Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 20.03.2012, Az.: 1 A 1074/10
Anspruch eines Fischereisportvereins auf Einhaltung bestimmter Stauhöhen an einem Wehr ohne vorherige Durchführung eines wasserrechtlichen Verfahrens
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 20.03.2012
- Aktenzeichen
- 1 A 1074/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 13975
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2012:0320.1A1074.10.0A
Rechtsgrundlage
- Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG
Amtlicher Leitsatz
Ein Fischereisportverein hat ohne vorherige Durchführung eines wasserrechtlichen Verfahrens keinen Anspruch auf Einhaltung bestimmter Stauhöhen an einem Wehr, wenn es hierüber keine Unterlagen mehr gibt und in vergangenen Jahrzehnten keine einheitliche Stauhöhe praktiziert wurde. Ein rechtserheblicher Eintritt in ein privates Fischereirecht setzt voraus, dass dieses Recht in seiner Substanz betroffen ist.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Einhaltung bestimmter Stauhöhen am Ostewehr in Bremervörde.
Der Kläger ist Inhaber des Koppelfischereirechtes im Oberlauf der Oste gemäß einem Rezess vom 29. Oktober 1902. Der Beklagte ist Betreiber des Ostewehres bei Bremervörde. Dem Betrieb dieser Wehranlage liegt die folgende historische Entwicklung zugrunde:
Nach einem Rezess vom 09. Dezember 1867 war der jeweilige Eigentümer der früheren Mühle in Bremervörde (sogenannte Schabbelsche Mühle) berechtigt, die Oste wie folgt anzustauen:
01.11 bis 31.03. | 2,45 m über NN |
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01.11. bis 31.03. | 2,59 m über NN, (wenn das Unterwasser |
der Oste über 1,26 m über NN anstieg) | |
01.04. bis 30.04 | 2,11 m über NN |
01.05. bis 14.10. | 2,01 m über NN |
15.10 bis 31.10. | 2,11 m über NN |
Im Jahre 1950 wurde im Bereich der Schabbelschen Mühle der Osteumfluter mit neuem Wehr und einer angegliederten Schleuse erbaut, um damit eine Verbesserung des Hochwasserabflusses zu erreichen. Für diese Maßnahme wurde ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt; Unterlagen über den ergangenen Planfeststellungsbeschluss sind nicht vorhanden, also auch keine seinerzeit planfestgestellten Stauhöhen. Im Zuge dieser Baumaßnahme wurde mit der Mühleneigentümerin am 24. Juli 1950 ein notarieller Vertrag geschlossen, in dem sich die Eigentümerin der Mühle, Frau F., u.a. verpflichtete, die Oste nur noch bis 1,90 m über NN anzustauen. Dieses Staurecht wurde im Wasserbuch eingetragen. Gemäß dieser Vereinbarung erließ das damalige Wasserwirtschaftsamt Stade am 31. Januar 1953 eine vorläufige Dienstanweisung für die staatliche Wehr- und Schleusenaufseherstelle in Bremervörde. In dieser Dienstanweisung ist festgehalten, dass der Wehr- und Schleusenwärter grundsätzlich darauf zu achten hat, dass an der Wehranlage die Stauhöhe von 6,90 m am Pegel nicht unterschritten wird. Dieser Wert entspricht einer Stauhöhe von 1,90 m über NN. Nach dieser vorläufigen Dienstanweisung wurde in der Folgezeit verfahren.
