Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 20.08.2003, Az.: 1 A 931/02
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 20.08.2003
- Aktenzeichen
- 1 A 931/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 40818
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2003:0820.1A931.02.0A
Amtlicher Leitsatz
Erzwungene Umwege von jeweils 3 km Länge rechtfertigen bei einem Gewerbebetrieb in der Regel keine Ausnahme von Beschränkungen des Lkw-Verkehrs über 2,8 t Gewicht, die zum Schutz der Wohnbevölkerung gegen Lärm und Abgase erlassen worden sind.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung.
Den Hintergrund des Rechtsstreit bilden verkehrsbeschränkende Maßnahmen auf der Straße "Abschnede" im Cuxhavener Stadtgebiet. Auf dem Betriebsgrundstück Abschnede 202 unterhält das Malerei- und Gerüstbauunternehmen des Klägers eine Lagerhalle für Farben und Gerüstteile. Die Abschnede zweigt südlich der Stadtmitte Cuxhavens in östlicher Richtung von der Altenwalder Chaussee ab. Aufgrund einer verkehrsbehördlichen Anordnung der Beklagten vom 28. November 2001 wurde ein bestimmter Abschnitt der Straße zwischen der Einmündung in die Altenwalder Chaussee und der Zufahrt zu dem Kundenparkplatz des Unternehmens "Marktkauf" durch das Zeichen 262 zu § 41 StVO für den Verkehr mit Fahrzeugen über einem tatsächlichen Gewicht von 2,8 t gesperrt. Vorausgegangen war ein gerichtlicher Vergleich vom 12. September 2001 in dem Normenkontrollverfahren vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Kerz gegen die Stadt Cuxhaven (1 K 3499/00). Darin hatte sich die Beklagte u.a. verpflichtet, die Abschnede zwischen Altenwalder Chaussee und dem "Marktkauf" für Lastkraftwagen über 2,8 t in beiden Richtungen zu sperren und durch Hindernisse den Lkw-Verkehr tatsächlich auszuschließen. Der Verwaltungsausschuss der Beklagten hatte am 18. Oktober 2001 beschlossen, den Vergleich zu widerrufen, gleichzeitig aber die vorgesehenen Verkehrsbeschränkungen auch ohne diese Verpflichtung, wenn auch in abgeänderter Form, zu erlassen. Das Normenkontrollverfahren ist inzwischen erfolglos beendet.
Der Kläger, dessen Betriebsgrundstück östlich des gesperrten Straßenzuges liegt, beantragte mit Schreiben vom 01. Dezember 2001 bei der Beklagten, ihm die Ausnahmegenehmigung zu erteilen, die Abschnede in Richtung Altenwalder Chaussee mit betriebseigenen Lastkraftwagen über 2,8 t zu befahren. Seine Fahrzeuge seien täglich etwa dreimal im Einsatz zu den Baustellen, vorwiegend über die Altenwalder Chaussee. Die Sperrung nötige die Fahrer zu einem Umweg von 3 km Länge über die nordöstlich anschließende Industriestraße, und dies bedinge einen Zeitverlust von jeweils 6 Minuten. Dies ergebe bei zwei Lastkraftwagen sowie drei An- und Abfahrten 36 km Fahrtaufwand bei 72 Minuten Dauer an jedem Tag. Jeder Lastkraftwagen sei mit drei Mitarbeitern besetzt, und dies erhöhe die täglichen unproduktiven Zeiten um 216 Minuten, mithin 3,6 Stunden. Dieser Umstand sei eine "betriebswirtschaftliche Katastrophe". Die jährlichen Lohnkosten stiegen um 38.340,00 DM an. Die jährliche Fahrleistung jedes Lastkraftwagens erhöhe sich von 6.000 km auf 13.200 km mit entsprechenden Betriebskosten.
