Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 13.10.2010, Az.: 2 A 223/09

Agrarförderung; Günstigkeitsprinzip; Rückforderung; verwaltungsrechtliche Sanktion; Sanktion; Subvention; Zinsen

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
13.10.2010
Aktenzeichen
2 A 223/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 48005
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Das Günstigkeitsprinzip des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 bezieht sich lediglich auf verwaltungsrechtliche Sanktionen, nicht auf die Rückforderung selbst; das gilt auch für die Verzinsung des jeweiligen Betrages.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Rücknahme von Bescheiden über die Gewährung von Ausgleichszahlungen/Beihilfen, gegen die Rückforderung von (noch) 13.203,91 € und die Festsetzung von Zinsen.

Der Kläger bewirtschaftet in K. -L. einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Ländereien in L., M., K. (allesamt Niedersachsen) in einer Gesamtgröße von ca. 72,5 ha und in N. (Thüringen) in einer Gesamtgröße von ca. 33 ha. Es handelt sich um Grünland, Ackerland, auf dem verschiedene Feldfrüchte angebaut werden, und Stilllegungsflächen; insgesamt sind es ca. 150 -160 verschiedene Flurstücke. Ab 1993 nahm der Kläger an der Stützungsregelung für Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1765/1992 teil. Zwischen 1993 und 1998 wurden ihm Beihilfen und Ausgleichszahlungen in einer Höhe von insgesamt rund 280.000 DM bewilligt. Am 29.07.1998 wurde der Betrieb des Klägers örtlich überprüft. Er wurde anschließend zu mehreren Unstimmigkeiten betreffend zweier Flurstücke in der Gemarkung K. angehört. Dort waren Differenzen zwischen den jeweils angegebenen und den tatsächlich bewirtschafteten Flächen festgestellt worden. Unter dem 27.10.1998 wurde der Kläger ergänzend zu mehreren Unstimmigkeiten betreffend die Thüringer Flächen angehört. Am 17.11.1998 sprach seine Mutter (die in dem Betrieb die Schreibarbeiten verrichtete und auch die Anträge bearbeitet hatte) bei dem damals zuständigen Amt für Agrarstruktur I. vor. Dabei wurden betreffend die Thüringer Flächen Doppelbeantragungen mit dem Landwirt O. und der P. AG (früher LPG) "Q. " in R. im Einzelnen erörtert. Im Jahre 1999 wurden die Thüringer Flächen unter Mithilfe des Landwirtschaftsamtes S. vermessen.

Mit Bescheid vom 10.04.2000 - zugestellt am 14.04.2000 - nahm das Amt für Agrarstruktur I. - dessen Funktionsnachfolger die Beklagte ist - Bewilligungsbescheide für die Jahre 1993 bis 1998 teilweise zurück und forderte von dem Kläger einen Betrag von 35.173,63 DM zurück zuzüglich 3 % Zinsen über dem Diskontsatz (ab dem 01.01.1999: dem Basiszinssatz) zwischen dem jeweiligen Auszahlungs- und dem Rückzahlungszeitpunkt. Der Bescheid wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Für insgesamt 10 Flurstücke seien größere bewirtschaftete Flächen angegeben worden als bei der Kontrolle tatsächlich ermittelt; maßgeblich für die Förderung sei allein die ermittelte Fläche; insoweit zuviel gewährte Beihilfebeträge müssten zurückgefordert werden; zusätzlich seien Sanktionen zu verhängen: bei Abweichungen über 2 % (1993 bis 1995) bzw. 3 % (ab 1996) oder über 2 ha werde die tatsächlich ermittelte Fläche um das Doppelte der festgestellten Differenz gekürzt; in den Jahren 1993 bis 1995 erfolge zudem wegen einer Abweichung zwischen 10 und 20 % eine Kürzung der festgestellten Fläche um 30 %, bei Abweichungen von mehr als 20 % würden keine Beihilfen gewährt werden; im vorliegenden Falle seien die festgestellten Abweichungen nicht auf Absicht bzw. grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen, so dass von einem Ausschluss abgesehen werden könne; andererseits handele es sich auch nicht um einen Fall von höherer Gewalt. Die Abweichungen zwischen angegebener und ermittelter Fläche wurden wie folgt dargestellt:

Nr.     

Antragsjahre

Flächenbezeichnung

beantragt

anzuerkennen

1       

1993-1997

DUD Flur x, Flurstück J.

1,4215 ha

0,9301 ha

2       

1993-1997

DUD Flur x, Flurstück T.

1,9317 ha

1,7753 ha

3       

1993-1996

JÜ Flur y, Flurstück U.

0,4413 ha

0,2027 ha

4       

1993-1998

JÜ Flur y, Flurstück V.

1,0696 bzw. 0,6696 ha

0,2300 ha

5       

1993-1998

JÜ Flur z, Flurstück W.

2,0250 ha

1,8467 ha

6       

1993-1998

JÜ Flur z, Flurstück X.

0,9230 ha

0,7827 ha

7       

1993-1998

JÜ Flur z, Flurstück Y.

0,6230 bzw. 0,9230 ha

0,0483 ha

8       

1993-1998

JÜ Flur z, Flurstück Z.

0,7240 bzw. 1,0240 ha

0,5027 ha

9       

1993-1998

JÜ Flur xx, Flurstück AA.

0,3120 bzw. 0,0430 bzw. 0,8430 ha

0,0375 ha

10    

1993-1996

JÜ Flur xx, Flurstück AB.

0,7990 ha

0,4375 ha

Der Kläger legte am 28.04.2000 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er im Wesentlichen ausführte: Infolge der ungewöhnlichen Situation nach der Grenzöffnung hätten für die Thüringer Flächen nur recht alte Katasterunterlagen vorgelegen, die, wie man heute wisse, leider fehlerhaft gewesen seien; er - der Kläger - habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und die ihm vorliegenden Katasterauszüge als Grundlage der Flächenangabe genutzt; gemäß dem Günstigkeitsprinzip sei die Rückwirkung der milderen Vorschriften zu berücksichtigen, nämlich die des Art. 44 der Verordnung 2419/2001, nunmehr 796/2004; im Rahmen der Flurneuordnung N. sei festgestellt worden, dass der Flächeninhalt der gesamten Gemarkung, die zugleich auch Außengrenze des Flurneuordnungsgebietes sei, mit den katasterlichen alten Vermessungen nicht identisch gewesen sei; die tatsächliche Fläche der Gemarkung sei deutlich kleiner als die seit altersher im Kataster geführte Fläche.

