Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 28.10.2020, Az.: 7 U 215/19 (S. 7a)
Anspruch auf Schadensersatz wegen unberechtigter Abschaltvorrichtung in VW Sharan; Nachweis des Schadens aufgrund ungewolltem Vertragsabschluss beim Diesel-Skandal; Keine Heilung eines sittenwidrigen Kaufvertrages durch nachträgliches Software-Update; Sittenwidriges Verhalten des Herstellers wegen manipulierter Software; Sekundäre Beweislast im Diesel-Skandal liegt beim Geschädigten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 28.10.2020
- Aktenzeichen
- 7 U 215/19 (S. 7a)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 72742
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 30.01.2019 - AZ: 8 O 100/18
Rechtsgrundlagen
- § 31 BGB
- § 826 BGB
- § 91 ZPO
- § 138 Abs. 3 ZPO
- § 256 ZPO
Redaktioneller Leitsatz
1. Ein mit einer unerlaubten Abschaltvorrichtung versehener VW hat einen Sachmangel und löst Schadensersatzansprüche nach § 826 BGB aus. Der Schaden liegt dabei bereits im Kaufvertragsabschluss, da ein solcher so vom Käufer nicht gewollt war. Ein späteres Software-Update ändert daran nichts.
2. Das Verhalten des Herstellers ist auch sittenwidrig, da von einer Absicht der Gewinnsteigerung getrieben.
3. Eine nicht beweisbelastete Partei trifft ausnahmsweise die sekundäre Beweislast, wenn die darlegungspflichtige Gegenpartei keine näheren Kenntnisse hat und diese auch nicht selbst ermitteln kann, während die andere Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt und es weder schwer noch unmöglich ist, hierzu nähere Angaben zu machen. Dies ist bei der Entwicklung und Verwendung von Manipulationssoftware der Fall.
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 7a. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2020 durch die Richterin am Oberlandesgericht ... als Einzelrichterin für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 30. Januar 2019 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels geändert und wie folgt neu gefasst:
a)
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagte in den Motor, Typ EA 189, des Fahrzeugs VW Sharan 2.0 TDi (FIN ...) eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und Stickoxidemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, so dass es zu einem höheren NOx-Ausstoß führt.
b)
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 € freizustellen.
c)
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
5.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis 30.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte als Herstellerin eines von ihm erworbenen Fahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch.
Er erwarb am 8. September 2013 bei der .... GmbH einen gebrauchten PKW VW Sharan 2,0 TDi, Erstzulassung 14. Juni 2012, für 34.700 €. Das Fahrzeug ist mit einem EA 189-Motor ausgestattet, der den sog. Dieselabgasskandal ausgelöst hat.
Vor diesem Hintergrund forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten zu einer Ausgleichszahlung auf, was diese mit Schreiben vom 31. Januar 2018 (Bl. 36 f. d.A.) ablehnte.
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagte in erster Linie auf Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeuges resultieren, in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung auf das Fehlen eines Feststellungsinteresses abgestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das am 30. Januar 2019 verkündete Urteil des Landgerichts (Bl. 610 ff d.A.) Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt und es um Hilfsanträge ergänzt.
Er beantragt,
das Urteil des Landgerichts Verden vom 30. Januar 2019 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht Verden zurückzuverweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landgerichts Verden vom 30. Januar 2019 abzuändern und
1.
festzustellen, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei das Fahrzeug VW Sharan 2.0 TDi (FIN:....) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandsbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr,
2.
die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.256,24 € freizustellen.
Hilfsweise zum Antrag zu 1. beantragt der Kläger außerdem,
3.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 34.700,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 10. Januar 2018 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW VW Sharan 2.0 TDi (FIN: ....),
4.
festzustellen, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für die weitergehenden Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei das Fahrzeug VW Sharan 2.0 TDi (FIN: ...) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandsbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das ihr günstige Urteil erster Instanz als richtig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer in beiden Instanzen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache weitestgehend Erfolg.