Den Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Dezember 2001 ab. Hintergrund des vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht geführten Normenkontrollverfahrens gegen die Gültigkeit eines Bebauungsplanes sei u.a. die ungelöste Frage des Lärmschutzes für die Wohnhäuser im betreffenden Bereich der Abschnede. Auf den - widerrufenen - Vergleich hin habe der Verwaltungsausschuss der Beklagten beschlossen, im westlichen und östlichen Teil der Abschnede Durchgangssperren für Lastkraftwagen zu errichten. Östlich sei eine Höhensperre ("Pergola") aufgestellt worden. Im westlichen Bereich der Abschnede sei bis zur Errichtung der Anlage eine Sperrung mittels Beschilderung angeordnet worden. Für den Durchgangsverkehr könne keine Ausnahme von der Gewichtsbeschränkung erteilt werden. Solches würde dem Sinn der Verkehrsberuhigung und der Lärmminderung widersprechen. Die vom Kläger angeführten wirtschaftlichen Gründe der Zeitverzögerung und der damit verbundenen Kostenerhöhungen seien bei der Abwägung zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall sei das öffentliche Interesse höher anzusehen als die privaten wirtschaftlichen Interessen des Klägers.
Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 14. Januar 2002 Widerspruch. Die Erwägungen der Beklagten seien fehlerhaft. Maßgebend für die Ablehnung sei nicht etwa der mangelnde Ausbauzustand, sondern allein ungeklärte Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Gültigkeit eines Bebauungsplanes. Es fehle an der notwendigen straßenverkehrsrechtlichen Begründung. Reine Zweckmäßigkeitserwägungen, wie hier im Hinblick auf den Rechtsstreit zwischen Anwohnern und der Beklagten, seien unzulässig. Das Betriebsgrundstück habe er von der Beklagten gekauft. Die zugesicherten Erschließungseigenschaften, die ihn zum Erwerb der Fläche und zum Bau der Lagerhalle bewogen hätten, seien bis zum Erlass der Gewichtsbeschränkungen vorhanden gewesen. Die rechtswidrige Maßnahme verursache erhebliche betriebswirtschaftliche Verluste, auf die er im Einzelnen hingewiesen habe. Ihm gehe es darum, mit seinen zwei Lastwagen bis zu dreimal täglich die Betriebsstätte ohne Umweg von der Altenwalder Chaussee anzufahren.
Den Widerspruch wies die Bezirksregierung Lüneburg mit Bescheid vom 02. Mai 2002 zurück. Die Beklagte habe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs und zur Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße sowie zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen die Benutzung der Straße beschränkt. Die Aussage des Klägers, die Verhängung der Gewichtsbeschränkung würde mit einem Rechtsstreit in einem Bauleitverfahren und nicht straßenverkehrsrechtlich begründet, treffe insofern nicht zu. Im Hinblick darauf sei die Begründung des angefochtenen Bescheides unvollständig. Der Verfahrensfehler sei jedoch heilbar. Die Begründung werde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ergänzt. Eine Erteilung der Ausnahmegenehmigung liege im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Der Kläger habe mithin keinen grundsätzlichen Anspruch auf Erteilung. Die Beklagte sei bei der Ausübung ihres Ermessens streng an die gesetzlichen Vorschriften gebunden. Die Ausnahmegenehmigung setze zwingend Gründe voraus, die das öffentliche Interesse an dem Verbot des Befahrens mit Fahrzeugen über 2,8 t überwiegen, und dürfe das Schutzgut der Ausnahmebestimmung nicht wesentlich beeinträchtigen. Die öffentlichen Belange der Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße sowie des Schutzes der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen seien unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen die besonderen Interessen des Klägers abzuwägen. Generell dürften Ausnahmegenehmigungen nur bei besonderer Dringlichkeit unter strengen Anforderungen an den Nachweis ihrer Voraussetzungen erteilt werden. Die vom Kläger geltend gemachten wirtschaftlichen Gründe allein rechtfertigten eine Erteilung der Ausnahmegenehmigung nicht. Es sei durchaus zumutbar, den im Widerspruch bezeichneten Umweg zu fahren, zumal die Betriebsstätte trotz bestehender Gewichtsbeschränkung weiterhin mit den Lastkraftwagen erreichbar sei. Die Aussage, das Betriebsgrundstück habe durch die Gewichtsbeschränkung die zugesicherten Erschließungseigenschaften verloren, treffe nicht zu. Außerdem würde die zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen sowie zur Verhütung von außerordentlichen Schäden an der Straße getroffene verkehrsbehördliche Anordnung durch Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung unterlaufen. Außerdem sei zu befürchten, dass weitere Ausnahmegenehmigungen von der Gewichtsbeschränkung beantragt würden. Deren Versagung wäre dann im Hinblick auf eine dem Kläger erteilte Ausnahmegenehmigung nicht mehr möglich. Damit wäre der Schutzzeck der verkehrsbehördlichen Anordnung verfehlt.