Zu den einzelnen Flächen ließ sich der Kläger wie folgt ein:

Zu 1): Das Flurstück J. der Flur x der Gemarkung K. sei seit 1993 regelmäßig insgesamt als Ackerland, das Flurstück AC. dagegen insgesamt als Grünland beantragt worden; dies habe einem offensichtlichen Irrtum entsprochen: Der Kläger habe die Bewirtschaftungsgrenze zwischen Grünland und Ackerland als Flurstücksgrenze angesehen; insoweit sei gemäß Art. 12 der Verordnung 2419/2001 eine Saldierung vorzunehmen; die gesamte Ackerfläche belaufe sich auf 1,7518 ha, der Kläger habe weniger beantragt als vor Ort ackerbaulich genutzt.

Zu 2): Das Flurstück T. zur Gesamtgröße von 3,1368 ha sei mit 1,9317 ha beantragt worden; dies entspreche den Angaben aus dem Pachtvertrag mit der katholischen Kirchengemeinde L.; die Differenz von 0,1564 ha, die sich bei der Vermessung im Jahr 1998 ergeben habe, habe vor Ort nicht auffallen können; eine Sanktion könne hierfür nicht verhängt werden, zumal den Kläger kein Verschulden treffe.

Zu 3) und 4): Die Flurstücke U. und V. der Flur y der Gemarkung N. seien aufgrund eines komplizierten Tausches mit dem Landwirtschaftsbetrieb O. in den Jahren bis 1996 in ihrer vollständigen katasterlichen Größe in die Anträge aufgenommen worden; ab 1997 seien dann beide Flächen im Antrag verringert worden, wobei das Flurstück U. danach nicht mehr beanstandet worden sei, während das Flurstück V. immer noch mit einer kleinen Restfläche als zu groß beanstandet worden sei; die Flächengröße, die für den Schlag beantragt worden sei, sei insgesamt vorhanden gewesen; das hätte eine Vermessung vor Ort auch ergeben; die Flurstücke würden im Bereich der ehemaligen Zonengrenze liegen; insbesondere der Bereich zwischen dem alten 500 m-Zaun und dem unmittelbaren Grenzzaun sei an dieser Stelle völlig verwildert gewesen, Anhaltspunkte wie Wege oder sonstige Landmarken, um die Grenzen der Flurstücke vor Ort zu erkennen, habe es nicht gegeben; auch insoweit treffe den Kläger keine Schuld an der möglicherweise hinsichtlich der konkreten Flurstücke fehlerhaften Antragstellung.

Zu 5) bis 8): Diese Flurstücke seien Teil eines sehr großen Schlages mit zahlreichen Flurstücken; der Kläger habe unmittelbar nach der Wende mit den Eigentümern AD. AE. und AF. AG. Pachtverträge abgeschlossen, wobei sich die Summe der Flächen aus beiden Pachtverträgen auf ca. 62 Morgen, also 15,5 ha belaufen hätte; diese Flächen seien stark zersplittert gewesen und hätten nicht einheitlich bewirtschaftet werden können; unmittelbar nach der Grenzöffnung habe dann der Vater des Klägers mit dem damaligen Vorsitzenden der LPG R. Flächen getauscht, um sie besser bewirtschaften zu können; die Grenze zwischen den jeweils bewirtschafteten Flächen sei vor Ort festgelegt worden; Grenzsteine seien nicht vorhanden gewesen; beide Betriebe seien davon ausgegangen, dass die überlassene Fläche im Zusammenhang mit der Fläche zu Nr. 9) und 10) eine Größe erreichen würde, die dem Pflugtauschvertrag entspreche und die dem Betrieb B. ein Äquivalent gegenüber den angepachteten Flächen AG. und AE. überließ; nur im Nordosten (eine Böschung) und im Südosten (ein Hohlweg) seien natürliche Grenzen vorhanden gewesen; es müsse in Zweifel gezogen werden, dass die im Jahr 1998 durchgeführte Vermessung auf die Jahre 1993 bis 1997 zurückgerechnet werden könne; die wirtschaftlichen Geräte und die ihnen angeschlossenen sogenannten Hektarzähler hätten die tatsächliche Größe von 62 Morgen angezeigt, worauf man sich verlassen habe; im Beisein des Eigentümers AE. sei mit einem sogenannten Schlaggerät die Fläche ausgemessen und auf 62 Morgen festgelegt worden; in der Gemarkung N. gebe es nur die alte Flurkarte mit dem Maßstab 1:5000, es bestehe keine Möglichkeit, genauere Karten zu erhalten; nach alledem habe der Kläger nicht erkennen können, dass die Fläche kleiner sei als von ihm bewirtschaftet, wenn dies überhaupt der Fall gewesen sei; der Kläger könne sich die geringere Größe des Schlages insgesamt nur so erklären, dass im Jahre 1999 die AH. AG Q. abgepflügt habe und damit erstmals in diesem Jahr die beantragten Flächen nicht vorhanden gewesen seien; gemäß den Begründungserwägungen 33-35 der Verordnung 2419/2001 seien Überbeantragungen mit Unterbeantragungen zu saldieren; dies sei 1998 und 1999 bei den Vermessungen nicht berücksichtigt worden.

Zu 9) und 10): Der unmittelbar südlich von dem soeben erwähnten Schlag gelegene Schlag, der aus den Flurstücken AA. und AI. der Flur xx der Gemarkung N. bestehe, gehöre ebenfalls zu den Flächen, die für die Pachtflächen AE. und AG. von der LPG herausgegeben worden seien; aus den beim Vermessungsamt AJ. besorgten Flurstücks- und Eigentümernachweisen von Januar 1993 habe sich eine vollständige Ackernutzung der Flurstücke ergeben, Kartenmaterial sei damals nicht zu erlangen gewesen; später organisierte Karten seien sehr verwirrend, weil mehrere Teilbereiche von ihnen mit dem Maßstab 1:5000 als sogenannte Sonderzeichnung mit kleineren Maßstäben getrennt vorliegen würden und eine Übertragung in der Örtlichkeit fast ausgeschlossen sei; in allen Jahren sei auf beiden Schlägen die gleiche Frucht angebaut worden; den Kläger treffe keine Schuld an den Abweichungen, selbst wenn man unterstellen wolle, dass die Vermessung aus dem Jahre 1999 auch für alle Vorjahre Geltung erlangen könnte.