Dabei war - unabhängig von der fehlenden Darlegung der entsprechenden Voraussetzungen - nicht auf den primär formulierten Antrag auf Zurückverweisung des Rechtsstreites als reinem Prozessantrag abzustellen, weil der Kläger in der Hauptsache bereits mit seinen Sachanträgen Erfolg hat (vgl. insoweit: Weigel, in: Saenger/Ullrich/Siebert, ZPO, 4. Auflage 2018, § 538 Rn. 4).
1. Die begehrte Feststellung zur Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz war auszusprechen.
a) Der Feststellungsantrag zu 1 ist nach § 256 ZPO zulässig.
aa) Dabei ist der Antrag dahin ausgelegt und in seiner Formulierung angepasst worden, dass sich die festzustellende Ersatzpflicht lediglich auf diejenigen Schäden beziehen soll, die daraus resultieren, dass es sich bei der im Fahrzeug eingebauten Software des Motors EA 189 um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide entstehen und Stickoxidemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, so dass es zu einem höheren Stickoxidausstoß führt. Das so präzisierte Rechtsschutzziel entnimmt der Senat einer Gesamtschau des Antrags zu 1 mit dem Prozessvorbringen des Klägers (allg. zur Auslegung von Prozesshandlungen: BGH, Urt. v. 09.06.2016 - IX ZR 314/14 -, NJW 2016, 2328 Rn. 46 m.w.N.).
bb) Das erforderliche Feststellungsinteresse ist ebenfalls zu bejahen. Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung ist dann gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. BGH, NJW 2019, 1002 [BGH 22.01.2019 - II ZR 59/18] Rn. 12, m.w.N.). Dabei fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Leistungsklage erreichen kann. Eine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage besteht dabei jedoch nicht. Trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, ist eine Feststellungsklage zulässig, wenn diese unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt. Entsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Kläger in vollem Umfang die Feststellung der Ersatzpflicht verlangen kann, wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist (BGH, Urt. v. 19.04.2016 - VI ZR 506/14 -, NJW-RR 2016, 759 Rn. 6 m.w.N.). Ein Kläger ist mithin nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn ein Teil des Schadens bereits entstanden und die Entstehung weiterer Schäden noch zu erwarten sind. Bei reinen Vermögensschäden, die vorliegend in Rede stehen, hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage darüber hinaus von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines auf die Pflichtverletzung zurückgehenden Schadenseintritts ab (BGH, Urt. v. 15.08.2019 - III ZR 205/17 -, NJW-RR 2019, 1332 Rn. 41 m.w.N.), was nach allgemeinen Regeln von Klägerseite mit Substanz darzutun ist (vgl. BGH, Beschl. v. 04.03.2015 - IV ZR 36/14 -, NJW 2015, 1683). Hierbei ist indes eine großzügige Beurteilung geboten, sofern der Anspruch - wie hier - der Regelverjährung (§ 195 BGB) unterliegt (vgl. BGH, Urt. v. 26.07.2018 - I ZR 274/16 -, NJW-RR 2018, 1301 Rn. 26). Schließlich wird eine ursprünglich zulässig erhobene Feststellungsklage nicht dadurch unzulässig, dass im Verlaufe des Rechtsstreits die Voraussetzungen für den Übergang zu einer Leistungsklage eintreten (BGH, Urt. v. 04.11.1998 - VIII ZR 248-97 -, NJW 1999, 639).