Dagegen ist am 27. Mai 2002 die vorliegende Klage eingegangen. Der Kläger verfolgt sein Begehren mit dem bisherigen Vortrag weiter und ergänzt:
Die wahren Ablehnungsgründe der Beklagten seien in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid unzutreffend umgedeutet worden. Die Beweggründe der Beklagten, straßenverkehrsrechtliche Beschränkungen zu erlassen, lägen eindeutig in dem Normenkontrollverfahren, das die Anlieger der westlichen Abschnede angestrengt haben. Es sei eindeutig, dass die Gründe für die Maßnahmen planungsrechtlicher Art seien. Die Verhängung der Verkehrsbeschränkungen beruhten auf sachfremden Erwägungen. Bei dem betreffenden Streckenabschnitt handele es sich um eine etwa 9 m breite Straße mit Verbundsteinpflaster, die teilweise mit Bitumen ausgebessert worden sei. Sie entspreche in ihrem Unterhaltungszustand den meisten stark befahrenen Straßen der Stadt Cuxhaven und habe in den vergangenen Jahren, als das Gewerbegebiet Groden noch nicht bestand, problemlos den bestehenden Lkw-Zulieferverkehr für die bestehenden Großmärkte verkraftet. Es sei nicht ersichtlich, dass durch den Lastkraftverkehr außerordentliche Schäden entstehen könnten, die verhütet werden müssten. Durch die Ansiedlung von Großmärkten, wie z.B. "Marktkauf" oder "Bening", sei ein sehr hohes Verkehrsaufkommen entstanden. Der angestrebte Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen werde nicht erreicht, da die ferngehaltenen Lastkraftwagen nur einen kleinen Teil der Verkehrsbelastung in der Abschnede ausmachten. Die im östlichen Bereich der Abschnede errichtete Höhensperre werde häufig durch Lastkraftwagen umfahren, weil die auf der benachbarten Straßenseite errichtete Schranke leicht zu öffnen sei. Dies zeige, dass die Beklagte an jener Stelle keine wirksame Kontrolle ausübe und damit auch nicht sonderlich bemüht sei, die angeblich notwendigen Maßnahmen zur Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße sowie zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen in die Tat umzusetzen. Von einem "faktischen Ausschluss" des Schwerlastverkehrs könne jedenfalls nicht die Rede sein.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 02. Mai 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Ausnahmegenehmigung zu erteilen, mit seinen betriebseigenen Lastkraftwagen über 2,8 t die Abschnede im Bereich der angeordneten Gewichtsbeschränkungen zwischen dem Betriebsgrundstück Abschnede 202 und der Altenwalder Chaussee zu befahren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der vom Kläger vorgebrachte Einwand, es handele sich bei den Verkehrsbeschränkungen nicht um eine Maßnahme zum Schutz vor Lärm und Abgasen, sei zurückzuweisen. Eine Einschränkung des Lieferverkehrs mit Schwerlastfahrzeugen sei notwendig geworden. Auf dem betreffenden Teil der Abschnede sei eine hohe tägliche Verkehrsbelastung von 12.000 bis 13.000 Kraftfahrzeugen festgestellt worden. Die Erhebungen beruhten auf einer Verkehrslärmuntersuchung durch den vereidigten Sachverständigen für Verkehrsplanungen Professor Fornaschon. Die Gewichtsbeschränkung sei auch durch den schlechten Straßenzustand notwendig geworden. Die Gewichtsbeschränkung allein sei nicht durchzusetzen gewesen. Der Verkehrsaußendienst der Beklagten habe innerhalb von vier Monaten über 1.000 Verwarnungen wegen Verstoßes hiergegen aussprechen müssen. Deswegen sei zusätzlich die Höhenbegrenzung im östlichen Teil der Straße erlassen worden. Die zeitweilige Offenhaltung der Schranke auf der dort gegenüberliegenden Fahrbahn, worin