Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 28.11.2006, Az.: 6 A 589/05

Abschiebung; Abschiebungshindernis; Abschiebungsverbot; Albaner; Asyl; bewaffneter Konflikt; Bürgerkrieg; Depression; Erkrankung; früheres Jugoslavien; Gefahr; Heimat; Heimatland; Jugoslavien; Konflikt; konkrete Gefahr; Kosovare; Kosovo; Kosovo-Konflikt; Krankheit; Neuentscheidung; Qualifikationsrichtlinie; Serbe; Serbien; Widerruf; Widerrufsverfahren; wirtschaftliche Lage; Zielstaat; Zielstaatsbezug

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
28.11.2006
Aktenzeichen
6 A 589/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Aus der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) lässt sich nicht herleiten, dass das Bundesamt bei der Neuentscheidung über ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG eine allgemein schwierige wirtschaftliche Lage im Herkunftsland des Ausländers zu berücksichtigen hat.

2. Die Regelung in § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK bleibt durch die Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie (Art. 6 Buchst. c und Art. 15 Buchst. b) unverändert.

3. In richtlinienkonformer Auslegung verbietet § 60 Abs. 7 AufenthG die Abschiebung eines Ausländers auch dann, wenn dieser im Herkunftsstaat im Rahmen eines bewaffneten Konflikts als Angehöriger der Zivilbevölkerung gebietsweit einer erheblichen individuellen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt ist.

4. Der Begriff der "unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung" im Sinne der Qualifikationsrichtlinie (Art. 15 Buchst. b) ist wie die wortgleiche Formulierung in Art. 3 EMRK auszulegen.

5. Zu den Voraussetzungen, unter denen ärztlich bescheinigte Depressionen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG begründen können.

Tatbestand:

1

Die Klägerin ist serbische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo. Sie wendet sich dagegen, dass die Beklagte entschieden hat, die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz seien nicht mehr gegeben.

2

Die Klägerin reiste nach eigenen Angaben im Oktober 1990 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihren Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Oktober 1990 ab. Auf die hiergegen gerichtete Klage stellte die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 27. Oktober 1992 (7 A 7011/91) fest, dass die Voraussetzungen des Abschiebungsverbotes nach § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Zur Begründung führte die Kammer im Wesentlichen aus, albanische Volkszugehörige seien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen und Misshandlungen ausgesetzt, wenn sie aus dem Ausland in den Kosovo zurückkehrten.

3

Im Juni 2005 gab das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Klägerin Gelegenheit, zu dem eingeleiteten Widerrufsverfahren Stellung zu nehmen. Außerdem wies die Behörde die Klägerin im Juli 2005 darauf hin, dass beabsichtigt sei, über die Gewährung von Abschiebungsschutz neu zu entscheiden. Die Klägerin äußerte sich nicht.

4

Mit Bescheid vom 9. September 2005 entschied das Bundesamt, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG lägen nicht vor. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, es dürfe über ein Abschiebungsverbot neu entscheiden, weil sich die dem verwaltungsgerichtlichen Urteil zugrunde liegende Sachlage geändert habe. Die Klägerin habe im Kosovo jetzt keine politische Verfolgung mehr zu befürchten.

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Gegen den am 14. September 2005 als Übergabeeinschreiben zur Post gegebenen Bescheid hat die Klägerin am 28. September 2005 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Der Rechtsgedanke des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG, wonach von einem Widerruf der Feststellungen zu einem Abschiebungsverbot unter bestimmten Voraussetzungen abzusehen ist, sei auch hier anzuwenden. Ihr drohe im Kosovo ein Leben am Rande, wenn nicht gar unterhalb des Existenzminimums. Ihr geschiedener Mann und ihr Vater seien verstorben; ihre Mutter lebe im Bundesgebiet. Außerdem sei sie erkrankt; dazu beruft sie sich auf die von ihr vorgelegten Atteste, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 36 ff., 49 f., 51, 53 f. und 59).

6

Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 9. September 2005 aufzuheben,

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hilfsweise,

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die Beklagte unter entsprechender teilweiser Aufhebung ihres Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG gegeben sind.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid.

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Das Gericht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist sowohl mit dem Hauptantrag (I.) als auch mit dem Hilfsantrag (II.) nicht begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

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I. Das Bundesamt hat rechtmäßig entschieden, dass die Voraussetzungen für das jetzt in § 60 Abs. 1 AufenthG (vormals entsprechend § 51 Abs. 1 AuslG) geregelte Abschiebungsverbot wegen politischer Verfolgung nicht mehr erfüllt sind.