Gemessen an diesen Maßstäben ist das Feststellungsinteresse vorliegend zu bejahen. Der Kläger hat bereits erstinstanzlich auf drohende steuerliche Nachteile (S. 18 der Klageschrift, Bl. 20 d.A.) sowie auf zu erwartende Schäden am Fahrzeug nach Aufspielen des Software-Updates (S. 8 der Klageschrift, Bl. 10 ff. d.A., S. 46 des Schriftsatzes v. 17. August 2018, Bl. 230 ff d.A.) hingewiesen. Für letzteres nahm der Kläger dabei Bezug auf entsprechende Meldungen und Berichte. Weiterhin drohten - worauf der Vollständigkeit halber hingewiesen sei - nach Darstellung des Klägers im Fall des Nichtaufspielens des Software-Updates rechtliche Streitigkeiten mit der Zulassungsstelle bzw. dem Kraftfahrtbundesamt, wofür Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren anfallen würden (S. 12 der Klageschrift, Bl. 14 d.A., S. 5 der Berufungsbegründung, Bl. 646 d.A.). Nachdem dem Vortrag des Klägers zufolge bereits durch den Vertragsschluss über das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehene Fahrzeug ein Schaden entstanden ist, war damit jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Mai 2018 unter besonderer Berücksichtigung des gebotenen großzügigen Beurteilungsmaßstabes (s.o.) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Kläger nach Aufspielen des Software-Updates für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung des Fahrzeuges Aufwendungen zu tätigen hat, und auf ihn Steuernachzahlungen sowie ggf. Kosten im Zusammenhang mit Streitigkeiten mit Zulassungsstelle bzw. Kraftfahrtbundesamt zukommen. Ob zum jetzigen Zeitpunkt mit weiteren Schäden gerechnet werden muss, ist für die Annahme des Feststellungsinteresses ohne Bedeutung, da eine zulässig erhobene Feststellungsklage - wie bereits ausgeführt - nicht dadurch unzulässig wird, dass zwischenzeitlich die Voraussetzungen für die Stellung von Leistungsanträgen eingetreten sind.
b) Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Die Beklagte ist gemäß §§ 826 Abs. 1, 31 BGB verpflichtet, dem Kläger Schadensersatz zu leisten.
aa) Die Voraussetzungen des § 826 BGB, wonach derjenige, der einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt, zum Schadensersatz verpflichtet ist, sind entgegen der Ansicht der Beklagten vorliegend gegeben. Denn das streitgegenständliche Fahrzeug ist sachmangelbehaftet, wodurch dem Kläger ein Schaden entstanden ist, der auf ein sittenwidriges und vorsätzliches Verhalten der Beklagten zurückgeht, was zur Folge hat, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch zusteht.
(1) Nach allgemeiner Ansicht haben Käufer von Fahrzeugen mit Dieselmotoren vom Typ EA 189 Euro 5, die aufgrund der bei ihnen verbauten Abschaltvorrichtung von dem sog. VW-Abgasskandal betroffen sind, eine mit einem Sachmangel behaftete Kaufsache erworben. Demzufolge weist auch das Fahrzeug des Klägers einen Sachmangel auf. Denn Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 sind mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestattet worden, mit deren Hilfe die Stickoxidwerte (NOx) im Prüfstand manipuliert worden sind, d.h. bessere Werte im Unterschied zum normalen Fahrbetrieb vorgetäuscht worden sind, um so die nach der einschlägigen Abgasnorm vorgegebenen NOx-Grenzwerte einzuhalten. Die in diesen Fahrzeugen eingesetzte Abgas-Software hat die Prüfsituation erkannt und im Prüfstand in den NOx optimierenden Modus 1 geschaltet, während sie sich im normalen Fahrbetrieb im Modus O mit eingeschränkter Abgasrückführung befunden hat, wodurch die NOx-Emissionen erheblich höher ausgefallen sind. Bei dieser von der Beklagten eingesetzten sog. "Umschaltlogik" handelt es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 bzw. im Sinne der hier einschlägigen Regelung in Anhang I Nr. 2.16 der Richtlinie 70/220/EWG, was zur Folge hat, dass die betroffenen Fahrzeuge sachmangelbehaftet im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB sind. Bei Fahrzeugen mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189, die von dem Hersteller mit einer unzulässigen Umschaltvorrichtung versehen sind, die günstigere Emissionswerte im Prüfstandbetrieb vorspiegelt, fehlt die Eignung für ihre gewöhnliche