Die Beklagte gab dem Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2007 teilweise statt (betreffend die Teilrücknahme und Rückforderung für das Jahr 1993 und einen Teil der Sanktionen) und wies ihn im Übrigen zurück. Sie forderte noch 25.824,61 DM (entspricht 13.203,91 €) zurück. Zu dessen Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Gemäß Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) 2988/1995 seien bei Änderung der Sanktionsbestimmungen die günstigeren Bestimmungen rückwirkend anzuwenden; deswegen seien nunmehr die Sanktionsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 bzw. Nr. 796/2004 (deren Grundsätze identisch seien) anzuwenden; demnach würden folgende Kriterien gelten: Die Flächen eines Antrags auf Agrarförderung seien je nach Nutzungsarten und prämienrechtlicher Zuordnung Kulturgruppen zuzuordnen; es werde bei der Flächenzahlung unterschieden in Ackerkulturflächen, für die jeweils ein unterschiedlicher Beihilfebetrag gelte, sowie Stilllegungsflächen; bezogen auf diesen Fall würden die Kulturpflanzenzahlungen, die Beihilfe für Ölsaaten und die Stilllegungsprämien unterschiedliche Kulturgruppen, und zwar jeweils für die beiden betroffenen Erzeugungsregionen Niedersachsen und Thüringen, darstellen; soweit eine Übererklärung in einer Kulturgruppe festgestellt worden sei, erfolge zunächst die Berechnung der Beihilfe auf Grundlage der tatsächlich festgestellten Fläche; darüber hinaus werde die beantragte Fläche gekürzt bzw. abgelehnt:

- bei Abweichungen von mindestens 3 % oder mindestens 2 ha der festgestellten Fläche eine Kulturgruppe erfolge ein Abzug der doppelten Differenz zwischen der beantragten und festgestellten Fläche,

- betrage die Abweichung mehr als 20 % der festgestellten Kulturgruppe, werde die Prämie für die betroffene Kulturgruppe abgelehnt.

Bei folgenden Ausnahmen würden keine Sanktionen verhängt: Der Antragstelle habe sachlich richtige Angaben vorgelegt, er könne beweisen, dass ihn keine Schuld treffe, es liege eine Selbstanzeige des Antragstellers über die Fehlerhaftigkeit des Antrags vor, was nicht gelte, wenn Vor-Ort-Kontrollen angekündigt seien oder die Behörde bereits über die Unregelmäßigkeiten unterrichtet habe; infolge von Verjährung könnten die dargestellten Sanktionen nicht verhängt werden, wenn zwischen dem Tag der Zahlung der Beihilfe und dem Tag, an dem der Betroffene von der Unrechtmäßigkeit der Zahlung erfahren habe, mehr als 4 Jahre vergangen seien. Vor diesem Hintergrund sei die Sanktionsverhängung bzw. die Rückforderung für das Jahr 1993 verjährt; die fehlerhaften Beantragungen seien nach dortiger Überzeugung dem Kläger gutgläubig unterlaufen, Betrugsabsicht oder grobe Sorgfaltspflichtverletzung werde nicht unerstellt; der Kläger sei subjektiv der Überzeugung gewesen, vollständige und richtige Angaben im Antragsverfahren gemacht zu haben; zumindest seien die Abweichungen in Art und Umfang nicht derart evident, dass dies für eine nicht gutgläubig entstandene Fehlerhaftigkeit sprechen würde.

Bezüglich der einzelnen Flächen wird in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt:

Zu 1): Hier liege eine Verwechselung der Flächennutzungen vor; zwar seien (auf die Flächen bezogen) nicht zu viele Beihilfen beantragt und gewährt worden; die Beihilfen seien jedoch zu Unrecht beantragt und bewilligt worden, weil die Flächen nicht korrekt alphanumerisch beantragt worden seien; eine nachträgliche Korrektur des Antrags werde nur in Fällen höherer Gewalt oder eines offensichtlichen Irrtums möglich; Umstände, die auf das Vorliegen höherer Gewalt hinweisen würden, liegen ersichtlich nicht vor; ein offensichtlicher Fehler sei ebenfalls nicht gegeben, denn die Unrichtigkeit sei nicht ohne weiteres klar erkennbar und würde sich nicht einem aufmerksamen und verständigen Durchschnittsbetrachter ohne weiteres aufdrängen; sie sei nur durch eine örtliche Kontrolle feststellbar gewesen; einem ordnungsgemäß und sorgfältig handelnden Betriebsinhaber könne ein solcher Fehler nicht ausnahmsweise unterlaufen; vielmehr sei dem Kläger eine "gewöhnliche" Verletzung der Sorgfaltspflicht vorzuwerfen, zumal die Fläche im Eigentum des Klägers stehe; aus dem Liegenschaftskataster ergebe sich eine tatsächliche Nutzung von 0,93 ha Acker und 0,49 ha Grünland; das Flurstück AC. sei im Rückforderungszeitraum nicht für die Kulturpflanzen-Ausgleichszahlungen beantragt worden, weshalb eine Saldierung nicht möglich sei; da die 3 % Schwelle nicht erreicht werde, werde keine Sanktion verhängt.

Zu 2): Die Abgrenzung der bewirtschafteten Fläche ergebe sich aus markanten örtlichen Gegebenheiten; die Flächendifferenz sei in der Sache unstreitig; Sanktionen würden wegen der 3 %-Schwelle nicht verhängt werden.

Zu 3) und 4): Die betreffenden Flurstücke seien jeweils (insgesamt) mit 2,56 ha beantragt und bewilligt worden, tatsächlich seien jedoch nur 2,02 ha vorhanden gewesen; die fehlende Fläche sei auf den nicht beantragten Flurstücken AK. der Flur z sowie AL. und AM. der Flur xx vorgefunden worden; es liege eine Doppelbeantragung vor, soweit Flächen von dem AN. Landwirt O. bewirtschaftet und beantragt worden seien; eine nachträgliche Korrektur des Antrags sei nicht möglich, weil weder höhere Gewalt noch ein offensichtlicher Irrtum vorliegen würde; die Fehlerhaftigkeit der Flächenangaben hätte durch den Kläger erkannt werden können, weil der Flächenaufteilung und den örtlichen Bewirtschaftungsverhältnissen ein ausdrücklich vereinbarter Flächentausch mit dem Landwirt O. vom 01.10.1991 zugrunde gelegen habe; eine Saldierung sei nicht möglich, weil die oben erwähnten anderen Flurstücke nicht beantragt worden seien; der Rücknahme- und Rückforderungsanspruch beziehe sich nur noch auf die Jahre 1994 bis 1996.