nach Ansicht des Klägers ein Anzeichen für eine mangelnde Bereitschaft der Beklagten zur Umsetzung der Beschränkungen zu erblicken sei, stehe im Zusammenhang mit notwendigen Instandsetzungsarbeiten nach Beschädigung durch einen Lkw und mit saisonaler Nutzung durch übergroße landwirtschaftliche Fahrzeuge. Von der Gewichtsbeschränkung im westlichen Abschnitt seien nur wenige Ausnahmen zugelassen worden. Diese beträfen zum einen Gewerbetreibende, deren Zufahrt im unmittelbaren Einfahrtsbereich etwa 50 m von der Altenwalder Chaussee liege. Zum anderen sei drei Landwirten die Genehmigung zum Befahren dieses Abschnittes mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen erteilt worden. Für den gewerblichen Kraftverkehr seien bislang keine Ausnahmeregelungen getroffen worden. Es sei auch nicht vorgesehen, einen Präzedenzfall zu schaffen.
Den gleichzeitig gestellten Eilrechtsschutzantrag des Klägers (1 B 932/02) hat die Kammer mit Beschluss 10. Juli 2002 abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung. Auch ein Anspruch auf erneute Bescheidung seines Ausnahmebegehrens durch die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts steht dem Kläger nicht zu, weil die Ausübung des behördlichen Ermessens durch die Beklagte und durch die Widerspruchsbehörde bei der Ablehnung des Antrages rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Das Verlangen des Klägers richtet sich nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO. Aufgrund der Vorschrift können die Straßenverkehrsbehörden in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen von den Verboten oder Beschränkungen, die durch Vorschriftzeichen, Richtzeichen, Verkehrseinrichtungen oder Anordnungen erlassen sind. Darin liegt die Ermächtigung zum Erlass verkehrsregelnder Anordnungen für konkrete Sachverhalte oder bestimmte Verkehrsteilnehmer. Von ihr sind nur Ausnahmefälle erfasst. Wie sich aus dem Zweck des § 46 StVO ergibt, sollen von generellen straßenverkehrsrechtlichen Regelungen, die nach der Straßenverkehrsordnung bestehen oder von der Straßenverkehrsbehörde nach § 45 StVO angeordnet worden sind, in sachlich besonders gelagerten Einzelfällen Ausnahmen erteilt werden können. Diese Möglichkeit besteht, solange die eine Ausnahmeregelung rechtfertigende Situation andauert. Bei der Entscheidung über eine Ausnahme von einem Verkehrsverbot hat die Straßenverkehrsbehörde dem mit dem Verbot verfolgten öffentlichen Interesse die besonderen Belange der von dem Verbot Betroffenen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenüberzustellen . Die Belange der Betroffenen sind auch insoweit einzubeziehen, als sie keinen grundrechtlichen Schutz genießen. Es können grundsätzlich aber auch grundrechtlich geschützte Belange von einem vorrangigen öffentlichen Interesse verdrängt werden (BVerwG, Urteil vom 22.12.1993 - 11 C 45.92 -, Buchholz 442.151 § 46 StVO Nr. 9 = NJW 1994, 2037 [BVerwG 22.12.1993 - BVerwG 11 C 45.92] m.w.N.).
Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung kommt es zunächst nicht darauf an, ob der Ansicht des Klägers entsprechend die straßenverkehrsbehördliche Anordnung der Gewichtsbeschränkungen auf einem Teilstück der Abschnede vom 28. November 2001 rechtmäßig ist. Diese Maßnahme, bei der es sich um eine Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 2 VwVfG handelt, ist insbesondere vom Kläger als Betroffenem nicht angefochten worden. Sie ist daher wirksam und entfaltet damit Bindungswirkung zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits.
