Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 24.05.2024, Az.: 2 A 366/21

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
24.05.2024
Aktenzeichen
2 A 366/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 19195
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2024:0524.2A366.21.00

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Ausnahmegenehmigung für die zielgerichtete letale Entnahme eines Wolfes aus der Natur.

Nach mehreren Übergriffen durch Wölfe auf Nutztiere im März 2020, die den Wölfen des Rudels K. zugeordnet wurden, erließ der Beklagte am 4. April 2020 erstmalig eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Entnahme des Rüden GW1027m. Eine Entnahme erfolgte nicht. Nachdem weitere Herdenschutzüberwindungen nicht mehr stattfanden, wurde die Genehmigung nach dem 30. Juni 2020 nicht verlängert. Am 18. September 2020 wurde in L. (Landkreis F.) erneut ein Tier gerissen. Das Rissereignis wurde einem Wolf ohne nähere Identifikation zugeordnet. Ein weiteres Rissereignis fand am 10. Dezember 2020 in M. statt, das dem Wolf GW1027m zugordnet wurde.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2020 beantragte ein betroffener Nutztierhalter (nachfolgend: Antragsteller) die letale Entnahme von Wölfen nach § 45a BNatSchG zur Vermeidung weiterer ernster Schäden an seinen Schafherden in allen im Territorium des N. Rudels gelegenen Gemeinden.

Mit an den Antragsteller adressiertem Bescheid vom 15. Januar 2021 erteilte der Beklagte eine bis zum 30. Juni 2021 befristete Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und § 45a Abs. 2 BNatSchG vom Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG für die zielgerichtete letale Entnahme eines Individuums der streng geschützten Tierart Wolf (canis lupus) mit dem genetischen Code GW1027m (Ziffern 1 und 2). Nach Ziffer 3 der Ausnahmegenehmigung war die Genehmigung räumlich beschränkt auf die Gemeinden K., O. und P. sowie auf die nördlich der B71 gelegenen Teile der Gemeinde L. und Q. und den westlich der Straßenverbindung von der B71 über R., S. und T. nach U. gelegenen Teil der Gemeinde T. im Landkreis F.. In Ziffer 4 der Ausnahmegenehmigung war geregelt, dass, solange das Individuum GW1027m in der Landschaft nicht anhand besonderer, leicht erkennbarer äußerer Merkmale identifizert werden könne, eine Identifizierung über den engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in Anknüpfung an die dem Individuum jeweils zugeordneten Rissereignisse erfolgen könne. Nach jeder Entnahme eines Einzeltieres müsse abgewartet werden, ob im Revier des Rudels K. die Nutztierrisse aufhören bzw. mittels genetischer Untersuchung ermittelt werden, ob GW1027m entnommen worden sei. Sei dies nicht der Fall und treten weitere Übergriffe auf, könne in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den bereits eingetretenen Rissereignissen sukzessive jeweils ein weiteres Mitglied des Wolfsrudels bis zum Ausbleiben von Schäden bzw. bis zum Abschuss von GW2017m entnommen werden (Ziffer 4). Nach Ziffer 5 sollte ein enger räumlicher Zusammenhang vorliegen bei einer Entnahme im unter Ziffer 3 bestimmten Entnahmegebiet. Ein enger zeitlicher Zusammenhang sollte vorliegen bei einer Entnahme innerhalb der unter Ziffer 2 festgelegten Frist. Ziffer 6 enthielt folgende Regelung: "Eine oder mehrere für die Durchführung der Entnahme geeignete Personen werden nach § 45a Abs. 4 BNatSchG durch den Landkreis Uelzen bestimmt. Die an die Ausnahmegenehmigung geknüpften Ausführungsbestimmungen sind durch die geeigneten Personen im Gelände mitzuführen". Die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids wurde angeordnet. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen, dass seit einer günstigen Prognose im Juni 2020 weitere Rissvorfälle im Territorium des Rudels eingetreten seien. Ein Tierriss am 18. September 2020 sei einem Wolf ohne nähere Identifikation zugeordnet worden. Ein weiteres Rissereignis am 10. Dezember 2020 sei dem Wolf GW1027m zugeordnet worden. Zuvor sei GW1027m bei den Rissereignissen am 1. März 2020, am 8. März 2020, am 18. März 2020, am 19. März 2020 und am 29. März 2020 genetisch zugeordnet aktiv gewesen. Das Territorium des Rudels erstrecke sich über große Teile des Landkreises F. und berühre den Landkreis V.. In 2020 seien im Landkreis F. behördlich erfasst von Wölfen 25 Nutztierrisse mit insgesamt 132 getöteten bzw. verletzten Schafen verübt worden. Dem nachfolgend waren im Bescheid tabellarisch 15 Übergriffe im Territorium des Rudels K. für das Jahr 2020 aufgelistet, wobei auch Rissereignisse erfasst waren, bei denen der zumutbare Herdenschutz nicht gegeben war und die deshalb für die Schadensprognose und Abwägung nicht betrachtet wurden, bzw. bei denen, da noch "in Bearbeitung", eine Zuordnung zu einzelnen Wölfen nicht erfolgt war. Zur Begründung hieß es sodann weiter: Eine Überwindung des zumutbaren Herdenschutzes durch das Individuum GW1027m werde in fünf Fällen angenommen. Die Zeitspanne von etwa einem halben Jahr zwischen dem aktuellen Riss und den vorangegangenen Rissen im ersten Quartal 2020, bei denen das Tier den Herdenschutz überwunden habe, zeige, dass es sich um keine vorübergehende, zufällig angewandte Jagdtechnik handele, sondern um angelerntes und wahrscheinlich auch weitergegebenes Wissen. Bei den vorgenannten Vorfällen habe der Rüde ernsthaften Schaden angerichtet. Bei dem Antragsteller sei durch die zusätzliche wirtschaftliche Belastung des Betriebes durch den Rüden nach Überwindung des zumutbaren Herdenschutzes ein Gesamtschaden in Höhe von 72.386,24 Euro entstanden. Er habe in 2020 bei einem Bestand von ca. 1.000 Tieren allein durch Wolfsrisse mehr als 10 % seines Bestandes, nämlich 112 Tiere, verloren, womit die kritische Grenze des kalkulatorischen Normalrisikos deutlich überschritten sei. Es sei zu erwarten, dass der Rüde künftig weiterhin Schäden an Nutztieren durch Überwindung von Herdenschutzmaßnahmen verursachen werde, er die mit erfolgreichen Angriffen gemachten Erfahrungen erweitern und diese Angriffe ausweiten werde, er zudem sein Verhalten an andere heranwachsende Wolfsindividuen eines zukünftigen Rudels weitergeben werde. Zumutbare Alternativen gebe es nicht. Mit einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der Population sei nicht zu rechnen. Im Rahmen der Abwägung habe das artenschutzrechtliche Zugriffsverbot eines Individuums hinter der ernsten wirtschaftlichen Betroffenheit des Tierhalters sowie dem unverzichtbaren Beitrag der Weidetierhaltung zur Landschaftspflege und zum Naturschutz zurückzutreten. Die Regelung des § 45a Abs. 2 Satz 1 BNatSchG gelte auch in den Fällen, in denen der schadensverursachende Wolf trotz eindeutiger genetischer Zuordnung bei Fehlen besonderer, leicht erkennbarer äußerer Merkmale (z.B. besondere Fellzeichnung) nicht in der Landschaft erkannt und von anderen Wolfsindividuen unterschieden werden könne. Hinsichtlich des Wolfs GW1027m lägen keine Erkenntnisse über entsprechende äußere Merkmale vor. Die mögliche Unterscheidbarkeit des Rüden in der freien Landschaft führe praktisch zur Nichtvollziehbarkeit der Entnahmegenehmigung. Nach § 45a Abs. 2 BNatSchG sei daher über den engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zu bisherigen Rissereignissen eine Individualisierung vorzunehmen. Ziel sei es, durch die Herstellung des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs (und der ggf. möglichen und erforderlichen sukzessiven Entnahme) das schadensverursachende Tier selbst zu entnehmen. Der enge zeitliche Zusammenhang mit bisherigen Rissereignissen sei unter Berücksichtigung der verhaltensbiologischen Eigenschaften von Wölfen so zu definieren, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit das schadensstiftende Tier entnommen werde. Es sei unwahrscheinlich, dass das Rudel rudelfremde durchziehende Wölfe dulden würde. Im Zeitraum der Lebenserwartung des Rüden könne daher, insbesondere im Kerngebiet seines Territoriums, von dessen Rissbeteiligung ausgegangen werden. Die Ausdehnung des Territoriums des Rudels entspreche dem möglichen Entnahmegebiet.