Am 24. Juli 1974 übertrug die Mühleneigentümerin das Staurecht an die G. e.G. Im September 1977 kaufte der Wasser- und Bodenverband "Osteregulierung zwischen Bremervörde und Eitzte" dieses Staurecht durch notariellen Kaufvertrag. Am 14. September 1978 ließ der Wasser- und Bodenverband das Staurecht im Wasserbuch löschen. Nach erfolgter Löschung erließ das Wasserwirtschaftsamt Stade eine neue Dienstanweisung vom 25. September 1979 für den Wärter der Wehr- und Schleusenanlage Bremervörde. In § 5 dieser Dienstanweisung ist festgehalten, dass der Schleusenwärter die Wehranlage derart zu betreiben hat, dass ständig ein Wasserstand von + 1,90 m über NN gehalten wird. Weiter heißt es in § 5, dass der Schleusenwärter auf Antrag des Verbandes und nach Rücksprache mit dem WWA Stade zur Zeit der Heuernten den Wasserstand um 30 cm zu senken hat. Diese Dienstanweisung wurde sodann am 30. Juli 1980 erneut geändert. In § 5 dieser Dienstanweisung ist nunmehr Folgendes bestimmt:
Der Schleusenwärter hat grundsätzlich die Wehranlage so zu betreiben, dass ständig ein Wasserstand von NN + 1,90 m gehalten wird. Der Schleusenwärter hat auf Antrag des WBV "Osteregulierung zwischen Eitzte und Bremervörde" und auf Anordnung der Leiters des WWA oder dessen Beauftragten zur Zeit der Heuernten den Wasserstand auf NN + 1,60 m zu senken. In Sonderfällen, zum Beispiel bei extrem hohen Niederschlägen, Tauwetter oder Eisgang sind nach Weisung des Leiters des WWA oder dessen Beauftragten im Einvernehmen mit dem Landkreis Rotenburg den jeweiligen Abflussverhältnissen entsprechende, kurzzeitig von der o.g. Regelung abweichende Wasserstände zu halten. |
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Gemäß dieser Dienstanweisung ist das Ostewehr in den Folgejahren betrieben worden. Dadurch haben sich allerdings Interessenkonflikte ergeben, und zwar zwischen der Landwirtschaft einerseits und Sportfischervereinen bzw. Naturschutzverbänden auf der anderen Seite. Die Landwirtschaft hat vornehmlich für die Sommermonate die Einhaltung niedrigerer Stauhöhen gefordert, da es eine Heuernte im Sinne der Dienstanweisung nicht mehr gebe, sondern die Grassilageabfuhr fast den ganzen Sommer über betrieben werde. Die Sportfischervereine und der Naturschutz machen demgegenüber geltend, dass im Oberlauf der Oste eine Absenkung des Wasserstandes zu nachteiligen Folgen für die Jungfische bzw. den Naturhaushalt führen würde. Im diesen Sinne wandte sich die Arbeitsgruppe der Naturschutzverbände im Landkreis Rotenburg/Wümme mit Schreiben vom 06. September 1985 an die Obere Naturschutzbehörde bei der damaligen Bezirksregierung Lüneburg. In diesem Schreiben wendet sich die Arbeitsgruppe gegen die Absenkung des Wasserspiegels auf ca. 1,60 m über NN und fordert, zumindest die frühere Stauhöhe von 1,90 m wiederherzustellen. Der Bedeutung des Gebietes entsprechend sei eine Stauhöhe von 2,10 m anzustreben. Auf der anderen Seite wandte sich auch das Niedersächsische Landvolk - Kreisverband des alten Kreises Bremervörde e.V. - mit Schreiben vom 21. Mai 1987 an die Bezirksregierung Lüneburg. Das Landvolk macht in diesem Schreiben geltend, die Stauziele des Ostewehres in Bremervörde seien nunmehr höher festgelegt als in den Vorjahren. Dadurch ergäben sich erhebliche Wirtschaftserschwernisse für die Landwirtschaft, die nicht entschädigungslos hingenommen werden könnten. Zuvor hatte das Landvolk diese Bedenken bereits mit Schreiben vom 29. August 1996 gegenüber dem Staatlichen Amt für Wasser- und Abfall in Stade vorgetragen.