Verwendung, weil der (ungestörte) Betrieb der Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr wegen der Gefahr des Einschreitens der zuständigen Behörden nicht gewährleistet ist. Gemäß § 25 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 EG-FGV in Verbindung mit § 48 VwVfG kann das Kraftfahrtbundesamt eine rechtswidrige Typgenehmigung ganz oder teilweise zurücknehmen, insbesondere wenn festgestellt wird, dass Fahrzeuge mit einer Übereinstimmungsbescheinigung nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen, oder von Fahrzeugen ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht. Vertrauensschutz bestand insoweit nicht, da die Beklagte, wie noch auszuführen sein wird, die Typgenehmigung durch arglistige Täuschung erwirkt hatte (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 VwVfG). Es stand dabei nicht von vornherein fest, welche - möglicherweise auch zeitlich oder örtlich beschränkten - Maßnahmen die Behörden bei einer Aufdeckung der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ergreifen würden (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris; Beschl. v. 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 -, juris). Auch war im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar, ob dieses Problem behoben werden kann.
(2) Durch den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs hat der Kläger einen Schaden erlitten, der bereits in dem Abschluss des Kaufvertrages zu sehen ist.
(a) § 826 BGB knüpft nicht an die Verletzung bestimmter Rechte und Rechtsgüter an; deshalb ist der nach dieser Norm ersatzfähige Schaden weit zu verstehen. Ein Schaden ist nicht nur dann gegeben, wenn sich die tatsächliche Vermögenslage gegenüber derjenigen, die ohne das schädigende Ereignis eingetreten wäre, verschlechtert hat, sich also ein rechnerisches Minus ergibt. Unter einem Schaden im Sinne des § 826 BGB ist sonach nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage zu verstehen, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2004 - II ZR 402/02 -, Rn. 41 bei juris; BGH, Urt. v. 28.10.2014 - VI ZR 15/14 -, Rn. 19 bei juris). Deshalb kann auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung ein Vermögensschaden gegeben sein, wenn der Betroffene durch das betreffende Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht abgeschlossen hätte. Dies setzt jedoch voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen werden wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der jeweiligen Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 46 bei juris m.w.N).
Zugrunde zu legen ist dabei, dass der Kläger entsprechend seiner Angaben das Fahrzeug bei Kenntnis von der Umschaltlogik nicht gekauft hätte. Denn es entspricht der Lebenserfahrung, dass ein verständiger Kunde das Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er die gesetzeswidrige Abschalteinrichtung einschließlich der sich daraus ergebenden Folgen gekannt hätte. Bei einem zur eigenen Nutzung erworbenen Kraftfahrzeug sind dessen Gebrauchsfähigkeit und ständige Verfügbarkeit für den Eigentümer von so großer Bedeutung, dass die vorübergehende Entziehung eines Kraftfahrzeugs auch bei der Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs einen Vermögensschaden darstellt. Der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs wirkt sich typischerweise als solcher erheblich auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung aus. Bei generalisierender Betrachtung wird ein Kraftfahrzeug in erster Linie aufgrund des Vorteils der Zeitersparnis erworben und unterhalten. Dies rechtfertigt nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Annahme, dass ein Käufer, der - wie hier der Kläger - ein Fahrzeug zur eigenen Nutzung erwirbt, bei der bestehenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 51 bei juris m.w.N.).
Nach den genannten Grundsätzen hat der Kläger einen Schaden in Form eines ungewollten Vertragsabschlusses erlitten. Der Abschluss ist als unvernünftig anzusehen, weil der Kläger hierdurch eine Leistung erhalten hat, die angesichts der grundsätzlich drohenden Betriebsbeschränkung bzw. -untersagung für ihre Zwecke nicht voll brauchbar war.