Zu 5) bis 8): Bezüglich des Flurstücks V. habe der Kläger am 05.10.1998 eine Übererklärung zum Teil, nämlich in Höhe von 0,3 ha, eingeräumt; am 26.11.1999 habe eine Vermessung der Fläche stattgefunden, dessen Ergebnis auch der Entscheidung für die Vergangenheit zugrunde gelegte werden könne, weil die Bewirtschaftungsverhältnisse auch nach Angaben des Klägers seit 1991 unverändert gewesen seien; die fehlerhaften Flächenangaben würden ersichtlich nicht auf offensichtlichen Irrtümern oder höherer Gewalt beruhen; die Flächenbestimmungen seien auch nicht durch damalige eventuelle Defizite im Liegenschaftskataster des Landes Thüringen erschwert gewesen; es gehe hier nämlich nicht um einen Bezeichnungsfehler, sondern um fehlende, zuviel beantragte Flächen in erheblichem Umfang.

Zu 9) und 10): Auch hier handele es sich um eine Doppelbeantragung mit der P. AG "Q. " in R.; im Zuge des Anhörungsverfahrens sei eingeräumt worden, dass die vereinbarte Aufteilung und Flächenbewirtschaftung auch schon in den Jahren vor einem (am 04.04.1997) aufgestellten Tauschprotokoll vorgelegen hätten; ab dem Jahre 1996 sei das Flurstück AO. beantragt worden und die Antragsfläche des Flurstücks AP. sei stattdessen (in vergleichbarer Größenordnung) reduziert worden; wegen der Identität der Bewirtschaftungsverhältnisse über den gesamten Zeitraum werde unterstellt, dass das Flurstück AO. auch bereits 1994 und 1995 bewirtschaftet wurde, aber nicht, d.h. fehlerhaft als Teil des Flurstücks AP., beantragt wurde; eine Saldierung sei aus den oben angegebenen Gründen nicht möglich; Sanktionen würden nur auf die tatsächlich zuviel beantragte Fläche des Schlages verhängt werden, was sich jedoch auf die Entscheidung für das Jahr 1995 nicht auswirken würde, weil die sanktionsrelevante Abweichung in der betroffenen Kulturgruppe "Ölsaaten in Thüringen" ohnehin erheblich über der zur Ablehnung führenden Sanktionsschwelle von 20 % liege.

Der Kläger hat am 22.08.2007 Klage erhoben (4 A 123/07 = 2 A 135/08). Er wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führt ergänzend aus: Die damals getauschte Fläche habe tatsächlich 62 Morgen betragen, was der Zeuge AD. AE. aus N. bestätigen könne; der Kläger zahle auch Pacht und Lohnleistungen für 62 Morgen; jetzt bewirtschafte er einen Feldblock mit 14,79 ha Größe (bzw. habe diese Fläche angegeben, um Überbeantragungen zu vermeiden); bei den seinerzeitigen Messungen sei nicht berücksichtigt worden, dass die Flächen hängig und hügelig seien, für die durch Geländewölbung zusätzlich vorhandenen Mehrflächen müssten Ausgleichszahlungen gewährt werden; angesichts der komplizierten Sachlage sei hier insgesamt von einem offensichtlichen Irrtum des Klägers auszugehen; auch dürfe der Vertrauensschutz nicht außer acht gelassen werden; im Hinblick auf eine ggf. vorzunehmende Saldierung müsse berücksichtigt werden, dass mit den beantragten und ermittelten Flächen einer Kulturgruppe im Sinne des Artikels 31 Abs. 1, 2 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 alle im Beihilfeantrag für eine bestimmte Kulturgruppe beantragten und ermittelten Flächen gemeint sind, unabhängig davon, auf welchen Parzellen sie liegen; das Günstigkeitsprinzip gelte auch für Zinsen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Amtes für Agrarstruktur I. vom 10.04.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom19.07.2007 aufzuheben

und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt im Wesentlichen zur Klageerwiderung aus: Der Schlag 50 (Nr. 5) - 8)) sei eindeutig überbeantragt worden; aus aktuellen Größenangaben im Sinne des jetzt zu verwendenden Feldblocksystems könne der Kläger nichts herleiten; im Übrigen habe er seinerzeit mehr als 62 Morgen beantragt, nämlich 15,67 bzw. 16,27 ha; theoretische Mehrflächen bei hängigem Gelände würden bei keinem Messsystem berücksichtigt werden; die früher verwendeten Hektar-Zähler seien ungenau, mit Schlaggeräten würden sich ohnehin nur Näherungswerte erzielen lassen; maßgebend sei allein das Liegenschaftskataster gewesen, welches auf die Ebene bezogen sei; was die Verjährung anbelange, verdränge Artikel 49 Abs. 5 der Verordnung Nr. 2419/2001 die allgemeine Regel des Artikel 3 der Verordnung 2988/1995 nur dann, wenn der Betroffene nicht vor dem 01.02.2004 erfahren habe, dass die Beihilfe zu Unrecht gewährt worden sei; mithin würden hier die Vorschriften der Verordnung Nr. 2988/1995 gelten; der Kläger habe bis mindestens in das Jahr 1996 hinein wiederholt Unregelmäßigkeiten begangen; die Verjährung sei durch die Anhörung vom 27.10.1998 - mithin innerhalb der Vierjahresfrist - unterbrochen worden; nach ihrem anschließenden Neubeginn sei der angefochtene Bescheid ebenfalls innerhalb der Vierjahresfrist ergangen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestehe Anlass für die Anerkennung eines offensichtlichen Fehlers in Bezug auf die oben Nr. 3/4 und Nr. 1 benannten Flächen: In Bezug auf die Fläche 3/4 sei dem Kläger bewusst der Fehler unterlaufen, indem er den mit dem Landwirt O. getauschten Flächenanteil nicht abgezogen habe, das Surrogat habe an anderer - nicht beantragter - Stelle gelegen, es handele sich nicht um einen offensichtlichen Fehler; in Bezug auf die Fläche Nr. 1 liege kein offensichtlicher Fehler vor, weil der Kläger seine Angaben ins Blaue hinein gemacht und diese nicht überprüft habe, er hätte sich mit den amtlichen Karten beschäftigen müssen.

Mit Beschluss vom 11.12.2008 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Eine mündliche Verhandlung hat am 29.01.2009 stattgefunden. Die Sache wurde zunächst vertagt und durch Beschluss vom 16.03.2009 zum Ruhen gebracht. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat der Einzelrichter die Sache mit Beschluss vom 06.08.2010 auf die Kammer zurückübertragen, weil sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergeben habe, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die insgesamt zulässige Klage ist nur in dem sich aus dem Tenor dieses Urteils ergebenden Umfang begründet.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist das Marktordnungsgesetz - MOG - in der Fassung, die bei Erlass des Widerspruchsbescheides galt, was aus § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO folgt, mithin das Gesetz in der Neufassung vom 24.06.2005 (BGBl I Seite 1847). Das Gesetz ist anwendbar, weil es sich bei den Beihilfen, die dem Kläger gewährt worden sind, um flächenbezogene Beihilfen im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 1 g handelt. Nach § 10 Abs. 1 S. 1 MOG sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 - 4 und § 49 a Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind anzuwenden. Gemäß § 49 a Abs. 1 VwVfG sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist; die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Nach § 14 Abs. 1 S. 1 MOG sind Ansprüche auf Erstattung von besonderen Vergünstigungen sowie auf Beträge, die wegen Nichteinhaltung anderweitiger Verpflichtungen zu erstatten sind, vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Vorrangige gemeinschaftsrechtliche Regelungen gibt es diesbezüglich nicht (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 24.04.2008 - 10 LB 156/07 - AUR 2008, 371, 377 m.z.w.N. und vom 19.01.2010 - 10 LC 148/09 - Rechtsprechungsdatenbank des OVG Lüneburg).