Mit Schreiben vom 12. November 1996 teilte das Staatliche Amt für Wasser und Abfall Stade dem Niedersächsischen Landvolk mit, dass nach seiner Einschätzung die Wiesen im Bereich der Beverniederung ausreichend entwässert seien, so dass eine Bewirtschaftung im Sommer 1996 möglich gewesen sei. Allerdings werde die Problematik gesehen, dass diese Flächen, die zum großen Teil unter NN + 2,00 m lägen, bei einem Wasserstand von NN + 1,90 m nicht optimal bewirtschaftet werden könnten. Dem werde in Zukunft Rechnung getragen, indem der Wasserstand ab dem 15. April eines jeden Jahres je nach Witterungsverlauf auf bis 1,70 m über NN abgesenkt werde. Dieses Verfahren war mit der Unteren Wasserbehörde des Landkreises Rotenburg/Wümme abgestimmt; in dieser Weise wurde in der Folgezeit - bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt - verfahren. Lediglich im Juni 2007 erfolgte eine Absenkung auf 1,40 m über NN wegen des aufgetretenen Sommerhochwassers. Am 20. Juni 2007 wurde das Wehr wieder auf einen Wasserstand von 1,70 m über NN eingestellt.
Der Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 29. September 2003 an die damalige Bezirksregierung Lüneburg und beantragte eine Erlaubnis zur Benutzung eines Gewässers gemäß § 10 des Niedersächsischen Wassergesetzes durch Erteilung eines Staurechtes für das Ostewehr in Bremervörde. Man habe ein Staurecht und damit eine Rechtsgrundlage für den Betrieb des Ostewehrs in Bremervörde nicht ermitteln können. Es werde daher die Erlaubnis beantragt, den Wasserstand in der Oste in der Zeit vom 15. 04. bis 30.09. eines jeden Jahres auf NN + 1,70 m und vom 01.10. bis 30.03. eines jeden Jahres auf NN + 1,90 m anzustauen. In Sonderfällen, z.B. bei zu erwartenden Hochwasserwellen nach starken Niederschlagsereignissen, solle der Wasserstand kurzfristig abgesenkt werden, um Stauraum zu schaffen. Eine Entscheidung über diesen Antrag ist noch nicht erfolgt. Das Landvolk Niedersachsen - Kreisverband Bremervörde e.V. - machte mit Schreiben vom 14. Oktober 2003 gegenüber der Bezirksregierung Lüneburg Stauhöhen von NN + 1,50 m in der Zeit vom 15.03 bis 30.09. und von NN + 1,80 m in der Zeit vom 01.10. bis 14.03. eines jeden Jahres geltend. Wegen des Antrages des Beklagten kam es am 26. Februar 2004 beim Landkreis Rotenburg/Wümme zu einem Erörterungstermin. Als Ergebnis dieser Anhörung zeichneten sich vier Varianten über die mögliche zukünftige Gestaltung der Wasserstandsregulierung am Ostewehr ab:
- 1.
Vollständige Niederlegung des Staues,
- 2.
Absenkung des derzeitigen Stauzieles um wenige Dezimeter,
- 3.
Beibehaltung der derzeitigen Stauregelung,
- 4.
Änderung der derzeitigen Stauregelung, so dass die Regelung für den Sommerstau bereits einen Monat früher gilt.