Zu Recht verweist die Beklagte darauf, dass die angeordneten Beschränkungen u. a. dem Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen dienen. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung bildet die Vorschrift des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO den Maßstab zur Beurteilung der Lärmbelastung, der die Anwohner ausgesetzt sind. Im Gegensatz zum Straßenrecht bestimmt kein bestimmter Lärmpegel die Grenze der Zumutbarkeit. Es sind vielmehr Lärmeinwirkungen zu berücksichtigen, die jenseits dessen liegen, was im konkreten Fall unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs als ortsüblich hingenommen werden muss. Der einzelne besitzt daher noch keinen Anspruch auf behördliche Schutzmaßnahmen, wenn ein bestimmter Schallpegel überschritten wird. Er kann lediglich eine ermessensfehlerfreie Entscheidung beanspruchen. Dabei hat die Straßenverkehrsbehörde nicht nur auf die gebietsbezogene Schutzbedürftigkeit der Anlieger sowie eine eventuell gegebene Lärmvorbelastung abzustellen. Sie muss vielmehr auch die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer würdigen. Ebenso hat sie die Interessen anderer Anlieger in Rechnung zu stellen, die ihrerseits infolge lärmreduzierender Maßnahmen von übermäßiger Lärmemission belastet wären. Solche Belastungen könnten sich zum Beispiel als Folge einer Verlagerung des Verkehrs einstellen. Dabei darf die Behörde in Wahrung allgemeiner Verkehrsrücksichten und sonstiger entgegenstehender Belange von solchen Maßnahmen um so eher absehen, je geringer der Grad der Lärmbeeinträchtigung ist, der entgegengewirkt werden soll (BVerwG, a.a.O.).
Aus den Verwaltungsvorgängen ergibt sich, dass vor allem die enge Wohnbebauung an der nördlichen Seite der Abschnede im Bereich der Zugangsstraßen "Töpfers Weg" und "Am Lehstrom" einer erheblichen Lärm- und Abgasbelastung infolge des starken Durchgangsverkehrs ausgesetzt ist. Diese Belastung verstärkt sich insbesondere dadurch, dass bei der Einmündung in die Altenwalder Chaussee während der Verkehrsspitzenzeiten vor dem Wohnbereich erheblicher Stau entsteht, der durch haltende und wiederanfahrende Fahrzeuge den Dauergeräuschpegel und die Abgaskonzentration weiter anhebt. Angesichts eines gemessenen täglichen Verkehrsaufkommens von 12.000 bis 13.000 Kraftfahrzeugen hat die Beklagte damit einen Sachverhalt vorgefunden, der nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO hinreichenden Anlass bot, Schutzvorkehrungen mit dem Ziel zu treffen, das Maß der Lärm- und Abgasbelastung zu senken. Geeignet und erforderlich zur Erreichung des angestrebten Ergebnisses ist eine Ausdünnung des regelmäßigen Verkehrsstromes. Eine Annäherung an diesen Zustand konnte die Beklagte dadurch erreichen, dass sie den Schwerlastverkehr mit Fahrzeugen über 2,8 t tatsächlichen Gewichts von der Benutzung des betreffenden Teilstücks der Abschnede ausschloss. Ob etwa eine anders ausgestaltete Regelung den gleichen Erfolg herbeiführen würde, kann der Kläger schon mit Rücksicht auf den wirksamen Erlass der Anordnung nicht geltend machen, im Übrigen steht die Auswahl dieses unter mehreren vergleichbar geeigneten Mitteln grundsätzlich im straßenverkehrbehördlichen Ermessen der Beklagten.
Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der erlassenen Straßenverkehrbeschränkungen hat sich durch Erhebungen und Untersuchungen, die von der Beklagten nachträglich zusätzlich in Auftrag gegeben worden sind, bestätigt. Dies ergibt sich aus einem ergänzenden Gutachten über Veränderungen der Verkehrslärmsituation im Vergleich zu den Belastungen vor der Sperrung der Abschnede-West für den Schwerlastverkehr, das im Dezember 2002 durch das Ingenieurbüro Neumann und Grube, Stade, vorgelegt worden ist. Das Gutachten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 20. August 2003. Die Untersuchungen erstreckten sich u. a. auf die Abschnede und dort auf den Abschnitt 1 zwischen der Einmündung an der Altenwalder Chaussee und Töpfers Weg, auf den Abschnitt 2 zwischen Töpfers Weg und der westlichen Grundstücksgrenze "Marktkauf" und auf den Abschnitt 3 zwischen der westlichen und der östlichen Grundstücksgrenze "Marktkauf". In allen Abschnitten machte das Schwerverkehrsaufkommen des Jahres 2001 von jeweils 12.900, 12.200 und 12.200 Kfz/24 Std. 8% aus. Es ging infolge der Verkehrsbeschränkungen auf jeweils 0,5%, 0% und 4% zurück. Insbesondere auf dem zweiten Abschnitt der Straße wurde dadurch für alle dort vorhandenen Wohnhäuser eine rechnerisch deutlich wahrnehmbare Lärmminderung erreicht, die nach den Feststellungen des Gutachtens für alle Gebäudeseiten im Mittel 4 bis 5 dB(A) am Tage und 2 dB(A) in der Nacht beträgt. An den einzelnen Messpunkten der Wohngebäude ergaben sich im Jahre 2001 tagsüber Bewertungspegel von deutlich über 60 dB(A) bis zu Spitzenwerten bei 68 und 69 dB(A), die im Jahre 2002 entsprechend abgesenkt werden konnten. Die von der Beklagten erkannten, für ein reines Wohngebiet nicht mehr zumutbaren Lärmbelastungen sind mit diesen vergleichenden Messergebnissen in überzeugender Weise objektiviert worden. Ebenso plausibel erweisen die erhobenen Schallpegel für den Zeitraum nach Verhängung des Durchfahrtverbots für den Schwerlastverkehr, dass die Maßnahme entscheidend zu einer Verbesserung des Schutzes der Wohnbevölkerung gegen Lärm und dementsprechend auch gegen Abgase geführt hat.
Die Abwägung der individuellen Belange des Klägers mit dem öffentlichen Interesse, eine möglichst weit gehende Minderung des Verkehrsaufkommens zur Vermeidung übermäßiger Lärm- und Abgasbelastungen für die Wohnbevölkerung herbeizuführen, und die darauf beruhende Ablehnung des Antrages auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung stellt sich nicht als rechtsfehlerhaft heraus. Maßstab der gerichtlichen Überprüfung sind die Rechte des Klägers aus den Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG. Die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde, Ausnahmen von den Einschränkungen gewerblich geprägter Verkehrsarten zur Wahrung der in § 45 Abs. 1 StVO genannten Schutzgüter nicht zuzulassen, hat eine reine Berufsausübungsregelung zum Inhalt. Der Kläger ist mit seinem Malerei- und Gerüstbauunternehmen dem Schicksal der Straßen unterworfen, auf denen er sein Gewerbe ausübt; er muss, ebenso wie die Straßenanlieger, Verkehrsregelungen oder Verlagerungen des Verkehrs grundsätzlich hinnehmen, mit denen die Straßen den sich wandelnden Bedürfnissen des Verkehrs und seiner Sicherheit und Leichtigkeit angepasst werden. Etwas anderes kann nur dort in Betracht kommen, wo die verändernden Verkehrsregelungen gänzlich außergewöhnlich oder ihre Folgen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise so erheblich sind, dass sie die Existenz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes unmittelbar bedrohen. Eine solche Existenzgefährdung macht aber der Kläger selbst nicht ernsthaft geltend, obwohl er die verhängten Verkehrsbeschränkung