Allerdings sind die nationalen Bestimmungen über die Rücknahme und Rückforderung von zu Unrecht gewährten Beihilfen nur unter Beachtung der im Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen anzuwenden. Insoweit ist die Verordnung (EWG) Nr. 3887/1992 vom 23.12.1992 in der für das jeweilige Antragsjahr geltenden Fassung heranzuziehen; die Verordnung (EWG) Nr. 2419/2001 vom 11.12.2001 ist hingegen (zunächst) nicht einschlägig, denn ihre Bestimmungen gelten nur für Beihilfeanträge, die sich auf ab dem 01.01.2002 beginnende Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume beziehen (OVG Lüneburg, a.a.O., Seite 378). Mit Inkrafttreten der Neufassung des Art. 14 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/1992 durch die Verordnung (EG) Nr. 1678/1998 vom 27.09.1998 ist der Vertrauensschutz des Beihilfeempfängers mit dieser Bestimmung abschließend geregelt, so dass für nationale Regelungen zum Vertrauensschutz kein Raum mehr bleibt (BVerwG, Beschluss vom 29.03.2005 - 3 B 117/04 - Buchholz 316 § 48 VwVfG, Nr. 112). Diese Bestimmung gilt rückwirkend schon für die Antragsjahre seit 1993, denn Artikel 2 der Verordnung Nr. 1678/1998 beschränkt die Anwendung des durch sie geänderten Artikels 14 der Verordnung Nr. 3887/1992 nicht auf bestimmte Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 22.06.2004 - 10 S 547/04 - AUR 2005, 2004; VGH München, Urteil vom 02.05.2005 - 19 B 03.1726 - RdL 2006, 26; OVG Lüneburg, Urteil vom 19.01.2010 - 10 LC 148/09 - Rechtsprechungsdatenbank des OVG Lüneburg, unter Abkehr von der früheren Rechtsprechung des Senats).

§ 14 Abs. 4 der genannten Verordnung lautet wie folgt:

"Die Verpflichtung zur Rückzahlung gemäß Absatz 1 gilt nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde selbst oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber, der seinerzeit in gutem Glauben gehandelt und alle Bestimmungen der geltenden Verordnung eingehalten hat, billigerweise nicht erkannt werden konnte. Geht der Irrtum jedoch auf sachliche Tatbestände zurück, die für die Berechnung der betreffenden Zahlung relevant sind, so gilt Unterabsatz 1 nur, wenn der Rückforderungsbescheid nicht innerhalb von 12 Monaten nach der Zahlung übermittelt worden ist."

Durch diese Bestimmung wird auch § 48 Abs. 4 VwVfG modifiziert, wonach die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von Tatsachen, welche die Rücknahme rechtfertigen, zulässig ist; d. h. die Jahresfrist ist nur einschlägig, wenn die Zahlung auf einem Irrtum der Behörde selbst beruhte und dieser Irrtum auf Tatbestände zurückging, die für die Berechnung der betreffenden Zahlung relevant waren. Gänzlicher Vertrauensschutz wird bei sonstigen Irrtümern der Behörde gewährt, die vom Betriebsinhaber billigerweise nicht erkannt werden konnten, wenn er seinerzeit in gutem Glauben gehandelt und alle Bestimmungen der geltenden Verordnung eingehalten hat. Darüber hinaus gibt es keinen Vertrauensschutz; die Rücknahme und Rückforderung kann bis zum Eintritt der Verjährung (vgl. dazu weiter unten) geschehen.

Schließlich ist auf den vorliegenden Fall die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der europäischen Gemeinschaften anzuwenden. Nach deren Art. 1 wird eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht getroffen. Nach Art. 2 Abs. 2 kann eine verwaltungsrechtliche Sanktion nur verhängt werden, wenn sie in einem Rechtsakt der Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unregelmäßigkeit vorgesehen wurde. Bei späterer Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Sanktionen gelten die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend. Nach Art. 3 Abs. 1 beträgt die Verjährungsfrist für die Verfolgung 4 Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Art. 1 Abs. 1. Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird. Bei den mehrjährigen Programmen läuft die Verjährungsfrist auf jeden Fall bis zum endgültigen Abschluss des Programms. Die Verfolgungsverjährung wird durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen. Nach jeder eine Unterbrechung bewirkenden Handlung beginnt die Verjährungsfrist von neuem. Die Verjährung tritt jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt ein, zu dem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die Verjährungsfrist, abläuft, ohne dass die zuständige Behörde eine Sanktion verhängt hat. Die Fälle der Unterbrechung und der Aussetzung werden durch die einschlägigen Bestimmungen des einzelstaatlichen Rechts geregelt.

Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung bewirkt jede Unregelmäßigkeit in der Regel den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils durch Verpflichtung zur Zahlung des geschuldeten oder Rückerstattung des rechtswidrig erhaltenen Geltbetrags. Abs. 2 bestimmt, dass die Anwendung der Maßnahme nach Abs. 1 sich beschränkt auf den Entzug des erlangten Vorteils zuzüglich - falls dies vorgesehen ist - der Zinsen, die pauschal festgesetzt werden können. Abs. 4 bestimmt, dass die in diesem Artikel vorgesehenen Maßnahmen keine Sanktionen darstellen. Nach Art. 5 Abs. 1 können Unregelmäßigkeiten, die vorsätzlich begangen oder durch Fahrlässigkeit verursacht werden, zu folgenden verwaltungsrechtlichen Sanktionen führen:

a) Zahlung einer Geldbuße;

b) Zahlung eines Betrages, der den rechtswidrig erhaltenen oder hinterzogenen Betrag, ggf. zuzüglich der Zinsen, übersteigt; dieser zusätzliche Betrag, der nach einem in den Einzelregelungen festzulegenden Prozentsatz zu bestimmen ist, darf die zur Abschreckung unbedingt erforderliche Höhe nicht übersteigen;

c) vollständiger oder teilweiser Entzug eines nach Gemeinschaftsrecht gewährten Vorteils auch dann, wenn der Wirtschaftsteilnehmer nur einen Teil dieses Vorteils rechtswidrig erlangt hat …