(b) Der beim Kläger eingetretene Schaden in Form eines ungewollten Vertragsabschlusses entfällt auch nicht nachträglich durch eine Installation des von dem Kraftfahrtbundesamt freigegebenen Software-Updates.
Der mit Abschluss des Kaufvertrages entstandene Schaden entfällt nicht, wenn sich der objektive Wert bzw. Zustand des Fahrzeugs in der Folge aufgrund neuer Umstände - wie der Durchführung des Updates - verändern. Denn für die Beurteilung der Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, kommt es vorliegend allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages an. Zu diesem Zeitpunkt war der Schadenseintritt indes bereits erfolgt, das vom Kraftfahrtbundesamt genehmigte Software-Update ist insoweit ohne Relevanz. Auch kann in der Vornahme des Software-Updates kein Verzicht auf Schadensersatzansprüche gesehen werden kann, zumal es bei dem Aufspielen des Updates ersichtlich nicht darum geht, der Beklagten eine nachträgliche Schadensbeseitigung zu ermöglichen, sondern lediglich darum, einer möglichen Betriebsuntersagung durch die Zulassungsbehörde zu entgehen (vgl. Senatsurteil v. 22.01.2020 - 7 U 445/18 -, MDR 2020, 571). Der im Jahr 2013 sittenwidrig herbeigeführte, für den Kläger ungewollte Vertragsschluss, der im Rahmen des § 826 BGB den Schaden begründet, wird durch ein Software-Update nicht rückwirkend zu einem gewollten Vertragsschluss (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 51 bei juris m.w.N.).
(3) Der Schadenseintritt beruht auch auf einem als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB zu qualifizierenden Verhalten der Beklagten.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr. des BGH, vgl. Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 15 bei juris m.w.N.). Zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urt. v. 07.05.2019 - VI ZR 512/17 -, NJW 2019, 2164 Rn. 8 m.w.N.).
Gemessen daran ist das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu beurteilen.
(a) Als Beweggrund der Beklagten für das Einsetzen der Manipulationssoftware kommt allein die Erzielung höherer Gewinne durch die Einsparung von Kosten in Betracht. Der Beklagten ging es darum, mittels der Abschalteinrichtung, durch die die Einhaltung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte vorgetäuscht wurde, kostengünstig die Typgenehmigung für die Fahrzeuge ihres Konzerns zu erlangen, weil ihr dies ersichtlich auf legalem Wege ohne großen Aufwand nicht möglich gewesen wäre. Ein anderer Grund für die Verwendung der Manipulationssoftware ist jedenfalls nicht ersichtlich (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 12.06.2019 - 5 U 1318/18 -, Rn. 50 f bei juris; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019 - 13 U 142/18 -, Rn. 32 f bei juris).
Zwar ist allein ein Handeln aus Gewinnstreben noch nicht als verwerflich anzusehen. Vorliegend ist jedoch eine Verwerflichkeit - insbesondere auch im Verhältnis zu einem Fahrzeugkäufer - sowohl im Hinblick auf die von der Beklagten eingesetzten Mittel als auch der zutage getretenen Gesinnung zugrunde zu legen.
(b) Die Beklagte hat über viele Jahre hinweg systematisch Motoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einer außergewöhnlich hohen Zahl nicht nur verschiedener Modelle des eigenen Unternehmens, sondern auch in Fahrzeuge anderer Unternehmen des Konzerns eingebaut bzw. einbauen lassen. Dies geschah unter systematischer Täuschung der Typgenehmigungsbehörde. Angesichts des Zeitraumes, des Ausmaßes sowie des Umfanges ist davon auszugehen, dass diesem Handeln eine strategische unternehmerische Entscheidung auf Seiten der Beklagten zugrunde lag.
(c) Dieses Vorgehen offenbart auf Seiten der Beklagten eine gleichgültige Gesinnung gegenüber den mit dem Verhalten verbundenen Folgen.