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Dabei ist das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen, dass es nicht befugt ist, die prozessrechtlich als Feststellungsurteil inkorrekte, aber rechtskräftig gewordene Entscheidung der 7. Kammer nach § 73 AsylVfG zu widerrufen. Ein solcher Widerruf wäre schon im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gewaltenteilungsprinzip, die grundsätzliche Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen nach § 121 VwGO und den Wortlaut des § 73 AsylVfG rechtswidrig (vgl. BVerwG, Urt. vom 23.11.1999, BVerwGE 110, 111, 113). Auch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG durch das Bundesamt wäre nicht zulässig gewesen, weil dafür jedenfalls ein Antrag erforderlich wäre und ein Wiederaufgreifen im Übrigen nur dann in Betracht kommt, wenn - anders als hier - ein früher ergangener Verwaltungsakt geändert oder aufgehoben werden soll (VG Braunschweig, Urt. vom 26.11.2004 - 6 A 459/04 -).

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Das Bundesamt durfte über das Abschiebungsverbot aber erneut entscheiden. Nach den allgemeinen Regeln darf die Behörde nach dem Abschluss eines Verfahrens bei veränderter Sachlage neu in der Sache entscheiden, wenn die in dem Verfahren früher getroffene Entscheidung ausschließlich auf die in dem damaligen Entscheidungszeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage bezogen ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 49 Rn. 6). Dies gilt auch dann, wenn in dem früheren Verfahren - wie hier - ein (inkorrektes) verwaltungsgerichtliches Feststellungsurteil ergangen und rechtskräftig geworden ist: Auch rechtskräftige Urteile entfalten bei veränderter Sachlage keine Bindungswirkung mehr. Das Bundesverwaltungsgericht hat dementsprechend entschieden, dass das Bundesamt bei veränderter Sachlage auch dann eine neue Feststellung über den Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG (der im Wesentlichen den Regelungen in § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG entspricht) treffen darf, wenn ein solches Abschiebungshindernis vom Verwaltungsgericht selbst festgestellt worden war (s. BVerwG, aaO., S. 114 ff.). Für den vorliegenden Fall eines verwaltungsgerichtlichen Feststellungsurteils zu § 51 AuslG gilt nichts anderes. Ein solches Urteil hat keine weiterreichende Bindungswirkung (ebenso bereits VG Braunschweig, aaO.).

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Der angegriffenen Entscheidung des Bundesamtes steht nicht entgegen, dass es über ein Abschiebungsverbot grundsätzlich erst nach einem Antrag des Ausländers entscheiden darf (§ 13 Abs. 2 AsylVfG) und die Klägerin einen neuen Antrag nicht gestellt hat (VG Braunschweig, aaO.). Das Bundesamt hat eine neue Entscheidung über den bereits der Entscheidung in dem vorangegangenen Asylverfahren zugrunde liegenden Antrag der Klägerin getroffen. Ein weiterer Antrag war dafür nicht erforderlich.

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Die Voraussetzungen für eine neue, von der verwaltungsgerichtlichen Feststellung abweichende Entscheidung des Bundesamtes sind erfüllt. Seit Erlass des rechtskräftigen Urteils hat sich die Sachlage entscheidungserheblich verändert.

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Die Klägerin kann aus ihrer Volkszugehörigkeit und der Sicherheitslage in ihrer Heimat einen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG (vormals entsprechend § 51 Abs. 1 AuslG) nicht (mehr) herleiten. Albaner aus dem Kosovo sind wegen ihrer Volkszugehörigkeit einer Verfolgungsgefahr, wie sie die Schutzansprüche nach Art. 16 a Abs. 1 GG und § 60 Abs. 1 AufenthG voraussetzen, in ihrer Heimat nicht ausgesetzt. Seit der Beendigung des Kosovo-Konflikts im Juni 1999 aufgrund des am 9. Juni 1999 unterzeichneten Militärabkommens zwischen der NATO und der Bundesrepublik Jugoslawien sowie der UN-Resolution 1244 vom 10. Juni 1999 und nach dem Abzug der letzten serbischen Einheiten aus dem Kosovo sowie der Übernahme der alleinigen Gebietsgewalt durch die KFOR-Truppen findet im Kosovo eine staatliche oder staatsähnliche

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Verfolgung (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a und b AufenthG) nicht mehr statt. (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 21.02.2002 - 8 LB 13/02 -, st. Rspr.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 30.10.2001 - 7 A 11967/98.OVG -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 28.12.2001 - 13 A 4338/94 -; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. vom 19.02.2002 - A 3 S 673/98 -; Thüringer OVG, Urt. vom 25.04.2002 - 3 KO 264/01 -; Bayerischer VGH, Urt. vom 22.10.2002 - 22 B 01.30735 -).