Rechtsgrundlage für die dem Kläger in den Jahren 1994 bis 1998 (die noch im Streit sind) gewährten Ausgleichszahlungen ist die Verordnung (EWG) Nr. 1765/1992 vom 30.06.1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen. Nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung wird die Ausgleichszahlung flächenbezogen nach Hektaren gewährt und ist regional gestaffelt. Sie wird für eine Fläche gewährt, die mit landwirtschaftlichen Kulturpflanzen bebaut ist oder die nach Art. 7 dieser Verordnung stillgelegt wurde und die eine regionale Grundfläche nicht übersteigt. Nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung sind anspruchsberechtigt Erzeuger, die bis spätestens an dem der Ernte vorausgehenden 15. Mai die Aussaat vorgenommen und einen Antrag gestellt haben. Dem Antrag sind Angaben beizufügen, mit denen die eingesäten Flächen ermittelt werden können. Die mit landwirtschaftlichen Kulturpflanzen bebauten Flächen und die nach dieser Verordnung stillgelegten Flächen sind getrennt auszuweisen.

Das Verfahren war seinerzeit weitgehend geregelt in der bereits erwähnten Verordnung (EWG) Nr. 3887/1992 vom 23.12.1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen. Nach Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung muss jeder Beihilfeantrag "Flächen" alle erforderlichen Informationen enthalten, insbesondere

- die Identifizierung des Betriebsinhabers;

- die zweckdienlichen Angaben zur Identifizierung aller landwirtschaftlich genutzten Parzellen des Betriebes, ihre Fläche, Lage und Nutzung ggf. mit Hinweis darauf, ob es sich um eine bewässerte Parzelle handelt, sowie die jeweilige Beihilferegelung;

- eine Bestätigung des Betriebsinhabers, von den geltenden Bedingungen für die Gewährung der betreffenden Beihilfen Kenntnis genommen zu haben.

Art. 3 jener Verordnung verweist auf Art. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3508/1992, wo bestimmt ist, dass das vorgesehene Identifizierungssystem auf der Ebene der landwirtschaftlich genutzten Parzellen eingerichtet wird. In Deutschland waren seinerzeit die Katasterparzellen maßgebend. Art. 4 Abs. 2 a der Verordnung bestimmt, das der Beihilfeantrag nach Ablauf der Einreichungsfrist (unter anderem) nur geändert werden kann, wenn ein von der zuständigen Behörde anerkannter offensichtlicher Fehler vorliegt. Art. 6 der Verordnung bestimmt, dass Verwaltungskontrollen und Kontrollen vor Ort durchgeführt werden.

Ergänzend sind die § 4 ff. der Verordnung über eine Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (Kulturpflanzen-Ausgleichszahlungs-Verordnung) vom 03.12.1992 (BGBl. I S. 1991) in den jeweils geltenden Fassungen - KAVO - anzuwenden. Nach § 4 Abs. 3 KAVO sind Flächen nach Lage und Größe in Hektar mit zwei Dezimalstellen anzugeben und auf Verlangen der Landesstelle durch Katasterunterlagen, die Grundlagenkarte Landwirtschaft oder andere geografische Karten mit einem Maßstab bis zu 1:10.000 nachzuweisen, aus denen mit genügender Sicherheit die genaue Lage, Größe und Nutzung der Flächen zu erkennen ist. Nach § 6 Abs. 1 S. 1 der Verordnung wird die Ausgleichszahlung nur für Flächen gewährt, die der Erzeuger in seinem Antrag angegeben hat.

Ob sie einen offensichtlichen Fehler anerkennt oder nicht, steht nicht im Belieben der zuständigen Behörde; vielmehr obliegt es im Streitfall der abschließenden Beurteilung des Gerichts, ob ein derartiger Irrtum vorliegt. Liegt er vor, so muss die Behörde ihn anerkennen und die Berichtigung des Beihilfeantrags gestatten oder sogar selbst von Amts wegen vornehmen (BVerwG, Urteil vom 26.08.2009 - 3 C 15.08 - juris). Objektiv ist ein Fehler dann offensichtlich, wenn er bei einer Vor-Ort-Kontrolle ohne weiteres ersichtlich ist, d. h. für einen unvoreingenommenen urteilsfähigen aufgeschlossenen und mit den näheren Umständen vertrauten Durchschnittsbetrachter bei einem Abgleich der Angaben im Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis mit den Katasterunterlagen mit der in der Öffentlichkeit vorgefundenen und bewirtschafteten Fläche ohne Weiteres erkennbar ist (OVG Lüneburg, Urteil vom 24.04.2008 - 10 LB 156/07 - AUR 2008, 371). Was die subjektive Seite angeht, so gilt es, den Tatbestand des offensichtlichen Irrtums von dem Tatbestand der Unregelmäßigkeit abzugrenzen. Unregelmäßigkeiten begründen den Verdacht eines Betruges oder einer Unredlichkeit; schon dem Wortsinn nach muss deshalb für die Annahme eines Irrtums feststehen, dass der Betriebsleiter gutgläubig gehandelt hat. Letzteres unterliegt der Würdigung im Einzelfall. Der Annahme von gutem Glauben steht nicht von vornherein entgegen, dass der Irrtum erst im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle aufgedeckt worden ist oder dass durch ihn eine höhere Zahlung erfolgt ist oder erfolgt wäre (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.08.2009 - a.a.O. - unter Hinweis auf die Auslegungshinweise der Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission).

Für die Fläche Nr. 1 (Flurstück J. der Flur x der Gemarkung K.) gilt Folgendes: Der Kläger hat hier Flächennutzungen (Ackerland/Dauergrünland) verwechselt; alle angegebenen Flächen waren im Ergebnis vorhanden. Dieser Fehler war - wie sich gezeigt hat - für einen mit den Umständen des Falles Vertrauten ohne Weiteres erkennbar, also offensichtlich. Zweifel an der Gutgläubigkeit des Klägers sind - wie auch die Beklagte einräumt - nicht angebracht. Eine Unregelmäßigkeit im Sinne der einschlägigen europarechtlichen Bestimmungen liegt nicht vor. Wegen der Annahme eines offensichtlichen Irrtums ist die Rücknahme der ursprünglichen Bewilligungsbescheide insoweit rechtswidrig mit der Folge, dass weder überzahlte Beträge zurückgefordert noch Sanktionen verhängt werden können (tatsächlich wurde auch keine Sanktion verhängt). Insoweit hat die Klage also Erfolg.