Eine einvernehmliche Favorisierung einer Variante konnte zwischen den Beteiligten jedoch nicht erzielt werden. Das eingeleitete wasserrechtliche Verfahren wurde in der Folgezeit nur schleppend weiterbetrieben. Der Beklagte fasste in einem Vermerk vom 20. Januar 2007 den Sachstand dahingehend zusammen, dass für eine Sachentscheidung zunächst drei Gutachten erforderlich seien, und zwar eine hydraulische Wasserspiegellagenberechnung, wegen Tideeinfluss instationär und zweidimensional, ein hydrogeologisches Gutachten zur Entwicklung der Grundwasserstände und ein naturschutzfachliches Gutachten zur Prognose der künftigen Flächenentwicklung. Hierfür seien Mittel von insgesamt 120.000,00 EUR in Ansatz zu bringen.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 29. März 2010 bei dem Beklagten darauf hingewiesen, dass bis zum heutigen Tag über den Antrag des Beklagten vom 29. September 2003 nicht abschließend entschieden worden sei. Der Kläger schließe daraus, dass das jährliche Absenken des Wasserstandes ohne Rechtsgrundlage erfolge. Dadurch ergebe sich eine erhebliche Beeinträchtigung der Laichbestände. Der Beklagte werde deshalb aufgefordert, die zum 15. April 2010 beabsichtigte Absenkung des Pegelstandes zu unterlassen. Der Beklagte erwiderte darauf mit Schreiben vom 06. April 2010: Der Betrieb des Ostewehres werde durch eine Betriebsordnung geregelt. Diese seit langem geltende Betriebsordnung könne von ihm als Betreiber des Wehres nicht ohne Weiteres verändert werden. Für eine Änderung wäre ein wasserrechtliches Verfahren durch die zuständige Behörde durchzuführen.
Der Kläger hat am 01. September 2010 Klage erhoben, mit der er geltend macht:
Er sei Inhaber eines Koppelfischereirechtes in der Oste. Die Stauhöhe des Wehres in Bremervörde sei zunächst einheitlich auf NN + 1,90 m festgesetzt gewesen. Dieses sei bis zum Jahre 1996 so eingehalten worden. Erst 1996 habe der Rechtsvorgänger des Beklagten mitgeteilt, er werde künftig ab dem 15. April eines jeden Jahres je nach Witterungsverlauf den Wasserstand auf bis 1,70 m über NN absenken. Dieses beanstande der Kläger. Die Absenkung des Wasserstandes der Oste im Frühjahr führe zu einer empfindlichen Störung des Fischhaushaltes. Denn die Laichplätze würden nachhaltig beschädigt. Damit werde das Fischereirecht des Klägers nahezu wertlos. Der Beklagte setze diese Maßnahme um, ohne hierfür die erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis nach dem Wassergesetz zu besitzen. Er habe hierzu im September 2003 zwar einen Antrag gestellt. Dieser sei bis heute jedoch nicht beschieden. Gleichwohl praktiziere der Beklagte die beantragte Regelung bereits durchgehend. Die vom Beklagten beantragte Erlaubnis sei im Übrigen nicht zu erteilen, weil hierdurch das Fischereirecht des Klägers in enteignungsähnlicher Weise beeinträchtigt würde. Die nunmehr erhobene Klage sei auch nicht unzulässig. Es treffe nicht zu, dass die jetzige Praxis bereits 30 Jahre alt sei. So ergebe sich aus einem Schreiben der Bezirksregierung Lüneburg vom 15. Juli 2004, dass diese Regelung erst seit 1998 in der derzeitigen Form praktiziert würde. Bestätigt werde diese Auffassung im Übrigen durch die Antwort des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Elke Twesten im Niedersächsischen Landtag vom 09. Juni 2009. Der Beklagte räume selbst ein, dass die jetzige Regelung ein ausgleichender Kompromiss sei, dass also eine Änderung erfolgt sei. Die Rechte des Klägers seien dabei jedoch übergangen worden. Es könne jetzt nicht Sache des Klägers sein, aus eigenem Antrieb ein wasserrechtliches