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Auch die Voraussetzungen der durch das Zuwanderungsgesetz eingeführten Regelung in § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG sind nicht erfüllt. Nach der Erkenntnislage ist davon auszugehen, dass die KFOR-Truppen, die UNMIK und die sonstigen Sicherheitskräfte sowohl willens als auch in der Lage sind, den im Kosovo lebenden albanischen Volkszugehörigen Schutz zu gewähren (ebenso Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 13.05.2005 - 13 LA 92/05 -). Die Unruhen vom März 2004 geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Die Übergriffe, zu denen es seinerzeit gekommen ist, richteten sich vor allem gegen Angehörige der serbischen Minderheit. Dass sich aus den Ereignissen, die auf einen kurzen Zeitraum beschränkt waren, für Angehörige der albanischen Bevölkerungsgruppe in Zukunft die Gefahr einer gebietsweiten Verfolgung im Kosovo ergeben könnte, ist nicht ersichtlich. Die Situation im Kosovo hat sich inzwischen jedenfalls wieder beruhigt und ist so weit unter Kontrolle, dass es seit den Unruhen zu keinen weiteren größeren Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen gekommen ist (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Kosovo vom 29.06.2006; VG Braunschweig, Urt. vom 08.02.2005 - 6 A 541/04 - m. w. N.). Die Präsenz der Sicherheitskräfte wurde verstärkt. Darüber hinaus haben Strafverfolgungsmaßnahmen eingesetzt, in deren Rahmen zahlreiche Personen wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an den Unruhen festgenommen wurden und die in einigen Fällen bereits zu Verurteilungen geführt haben (VG Braunschweig, aaO.).

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Darüber hinausgehende Anforderungen an eine Neuentscheidung des Bundesamtes über ein Abschiebungsverbot, insbesondere die Berücksichtigung einer allgemein schwierigen wirtschaftlichen Lage, lassen sich auch aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (so genannte Qualifikationsrichtlinie) jedenfalls nicht herleiten. In diese Bestimmung hat der Richtliniengeber die völkerrechtliche Wegfall-der-Umstände-Klausel (Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 der Genfer Flüchtlingskonvention) wörtlich übernommen (vgl. OVG Saarland, Urt. vom 29.09.2006 - 3 R 6/06 -, Rn. 124 ff., zit. nach juris; VG Lüneburg, Urt. vom 15.11.2006 - 6 A 343/05 -). Diese Klausel entspricht inhaltlich der Regelung in § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, nach der allgemeine Gefahren im Herkunftsstaat, die sich beispielsweise aus einer schwierigen wirtschaftlichen Lage oder Naturkatastrophen ergeben, einem Widerruf nicht entgegenstehen; solche allgemeinen Gefahren können nur im Rahmen der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Vorschriften (namentlich nach § 60 Abs. 7 und § 60 a AufenthG) berücksichtigt werden (BVerwG, Urt. vom 01.11.2005, NVwZ 2006, 707, 708 = BVerwGE 124, 276 ff.). Im Übrigen ist die Regelung in Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Qualifikationsrichtlinie gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie nur in den Fällen anwendbar, in denen der Antrag auf Schutzgewährung nach dem In-Kraft-Treten der Richtlinie (Art. 39) gestellt worden ist. Dies ist hier nicht der Fall.