Im Fall Nr. 2 (Flurstück T. der Flur x der Gemarkung K.) hat sich ergeben, dass die bewirtschaftete Fläche geringer war als die vom Kläger angegebene Fläche. Der Fehler war nicht offensichtlich, sondern ist erst durch Vermessung aufgetreten. Es handelte sich hier um eine Differenz von (nur) 0,1564 ha; eine Sanktion wurde nicht verhängt.

Für die Flächen Nr. 3 und 4 (Flurstücke U. und V. der Flur y der Gemarkung N.) gilt: Nach dem vorgenommenen Flächentausch mit dem Landwirt O. hat der Kläger nicht nur die tatsächlich von ihm auf den angegebenen Flurstücken bewirtschafteten, sondern auch die dort von dem Landwirt O. bewirtschafteten Flächen beantragt; die von dem Kläger bewirtschafteten "Ausgleichs"-Flächen befanden sich auf anderen Flurstücken, die der Kläger nicht beantragt hat. Das Gericht stimmt der Beklagten darin zu, dass es sich hier um eine Unregelmäßigkeit gehandelt hat und nicht um einen offensichtlichen Irrtum. Der Einwand des Klägers, die Flurstücke würden im Bereich der ehemaligen Zonengrenze liegen und seien z. T. völlig verwildert gewesen, Anhaltspunkte wie Wege oder sonstige Landmarken, habe es nicht gegeben, kann ihn im Ergebnis nicht entlasten; wenn sich aus den Pachtverträgen mit den jeweiligen Grundstückseigentümern und aus dem Flächentauschvertrag mit dem Landwirt O. die genauen bewirtschafteten Flächen nicht entnehmen ließen, hätte der Kläger notfalls von sich aus eine Vermessung vornehmen lassen müssen, um exakte Angaben machen zu können.

In Bezug auf die übrigen Flächen hat die Beklagte die Einwände des Klägers dagegen, dass die später vermessenen Flächen auch schon in den Vorjahren vom Kläger in der jeweiligen Größe bewirtschaftet wurden, in dem Widerspruchsbescheid im Einzelnen entkräftet. Darauf wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen. Den Einwand des Klägers, die Flächen seien häufig hängig und hügelig (und mithin in Wirklichkeit größer als das Messergebnis), hat die Beklagte zu Recht mit der Bemerkung zurückgewiesen, die (theoretische) Mehrfläche bei hängigem Gelände werde bei keinem Messsystem berücksichtigt. Es handelt sich um Doppelbeantragungen mit der P. AG "Q. ", die der Kläger hätte vermeiden können und müssen und die im Übrigen nicht offensichtlich waren, sondern erst durch Vermessung offenbar geworden sind. Ferner hat der Kläger insoweit seinen angeblichen Irrtum nicht von sich aus berichtigt.

Vertrauensschutz kann dem Kläger nicht zugebilligt werden, denn es handelt sich hier nicht um Irrtümer der Behörde, vielmehr beruhten die Überzahlungen auf Angabefehlern des Klägers. Mithin spielt - wie oben näher ausgeführt - auch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG keine Rolle. Die Rückforderung ist - soweit sie Bestand hat - zutreffend berechnet worden. Das gilt auch für die verhängten Sanktionen. In Anwendung des Günstigkeitsprinzips (Artikel 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2988/1995) hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid die - im Tatbestand dieses Urteils näher beschriebene - Sanktionsregelungen der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 angewandt, die mit denjenigen der im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides geltenden Regeln der Verordnung Nr. 796/2004 (Artikel 51) identisch sind. Von Sanktionen ist in Anwendung von Artikel 68 der (günstigeren) Verordnung Nr. 796/2004 nicht abzusehen, denn der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass er sachlich richtige Angaben vorgelegt hat, und kann auch nicht auf andere Weise belegen, dass ihn keine Schuld trifft. Schließlich hat er die Beklagte nicht schriftlich darüber informiert, dass die Beihilfeanträge fehlerhaft waren oder seit Einreichung fehlerhaft geworden sind.

Eine Saldierung zwischen überbeantragten und auf nicht beantragten Flurstücken vorhandenen Flächen kommt nicht in Betracht. Zwar hält das OVG Lüneburg (vgl. dessen Urteil vom 01.09.2010 - 10 LB 153/07 - Rechtsprechungsdatenbank des Gerichts) solches für möglich, weil Art. 31 Abs. 1, 2 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 auf bestimmte Kulturgruppen abstellt; das gilt jedoch nicht für die Antragsjahre vor 2002, weil in Art. 9 Abs. 1 der für diese Jahre noch anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 3887/1992 allgemein von tatsächlich ermittelten und angegebenen Flächen die Rede ist. Das Günstigkeitsprinzip des ausschließlich auf verwaltungsrechtliche Sanktionen abstellenden Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2988/1995 hilft dem Kläger ebenfalls nicht, weil eine Saldierung die Rückforderung insgesamt und nicht nur die Verhängung von Sanktionen ausschließen würde.

Im Hinblick auf die Verjährung gilt Artikel 3 der Verordnung Nr. 2988/1995, der bereits weiter oben zitiert worden ist und durch spätere günstigere Sektionsvorschriften nicht verdrängt wird (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 25.03.2009 - 7 LB 7/08 - AUR 2009, S. 238 [VGH Baden-Württemberg 05.03.2009 - 5 S 2398/07]; OVG Lüneburg Urteil vom 19.01.2010 - 10 LC 148/09 - a.a.O.). Im vorliegenden Fall handelt es sich - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - um wiederholte Unregelmäßigkeiten, die mindestens bis in das Jahr 1996 geschehen sind. Durch das Schreiben des Amtes für Agrarstruktur I. vom 27.10.1998 wurde die mithin frühestens im Jahre 1996 begonnene Verjährung unterbrochen. Der Erlass des Bescheides vom 10.04.2000 hat die Verjährung des Anspruchs gehemmt; nach § 53 Abs. 1 S. 2 VwVfG endet die Hemmung erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung. Mithin sind die Rückforderungs- und Sanktionsansprüche der Beklagten (die sie bis auf die Fläche zu 1) zu Recht geltend macht) nicht verjährt.