Verfahren anzustrengen. Im Übrigen sei die vorgenommene Absenkung im Interesse der Landwirtschaft nicht zwingend, da auftretende Rückstaue stets auf fehlender Drainage beruhten. Der Beklagte habe im Übrigen im Jahre 2011 eine weitere Absenkung um mindestens 10 cm vorgenommen. Dadurch würden pflanzenreiche Uferränder der Oste bzw. der Bever trockengelegt. Die Flachwasserzonen trockneten aus und Verbindungen mit Kolken würden unterbrochen. Hierbei handele es sich aber um die Kinderstube der Fische. Die Laichplätze der Frühjahrslaicher würden dadurch zerstört.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, am Ostewehr in Bremervörde den Wasserstand dauerhaft auf NN + 1,90 m anzustauen und den entgegenstehenden Bescheid vom 06. April 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei bereits unzulässig. Denn das für eine Änderung des Staubetriebes erforderliche wasserrechtliche Verfahren sei noch nicht durchgeführt. Der Kläger selbst habe insoweit noch nicht einmal einen Antrag gestellt. Mit seiner Klage verfolge der Kläger die Absicht, eine dauerhafte Veränderung der gegenwärtigen Stauhöhen zu erreichen, die aber einer seit mindestens 30 Jahren eingehaltenen Praxis entsprächen. Nach § 46 NWG bedürfe eine Änderung der Staumarken einer wasserbehördlichen Genehmigung. Denn die Staumarken seien Ausfluss der Benutzung eines Gewässers im Sinne von § 9 des Wasserhaushaltsgesetzes. Bei einer Änderung sei somit ein förmliches Erlaubnisverfahren erforderlich. Tatsächlich sei die Betriebsweise des Wehres auch unter den hiervon Betroffenen umstritten. Die Landwirtschaft wolle niedrigere Stauhöhen, um oberhalb des Wehres liegende Flächen trocken zu halten. Die Fischerei wolle hingegen einen höheren Wasserstand im Oberlauf und in den Seitengewässern im Interesse des Fischbesatzes. Auch der Naturschutz befürworte eine stärkere Vernässung im FFH- Gebiet Nr. 30 "Oste mit Nebengewässern". Die Stadt Bremervörde betone auf der anderen Seite, dass durch den Betrieb des Ostewehres der Hochwasserschutz nicht gefährdet werden dürfe. Aus diesen Gründen habe man einen Kompromiss gefunden: Die grundsätzliche Stauhöhe solle 1,90 m betragen und im Sommer solle eine Absenkung auf 1,70 m folgen. Auch gegen diese Verfahrensweise sei wiederholt Kritik geübt worden, und zwar auch vom Kläger, der im Jahre 2008 sogar deswegen eine Strafanzeige erstattet habe. Das daraufhin eingeleitete Verfahren sei jedoch eingestellt worden. Selbst wenn es für die jetzige Betriebsweise keine rechtlichen Grundlagen gäbe, folge daraus jedoch nicht, dass ein Anspruch auf eine unverzügliche Änderung des gegenwärtigen Zustandes bestehe. Denn auch eine Änderung müsse gemäß § 49 NWG berücksichtigen, dass hierdurch keine Gefahren oder Nachteile für andere Grundstücke einträten. Deshalb sei eine Untersuchung über die Auswirkungen einer Änderung erforderlich. Diese liege gegenwärtig noch nicht vor, obwohl bereits im Jahre 2003 ein Antrag gestellt worden sei. Der Grund dafür sei, dass die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel der Höhe nach begrenzt seien. Im Jahre 2003 habe es einen Planungsentwurf für den Bau eines sogenannten Umgehungsgerinnes gegeben. In diesem Verfahren seien verschiedene Stellungnahmen eingegangen. Es sei auch die Frage gestellt worden, ob die Wehranlage überhaupt noch erforderlich sei. Hierzu seien verschiedene Gutachten erforderlich. Bisher liege nur eine Untersuchung über die hydraulischen Auswirkungen beim Bau einer Sohlgleite vor. Im Übrigen liege ein Eintrag im Wasserbuch über eine Stauhöhe von NN + 1,90 m