Ebenfalls unter dem 15. Januar 2021 bestimmte der Beklagte eine - in den dem Gericht vorgelegten Verwaltungsvorgängen geschwärzte - Person "als geeignete Person nach § 45a Abs. 4 BNatSchG", bat die bestimmte Person, den Antragsteller "als Inhaber der Ausnahmegenehmigung bei deren Vollzug zu unterstützen" und fügte dem Schreiben eine Kopie der Ausnahmegenehmigung vom 15. Januar 2021 bei. Ergänzend zu den in der Ausnahmegenehmigung benannten Maßgaben regelte der Beklagte, dass das Verfahren zum Abschuss der in der Ausnahmegenehmigung genannten Wölfe unter den dort ausgeführten Bedingungen von der bestimmten Person zu koordinieren sei (Ziffer 1), die Tötung ausschließlich durch Personen, die im Besitz eines gültigen Jagdscheins seien, erfolgen dürfe, wobei nach Möglichkeit der betreffende Jagdausübungsberechtigte zu beteiligen sei, sofern dieser sein Einverständnis hierzu erteile; dieser andernfalls die Maßnahmen zur Durchführung der Entnahme zu dulden habe, er vor Beginn der Maßnahme in geeigneter Weise zu beteiligen und ihm Gelegenheit zur Unterstützung bei der Durchführung zu geben sei (Ziffer 2). In Ziffer 3 war geregelt, dass alle an der Maßnahme beteiligten Personen der bestimmten Person bekannt zu sein haben.

Mit Presseerklärung vom 1. März 2021 teilte der Beklagte mit, dass er eine Ausnahmegenehmigung zur Entnahme eines Wolfes des N. Rudels erteilt habe und dass in der Nacht vom 26. Februar auf den 27. Februar 2021 eine Wölfin geschossen worden sei.

Der Vollzug der Ausnahmegenehmigung wurde mit der Entnahme zunächst ausgesetzt. Mit Verfügung vom 18. März 2021 wies das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz den Beklagten an, den Vollzug der obenstehenden artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung fortzusetzen und eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zum Einsatz von Drohnen zu erteilen mit der Begründung, dass es seit der Entnahme eines Individuums, das nicht das in der Ausnahmegenehmigung genannte Tier sei, weitere Nutztierrisse/Übergriffe im Revier des N. Rudels gegeben habe, so dass ein weiteres Mitglied des Rudels entnommen werden könne. Dieser Anweisung kam der Beklagte unmittelbar nach. Mit Bescheid vom 18. März 2021 ergänzte der Beklagte die Ausnahmegenehmigung vom 15. Januar 2021 dahingehend, dass auch die Verwendung von elektrischen oder elektronischen Geräten gestattet wurde.

Der Kläger legte mit Schreiben vom 22. März 2021 Widerspruch gegen die Ausnahmegenehmigung ein, die er, nachdem der Beklagte ihm mit Schreiben vom 12. April 2021 die erbetenen Verwaltungsvorgänge zur Akteneinsicht übersandt hatte, mit Schreiben vom 29. April 2021 begründete. Mit Schreiben vom 20. Juli 2021 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass sich die Sache mit Ablauf des 30. Juni 2021 erledigt habe, eine Entscheidung über den Widerspruch nicht mehr ergehe und das Widerspruchsverfahren eingestellt werde.

Der Kläger hat am 3. August 2021 Klage erhoben.

Er trägt vor: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe, weil der Beklagte unmittelbar nach dem Erlass der Ausnahmegenehmigung diese umgehend vollzogen habe, so dass er gegen diese Ausnahmegenehmigung in so kurzer Zeit bei Verneinung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses sonst niemals gerichtlich vorgehen könnte. Bei Tierentnahmen aus der Natur werde der Verwaltungsakt typischerweise schnell vollzogen. Zudem seien die Rechtsfragen des Streitfalls von grundsätzlicher Bedeutung. Es bestehe eine jederzeitige Wiederholungsgefahr, da der Beklagte auch künftig Ausnahmegenehmigungen erteilen werde, nachdem der Wolf in den letzten Jahren sein Verbreitungsgebiet erweitert habe und in ganz Niedersachsen ansässig sei, es zudem seit 2022 weitere Nutztierrisse im Gebiet des beklagten Landkreises gegeben habe, ferner die zuständigen Behörden nach einer politischen Zäsur im Dezember 2023 künftig bereits nach lediglich einem einzigen Wolfsriss tätig werden wollen. Insgesamt sei festzustellen, dass, solange die ortsansässigen Nutztierhalter nicht einmal den sog. Mindestschutz praktizierten und kein Wolf diesen Mindestschutz mehrmals überwunden habe, keine Ausnahmegenehmigung erteilt werden dürfe.

Die erteilte Ausnahmegenehmigung sei rechtswidrig. Die Regelung des § 45a Abs. 2 BNatSchG sei keine tragfähige Rechtsgrundlage für den Abschuss anderer Wölfe als GW1027m, dem der Tierriss vom 10. Dezember 2020 zugeordnet worden sei. § 45a Abs. 2 BNatSchG setze ausdrücklich voraus, dass der Tierriss keinem Wolf zuzuordnen sei. Überdies sei die Ausnahmegenehmigung zu Ziffer 4 mit dem Tenor, dass (irgend)ein Wolf aus der Natur entnommen werden solle, rechtswidrig, denn es dürfte nur entweder der Verursacherwolf oder - sukzessive - die Wölfe des Rudels des Verursacherwolfs aus der Natur entnommen werden, nicht aber Wander- und andere Wölfe. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides folge auch daraus, dass die Schadensprognose fehlerhaft sei. Dem Wolf GW1027m seien mehrere Tierrisse fälschlich zugerechnet worden. Von den in die Gefahrenprognose eingestellten Tierrissen seien auch all diejenigen auszusondern, bei denen nicht einmal der sog. niedersächsische Grundschutz (Elektrozäune von 1,2 Meter Höhe) vorhanden gewesen sei und die korrekte Erdung nicht habe festgestellt werden können. Damit würden fast alle Risse, die in der Risstabelle gelistet seien, ausscheiden. Der Wolf GW1027m habe nicht mehrfach einen nach Landesrecht empfohlenen Herdenschutz überwunden. Gefordert seien mindestens zwei Tierrisse innerhalb eines engen Zeitraums. Ein Zeitraum von acht Monaten und elf Tagen begründe keinen solchen engen zeitlichen Zusammenhang. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht betrachte Zeiträume von maximal sechs Monaten als noch eng. In Sachsen werde die Zeitgrenze bei bloß zwei Wochen gezogen. Andernfalls liege ein Zufallsriss vor, der nicht zur Schadenseintrittsprognose herangezogen werden dürfe. Der Beklagte habe keine geänderte Jagdstrategie, d.h. keine dauerhaft erhöhte Nutztierquote, festgestellt und sich nicht zum Lernverhalten geäußert. Aus dem Umstand, dass nach den Rissvorfällen im März 2020 acht Monate lang keine erneuten Risse stattgefunden hätten, sei zu schließen, dass die Nahrung für die Aufzucht der Jungwölfe benötigt worden sei, darüber hinaus sich aber das Jagdverhalten nicht verändert habe. Schließlich ziehe der Beklagte den unzutreffenden und wissenschaftlich nicht belegten Schluss, dass die Jungtiere ein Jagdverhalten ihrer Eltern erlernt hätten. Der Beklagte habe auch die Schadensbeträge zu hoch angesetzt, denn dem Wolf GW1027m würden zu viele Tierrisse zugeordnet. Der Beklagte habe zu Unrecht auch Risse, die durch andere Tiere erfolgt seien, in seine Prognose einbezogen. Zudem habe er zu Unrecht die Kosten eines künftigen zumutbaren Herdenschutzes, also Kosten für Präventionsmaßnahmen, sowie zu Unrecht Kosten für den eigenen Arbeitsaufwand einbezogen. Nach Abzug der auszusondernden Fälle und der vorstehenden Kostenpositionen sei nicht mehr von einem ernsten drohenden Schaden auszugehen. Des Weiteren gebe es zumutbare Alternativen. Bei vorangegangenen Rissereignissen sei kein hinreichender, nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen auch erforderlicher Elektrozaun von mindestens 1,2 Meter Höhe vorhanden gewesen. Die dem Antragsteller in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht zumutbare Alternative liege im Aufrüsten der Elektrozäune auf eine Höhe von mindestens 1,2 Meter Höhe plus gleichzeitiger Behirtung und Schutzhundehaltung und gegebenenfalls Unterbringung der Schafe in Nachtpferchen. Die Nebenbestimmungen Nr. 2 i.V.m. Nr. 5 Satz 2 und Nr. 3 i.V.m. Nr. 5 Satz 1 seien rechtswidrig. Die Zeitspanne von 5 1/2 Monaten zwischen Mitte Januar und Ende Juni 2021 tauge nicht als "enge" Grenzziehung. Der Bescheid enthalte zudem keine Gebietsfestsetzung, welche ein kleineres Territorium ausweise als das Wolfsrevier. Das Wolfsrevier gebe einen räumlichen Zusammenhang an, nicht jedoch einen engen räumlichen Zusammenhang. Es hätte bestimmt werden müssen, dass die Entnahme nur innerhalb eines bestimmten Radius um die Tierrissstelle erfolgen dürfe, denn ein Wolf, der ein Tier gerissen habe, kehre zu seinem Tatort zurück, um den Kadaver vollständig aufzufressen. Die Abwägung sei fehlerhaft. Dem § 45 Abs. 7 Satz 1, Satz 2 BNatSchG liege die Wertung zugrunde, dass die Vorteile des Artenschutzes die Nachteile (hier Schadenseintritt im Einzelfall) grundsätzlich überwögen. Deshalb seien die Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG restriktiv anzuwenden. Nicht jeder Schaden müsse bzw. dürfe abgewendet werden. Andernfalls liefe der Artenschutz leer. Vielmehr hätten die betroffenen Landwirte ihre Schäden grundsätzlich hinzunehmen und Entschädigungszahlungen zu beanspruchen. Es fehle zudem an einer besonderen Begründung, weshalb ausgerechnet GW1027m entnommen werden solle. Die Nebenbestimmungen Nr. 1, Nr. 2 Sätze 1 und 2 seien auch aus jagdrechtlichen Gründen rechtswidrig. Die Entnahme eines erwachsenen Wolfes in der Zeit zwischen dem 15. April und 30. Juni eines jeden Jahres sei zu weitgehend, denn auch Vatertiere kümmerten sich um ihre Jungtiere. Die Nebenbestimmung Nr. 2 des Bescheids über die "Bestimmung als geeignete Person" sei rechtswidrig, weil sie zwar den Jagdschein als Qualifikation genügen lasse, nicht jedoch eine weitere Fachkenntnis im Bereich "Erkennen und Unterscheiden eines Wolfes" voraussetze. Zudem sei es erlaubt, dass auch Personen, die keinen Jagdschein hätten, Wolfe schießen dürften, ohne dass der Beklagte diese benannt und deren Eignung überprüft habe.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Ausnahmegenehmigung des Beklagten sowie die "Bestimmung als geeignete Person nach § 45a Abs. 4 BNatSchG" vom 15. Januar 2021 in Gestalt des Bescheides vom 18. März 2021 rechtswidrig waren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei nicht gegeben. Es handele sich nicht um einen Eingriff, der sich typischerweise so kurzfristig erledige, dass eine gerichtliche Überprüfung nicht möglich wäre. Verfahrensrechtlich sei die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine für sofort vollziehbare Verfügung gegeben. Vorliegend sei die Entnahme auch nicht in so kurzer Zeit erfolgt, dass ein gerichtlicher Antrag nicht möglich gewesen wäre.