Zunächst gilt dies im Hinblick auf die Käufer der betreffenden Fahrzeuge. Diesen drohte - wie bereits ausgeführt - im Falle einer Entdeckung der unzulässigen Abschalteinrichtung ein erheblicher Schaden in Form einer Betriebsbeschränkung bzw. -untersagung. Ein argloser Käufer indes durfte sich angesichts fehlender eigener Möglichkeiten, die Einhaltung der bestehenden gesetzlichen Vorgaben auch nur nachvollziehen, geschweige denn kontrollieren zu können, darauf vertrauen, dass die Beklagte sich an die bestehenden Regeln gehalten hat. Dies gilt gleichermaßen für Neuwagen- als auch Gebrauchtwagenkäufer. Denn auch die Gebrauchtwagenkäufer gingen davon aus, was der Beklagten bewusst war, weil das Geschäftsmodell ihres Konzerns gerade auch auf eine Weiterveräußerung ihrer Fahrzeuge ausgerichtet war, dass das Fahrzeug die technischen und rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung nach wie vor erfüllt und die erteilte Typengenehmigung und Betriebszulassung Bestand hat (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 24.09.2019 - 10 U 11/19 -, BeckRS 2019, 23215, Rn. 33 f). Die Beklagte hat sich diese Arglosigkeit und dieses Vertrauen der Fahrzeugkäufer gezielt zunutze gemacht, um möglichst viele mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuge abzusetzen. Dieses Verhalten steht einer bewussten arglistigen Täuschung derjenigen, die ein solches Fahrzeug erwerben, gleich (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 25 bei juris m.w.N.).
Des Weiteren offenbart sich in dem von der Beklagten eingeplanten erhöhten Stickstoffausstoß der mit dem Motor EA 189 versehenen Fahrzeuge eine gleichgültige Gesinnung hinsichtlich der geltenden Rechtsvorschriften einschließlich des von ihnen bezweckten Schutzes der Bevölkerung und der Umwelt (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 27 bei juris).
Das gezeigte Verhalten der Beklagten verstößt unter Berücksichtigung des verfolgten Ziels, der eingesetzte Mittel und der zutage getretenen Gesinnung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und stellt sich damit im Sinne von § 826 BGB als sittenwidrig dar. Dies gilt gleichermaßen gegenüber Käufern, die ein Fahrzeug der Beklagten oder ein von einer Tochtergesellschaft - unter Verwendung eines von der Beklagten gelieferten Motors - hergestelltes Fahrzeug bzw. ein Neu- oder ein Gebrauchtfahrzeug erworben haben, da die dargelegten, die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände insoweit identisch sind.
Der den Käufern entstandene Schaden, der in dem Abschluss des Kaufvertrages über das mangelbehaftete Fahrzeug zu sehen ist, fällt dabei auch unter den Schutzzweck der Norm. Grundsätzlich beschränkt sich die Haftung zwar auf die Schäden, die dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammen, also in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen (BGH, Urt. v. 11.11.1985 - II ZR 109/84 -, Rn. 15 bei juris). Vorliegend geht es aber nicht schlicht um einen Verstoß gegen eine öffentlich-rechtliche Norm, den Artikel 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 bzw. hier der Vorgängernorm Anhang I Nr. 2.16 der Richtlinie 70/220/EWG. Die Käufer sind vielmehr über einen die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussenden Umstand, nämlich über die uneingeschränkte, nicht bedrohte Verwendung des Fahrzeugs im Straßenverkehr, getäuscht worden, wodurch unmittelbar in ihren Rechtskreis eingegriffen worden ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019, 13 U 142/18, Rn. 41 bei juris, Urt. v. 06.11.2019 - 13 U 12/19 -, Rn. 54ff. bei juris; OLG Oldenburg, Urt. v. 21.10.2019 - 13 U 73/19 -, Rn. 18 bei juris; OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019 - 14 U 89/19 -, Rn. 55 bei juris; auch Urt. des Senats v. 20.11.2019 - 7 U 244/18 -, juris m.w.N.; a.A. aber OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019 - 7 U 134/17 -, Rn. 186ff. bei juris).
