßes Unterlassen insoweit nicht ausreicht (vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2018 – XII ZB 133/17, juris Rn. 15 ff.). Zu der Annahme, der Unterhaltsgläubiger habe seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben, kann für einen Unterhaltschuldner ggf. dann Veranlassung bestehen, wenn ausgehend von einer durch ihn erteilten Auskunft mangels Leistungsfähigkeit ersichtlich kein Anspruch gegeben ist (BGH, a.a.O., Rn. 19). Anders ist die Sachlage indes regelmäßig bei titulierten Ansprüchen. Hierbei ist das Umstandsmoment grundsätzlich zu verneinen, wenn Vollstreckungsversuche deshalb unterbleiben, weil sie angesichts der finanziellen Situation des Schuldners voraussichtlich erfolglos geblieben wären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.03.2019 – 4 WF 170/18, juris Rn. 12; KG Berlin, Beschluss vom 28.06.2017 – 13 UF 75/16, juris Rn. 17; OLG Hamm, Beschluss vom 13.05.2013 – II-2 WF 82/13, juris Rn. 17).

Vorliegend ergeben sich aus dem Vorbringen des Antragstellersjedoch verschiedene für eine Erfüllung des Umstandsmoments sprechende Gesichtspunkte, die ihm trotz Vorliegens eines Titels insgesamt Veranlassung zu der Annahme boten, dass seine Heranziehung zu Unterhaltsleistungen für den hier betroffenen Zeitraum von Juli 2018 bis Februar 2019 nicht mehr beabsichtigt sei.

aa) Obwohl es hier um einen bereits titulierten Anspruch geht, entspricht die Sachlage dennoch eher derjenigen bei noch nicht titulierten Ansprüchen. Denn es ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass der Titel bereits aus dem Jahr 2003 stammt und während des hier betroffenen Unterhaltszeitraums bereits über 15 Jahre alt war. Hinzu kommt, dass das unterhaltsberechtigte Kind zwischenzeitlich etwa neun Jahre lang beim Antragsteller gelebt hat, so dass der zuvor erstellte Unterhaltstitel in dieser Zeit nicht mehr von Relevanz war und längst unproblematisch hätte abgeändert werden können. Vor diesem Hintergrund ist die Darlegung des Antragstellers, ihm sei gar nicht mehr erinnerlich gewesen, dass er seinerzeit einen Unterhaltstitel in Form einer Jugendamtsurkunde geschaffen hatte, äußerst plausibel. Ferner trugen auch die Schreiben der Antragsgegnerin vom 23.08.2018 und 21.11.2018 dazu bei, dass er nicht mehr mit einer Vollstreckung aus dem alten Titel rechnen musste. Denn darin wurde für den Fall der Nichterteilung der Auskunft und der Nichtzahlung lediglich angedroht, dass nach Fristablauf ein Antrag auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren gestellt werden würde. Eine bereits bestehende Vollstreckungsmöglichkeit wurde hingegen nicht erwähnt. Aufgrund dessen lag für den Antragsteller die Annahme nahe, dass zu Gunsten der Antragsgegnerin noch kein vollstreckbarer Titel vorhanden war. Von ihm konnte in dieser Situation nicht verlangt werden, selbst auf die Idee zu kommen, dass die vor langer Zeit erstellte Jugendamtsurkunde nach einer entsprechenden Umschreibung für die Antragsgegnerin als Vollstreckungstitel von Relevanz sein könnte. Hätte diese ihn mit der Überleitungsanzeige hingegen unmittelbar auf die Möglichkeit der Vollstreckung aus dem vorliegenden Titel hingewiesen, so hätte er hierauf reagieren und ggf. auf eine Abänderung des Titels hinwirken können. Da er davon jedoch nichts wusste und auch von den seit Januar 2019 laufenden Bemühungen der Antragsgegnerin, den Originaltitel zu erhalten, um dessen Umschreibung auf sie zu ermöglichen, keine Kenntnis hatte, hat er sich nachvollziehbarer Weise nicht zu derartigen Reaktionen veranlasst gesehen. In Anbetracht der irreführenden Angaben im Schreiben vom 23.08.2021 liegt hier auch kein bloßes Unterlassen der Antragsgegnerin vor. Vielmehr hat sie dem Antragsteller durch ihr Verhalten Grund zu der Annahme gegeben, dass durch sie keine Vollstreckung aus der Jugendamtsurkunde drohe.