als "betriebswirtschaftliche Katastrophe" bezeichnet hat. Tatsachen, die diesen Einwand begründen können, sind aber nach dem Sachverhalt nicht gegeben. Die betroffenen Lkw des Betriebs sind nicht gehindert, jeden Punkt des Cuxhavener Stadtgebiets, wo der Kläger vorwiegend seine Baustellen unterhält, zu erreichen. Es müssen allein die unstreitig durch das Verkehrsverbot erzwungenen Umwege von jeweils etwa 3 km in Kauf genommen werden. Die vom Kläger errechneten Beeinträchtigungen seiner Gewinnchancen als Folge erhöhter Betriebskosten liegen innerhalb seines beruflichen Risikos und im Rahmen der Sozialbindung seines Eigentums (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.4.1980 - 7 C 19.78 -, Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 8 = DVBl 1980, 1045 [BVerwG 25.04.1980 - 7 C 19/78]). Der Erschließungsvorteil zum Zeitpunkt, als der Kläger das Betriebsgrundstück von der Beklagten erwarb, hat sich nicht zu einer eigentumskräftigen Rechtsposition verdichtet, die bei der öffentlich-rechtlichen Entscheidung über eine straßenverkehrsrechtlich notwendige Umlenkung bestimmter Verkehrsströme besonders zu berücksichtigen wäre. Die Ausübung straßenverkehrsrechtlicher Befugnisse ist dem übertragenen Wirkungskreis der Beklagten zuzurechnen und unterliegt, soweit der Kläger bestimmte vertraglich vorausgesetzte Erschließungseigenschaften des Grundstücks geltend machen will, im vorliegenden Rechtsstreit keinen zivilrechtlich verankerten Bindungen. Die dem Kläger aus der Verkehrsbeschränkung erwachsenden Nachteile durfte die Beklagte daher bei ihrer Ablehnungsentscheidung gegenüber dem beabsichtigten Schutz der Wohnbevölkerung vor unzumutbaren Lärm- und Abgaseinwirkungen zurückstellen.
Bei ihren Ermessenserwägungen zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO durfte die Beklagte im Übrigen auch die Schwierigkeit berücksichtigen, welche die Abgrenzung zu weiteren potentiellen Interessenten an Ausnahmegenehmigungen bereiten muss. Insoweit hat die Beklagte entsprechend der Begründung des Widerspruchsbescheides mit Recht darauf hingewiesen, dass dann, wenn die Fahrzeuge des Kläger über 2,8 t Gewicht von den Beschränkungen im westlichen Teil der Abschnede ausgenommen würden, erhebliche Schwierigkeiten entstünden, sachlich überzeugend dem übrigen gewerblich betriebenen Schwerlastverkehr der in der Umgebung ansässigen Betriebe die Gewährung von Ausnahmen vorzuenthalten, der in ähnlicher Weise durch die Straßensperrung betroffen sein kann. Da der Einsatz schwerer Lkw durch andere, benachbarte Betriebe eine gegenüber dem Betrieb des Klägers vergleichbare Bedeutung haben kann, würde eine dem Kläger zugebilligte Ausnahmeregelung die Gefahr einer weiteren Ausdehnung dieser Ausnahmen mit der Folge herbeiführen, dass der Zweck der Verkehrslenkung, das Verkehrsaufkommen im betroffenen Bereich der Abschnede zum Schutz der Wohnbevölkerung erheblich zu reduzieren, gefährdet wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.4.1980, a.a.O.).
Ob und inwieweit der weitere Ablehnungsgrund, außergewöhnliche Schäden an der Straße zu vermeiden, stichhaltig ist, kann nach allem auf sich beruhen, da der mit der Entscheidung verfolgte Schutzzweck, die Lärm- und Abgasbelastung für die Wohnbevölkerung zu verringern, zur Ablehnung der beantragten Ausnahmegenehmigung ausreicht. Möglicherweise hat der Kläger Recht, wenn er die Gefahr hoher Schäden für die Straßensubstanz durch den Schwerlastverkehr in Abrede stellt. Hierzu enthält der Widerspruchsbescheid, in dem dieser Gesichtspunkt erstmals behandelt worden ist, im Einzelnen keine Feststellungen. Auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen hat dieser Umstand jedoch im Ergebnis keinen Einfluss.