Entgegen der Annahme des Klägers läge der Großteil der dem Wolf GW1027m zugeordneten Risse nicht außerhalb seines Reviers. Die Ausnahmegenehmigung beziehe sich ausschließlich auf Rissereignisse im Gebiet des beklagten Landkreises, die sämtlich innerhalb des Territoriums des Rudels K. lägen. Die Regelung des § 45a Abs. 2 BNatSchG sei hier anwendbar. Sie solle auch den Fall erfassen, dass einem oder mehreren Wölfen zwar Nutztierrisse eindeutig genetisch zugeordnet werden können, sich eine gezielte Tötung aber schwierig gestalte, weil der Wolf wegen des Fehlens besonderer, leicht erkennbarer äußerer Merkmale in der Landschaft nicht erkannt und von anderen Wölfen unterschieden werden könne. Tierrisse seien dem Wolf GW1027m auch nicht falsch zugeordnet worden. Die im Bescheid erwähnten und in der Rubrik "NTS" unterstrichenen Rissereignisse seien bei der Schadensprognose und Abwägung nicht berücksichtigt worden, weil der zumutbare Herdenschutz nicht gegeben gewesen sei. Die drei bemängelten Rissereignisse aus Dezember 2020 seien zum Zeitpunkt der Genehmigung noch in Bearbeitung gewesen und deshalb nicht berücksichtigt worden. Ein enger zeitlicher Zusammenhang habe bestanden. Zwar habe basierend auf den Rissereignissen aus März 2020, bei denen zumutbarer Herdenschutz überwunden worden sei, im Januar 2021 keine Ausnahmegenehmigung mehr erteilt werden können, es habe jedoch am 10. Dezember 2020 ein neues Rissereignis stattgefunden, woraufhin unmittelbar die angefochtene Ausnahmegenehmigung für das bereits zuvor durch Rissereignisse auffällig gewordene Tier GW1027m erteilt worden sei. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht gehe bei einem Zeitraum von sechs Monaten von einem zeitlich engen Zusammenhang aus. Dies gelte auch noch für den vorliegend gegebenen Zeitraum von acht Monaten und 11 Tagen. Mit dem erneuten Riss am 10. Dezember 2020 sei deutlich geworden, dass das Individuum das Reißen von Schafen mit Überwindung des Herdenschutzes zu seinem üblichen Jagdverhalten verinnerlicht habe und an seine Nachkommen weitergeben würde, so dass die Entnahme geboten gewesen sei. Die in der angefochtenen Genehmigung aufgelisteten Schadensbeträge bezögen sich auf alle Schäden, die der Antragsteller erlitten habe und nicht nur auf solche, die allein der Wolf GW1027m angerichtet habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass an einem Riss häufig mehrere Individuen eines Rudels beteiligt seien. Zumutbare Alternativen zur Ausnahmegenehmigung gebe es nicht. Es sei weder zielführend noch zumutbar, die Erhöhung der Zäune zu fordern, um dann festzustellen, dass Wölfe auch 1,2 m oder 1,3 m oder gar 1,5 m hohe Zäune überspringen könnten. Der Rüde GW1027m habe zunächst den Grundschutz (stromführender Flexizaun, 90 cm Höhe) und danach auch weiteren, auf 105 cm bzw. 108 cm erhöhten Herdenschutz überwunden. Damit habe er gezeigt, dass er die Technik erlernt und wiederholt angewendet habe. Die Wirksamkeit einer weiteren Erhöhung um 12 cm sei unwahrscheinlich. Zudem seien die Nutztierhalter nicht in der Lage, den mit einer solchen Erhöhung verbundenen Arbeitsaufwand zu leisten. Bei den beweideten Flächen handele es sich um wechselnde Flächen. Bei ziehenden Schafherden müssten die Schutzzäune täglich auf- und wieder abgebaut und transportiert werden; je höher die Zäune, desto aufwändiger sei dies. Der Antragsteller halte seine 1.000 Tiere in mindestens drei Herden. Die Erhöhung sämtlicher Elektrozäune auf 1,2 m, die Behirtung der Herden und die ständige Begleitung mit Herdenschutzhunden sei keine zumutbare Alternative. Die Gehälter für die zusätzlichen Mitarbeiter in einem Dreischichtsystem und der Aufwand, der mit dem Halten weiterer Herdenschutzhunde verbunden wäre, seien nicht finanzierbar. Zudem könnten Herdenschutzhunde in dem von Wanderwegen durchzogenen Gebiet des beklagten Landkreises nur eingeschränkt eingesetzt werden, da sie die Herde gegenüber jedem - auch Spaziergängern - verteidigen würden, der sich der Herde näherte. Auch sei zu berücksichtigen, dass bei dem Rissereignis am 10. Dezember 2020 zwei Herdenschutzhunde bei der Herde gewesen seien, die indes die Herde nicht hätten schützen können. Bei Entnahme eines anderen Tieres aus dem Rudel sei die Entnahme eines weiteren Tieres von weiteren Übergriffen abhängig gemacht worden, womit der zeitlich enge Zusammenhang zu bereits eingetretenen Rissereignisse gewährleistet sei. Auch der enge räumliche Zusammenhang sei gegeben. Die Ausnahmegenehmigung umfasse nicht das gesamte Territorium des Rudels, sondern beschränke sich auf einen im beklagten Landkreis gelegenen Bereich, der wiederrum nicht der vollständigen Fläche des Territoriums des Rudels K. entspreche, sondern nach Süden von der B71 und nach Osten von der Straßenverbindung der B71 nach U. begrenzt sei. Die Begrenzung sei erfolgt, um einen gewissen Abstand zum Territorium des benachbarten Rudels einzuhalten und das Risiko einer unbeabsichtigten Entnahme eines anderen Wolfes zu minimieren. Eine Beschränkung der Genehmigung auf einen bestimmten Radius um die Tierrissstelle sei nicht erforderlich. Da nach einem Riss ein Wolfsberater vor Ort sei, die Herde gegebenenfalls an einen anderen Ort verbracht und der Tierkadaver entfernt werde, werde ein Wolf in Abweichung von seinem Verhalten in freier Wildbahn nicht an den Tatort zurückkehren. Eine vom Kläger angenommen Rückkehr des Wolfes zum Kadaver könne auch von den betroffenen Tierhaltern nicht bestätigt werden. Da Wölfe in ihrem Territorium weite Strecke zurücklegten und zudem wechselnde, teilweise weit auseinanderliegende Flächen beweidet würden, würde eine Begrenzung auf die Rissstelle und ihre Umgebung nicht zu einer Entnahme führen. Die Tötung dürfe nach Nr. 2 Satz 1 der Bestimmung als geeignete Person vom 15. Januar 2021 allein durch Personen erfolgen, die im Besitz eines gültigen Jagdscheines seien. Diese seien geeignete Personen zur Entnahme von Wölfen. Die Eignung der zu bestimmenden Personen erfordere keine über die Ausbildung zum Erwerb des Jagdscheins hinausgehende Fachkunde. Die Ausbildung zum Wolfsberater sei von § 45a Abs. 4 BNatSchG nicht gefordert. Jagdausübungsberechtigte seien nach Möglichkeit einzubeziehen; sie seien Inhaber eines Jagdscheines und bezogen auf bestimmte Flächen zur Jagd berechtigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse daran, feststellen zu lassen, dass die mit Ablauf des 30. Juni 2021 erledigte Ausnahmegenehmigung des Beklagten sowie die Bestimmung als geeignete Person nach § 45a Abs. 4 BNatSchG vom 15. Januar 2021 in der Gestalt des Bescheides vom 18. März 2021 rechtswidrig waren.