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Der neuen Entscheidung des Bundesamtes zum Anspruch der Klägerin auf Abschiebungsschutz wegen politischer Verfolgung steht auch die Regelung in § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG nicht entgegen. Die Vorschrift gilt nur für den Fall eines Widerrufs. Eine solche Entscheidung hat das Bundesamt hier jedoch aus den dargelegten Gründen nicht getroffen. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift kommt nicht in Betracht (VG Braunschweig, Urt. vom 26.11.2004 - 6 A 459/04 -). Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Regelungslücke, d. h. eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes. § 73 AsylVfG enthält eine Sonderregelung für die Aufhebung von Sachentscheidungen nach § 31 AsylVfG. Dass der Gesetzgeber auch den Fall einer nach einem Feststellungsurteil eintretenden Sachlagenänderung regeln wollte, ist nicht ersichtlich, weil hierfür die allgemeinen Regelungen des Prozessrechts, insbesondere die Vorschrift über die Bindungswirkung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen in § 121 VwGO eine ausreichende Grundlage enthalten. Für die Regelung dieser Fälle bestand im Übrigen kein Anlass, weil ein verwaltungsgerichtliches Feststellungsurteil zu § 51 AuslG nach den Regelungen des AsylVfG und unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gewaltenteilungsgrundsatzes unzulässig und ein hiergegen gerichteter Widerruf rechtswidrig ist.

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Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG erfüllt wären. Danach hat ein Widerruf zu unterbleiben, wenn sich aus dem konkreten Flüchtlingsschicksal besondere Gründe ergeben, die eine Rückkehr unzumutbar machen. Maßgeblich sind somit die (gegenwärtigen) Nachwirkungen früherer Verfolgungsmaßnahmen. In Betracht kommen ausschließlich Gründe, die ihre Ursache in einer früheren Verfolgung haben; zwischen der früheren Verfolgung und der Unzumutbarkeit der Rückkehr muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Dagegen schützt auch diese Vorschrift - wie die Regelung in § 73 Abs. 1 AsylVfG insgesamt - nicht gegen allgemeine Gefahren im Herkunftsstaat, die sich aus einer schwierigen wirtschaftlichen Lage ergeben (BVerwG, Urt. vom 01.11.2005, NVwZ 2006, 707, 710). Ebenso wenig können aus ihr allgemeine, von den gesetzlichen Voraussetzungen losgelöste Zumutbarkeitskriterien hergeleitet werden. Die Regelung trägt vielmehr der psychischen Sondersituation solcher Personen Rechnung, die ein besonders schwer wiegendes, nachhaltig wirkendes Verfolgungsschicksal erlitten haben und denen es deshalb selbst lange Jahre danach auch ungeachtet der veränderten Verhältnisse nicht zumutbar ist, in den früheren Verfolgerstaat zurückzukehren (vgl. BVerwG, aaO.; Niedersächsisches OVG, Urt. vom 28.06.2002 - 8 LB 10/02 -; Hessischer VGH, Beschl. vom 28.05.2003, InfAuslR 2003, 400; Marx, AsylVfG, 6. Aufl., § 73 Rn.109; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 73 AsylVfG Rn. 10). Die Signatarstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention hatten bei der Schaffung der dem § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG zugrunde liegenden konventionsrechtlichen Bestimmungen das Schicksal jüdischer Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland vor Augen (BVerwG, aaO., S. 710 f.). Anhaltspunkte dafür, dass sie sich wegen eines besonders schwer wiegenden Verfolgungsschicksals in einer psychischen Sondersituation befindet, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

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II. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG.

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1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG (der die wortgleiche Regelung des § 53 Abs. 4 AuslG ersetzt hat) i. V. m. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention setzt die Gefahr menschenrechtswidriger staatlicher oder dem Staat zurechenbarer Maßnahmen voraus, für die es hier keine Anhaltspunkte gibt (vgl. dazu BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, InfAuslR 1996, 254, 255 [BVerwG 17.10.1995 - BVerwG 9 C 56.95]). Diese Regelung bleibt durch die Bestimmungen in Art. 6 Buchst. c i. V. m. Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 unverändert (vgl. Begründungserwägung Nr. 11 zur Richtlinie 2004/83/EG des Rates). Aber auch in unmittelbarer Anwendung dieser Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie ergibt sich kein Anspruch auf Abschiebungsschutz. Nach Art. 6 Buchst. c i. V. m. Art. 15 Buchst. b und Art. 18 der Richtlinie besteht ein Anspruch auf Abschiebungsschutz bei gebietsweiter (Art. 8 der Richtlinie) Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch nichtstaatliche Akteure, sofern der Staat oder die den Staat beherrschenden Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz zu gewähren. Diese Voraussetzungen sind hier jedenfalls wegen des durch UNMIK und KFOR grundsätzlich sichergestellten Schutzes aus den dargelegten Gründen nicht erfüllt.