schon lange nicht mehr vor. Der Kläger könne seine Forderung also darauf nicht stützen. Es habe seit den 90-iger Jahren einen ständigen Streit gegeben. Die Landwirtschaft habe Druck gemacht, den Wasserstand zu senken. Der Beklagte habe, um die Belange des Naturschutzes und der Fischerei zu schützen, eine Absenkung nicht auf 1,60 m, sondern nur auf 1,70 m in den Sommermonaten durchgeführt, und zwar erst ab dem 15. April und nicht, wie vomLandvolkverband beantragt, bereits ab dem 01. April. Es habe in der Folge jahrelang keine Beschwerden gegeben. Erst nach dem Antrag vom 29. September 2003 habe der Kläger sich wiederum über die Vorgehensweise des Beklagten beschwert. Im Übrigen treffe es nicht zu, dass eine Absenkung grundsätzlich nicht erforderlich sei, was die Belange der Landwirtschaft angehe. Dies lasse sich durch Pegelaufzeichnungen für den Zeitraum März bis Oktober 1998 belegen. Eine Drainage wäre im Übrigen bei einem hohen Grundwasserspiegel wirkungslos. Die Entwässerung in dem betroffenen Bereich erfolge zudem durch Grüppen. Es treffe nicht zu, dass es im Jahre 2011 eine weitere Absenkung gegeben habe. Tatsächlich habe sich ein niedrigerer Wasserstand durch die extreme Trockenheit im Frühjahr 2011 ergeben. Es sei auch zu berücksichtigen, dass bei einem niedrigeren Wasserstand das Wasser gar nicht über das Wehr fließe, sondern über die Turbinenkanäle der früheren Mühle. Damit könne eine Regulierung über das Wehr bei niedrigen Wasserständen nicht erfolgen. Feststellungen des Beklagten hätten zudem ergeben, dass die Auswirkungen des Staus in Bremervörde nur ca. 8.500 m nach Oberstrom reichten, also etwa bis Minstedt.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist unbegründet, weil der Kläger die von ihm geforderte Einhaltung einer Stauhöhe von NN + 1,90 m am Ostewehr in Bremervörde nicht beanspruchen kann. Dazu im Einzelnen:
Der Kläger ist als Inhaber eines Koppelfischereirechtes im Bereich des Osteoberlaufes zu fischereilicher Gewässernutzung befugt. Das Fischereirecht fällt als dingliches Recht in den Schutzbereich des Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Der Kläger ist damit klagebefugt. In der Sache ist aber nicht hinreichend dargetan und auch nicht ersichtlich, dass diese eigentumsrechtliche Position des Klägers durch den Betrieb des Ostewehres, wie der Beklagte dies etwa seit 1996 handhabt, in dieser Rechtsposition verletzt wird. Daraus folgt, dass der Kläger die Einhaltung bestimmter Stauhöhen nicht beanspruchen kann. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB. Der Anspruch setzt nämlich voraus, dass der Betroffene in einem geschützten Rechtsgut rechtswidrig beeinträchtigt wird. Im vorliegenden Fall fehlt es bereits am Tatbestandsmerkmal einer rechtswidrigen Handlungsweise des Beklagten durch den von ihm praktizierten Betrieb des Stauwehres in Bremervörde. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Als das Ostewehr in Bremervörde in den Jahren 1950 bis 1952 errichtet wurde, gab es noch kein Niedersächsisches Wassergesetz. Dieses ist erst am 15. Juli 1960 in Kraft getreten. Vielmehr galt das Preußische Wassergesetz von 1913. Auch das Preußische Wassergesetz enthielt bereits Vorschriften über Stauanlagen, und zwar in den §§ 91 bis 105. Danach war die Errichtung einer Stauanlage abhängig von einer wasserpolizeilichen Genehmigung gemäß § 22 des Preußischen Wassergesetzes. In § 99 des Preußischen Wassergesetzes ist darüber hinaus festgelegt, dass die Genehmigung einer Stauanlage beinhalte, dass in der Genehmigung festgelegte Stauhöhen einzuhalten waren.