Der Kläger ist als eine nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung (vgl. Anerkennungsbescheid des Umweltbundesamtes vom 25. Januar 2018), die sich nach § 2 ihrer Satzung für den Schutz der Wölfe in Deutschland sowie die Förderung des Tier- und Artenschutzes einsetzt, gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG klagebefugt (vgl. ausführlich: Nds. OVG, Beschl. v. 26.6.2020 - 4 ME 116/20 -, juris Rn. 11 ff.).

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig, weil der Kläger das erforderliche Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigung hat. Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht dann, wenn sich ein angefochtener Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, sofern der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und sich insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Klägers in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht zu verbessern (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.11.2020 - 2 C 5.19 - juris Rn. 12 f., Beschl. v. 17.12.2019 - 9 B 52.18 - juris Rn. 9 m.w.N., Urt. v. 24.4.2024 - 6 C 2.22 -, juris Rn. 16 ff.). Dies ist in Rechtsprechung und Literatur auch dann bejaht worden, wenn der Verwaltungsakt sich typischerweise kurzfristig erledigt und es deshalb ohne die Zulassung einer Fortsetzungsfeststellungsklage nie zu einer Entscheidung in der Hauptsache über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme kommen würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 -, juris Rn. 32; Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 29. Aufl. 2023, § 113 Rn. 145 m.w.N.; Hess. VGH, Urt. v. 17.2.2021 - 2 A 1800/16 -, juris Rn. 56 ff., m.w.N.), wenn also andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist nur bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.4.2024 - 6 C 2.22 -, juris Rn. 21, Urt. v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 -, juris Rn. 32). Die eventuell bestehende Möglichkeit eines vorläufigen Rechtsschutzes reicht insoweit nicht aus, da sie nicht zu einer umfassenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der behördlichen Maßnahme führt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.4.2024 - 6 C 2.22 -, juris Rn. 21).

Der Kläger sieht sich zu Recht in dem aus Art. 19 Abs. 4 GG bzw. Art. 47 GR-Charta folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes dadurch verletzt, dass ihm aufgrund der regelmäßigen Dauer gerichtlicher Hauptsacheverfahren einerseits und der auf einen kurzen Zeitraum befristeten Ausnahmegenehmigungen nach § 45 BNatSchG zur letalen Entnahme eines Wolfs andererseits die Herbeiführung einer Klärung der von ihm in Zusammenhang mit der Anfechtung einer solchen Ausnahmegenehmigung aufgeworfenen Rechtsfragen grundsätzlicher Art unmöglich gemacht wird. Bei einer Ausnahmegenehmigung nach §§ 45, 45a BNatSchG, wie sie hier streitgegenständlich ist, handelt es sich in der Regel um einen Eingriff, der sich typischerweise kurzfristig erledigt und in dem Zeitraum bis zur Erledigung keiner Überprüfung im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden kann. Angesichts des Genehmigungsinhalts (sofort gültige Ausnahmegenehmigung zur zielgerichteten letalen Entnahme des Wolfes GW1027m) und der Befristung dieser Genehmigung auf einen weniger als sechsmonatigen Zeitraum kann nicht angenommen werden, dass in diesem Zeitraum verwaltungsgerichtlicher Hauptsacherechtsschutz hätte erlangt werden können, zumal auch der Zeitraum für ein der Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage vorausgehendes Widerspruchsverfahren in die Betrachtung einzubeziehen ist und der Beklagte selbst noch nicht einmal über den Widerspruch des Klägers vor Eintritt der Erledigung entschieden hat.

Bei der typischerweise kurzfristigen Erledigung der angegriffenen Maßnahme handelt es sich jedoch nicht um eine hinreichende, sondern nur um eine notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Sinne dieser weiteren Fallgruppe. Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Verwaltungsakt zu einem qualifizierten (tiefgreifenden, gewichtigen bzw. schwerwiegenden) Grundrechtseingriff geführt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.4.2024 - 6 C 2.22 -, juris Rn. 22). Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.4.2024 - 6 C 2.22 -, juris Rn. 24). Denn Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht, dass die Gerichte generell auch dann noch weiter in Anspruch genommen werden können, um Auskunft über die Rechtslage zu erhalten, wenn damit aktuell nichts mehr bewirkt werden kann. Dies dient auch der Entlastung der Gerichte, die damit Rechtsschutz insgesamt für alle Rechtsschutzsuchenden schneller und effektiver gewähren können. Ebenso wie das einfachrechtliche Verwaltungsprozessrecht garantiert auch das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz dem Bürger keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle der Verwaltung, sondern trifft eine Systementscheidung für den Individualrechtsschutz (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.4.2024 - 6 C 2.22 -, juris Rn. 29). Der Kläger macht zwar als eine nach § 3 UmwRG anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung nicht die Verletzung in eigenen subjektiven Rechten i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG geltend, sondern beruft sich im Wege der Verbandsklage auf die Einhaltung objektiver umweltbezogener Rechtsvorschriften. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl. v. 1.6.2021 - 1 BvR 2374/15 -, juris Rn. 7) hat in diesem Zusammenhang bisher offen gelassen, ob der Schutz des Art. 19 Abs. 4 GG auch einer nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannten Vereinigung bei der Erhebung einer Verbandsklage nach diesem Gesetz zukommt oder ob dies mangels subjektiver materieller Rechte nicht der Fall ist (vgl. hierzu auch: Nds. OVG, Beschl. v. 29.3.2024 - 4 ME 69/24 -, juris Rn. 8). Indes verlangen nach Auffassung der Kammer europarechtliche Vorgaben, dass das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Sachurteilsvoraussetzung geforderte Fortsetzungsfeststellungsinteresse vorliegend unabhängig von dem Vorliegen eines qualifizierten Grundrechtseingriffs bejaht werden muss (vgl. hierzu etwa: BVerwG, Urt. v. 24.4.2024 - 6 C 2.22 -, juris Rn. 31, das allerdings den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Grundsatzes eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes im Sinne des Art. 47 GR-Charta als nicht eröffnet angesehen hat in einem Fall eines auf landespolizeirechtlicher Grundlage ergangenen Aufenthalts- und Betretungsverbots mangels eines Bezugspunkts zum Unionsrecht). Denn dem Kläger steht im vorliegend eröffneten Anwendungsbereich des Unionsumweltrechts ein unionsrechtlich begründetes Recht auf effektiven Rechtschutz zu, welches sich aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus i.V.m. Art. 47 Abs. 1 der GR-Charta ergibt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 29.3.2024 - 4 ME 69/24 -, juris Rn. 8). Hieraus folgt, dass der Kläger zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes, gerade in Bezug auf die hier streitige Ausnahmegenehmigung nach §§ 45, 45a BNatSchG für die zielgerichtete letale Entnahme eines Individuums der streng geschützten Tierart Wolf, auch ein berechtigtes, und insoweit auch gesteigertes, Feststellungsinteresse geltend machen kann. Es gelten - bei insoweit vergleichbarer Relevanz - keine strengeren Voraussetzungen als etwa bei der von der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppe eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffs (vgl. auch: OVG NRW, Beschl. v. 9.2.2014 - 21 B 74/24 -, juris Rn. 33).

Da nach alledem ein berechtigtes Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung zu bejahen ist, kann offenbleiben, ob auch eine das Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründende Wiederholungsgefahr vorliegt.

II. Die Klage ist auch begründet. Die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung sowie die Bestimmung als geeignete Person nach § 45a Abs. 4 BNatSchG vom 15. Januar 2021 in Gestalt des Bescheides vom 18. März 2021 waren rechtswidrig.

1. Die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung war bereits aus formellen Gründen rechtswidrig. Aus den vorgelegten Verwaltungsvorgängen und dem Vorbringen des Beklagten im gerichtlichen Verfahren ergeben sich keine Hinweise darauf, dass im Verwaltungsverfahren die vom Land Niedersachsen anerkannten Naturschutzvereinigungen, die gemäß ihrer Satzung landesweit tätig sind, angehört worden sind. Zu dieser Anhörung war der Beklagte aber nach § 63 Abs. 2 Nr. 4b BNatSchG grundsätzlich verpflichtet. Hierzu hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 12. April 2024 (Az.: 4 ME 73/24, juris Rn. 9 ff.) ausgeführt, dass gemäß § 63 Abs. 2 Nr. 4b BNatSchG vor der Zulassung einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG durch Rechtsverordnung oder durch Allgemeinverfügung den von einem Land anerkannten Naturschutzvereinigungen, die nach ihrer Satzung landesweit tätig sind, Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben ist. Als Mindestanforderung an diese Verfahrensbeteiligung regele § 38 Abs. 1 Satz 1 NNatSchG, dass die anerkannten Naturschutzvereinigungen über den Inhalt und den Ort des Vorhabens in Kenntnis zu setzen und auf ihre Rechte hinzuweisen sind.