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2. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht nicht.

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a) Für albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo sind die Voraussetzungen, unter denen wegen erheblicher allgemeiner Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung abgesehen werden kann, gegenwärtig nicht erfüllt. Wegen allgemeiner Gefahren für eine Bevölkerungsgruppe kann das Bundesamt grundsätzlich nicht zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG verpflichtet werden. Vielmehr sieht das Gesetz in diesen Fällen vor, dass die obersten Landesbehörden die politische Leitentscheidung zu treffen haben, ob die Abschiebung ausgesetzt werden soll (vgl. § 60 a AufenthG i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Aus der allgemeinen Gefahrenlage kann sich ein Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise allein dann ergeben, wenn die Angehörigen der fraglichen Bevölkerungsgruppe im Falle der Abschiebung in ihre Heimat aufgrund einer dort bestehenden extremen Gefahrenlage gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würden, ohne anderweitig geschützt zu sein. Unter diesen Voraussetzungen muss die Abschiebung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt werden, um den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz sicherzustellen. Dies ist gegenwärtig für albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo jedoch aus den im Bescheid des Bundesamtes genannten Gründen, auf die gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG Bezug genommen wird, nicht der Fall. Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch die Ereignisse vom 18. und 19. März 2004 für die albanische Bevölkerungsmehrheit keine extreme Gefahrenlage begründen, die dazu führen würde, dass die Klägerin bei einer Rückkehr gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre (vgl. auch Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 24.05.2004 - 8 LA 120/04 -; VG Braunschweig, Urt. vom 19.03.2004 - 6 A 129/04 -).

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b) Auch unter Anwendung der Regelungen in Art. 15 Buchst. c und Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 lässt sich aus der gegenwärtigen Sicherheitslage im Kosovo für ethnische Albaner kein Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG herleiten. Zwar ist in richtlinienkonformer Auslegung dieser Vorschrift des Aufenthaltsgesetzes davon auszugehen, dass von der Abschiebung eines Ausländers auch dann abzusehen ist, wenn er im Herkunftsstaat im Rahmen eines bewaffneten Konflikts als Angehöriger der Zivilbevölkerung gebietsweit einer erheblichen individuellen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt ist. Einer solchen gebietsweiten (Art. 8 der Richtlinie) Gefahrenlage unterliegen ethnische Albaner im Kosovo jedoch nicht. Hinzu kommt, dass ein „bewaffneter Konflikt“ im Sinne der Richtlinie nur bei einer kriegerischen Auseinandersetzung von erheblicher Dauer und Intensität angenommen werden kann (ebenso Bundesministerium des Innern, Hinweise zur Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 13.10.2006). Die seit den Unruhen im März 2004 noch gelegentlich örtlich auftretenden inter-ethnischen Konflikte im Kosovo erfüllen diese Voraussetzung jedenfalls nicht (vgl. dazu Auswärtiges Amt, Lagebericht Kosovo vom 29.06.2006). Unabhängig davon kann auch insoweit ein Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG grundsätzlich nicht aus Gefahren hergeleitet werden, denen eine Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist (vgl. auch Begründungserwägung Nr. 26 zur Richtlinie 2004/83/EG des Rates; Hessischer VGH, Beschl. vom 21.10.2005 - 7 ZU 2005/05.A -).

32

c) Es ist auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Lebensunterhalt der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr in den Kosovo derart ungesichert wäre, dass sie dort einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt sein würde. Auch alleinstehende Frauen bzw. allein erziehende Mütter haben im Kosovo einen Anspruch auf Sozialhilfe, wenn sie ohne Einkommen und Vermögen sind und auch durch Familienangehörige im In- oder Ausland nicht unterstützt werden (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 06.06.2005 - Az. 508-516.80/42653 -). Darüber hinaus sind im Kosovo weiterhin Hilfsorganisationen tätig, die sich für alleinstehende Frauen engagieren (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Kosovo vom 29.06.2006). Daher kann gegenwärtig offen bleiben, ob die Klägerin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten kann, dass ihr im Kosovo lebender, angeblich Sozialhilfe beziehender und Landwirtschaft betreibender Bruder oder jedenfalls ihre beiden in Deutschland lebenden erwerbstätigen Geschwister sie durch Unterhaltszahlungen unterstützen werden (vgl. dazu VG Karlsruhe, Urt. vom 17.05.2006 - A 4 K 10267/04 -). Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass nach den durch aktuelle Erkenntnismittel dokumentierten Erfahrungen auch geschiedene bzw. allein erziehende Frauen ohne ausreichendes eigenes Einkommen im Kosovo regelmäßig von ihren Familienangehörigen unterstützt werden. Eine Ausnahme gilt für Frauen, die aus einer der wenigen Familien mit besonderen „Traditionsvorstellungen“ stammen, nach denen weibliche Familienangehörige bei Ehescheidung oder Empfang eines nichtehelichen Kindes „verstoßen“ werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, aaO. und Auskunft vom 06.06.2005, aaO.). Dass die Klägerin aus einer solchen Familie stammt, hat sie selbst nicht vorgetragen.