Es ist lediglich zu vermuten, dass die Errichtung des Ostewehres zu Beginn der 50iger Jahre aufgrund eines nach dem Preußischen Wassergesetz hierfür vorgesehenen Verfahrens erfolgt ist. Eine wasserpolizeiliche Genehmigung oder ein Planfeststellungsbeschluss liegen nicht vor. Damit fehlt auch eine Festlegung von Stauhöhen für den Betrieb des Ostewehres. Zwar spricht einiges dafür, dass es vor Beginn der Baumaßnahme eine Genehmigung und darin enthalten auch Regelungen über den Betrieb des Wehres gegeben hat. Hierfür spricht bereits der Umstand, dass im Bereich des Wehres ein Mühlenbetrieb vorhanden war, der über eigene Staurechte verfügte, die durch das vom Land Niedersachsen errichtete Stauwehr nicht beeinträchtigt werden durften. Tatsächlich lässt sich im Einzelnen den Verwaltungsvorgängen hierzu nichts Näheres entnehmen. Bei den Akten befindet sich lediglich der seinerzeit erstellte Erläuterungsbericht für den geplanten Osteausbau bei Bremervörde vom 13. Mai 1950. Darin ist folgender Hinweis enthalten:
Aufgrund schriftlich niedergelegter vorläufiger Vereinbarungen ist zu erwarten, dass die Stauberechtigten auf den sog. Winterstau völlig verzichten und sich, nach Durchführung der geplanten Baumaßnahmen, mit der Haltung eines Staues von nur +1,90 NN einheitlich für das ganze Jahr einverstanden erklären. Diese Herabsetzung der Stauhöhe liegt im dringenden Interesse der wasserwirtschaftlichen Belange an der oberen Oste.
Welche Regelungen die nach dem Preußischen Wassergesetz erforderliche wasserpolizeiliche Genehmigung zur Errichtung des Stauwerkes tatsächlich inhaltlich getroffen hat, ist jedoch nicht bekannt.
Daraus folgt, dass nicht feststeht, dass für das Ostewehr zwingend eine ganzjährige Stauhöhe von NN +1,90 m vorgeschrieben ist, wie dies der Kläger erreichen möchte. Auf den Inhalt der wasserpolizeilichen Genehmigung nach Preußischen Wasserrecht kann sich der Kläger somit nicht mit Erfolg stützen. In diesem Zusammenhang erscheint zudem fraglich, welche Rechtsfolgen ein möglicherweise erfolgter Betrieb des Wehres abweichend von ursprünglich festgelegten Stauhöhen hätte. Denn eine über Jahrzehnte praktizierte Regelung hat Auswirkungen auf den Gewässerhaushalt. Eine Rückkehr zu vor Jahrzehnten in einer Verwaltungsentscheidung festgelegten Stauhöhen ohne die ergänzende Durchführung wasserrechtlicher Prüfungen erscheint in diesem Zusammenhang zumindest problematisch.
Des Weiteren kann der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Beibehaltung einer ganzjährigen Stauhöhe von NN + 1,90 m aber auch nicht auf die von dem Beklagten in der Vergangenheit praktizierte Verfahrensweise stützen. Unstreitig sind in den Jahren nach Errichtung der Stauanlage wasserrechtlich verbindliche Festlegungen hinsichtlich der Stauhöhen nicht erfolgt. Zwar hat es Dienstanweisungen für Schleusenwärter gegeben. Diese Dienstanweisungen haben aber zu keinem Zeitpunkt eine ausschließliche Festlegung auf eine Stauhöhe von NN + 1,90 m bezogen auf das gesamte Jahr enthalten. So ergibt sich aus der vorläufigen Dienstanweisung vom 31. Januar 1953, dass der Wehr- und Schleusenwärter grundsätzlich darauf zu achten hat, dass an der Wehranlage die Stauhöhe von 6,90 m am Pegel nicht unterschritten, wobei dieser Wert einer Stauhöhe von NN + 1,90 m entspricht. Auch die neue Dienstanweisung vom 25. September 1979 geht nicht von einem ständigen Wasserstand von NN + 1,90 m aus. Vielmehr ist darin ausdrücklich festgehalten, dass der Schleusenwärter auf Antrag des Verbandes und nach Rücksprache mit dem WWA Stade zur Zeit der Heuernten den Wasserstand um 30 cm zu senken hat. Gleiches gilt für die geänderte Fassung der Dienstanweisung vom 30. Juli 1980. Mit Schreiben vom 12. November 1996 hat das Staatliche Amt für Wasser- und Abfall Stade sodann erklärt, man werde in Zukunft den Wasserstand ab dem 15. April eines jeden Jahres je nach Witterungsverlauf bis auf 1,70 m über NN absenken. Lediglich in der übrigen Zeit des Jahres werde ein Wasserstand von NN + 1,90 m beibehalten. In dieser Weise ist bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfahren worden.