Für die Kammer ist nicht ersichtlich, dass dieser Verfahrensschritt hier durchgeführt worden ist. Dies war aber erforderlich, weil es sich bei dem angefochtenen Bescheid um eine Allgemeinverfügung handelte und deshalb die Voraussetzungen nach § 63 Abs. 2 Nr. 4b BNatSchG für die Verfahrensbeteiligung der Naturschutzvereinigungen vorlagen. Gemäß § 35 Satz 2 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG) ist ein Verwaltungsakt unter anderem dann als Allgemeinverfügung zu qualifizieren, wenn er sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet. Das ist hier der Fall, soweit der Bescheid in Ziffer 6 regelt, dass eine oder mehrere für die Durchführung der Entnahme geeignete Personen nach § 45a Abs. 4 BNatSchG bestimmt werden und diese die an die Ausnahmegenehmigung geknüpften Ausführungsbestimmungen im Gelände mitzuführen haben. Unmittelbar und inhaltlich untrennbar verknüpft hiermit war die Annex-Verfügung ebenfalls vom 15. Januar 2021 zur "Bestimmung als geeignete Person nach § 45a Abs. 4 BNatSchG", die sich zwar ihrerseits offensichtlich an eine - für das Gericht nicht erkennbare - bestimmte Person richtet und diese mit der Koordinierung des Verfahrens zum Abschuss des Wolfsrüden - unter Beachtung der Bedingungen der Ausnahmegenehmigung - beauftragt (Ziffer 1), indes unter Hinweis auf § 45a Abs. 4 BNatSchG im Weiteren regelt, dass ausschließlich Personen, die im Besitz eines gültigen Jagdscheines sind, die letale Entnahme des Wolfs ("Tötung") vollziehen dürfen (Ziffer 2) und dass alle an der Maßnahme beteiligten Personen der bestimmten Person bekannt sein müssen (Ziffer 3). Eine weitere personenbezogene Konkretisierung bzw. sonstige Begründung insoweit enthält die Ausnahmegenehmigung vom 15. Januar 2021 in der Fassung der Annex-Verfügung über die "Bestimmung als geeignete Person" nicht. Durch die so getroffenen Regelungen wird der Kreis derjenigen Personen, die die Ausnahmegenehmigung ausführen dürfen, nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmt (vgl. auch Nds. OVG, Beschl. v. 12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 10 unter Verweis auf VG Düsseldorf, Beschl. v. 17.1.2024 - 28 L 3333/23 -, juris Rn. 6), was die Qualifizierung des durch den Beklagten gewählten Konstrukts als Allgemeinverfügung rechtfertigt. An dieser rechtlichen Einordnung als Allgemeinverfügung insoweit ändert auch der Umstand nichts, dass die Ausnahmegenehmigung vom 15. Januar 2021 zunächst zwar allein an den von Nutztierrissen betroffenen Weidetierhalter und Antragsteller adressiert war und der Beklagte ihn als "Inhaber der Ausnahmegenehmigung" bezeichnete. Dieser mag infolge seiner Antragstellung Beteiligter im Verwaltungsverfahren und (Bekanntgabe-)Adressat der Ausnahmegenehmigung gewesen sein, mangels Bestimmung als "für die Durchführung zur Entnahme geeignete Person" war er allerdings nicht zur Ausführung der genehmigten Handlung befugt und berechtigt, sondern allein der nach der "Nebenbestimmung" Nr. 6 in Verbindung mit der Annex-Verfügung vom 15. Januar 2021 bestimmte bzw. bestimmbare Kreis der zur Tötung berechtigten Personen. Für eine Qualifizierung als Allgemeinverfügung spricht auch, dass es sich bei der angegriffenen Ausnahmegenehmigung nicht um einen antragsabhängigen und in Bezug auf den betroffenen Weidetierhalter um einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt, der den Interessen eines Einzelnen diente, handelte. Vielmehr liegen die in § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 bis Nr. 5 BNatSchG genannten Ausnahmegründe gänzlich oder überwiegend im öffentlichen Interesse, wie es für § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG auch bereits der Wortlaut ausdrücklich wiedergibt. § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG gilt zwar dem Schutz von privaten Eigentumsinteressen. Im Hinblick darauf, dass es hierbei um die Abwehr von Schäden geht, die von in der Natur freilebenden Wildtieren ausgehen, ist es aber naheliegend, dass davon häufig nicht nur ein einziger, sondern mehrere Eigentümer betroffen sind. So bedrohen auch die von Wölfen verursachten Nutztierrisse nicht nur eine einzige, sondern grundsätzlich sämtliche lokalen Weidetierhaltungen. Auch dies spricht dagegen, dass die Ausnahmeregelung nur den Interessen eines einzeln individualisierbaren Betroffenen dient (Nds. OVG, Beschl. v. 12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 58). In diesem Sinne war auch ausdrücklich von einer Kostenfestsetzung zulasten des Antragstellers mit der Begründung abgesehen worden, dass die Amtshandlung einem größeren Personenkreis vor Ort diene statt nur dem Antragsteller selbst, weil durch die vermehrten Nutztierrisse im betroffenen Gebiet eine latente Gefahr für eine Vielzahl von Weidetierhaltern bestehe. Zudem sollte die Akzeptanz in der Gesellschaft zur Koexistenz des Menschen und des streng geschützten Wolfs durch die Herstellung von Rechtssicherheit bezüglich der Rechtmäßigkeit des Vollzugs gefördert werden. Nur in einer Zusammenschau der beiden auf den 15. Januar 2021 datierenden Verfügungen, die insofern in einem untrennbaren rechtlichen Zusammenhang stehen, erschließt sich der Regelungsgehalt und Adressatenkreis der erteilten Ausnahmegenehmigung. Sie diente nicht nur einem größeren Personenkreis insbesondere von Nutztierhaltern, sondern war zudem - zu ihrer Umsetzung - an einen nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmten bzw. bestimmbaren Personenkreis gerichtet.

Nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist die unterbliebene Beteiligung der auf Landesebene anerkannten Naturschutzverbände auch nicht nach § 63 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG entbehrlich gewesen. Ob nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG von der Anhörung allerdings gänzlich abgesehen werden kann, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 11), kann vorliegend dahingestellt bleiben, nachdem - nach Antragstellung durch den betroffenen Nutztierhalter am 10. Dezember 2020 - erst unter dem 15. Januar 2021 die angefochtene, auf einen Zeitraum von nahezu 6 Monaten befristete Ausnahmegenehmigung erteilt worden ist.

Ungeachtet dessen käme ein Absehen von einer Beteiligung von auf Landesebene anerkannten Naturschutzverbänden gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG auch deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte dies in dem angefochtenen Bescheid hätte begründen müssen, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass er möglicherweise irrtümlich die Wirkung und Reichweite der erteilten Ausnahmegenehmigung als Allgemeinverfügung im Sinne des § 63 Abs. 2 Nr. 4b BNatSchG in Verbindung mit § 35 Satz 2 VwVfG verkannt hat. Nach § 28 Abs. 2 VwVfG kann unter den dort geregelten Voraussetzungen von der Anhörung abgesehen werden. Es handelt sich somit um eine Ermessensentscheidung der Behörde. Sie bedarf daher einer Abwägung aller für und gegen den Verzicht auf die Anhörung sprechenden Gesichtspunkte sowie einer Begründung, die erkennen lässt, auf welchen Erwägungen das Absehen von der Anhörung beruht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 11 m.w.N.). Demnach hätte der Beklagte sich in der Begründung des angefochtenen Bescheids dazu äußern müssen, aus welchen Erwägungen er von der Anhörung bzw. Beteiligung von auf Landesebene anerkannten Naturschutzverbänden abgesehen hat.

Der zur formellen Rechtswidrigkeit des Bescheides führende Verfahrensmangel ist auch nicht gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich. Das wäre nach dieser Norm nur dann der Fall, wenn offensichtlich ist, dass die unterbliebene Beteiligung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Auch insoweit schließlich sich die Kammer der Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. April 2024 an, wonach die Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahme von den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG im Ermessen der zuständigen Naturschutzbehörde liegt und bei Ermessensentscheidungen im Regelfall die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Behörde bei Beachtung des Verfahrensrechts zu einer anderen Entscheidung in der Sache gekommen wäre. Hinzu kommt, dass das Mitwirkungsrecht von Vereinigungen nach § 63 BNatSchG nicht nur der Ordnung des Verfahrensablaufs dient, sondern die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung fördern soll (Nds. OVG, Beschl. v. 12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 13, m.w.N.). Es besteht daher hier kein Raum für die Annahme, dass die unterbliebene Beteiligung die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat.

Dabei ist unbeachtlich und kann insofern offen bleiben, ob auch der Kläger vor dem Erlass der artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung hätte angehört werden müssen (vgl. hierzu ausführlich: Nds. OVG, Beschl. v. 12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 14).

2. Die angefochtene artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung ist darüber hinaus auch aus materiellen Gründen rechtswidrig.