bb) Ging der Antragsteller somit berechtigterweise davon aus, dass die Antragsgegnerin sich einen Titel erst noch beschaffen müsse, so bestand aufgrund der nach seiner Behauptung im Jahr 2018 mit Hilfe des Jobcenters erteilten Auskunft des Weiteren auch Anlass für die Annahme, die anschließende Untätigkeit der Antragsgegnerin beruhe auf der Feststellung seiner Leistungsunfähigkeit und seine Inanspruchnahme sei nicht mehr beabsichtigt.

Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin behauptet hat, der Antragsteller habe ihr gegenüber keine Auskunft erteilt, sondern auf ihre Schreiben vom 23.08. und 21.11.2018 nicht reagiert. Denn zum einen kommt es im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeverfahrens regelmäßig nur auf das unter Beweis gestellte Vorbringen des um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Beteiligten an. Wenngleich eine Beweisantizipation im begrenzten Rahmen zulässig ist, darf Verfahrenskostenhilfe jedenfalls dann nicht versagt werden, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.10.2019 – 2 BvR 1813/18, juris Rn. 27). So liegt es auch hier. Hinsichtlich des vom Antragsteller benannten Zeugen H. hat die Antragsgegnerin zwar einen Aktenvermerk vorgelegt, in dem festgehalten ist, der Zeuge habe im Mai 2022 telefonisch mitgeteilt, sich nicht an die Ausstellung einer Bescheinigung für den Antragsteller erinnern zu können. Der Antragsteller hat aber daneben den für ihn zuständigen pädagogischen Mitarbeiter Herrn H. als weiteren Zeugen benannt. Insoweit fehlt es an Anhaltspunkten für den Ausgang einer etwaigen Beweisaufnahme.

Zum anderen hat die Antragsgegnerin selbst vorgetragen, der Antragsgegner habe im Mai 2018 sowie erneut im Jahr 2019 gegenüber der wirtschaftlichen Jugendhilfe Auskunft über sein Einkommen erteilt. Von dort sei er aufgrund der zeitweisen Unterbringung des Kindes zur Auskunftserteilung aufgefordert worden. Somit ist unstreitig, dass der Antragsteller gegenüber dem Jugendamt den Bezug von SGB-II-Leistungen offengelegt und nachgewiesen hat. Selbst wenn diese Auskunft nicht gegenüber der Unterhaltsvorschusskasse erfolgt sein sollte, sondern nur gegenüber der wirtschaftlichen Jugendhilfe, so musste der Antragsteller die Unterscheidung zwischen den einzelnen Abteilungen des Jugendamts nicht unbedingt kennen, zumal es jeweils um Unterhalt ging. Der Umstand, dass er für die Auskunftserteilung auf die Hilfe des Jobcenters zurückgegriffen hat, weil er sich selbst damit überfordert fühlte, lässt es sehr plausibel erscheinen, dass er nicht zwischen den verschiedenen auskunftbegehrenden Stellen differenziert hat und dies von ihm auch nicht zu verlangen war. Sogar ohne Beweisaufnahme liegen mithin gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller aufgrund seiner mit Hilfe des Jobcenters erteilten Auskünfte und des Ausbleibens weiterer Schreiben der Antragsgegnerin während eines Zeitraums von fast drei Jahren hinreichend Veranlassung für die Annahme hatte, das Jugendamt werde ihn wegen seiner Leistungsunfähigkeit nicht mehr auf Unterhaltszahlungen in Anspruch nehmen.

Nach alledem kann dem Antragsteller die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht abgesprochen werden.

2.

Auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe liegen vor. Der Antragsteller hat durch die Einreichung einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 16.06.2022 nebst Anlagen hinreichend glaubhaft gemacht, die Verfahrenskosten nicht aus seinem Einkommen oder Vermögen aufbringen zu können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Gerichtskosten auf §§ 1, 3 FamGKG i.V.m. Nr. 1912 KV FamGKG. Außergerichtliche Kosten sind gem. § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.