Die Zinsforderung der Beklagten beruht auf Artikel 14 der Verordnung Nr. 3887/92 i.V.m. §§ 10 Abs. 3 und 14 Abs. 1 MOG. Soweit Zinsen auf zurückgeforderte Beträge selbst geltend gemacht werden, beginnt die Verzinsungspflicht mit der Auszahlung der jeweils zurückgeforderten Beihilfen. Soweit es um die Verzinsung der von der Beklagten verhängten Sanktionen geht, beginnt die Zinspflicht jedoch - entgegen der Auffassung der Beklagten - erst mit der Übermittlung des Rückforderungsbescheides (am 14.04.2000); das ergibt sich aus der - für den Kläger günstigeren - Regelung des Artikel 73 Nr. 3 der Verordnung Nr. 796/2004. Auch insoweit hat die Klage mithin - anteilig - Erfolg.

Das Gericht folgt diesbezüglich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 05.04.2006 - 3 B 24/06 - Buchholz 451.90 Nr. 207). Der Orientierungssatz dieses Urteils "Artikel 2 Abs. 2 S. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 29855 findet auf die Verpflichtung zur Rückerstattung rechtswidrig erhaltener Beihilfen, ggf. zuzüglich Zinsen, keine Anwendung" ist allerdings missverständlich. In den Gründen seiner Entscheidung macht das Bundesverwaltungsgericht jedoch mehrfach deutlich, dass es zwischen verwaltungsrechtlichen Maßnahmen und verwaltungsrechtlichen Sanktionen in dem Sprachgebrauch der Verordnung Nr. 2988/1995 unterscheidet. Während die Rückforderung selbst (die Verordnung spricht von dem Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils) eine verwaltungsrechtliche Maßnahme ist (vgl. Artikel 4 Abs. 2 und 4 der Verordnung), stellt etwa die darüber hinausgehende Kürzung der Beihilfe oder deren vollständiger Entzug eine verwaltungsrechtliche Sanktion dar (Artikel 5 Abs. 1 der Verordnung). Artikel 2 Abs. 2 S. 2 der genannten Verordnung (Günstigkeitsprinzip) bezieht sich - wie bereits ausgeführt - ausschließlich auf verwaltungsrechtliche Sanktionen - und als Annex auf die damit zusammenhängende Zinsforderung -.

Das OVG Lüneburg hingegen (Urteil vom 24.04.2008 - 10 LB 156/07 -, a.a.O., bestätigt durch Urteil vom 19.01.2010 - 10 LB 248/08 - Rechtsprechungsdatenbank des OVG Lüneburg) ist der Auffassung, dass Artikel 73 Nr. 3 der Verordnung 796/2004 auch auf Zinsen auf Rückzahlungsbeträge selbst Anwendung zu finden hat. Es beruft sich für diese Auffassung auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 04.05.2006 (Rechtssache C-286/05 - EUR-Lex). Nach Auffassung der Kammer hat das OVG Lüneburg jedoch den EUGH insoweit missverstanden, als es angenommen hat, er habe anders als das Bundesverwaltungsgericht geurteilt; mithin folgt sie dem OVG Lüneburg nicht. Der Tenor des EUGH-Urteils lautet wie folgt:

In einem Fall, in dem wegen einer Überschreitung der ermittelten Fläche im Sinne von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/1992 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen um mehr als 20 % die Rückzahlung des gesamten Betrages der ursprünglich gewährten gemeinschaftlichen Beihilfe zuzüglich Zinsen verlangt wird, obgleich der betroffene Wirtschaftsteilnehmer geltend macht, dass die Beihilfe nach Art. 31 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 mit Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung (EWG) Nr. 3508/1992 des Rates eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen nur um einen geringeren Betrag zu kürzen wäre, ist Art. 2 Abs. 2 S. 2 der Verordnung (EG-Euratom) Nr. 2908/1995 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der europäischen Gemeinschaften nicht anwendbar.

Da der EUGH in der Beschlussbegründung mehrfach ausführt, im Gegensatz zur Rückforderung selbst sei die darüber hinausgehende Reduzierung der Beihilfe eine verwaltungsrechtliche Sanktion, kann hier lediglich eine Besonderheit maßgeblich sein, die sich aus Art. 31 der Verordnung Nr. 2419/2001 ergibt. Im ersten Satz von Nr. 24 der Entscheidungsgründe führt der EUGH auch aus, insoweit sei allerdings darauf hinzuweisen, dass Art. 31 der eben genannten Verordnung im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 3887/92 keine Sanktion normiert. Art. 31 der Verordnung Nr. 2419/2001 enthält lediglich Bestimmungen über die Berechnungsgrundlage der maßgeblichen Fläche. In Abs. 2 wird zunächst - wie auch in früheren Verordnungen - ausgeführt, dass die Beihilfe (unbeschadet der Kürzungen und Ausschlüsse gemäß den Art. 32 bis 35) auf der Grundlage der für die jeweilige Kulturgruppe ermittelten Fläche berechnet wird, wenn die in einem Beihilfeantrag angegebene Fläche über der bei Verwaltungskontrollen oder Vor-Ort-Kontrollen ermittelten Fläche derselben Kulturgruppe liegt. Bestimmungen über Sanktionen finden sich mithin ausschließlich in den Art. 32 bis 35, nicht aber schon in Art. 31. Der Kläger des Ausgangsverfahrens, welches zu der EUGH-Entscheidung geführt hat, hat sich auf § 31 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2419/2001 berufen. Der EUGH hat lediglich entschieden, dass dieser Bestimmung kein Sanktionscharakter zukommt, sich also nicht dazu geäußert, ob, ggf. falls in welchem Umfang die günstigere Zinsbestimmung in den jüngeren Verordnungen auf Altfälle anzuwenden ist.

Mithin hat die Klage Erfolg, soweit es um die Rücknahme und Rückforderung betreffend das Flurstück AQ. der Flur x der Gemarkung K. geht und soweit Zinsen für die von der Kammer für rechtmäßig erachteten Sanktionen für den Zeitraum vor dem 14.04.2000 verlangt werden. Das Flurstück J. war nach Auffassung der Beklagten mit 0,4914 ha überbeantragt worden. Die Hektar-Sätze betrugen 483,67 DM (1994), 621,85 DM (1995), 621,87 DM (1996) und 621,88 DM (1997). Die auf das genannte Flurstück entfallene Rückforderung summiert sich mithin auf (237,68 + 305,58 + 305,59 + 305,59 =) 1.154,44 DM, was 590,26 € entspricht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 3 VwGO. Die Beklagte unterliegt nur zu einem geringen Teil, nämlich zu 4,47 %, wobei die Verringerung der Zinsforderung außer Betracht bleibt, weil Zinsen bei der Bestimmung des Streitwertes gemäß § 43 Abs. 1 GKG nicht berücksichtigt werden.

Über den Antrag des Klägers, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, muss nicht entschieden werden, weil die Beklagte keine Kosten zu tragen hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 (im Hinblick auf die Entscheidung über die Zinsforderung der Beklagten) zugelassen.