Rechtsgrundlage für die angefochtene Ausnahmegenehmigung ist § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und § 45a Abs. 2 BNatSchG. Nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG kann die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde von dem in § 44 BNatSchG geregelten Tötungsverbot, das auch für den streng geschützten Wolf gilt, im Einzelfall unter anderem Ausnahmen zur Abwendung ernster landwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden zulassen. Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) weitergehende Anforderungen enthält (Satz 2). Nach § 45a Abs. 2 Satz 1 BNatSchG gilt § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 mit der Maßgabe, dass, wenn Schäden bei Nutztierrissen keinem bestimmten Wolf eines Rudels zugeordnet worden sind, der Abschuss von einzelnen Mitgliedern des Wolfsrudels in engem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit bereits eingetretenen Rissereignissen auch ohne Zuordnung der Schäden zu einem bestimmten Einzeltier bis zum Ausbleiben von Schäden fortgeführt werden darf.

Bei Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie handelt es sich um eine Ausnahmeregelung zu den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten des Art. 12 FFH-Richtlinie (im deutschen Recht umgesetzt in § 44 BNatSchG), die eng auszulegen ist und bei der die Beweislast für das Vorliegen der für jede Abweichung erforderlichen Voraussetzungen diejenige Stelle der öffentlichen Verwaltung trifft, die darüber entscheidet. Deshalb müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass jeder Eingriff, der die geschützten Arten betrifft, nur auf der Grundlage von Entscheidungen genehmigt wird, die mit einer genauen und angemessenen Begründung versehen sind, in der auf die in Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie genannten Gründe, Bedingungen und Anforderungen Bezug genommen wird. Eine auf Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie gestützte Ausnahme kann nämlich nur eine konkrete und punktuelle Anwendung sein, mit der konkreten Erfordernissen und besonderen Situationen begegnet wird. Besteht über einzelne der in Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie geregelten Voraussetzungen für eine Ausnahmeregelung nicht ohne weiteres in tatsächlicher Hinsicht Gewissheit, so hat die zuständige Behörde unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse sowie der Umstände des konkreten Falls zu begründen und nachzuweisen, dass sie gegeben sind. Wenn nach der Prüfung der besten verfügbaren wissenschaftlichen, technischen und sonstigen Daten Ungewissheit darüber bleibt, ob die Voraussetzungen des Artikels 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie gegeben sind, ist von dem Erlass einer solchen Ausnahmeregelung abzusehen. In diesem Konzept der FFH-Richtlinie zur Begründungs- und Nachweispflicht liegt eine unionsrechtliche artenschutzrechtliche Spezialregelung im Hinblick auf die Bedeutung sowohl der behördlichen Amtsermittlungspflicht im Verwaltungsverfahren als auch der Pflicht zur Begründung des Verwaltungsakts mit vorentscheidender Bedeutung auch für das verwaltungsgerichtliche Prüfprogramm und den daraus folgenden Gegenstand und die Reichweite der verwaltungsgerichtlichen Amtsermittlung (Nds. OVG, Beschl. v.12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 21 f. unter Verweis auf Bay. VGH, Beschl. v. 23.5.2023 - 14 B 22.1696 -, juris Rn. 33, EuGH, Urt. v. 10.10.2019 - C-674/17 -, juris und EuGH, Urt. v. 14.6.2007 - C-342/05 -, juris).

a) Dies zu Grunde gelegt begegnet die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Begründung des Beklagten für die Prognose, dass künftig ein ernster Schaden im Sinne von § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG zu erwarten ist, rechtlichen Bedenken.

aa) Die Schadensprognose des Beklagten im Bescheid ist bereits nicht nachvollziehbar. Dies führt im Ergebnis zu einem Abwägungsmangel. In der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es im Rahmen der Anwendung von § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG nicht darauf ankommt, ob bereits ein ernster Schaden eingetreten ist, sondern ob ein solcher Schaden droht. Es ist somit eine Gefahrenprognose erforderlich. Ferner ist für die Prüfung der Erheblichkeit des drohenden Schadens nicht von einem rein wirtschaftlich-monetären Schadensverständnis auszugehen. Denn die Regelung dient der Umsetzung von Art. 16 Abs. 1 Buchstabe b FFH-Richtlinie, wonach Ausnahmen unter anderem vom artenschutzrechtlichen Tötungsverbot zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum zugelassen werden können. Die Richtlinie trägt damit dem grundrechtlichen Schutz des Privateigentums im Unionsrecht Rechnung, so dass für § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG Entsprechendes zu gelten hat. Zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen der drohende Eigentumsschaden als ernst anzusehen ist, kann auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a), 3. Spiegelstrich Vogelschutzrichtlinie zurückgegriffen werden. Denn § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG dient auch der Umsetzung dieser Vorschrift, die zudem im Wesentlichen den gleichen Wortlaut hat wie Art. 16 Abs. 1 Buchstabe b) FFH-Richtlinie. Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs bezweckt die Bestimmung der Vogelschutzrichtlinie nicht, die Gefahr von Schäden geringeren Umfangs abzuwenden; verlangt ist das Vorliegen von Schäden eines gewissen Umfangs. Ausgeschlossen ist eine Ausnahme vom europäischen Artenschutz somit, wenn lediglich geringfügige Schäden für Eigentumsgüter drohen. Es kommt aber nicht darauf an, dass der drohende Schaden eine betriebswirtschaftlich beachtliche Größenordnung erreicht, der den Gewinn der betroffenen Betriebe unter die Rentabilitätsschwelle drücken kann. Außerdem hat die an diesen rechtlichen Vorgaben auszurichtende Schadensprognose nicht schematisch zu erfolgen und hängt daher nicht pauschal von einer bestimmten Mindestzahl von Rissvorfällen innerhalb eines bestimmten Zeitraums ab. Erforderlich ist für die Schadensprognose vielmehr eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Umstände. Indizien, die im Rahmen dieser Würdigung für einen drohenden ernsten wirtschaftlichen Schaden sprechen können, sind etwa Anzahl, zeitliche Frequenz und räumlicher Zusammenhang der bisherigen Rissereignisse, die Anzahl und Art der dabei gerissenen Weidetiere (insbesondere Pferde und Rinder als große Weidetiere) und der wirtschaftliche Wert der gerissenen Tiere (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 41 ff. unter Verweis auf Nds. OVG, Beschl. v. 26.6.2020 - 4 ME 116/20 -, juris und v. 22.2.2019 - 4 ME 48/19 -, juris; EuGH, Urt. v. 14.6.2007 - C-342/05 - Rn. 40, EuGH, Urt. v. 8.7.1987 - 247/85 -, juris Rn. 56; OVG NRW, Beschl. v. 9.2.2024 - 21 B 74/24 -, juris Rn. 19 m.w.N.; Beschluss der Umweltministerkonferenz aus Oktober 2021: Praxisleitfaden zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach §§ 45 und 45 a BNatSchG beim Wolf, insbesondere bei Nutztierrissen, S. 17). Hiervon ausgehend ergeben sich rechtliche Zweifel an der vom Beklagten in der Begründung des Bescheides angestellten Schadensprognose.

Soweit der Beklagte der Schadensprognose u.a. "laufende Kosten der bisherigen wolfsabweisenden und über den Grundschutz (90 cm stromführender Zaun) hinausgehenden Herdenschutz" in Höhe von insgesamt 33.120,- EUR zugrunde legt, die sich zusammensetzen aus Kosten für die Haltung von Herdenschutzhunden i.H.v. 22.500,- EUR und Mehraufwand für die mehrmalige tägliche Kontrolle der Herden i.H.v. 10.620,- EUR, dürfte dies nicht gerechtfertigt sein, denn Kosten für Herdenschutzmaßnahmen sind nicht Teil der bei der Schadensprognose einzustellenden Schadenskosten. Diese sind vielmehr bei der Frage der Anwendung des empfohlenen Herdenschutzes als zumutbare Alternative einzustellen (vgl. hierzu auch die Hinweise zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG beim Wolf, Stand: 30.10.2018, S. 11.). Aber auch im Übrigen erschließt sich der Kammer die der Schadensprognose zugrunde liegende Berechnung nicht. Der Beklagte geht im Rahmen der Berechnung der "konkreten bisherigen zusätzlichen wirtschaftlichen Belastung des Betriebes des Antragstellers durch den Wolf" von einem Gesamtschaden von 72.386,24 EUR aus, der nachweislich durch die von "diesem Rüden" durch Überwindung des zumutbaren Herdenschutzes gerissenen Nutztiere entstanden sei. Allerdings lässt sich weder die bei der Berechnung der "Tierverluste in 2020" angesetzte Zahl von 79 getöteten/verletzten Schafen mit der Zahl der bei den fünf laut Risstabelle im angefochtenen Bescheid relevanten Rissvorfällen getöteten/verletzten Tieren in Einklang bringen, noch lässt sich der Begründung des Bescheides entnehmen, wie sich die Berechnung des Arbeitsaufwandes für "15 Vorfälle, 100 Arbeitskraftstunden je Vorfall für Begutachtung, Entsorgung, Nachsorge verletzter Tiere, Antragstellung Beihilfe, Beratung, Austausch/Fortbildung Herdenschutz etc., gesamt 1500 Stunden, 17,50 €/Std" im Einzelnen rechtfertigt. Auch in der mündlichen Verhandlung vermochte der Beklagte die Schadensberechnung nicht zu plausibilisieren und die bestehenden Bedenken der Kammer auszuräumen. Soweit der Beklagte im Rahmen der Klageerwiderung vorgetragen hat, dass sich die aufgelisteten Schadensbeträge auf alle Schäden bezögen, die der Antragsteller erlitten habe, und nicht auf solche, die allein der Wolf GW1027m angerichtet habe, dürfte die Schadensprognose, die gerade der Rechtfertigung der in Bezug auf den Wolfsrüden GW1027m erteilten Ausnahmegenehmigung zu dessen Tötung dient, ohnehin zu weitgehend sein (so jetzt auch: EuGH, Urt. v. 11.7.2024 - C-601/22 - BeckRS 2024, 16260, Tenor Nr. 3). Soll, gestützt auf § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 BNatSchG, eine Ausnahmezulassung zur Entnahme eines wild lebenden Tieres erteilt werden, für das die Verbote des § 44 BNatSchG gelten, so ist der drohende Schaden, der mittels dieser ausnahmsweise zugelassenen Maßnahme abgewendet werden soll, grundsätzlich konkret dem Tier zuzuordnen, für das die Abschussgenehmigung erteilt wird. Denn grundsätzlich kann nur bei einer solchen konkreten Zuordnung von der Geeignetheit der Maßnahme zur Abwehr des Schadens ausgegangen werden (vgl. BeckOK UmweltR/Gläß, 70. Ed. 1.4.2024, BNatSchG § 45a Rn. 5 und 14; vgl. auch VG Oldenburg, Beschl. v. 5.4.2024 - 5 B 969/24 -, BA S. 7, n.v.).