Hieraus wird ersichtlich, dass auch eine einheitliche Verwaltungspraxis - unabhängig von einer heute nicht mehr feststellbaren Regelung bei Errichtung des Stauwerkes - in der vom Kläger beanspruchten Weise, dass ständig ein Wasserstand von NN + 1,90 m zu halten ist, nicht vorhanden ist. Der Kläger kann damit auch nicht unter diesem Gesichtspunkt beanspruchen, dass der Beklagte seiner Forderung zu entsprechen hat.
Im Übrigen wäre für die verbindliche Festlegung einer Stauhöhe die vorherige Durchführung eines wasserrechtlichen Verfahrens geboten. Demgemäß hat der Beklagte selbst im Jahre 2003 ein Verwaltungsverfahren eingeleitet, in dem jedoch noch keine Entscheidung ergangen ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach den Planungen des Beklagten in absehbarer Zeit mit der Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens zu rechnen ist, in dem die grundsätzliche Frage zu klären ist, welche Form der Problemlösung für das Ostewehr gefunden werden soll. Dabei sind verschiedene Lösungen in der Diskussion, angefangen von der vollständigen Niederlegung des Staues bis zum Ersatz des Wehrs durch eine Sohlgleite.
Ein rechtswidriges Verwaltungshandeln des Beklagten lässt sich damit gegenwärtig zur Überzeugung der Kammer nicht feststellen, ebenso wenig ein Anspruch des Klägers auf Einhaltung einer ganz bestimmten Stauhöhe.
Im Übrigen kann der Beklagte mit seinem Antrag auch deshalb nicht durchdringen, weil eine Verletzung seines Fischereirechtes nicht hinreichend dargetan ist. Denn ein rechtserheblicher Eingriff in das private Fischereirecht im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG kann nur dann angenommen werden, wenn das Fischereirecht in seiner Substanz betroffen ist, wenn also durch die beanstandete Vorgehensweise der Beklagte das Fischereirecht ganz oder zum Teil aufgehoben oder eine der Bedeutung nach gleiche Folge herbeigeführt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 1996 - 11 LA 20/96 - BVerwGE 102, 74 f. [BVerwG 25.09.1996 - 11 A 20/96]). Gegen die Annahme eines derartigen substantiellen Verlustes des Fischereirechtes spricht bereits der Umstand, dass es in den vergangenen 60 Jahren offenbar regelmäßig Absenkungen des Wasserstandes im Frühjahr/Sommer eines Jahres gegeben hat. Dieses ist in den im Einzelnen angeführten Dienstanweisungen für Wehr- und Schleusenwärter nachvollziehbar dargelegt. Dass sich in jüngster Zeit eine nachhaltige und sich auf das Fischereirecht besonders negativ auswirkende Änderung gerade durch den Betrieb des Ostewehres ergeben hätte, ist für die Kammer nicht ersichtlich und lässt sich dem Vorbringen des Klägers auch nicht entnehmen. Die Kammer kann damit nicht davon ausgehen, dass eine gravierende Beeinträchtigung des bestehenden Koppelfischereirechtes des Klägers anzunehmen ist, so dass auch aus diesen Erwägungen der geltend gemachte Anspruch scheitert.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m.§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.