(4) Schließlich liegen auch die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach §§ 826, 31 BGB vor.
In subjektiver Hinsicht setzt § 826 BGB Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der Tatumstände voraus, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen. Der erforderliche Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Als Vorsatz genügt es, dass der Handelnde die Schädigung gekannt bzw. vorausgesehen und zumindest billigend in Kauf genommen hat; eine Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl. Förster in: BeckOK, BGB, 54. Edition Stand: 01.05.2020, § 826 Rn. 32ff). Für den getrennt davon erforderlichen subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die die Sittenwidrigkeit begründen (vgl. Förster in: BeckOK, a.a.O., § 826 Rn. 28ff).
Vorliegend muss die Beklagte gegen sich gelten lassen, dass sie mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat und die Umstände kannte, die die Sittenwidrigkeit begründen. Denn die Beklagte muss sich insoweit gemäß § 31 BGB das Wissen und Wollen ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter zurechnen lassen. Dass Mitarbeiter der Beklagten bewusst in Kenntnis der maßgeblichen Umstände in Bezug auf die unzulässige Abschalteinrichtung und die damit verbundene Täuschung der zuständigen Behörden gehandelt haben, steht außer Frage. Zwar ist eine "mosaikartige" Zurechnung von Wissen mehrerer Personen eines Unternehmens in der Regel für § 31 BGB grundsätzlich nicht ausreichend. Sämtliche subjektiven Tatbestandsmerkmale einer sittenwidrigen Schädigung müssen vielmehr in einer natürlichen Person verwirklicht sein (vgl. BGH, Urt. v. 28.06.2016 - VI ZR 536/15 -, Rn. 23ff. bei juris). Andererseits beschränkt sich die Haftung nicht auf Vorstandsmitglieder im aktienrechtlichen Sinne. Der Begriff des "verfassungsgemäß berufenen Vertreters" im Sinne des § 31 BGB wird weit im Sinne eines Repräsentanten des Unternehmens ausgelegt. Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht ist nicht erforderlich. Es genügt, dass einer Person durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und sie die juristische Person insoweit repräsentiert (vgl. Schöpflin in: BeckOK, BGB, 54. Edition Stand: 01.05.2020, § 31 Rn. 7 m.w.N.). Hierzu zählen etwa leitende Angestellte wie die Abteilungsleiter (s. auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Auflage, Rn. 1898f).
Schon bei lebensnaher Betrachtung muss angenommen werden, dass derjenige, der die Zustimmung zur Entwicklung und zum Einsatz einer Software für Millionen von Neufahrzeugen des VW-Konzern erteilt hat, eine wichtige Funktion bei der Beklagten innehatte und mit erheblichen Kompetenzen ausgestattet gewesen sein muss (s. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019 - 13 U 142/18 -, Rn. 55 ff. bei juris).
Zudem hat der Kläger bereits in der Klageschrift sowie im Weiteren darauf hingewiesen, dass er als Käufer zu den näheren Einzelheiten der internen Vorgänge bei der Beklagten nichts weiter vortragen könne, dass aber die Umstände, die an die Öffentlichkeit gelangt seien, wie die bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig anhängigen Ermittlungsverfahren gegen mehrere Personen bei Volkswagen, nur den Schluss zu lassen, dass ihr Vorstand Kenntnis von dem Einsatz der Manipulationssoftware gehabt habe. Er hat damit hinreichend Anhaltspunkte vorgetragen, die für sie als außenstehende Person erkennbar waren und für eine Kenntnis auf Vorstandsebene der Beklagten sprechen.