Eine Festlegung des Umfangs des zukünftigen ernsten landwirtschaftlichen Schadens durch die Kammer kommt nicht in Betracht, weil dadurch zugleich in die Ermessensausübung des Beklagten eingegriffen würde. Denn der Umfang des zukünftigen ernsten landwirtschaftlichen Schadens ist ermessensrelevant. Dass die Erteilung der artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung im Ermessen des Beklagten stand, ist unzweifelhaft. Der Beklagte führte zur Begründung aus, dass die Belange des Artenschutzes gegenüber den die Ausnahme rechtfertigenden Belangen der Landschaftspflege und des Naturschutzes durch Weidetierhaltung sowie den wirtschaftlichen Belangen der Tierhaltern abzuwägen seien, die Entnahme des Wolfsindividuums GW1027m kurzfristig einer weiteren Schadensausbreitung entgegenwirke, dadurch mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwartende weitere ernste Schäden auch anderer Tierhalter in der betroffenen Region unterbunden werden könnten, daher das artenschutzrechtliche Zugriffsverbot eines Individuums zurückzutreten habe. Diese Abwägung konnte indes nur dann fehlerfrei vorgenommen werden, wenn die wirtschaftlichen Belange mit zutreffendem Gewicht eingestellt worden wären. Das Gewicht bemisst sich maßgeblich nach dem Umfang des zukünftigen Schadens. Ein Schaden, der als ernst zu qualifizieren ist, die Geringfügigkeitsschwelle aber nur leicht überschreitet, verleiht den wirtschaftlichen Belangen ein anderes, deutlich geringeres Gewicht als ein solcher, der sich für landwirtschaftliche Betriebe als existenzgefährdend darstellt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 9.2.2024 - 21 B 74/24 -, juris Rn. 24).

bb) Unabhängig von der Frage, ob hinsichtlich der in die Schadensprognose einbezogenen fünf Rissereignisse mit Blick auf deren zeitlichen Abstand zueinander (noch) von einer hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit, auszugehen ist, bestehen jedenfalls rechtliche Bedenken auch insoweit, als dass der Beklagte seine Schadensprognose gemäß der Begründung des Bescheids maßgeblich darauf gestützt hat, dass der Rüde GW1027m mehrfach Schafe erfolgreich gerissen und durch die letzten Rissereignisse bewiesen habe, dass er seine Erfahrungen im Angreifen von Tierherden mit ausreichendem Herdenschutz immer noch nutzen und auch künftig zum Beutemachen anwenden und perfektionieren und seine Jagdtechnik an seine Nachkommen weitergeben werde. Zwar hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in der Vergangenheit bei der Prüfung einer rechtmäßigen Schadensprognose ergänzend darauf abgestellt, dass Wölfe Rudeltiere seien, für die das soziale Lernen eine große Rolle spiele, und es deshalb als möglich angesehen, dass die Elterntiere eines Rudels ihr erlerntes und gefestigtes Beuteverhalten an jüngere Tiere weitergäben (vgl. Nds. OVG Beschl. v. 12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 47 f. unter Verweis auf Beschl. v. 26.6.2020 - 4 ME 116/20 -, juris Rn. 29). Allerdings müsste eine derartig mittel- bis langfristig ausgerichtete Schadensprognose auf valide wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt sein, die es nahelegen, dass es durch die Weitergabe des problematischen Jagdverhaltens an weitere Wolfsgenerationen künftig zu einer signifikanten Ausweitung oder gar Potenzierung von Rissvorfällen bei Weidetieren im näheren und weiteren Umfeld selbst dann kommt, wenn bei den drohenden künftigen Schadensfällen die Weidetiere jeweils durch ausreichende bzw. zumutbare Herdenschutzmaßnahmen gesichert sind. Hierfür fehlt an es indes an hinreichend aussagekräftigen wissenschaftlichen Belegen (vgl. hierzu insbesondere auch: Nds. OVG, Beschl. v. 12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 47 f.).

b) Die streitgegenständliche artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung ist zudem mit Blick auf die unter Ziffer 4 und 5 getroffenen Regelungen rechtswidrig, weil nach Maßgabe der dort getroffenen zeitlichen und örtlichen Eingrenzungen keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass der Rüde GW1027m entnommen würde.

Gestützt hat der Beklagte die unter Ziffer 4 und 5 getroffenen Regelungen, die er als "Nebenbestimmungen" bezeichnete, auf die am 13. März 2020 in Kraft getretene Regelung des § 45a Abs. 2 Satz 1 BNatSchG, wonach im Umgang mit dem Wolf § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG mit der Maßgabe gilt, dass, wenn Schäden bei Nutztierrissen keinem bestimmten Wolf eines Rudels zugeordnet worden sind, der Abschuss von einzelnen Mitgliedern des Wolfsrudels in engem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit bereits eingetretenen Rissereignissen auch ohne Zuordnung der Schäden zu einem bestimmten Einzeltier bis zum Ausbleiben von Schäden fortgeführt werden darf. Er führte in der Begründung des Bescheides aus, dass der Anwendungsbereich der Norm auch eröffnet sei, wenn der schadensverursachende Wolf trotz eindeutiger genetischer Zuordnung bei Fehlen besonderer, leicht erkennbarer äußerer Merkmale (z.B. besondere Fellzeichnung) nicht in der Landschaft erkannt und von anderen Wolfsindividuen unterschieden werden könne. Hinsichtlich des Wolfes GW1027m lägen keine Erkenntnisse über entsprechende äußere Merkmale vor. Die mögliche Unterscheidbarkeit des Rüden in der freien Landschaft führe praktisch zur Nichtvollziehbarkeit der Entnahmegenehmigung. Nach § 45a Abs. 2 BNatSchG sei daher über den engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zu bisherigen Rissereignissen eine Individualisierung vorzunehmen. Ziel sei es, durch die Herstellung des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs (und der ggf. möglichen und erforderlichen sukzessiven Entnahme) das schadensverursachende Tier selbst zu entnehmen. Soweit also der Beklagte mit Ziffer 1 die Ausnahmegenehmigung zunächst individuenbezogen auf die Tötung eines bestimmten Wolfs, nämlich des Individuums GW1027m, beschränkt hat, hat er sie - mit der Regelung in Ziffer 4 Satz 1 - faktisch auf alle Wölfe im Territorium des Rudels K. erstreckt, denn er ging gerade von einer nicht möglichen Identifizierung des Wolfs GW1027m in der freien Landschaft aus und gestattete damit letztlich die Entnahme irgendeines Wolfes (mit Ausnahme einer laktierenden Fähe, Ziffer 2 Satz 2 der "Nebenbestimmungen").

Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, denn § 45a Abs. 2 BNatSchG erlaubt nicht nur die Entnahme des als Schadensverursacher identifizierten Wolfsindividuums, sondern auch, soweit der schadensverursachende Wolf nicht abschließend identifiziert werden kann, eine Entnahme (irgend-)eines Wolfes, sofern sich die Ausnahmezulassung mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Wolfsindividuum bezieht, von dem weitere Nutztierrisse drohen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 51 f.). Mit der Bestimmung des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs in den Ziffern 4 und 5 in Verbindung mit Ziffern 2 und 3 der "Nebenbestimmungen" hat der Beklagte allerdings die engen Grenzen des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1, § 45a Abs. 2 Satz 1 BNatSchG überschritten.

Erlaubt ist der Abschuss von einzelnen Mitgliedern des Wolfsrudels nur in einem sowohl räumlich als auch zeitlich engen Zusammenhang mit bereits eingetretenen Rissereignissen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass, wenn nicht mit absoluter Sicherheit, so doch zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit derjenige Wolf getötet wird, der für die Nutztierrisse auch verantwortlich ist. Entsprechend ist es Aufgabe der Naturschutzbehörde, sowohl den zeitlichen als auch den räumlichen Zusammenhang so zu bestimmen, dass eine entsprechende Prognose fachlich gerechtfertigt ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 26.6.2020 - 4 ME 116/20 -, juris Rn. 40). Dabei ist dieses Tatbestandsmerkmal im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auszulegen, wonach eine auf Art. 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie gestützte Ausnahme nur eine konkrete und punktuelle Anwendung sein kann, mit der konkreten Erfordernissen und besonderen Situationen begegnet wird. Maßgeblich für den engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang ist daher, ob ausgehend von fundierten wissenschaftlichen Daten eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Tötung gerade des Verursacherwolfs besteht. Dies ist etwa auszuschließen, wenn die Entnahme an einem Ort erfolgen soll, welcher außerhalb des Rissgebiets liegt oder die Befristung der Ausnahme über den Zeitraum hinausreicht, der bei fehlender Wiederholung von Rissereignissen die Prognose weiterer Nutztierrisse noch trägt (Lau in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2021, § 45a BNatSchG Rn. 9; Schütte/Gerbig in: Schlacke, GK-BNatSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2024, § 45a BNatSchG Rn. 10). In räumlicher Hinsicht muss der Abschuss am Ort des Risses oder in seinem räumlichen Umfeld erfolgen, wobei offen ist, ob dieser Umkreis nach Metern oder Kilometern bemessen sein muss (vgl. Gellermann in: Landmann/Rohmer, UmweltR, BNatSchG, § 45a Rn. 18.). Dem entspricht im Wesentlichen der Praxisleitfaden Wolf (S. 22, 33 f.), wonach die räumliche Beschränkung den Bezug zu den bereits stattgefundenen Rissen herstellen und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verhindern müsse, dass Wölfe eines anderen Rudels oder rudelfremde Einzeltiere entnommen werden. Gewöhnlich müsse der Abschuss am Ort des Risses oder in seinem unmittelbaren räumlichen Umfeld erfolgen, wobei das Territorium des Wolfsrudels die Grenze des möglichen Entnahmegebietes darstelle. Hintergrund sei der Gedanke, dass der Wolf, der sich (erneut) den betroffenen Weidetierhaltungen nähere, voraussichtlich das schadensstiftende Exemplar sei. Der gewählte zeitliche Zusammenhang müsse erlauben, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen zu können, dass ein Wolf, der in diesem Zeitraum im räumlichen Geltungsbereich der Ausnahmegenehmigung angetroffen wird, auch der Verursacher der letzten dokumentierten Rissereignisse ist.

Nach diesen Maßgaben kann vorliegend nicht angenommen werden, dass sich die angefochtene Ausnahmegenehmigung noch mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Wolfsindividuum bezog, von dem weitere Nutztierrisse drohten. Jedenfalls hätte die Prognose des Beklagten, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit das schadensstiftende Tier selbst in dem von ihm in Ziffern 4 und 5 in Verbindung mit Ziffern 2 und 3 der "Nebenbestimmungen" definierten "engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang" entnommen wird, auf valide wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt sein müssen, die dies nahegelegt hätten. Fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse, die den Schluss zuließen, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang auch noch bei einem Zeitraum von rund 5 1/2 Monaten nach Erlass der artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung bzw. rund 6 1/2 Monate nach dem letzten dem Wolf GW1027m zugeordneten Riss gegeben war, und innerhalb des so gewählten Zeitraums noch die Prognose gerechtfertigt war, dass ein Wolf, der sich im räumlichen Geltungsbereich der Ausnahmegenehmigung bewegt, Verursacher der in der Risstabelle des Bescheides aufgeführten Schafsrisse war (vgl. insoweit auch Nds. OVG, Beschl. v. 26.6.2020 - 4 ME 116/20 -, juris Rn. 41, Beschl. v. 12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 54 ff.; VG Hannover, Beschl. v. 30.1.2023 - 9 B 707/23 -, juris Rn. 34) und demzufolge ein Abschuss des schadensverursachenden Wolfes sehr wahrscheinlich gewesen wäre, lassen sich weder der Begründung des angefochtenen Bescheides entnehmen, noch hat der Beklagte im gerichtlichen Verfahren entsprechende wissenschaftlich belegte Daten vorgelegt. Im Gegenteil: Es erscheint eher dem Zufall überlassen, ob es im örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigung zu einem Abschuss des schadenverursachenden Wolfes, eines dem Rudel zugehörigen (anderen) Wolfes oder eines rudelfremden Wolfes kommt. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des räumlichen Geltungsbereichs, der zwar einen untergeordneten Teil des Wolfsterritoriums des Wolfsrudels K. im Landkreis V. ausspart, aber in anderen Bereichen sogar über den räumlichen Bereich des Territoriums des betroffenen Wolfsrudels im Landkreis F. hinausgeht und sich - ohne Bezugnahme auf konkrete Rissstellen - über mehrere Gemeinden erstreckt. Soweit der Beklagte zur Begründung lediglich anführt, dass durch die "enge" Definition des Entnahmegebietes gleichzeitig der enge räumliche Zusammenhang zu den bereits stattgefundenen Rissvorfällen im Rahmen einer eventuell erforderlichen sukzessiven Entnahme festgestellt sei, da in den genannten Bereichen des Landkreises Uelzen die meisten Rissvorfälle stattgefunden hätten, überzeugt dies nicht. Eine konkrete zeitliche und örtliche Begrenzung bzw. Bezugnahme auf bereits stattgefundene - relevante - Rissvorfälle und eine Beschränkung des Entnahmegebietsdahingehend, dass ein enger räumlicher Zusammenhang zu relevanten Rissereignissen gegeben ist und deshalb von einer hohen Wahrscheinlichkeit, tatsächlich den Wolf GW1027m zu töten, ausgegangen werden könnte, erfolgte nicht.

Die - nicht durch entsprechende wissenschaftliche Studien belegte - Begründung des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs durch den Beklagten ist zudem mit Blick auf die vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 12. April 2024 herangezogene, in 2010 veröffentlichte Studie aus Schweden "Predictability of repeated carnivore attacks on livestock favours reactive use of mitigation measures" erheblichen Bedenken ausgesetzt. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit, dass große Beutegreifer (Wölfe, Luchse, Braunbären) erneut Weidetiere reißen, in der unmittelbaren Zeit nach einem derartigen Rissvorfall und in einem Radius von einem Kilometer um den Ort des zurückliegenden Angriffs auf Weidetiere deutlich erhöht sei. Sie sei in den ersten zwölf Monaten nach dem zurückliegenden Rissvorfall 55mal höher im Vergleich zu anderen Weidetierhaltungen in derselben Region. Dabei sinke das Risiko eines erneuten Angriffs innerhalb von Wochen nach der ersten Attacke deutlich. 30% der erneuten Angriffe hätten sich in der ersten Woche nach der ersten Attacke ereignet und 60% innerhalb von fünf Wochen. Das Risiko eines erneuten Angriffs durch Wölfe sei in den ersten drei Wochen nach dem ersten Rissvorfall am Höchsten, wobei es von der ersten bis zur dritten Woche bereits in kleinen Schritten sinke. Diese Erkenntnisse zugrunde gelegt, hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Beschl. v. 12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 55 ff.) eine Ausnahmezulassung mit den Vorgaben des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG als vereinbar angesehen, in der diese individuenbezogen beschränkt war auf die Tötung eines einzigen Wolfs, zeitlich beschränkt auf einen Zeitraum von drei Wochen ab dem letzten Rissvorfall und räumlich beschränkt auf den Radius von einem Kilometer um den Ort dieses Rissereignisses. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, dass in einem Fall, in dem die von der Ausnahmezulassung erfasste Fläche nur etwa 1,5 bis 2% des Territoriums des ansässigen Wolfsrudels ausmacht, eine nur geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass innerhalb des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs der Ausnahmezulassung dort möglicherweise ein zufällig durchziehender Wolf angetroffen und abgeschossen wird, der an dem anlassgebenden Rissvorfall nicht beteiligt war (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.4.2024 - 4 ME 73/24 -, juris Rn. 57). Demgegenüber überzeugen die durch nichts belegten Ausführungen des Beklagten im vorliegenden Verfahren nicht, wonach eine Beschränkung der Ausnahmegenehmigung auf einen bestimmten Radius um die Tierrissstelle nicht zielführend gewesen wäre und nicht zu einer Entnahme geführt hätte, da der Wolf, der ein oder mehrere Tiere gerissen habe, nach entsprechenden menschlichen Aktivitäten nach den Rissen, der Verbringung der Tiere an einen anderen Ort und Entsorgung der Tierkadaver in Abweichung von seinem Verhalten in freier Wildbahn nicht an den Tatort zurückkehren werde. Soweit nach den Darstellungen des Beklagten die hiesigen von Tierrissen betroffenen Tierhalter eine Rückkehr des Wolfes an den Ort des Risses nicht beobachtet hätten, ersetzt dies nicht die geforderten fundierten wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Nachdem sich die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigung bereits aus obigen Erwägungen ergibt, kommt es auf die weiteren von den Beteiligten aufgeworfenen Rechtsfragen hier nicht mehr an. Ein weitergehendes berechtigtes Interesse des Klägers an der Klärung weiterer Rechtsfragen kann insoweit nicht angenommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.