Diese Behauptung des Klägers wird von der Beklagten zwar in Abrede gestellt; ihr kommt aber unter den gegebenen Umständen die sog. sekundäre Darlegungslast zu, der sie auch in der Berufungsinstanz nicht nachgekommen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann einer nicht beweisbelasteten Partei ausnahmsweise eine sekundäre Darlegungslast treffen, wenn die darlegungspflichtige Gegenpartei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 37 bei juris m.w.N.).
Dies ist vorliegend der Fall. Der Kläger kann nicht weiter zu den Vorgängen bei der Beklagten vortragen, die zu der Entwicklung und Verwendung der Manipulationssoftware in den Dieselmotoren EA 189 geführt hatten. Der Beklagten ist es dagegen zuzumuten, diesbezüglich näher vorzutragen und dabei in Substantiierung ihres Bestreitens durch konkreten Tatsachenvortrag Umstände darzulegen, aufgrund derer eine Kenntnis des Vorstandes oder der sonstigen Repräsentanten auszuscheiden hat. Denn von der Beklagten kann mehrere Jahre nach Aufdeckung des Abgasskandals erwartet werden, dass sie den Ermittlungsstand mitteilt und dabei angibt, welche Person unterhalb der Vorstandsebene die Entwicklung und Verwendung der in Rede stehenden Motorsteuerungssoftware in dem Dieselmotor EA 189 in Auftrag gegeben hatte. Hierzu ist die Beklagte, wie dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt ist, nicht bereit. Die Beklagte beschränkt sich stets darauf, eine Beteiligung von Vorstandsmitgliedern schlicht in Abrede zu stellen, ohne sich ansatzweise zu dem Ergebnis ihrer internen Ermittlungen zu erklären. Dies hat zur Folge, dass weder ein ausreichendes Bestreiten vorliegt, noch, dass sie ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen ist.
Damit gilt der Vortrag des Klägers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, wonach zumindest eine der Unternehmensleitung angehörige Person, ein verfassungsgemäß berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB, Kenntnis von der serienmäßigen Verwendung der Manipulationssoftware in den Dieselmotoren EA 189 hatte, was sogleich die Billigung der Schädigung der Fahrzeugkäufer einschließt (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 39 ff bei juris; s. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019 - 13 U 12/19 -, Rn. 84 ff. bei juris; OLG Oldenburg, Urt. v. 21.10.2019 - 13 U 73/19 -, Rn. 16 bei juris; OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019 - 14 U 89/19 -, Rn. 59 ff. bei juris).
bb) Als Rechtsfolge hat die Beklagte dem Kläger gemäß §§ 826, 249 ff. BGB den aus der sittenwidrigen Schädigung resultierenden Schaden zu ersetzen.
2. Ein Anspruch auf Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Anwaltskosten besteht indes nur in Höhe von 1.100,51 €. Denn nach der Rechtsprechung des Senats ist in Fällen des "Diesel-Abgasskandals" nur der Ansatz der 1,3-fachen Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG gerechtfertigt (vgl. Senatsurteil v. 22.01.2020 - 7 U 445/18 - a. a. O., Rn. 77 ff.). Als Geschäftswert ist der Wert für den Feststellungsantrag, mithin 27.760, - € (Kaufpreis von 34.700 € abzüglich 20 %; vgl. Wöstmann in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 2 Rn. 75) zugrunde zu legen. Bei einem Geschäftswert von bis zu 30.000 € errechnen sich die Anwaltskosten wie folgt:
1,3 Geschäftsgebühr, §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG | 1.121,90 € |
---|---|
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 € |
19 % Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG | 216,96 € |
Summe | 1.358,86 € |
3. Die Hilfsanträge zu 3 und 4 bedürfen keiner Entscheidung, weil der Kläger bereits mit seinem (Haupt-)Antrag zu 1 durchdringt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und - nach Verkündung der Urteile des Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 - und 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 - auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts mehr erfordern.