33

d) Gegenwärtig ist auch nicht ersichtlich, dass der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren ist. Grundsätzlich kann auch die Gefahr, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat wegen einer dort nur unzureichend möglichen Behandlung verschlechtert, einen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen. Voraussetzung ist aber, dass die dem Ausländer deswegen drohende Gefahr erheblich ist, sein Gesundheitszustand sich also wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach der Rückkehr in das Heimatland eintreten würde, weil der Erkrankte auf eine adäquate Behandlung seiner Leiden angewiesen und diese dort nicht möglich ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 25.11.1997, BVerwGE 105, 383 ff). Das Gericht hat auf der Grundlage der ärztlichen Bescheinigungen, die im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG), nicht die Überzeugung gewinnen können, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.

34

Einen Anspruch auf Abschiebungsschutz kann die Klägerin insbesondere nicht daraus herleiten, dass ihr die Allgemeinmedizinerin B. mit Attest vom 16. November 2006 bescheinigt hat, unter Depressionen zu leiden. Wird einem Ausländer eine Depression bescheinigt, so führt dies nicht zwingend zu einem Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG (vgl. VG Braunschweig, Urt. vom 19.03.2004, NVwZ-RR 2005, 65, 66; Urt. vom 28.03.2006 - 6 A 446/04 -; Beschl. vom 11.03.2004 - 6 B 175/04 - m. w. N.). Erhebliche Gefahren für Leib oder Leben treten bei Depressionen nicht zwangsläufig ein, wenn die Behandlung nicht fortgeführt wird (vgl. auch Treiber in: Asylpraxis Band 7, S. 15, 27 f.). Darüber hinaus sind derartige Erkrankungen vielfach ausschließlich auf die Situation des Ausländers im Bundesgebiet zurückzuführen. Psychische Beeinträchtigungen, die ausschließlich durch die Situation des Ausländers im Bundesgebiet verursacht sind und die sich in seinem Heimatland nicht zu verschlimmern drohen, können zielstaatsbezogene, in einem Asylverfahren zu berücksichtigende Abschiebungshindernisse jedoch nicht begründen (vgl. VG Braunschweig, Urt. vom 19.03.2004, aaO. m. w .N.). Soweit derartige Beeinträchtigungen der Abschiebung als solcher entgegenstehen, können sie als sog. inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse allein von den Ausländerbehörden im ausländerrechtlichen Verfahren berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urt. vom 25.11.1997, BVerwGE 105, 383, 385 ff.). Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die auch in weniger entwickelten Gesundheitssystemen zur Behandlung von Depressionen zur Verfügung stehenden Maßnahmen in einigen Fällen ausreichen können, um jedenfalls eine Verschlimmerung der seelischen Erkrankung in einem den Schutzanspruch nach § 60 Abs. 7 AufenthG ausschließenden Umfang zu verhindern. Nach diesen Maßstäben gibt es derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine durch die psychische Erkrankung der Klägerin begründete konkrete Gefahr i. S. d. § 60 Abs. 7 AufenthG.

35

Das Attest vom 16. November 2006 lässt nicht erkennen, dass ihr erhebliche Gefahren für Leib oder Leben drohen, wenn die Behandlung und Medikation nicht fortgeführt wird. Auch die älteren ärztlichen Bescheinigungen enthalten keine konkreten Angaben zu den der Klägerin bei einem Abbruch der Behandlung drohenden Folgen ihrer psychischen Erkrankung. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte für eine aktuell bestehende konkrete Suizidgefahr, die bei einer Rückkehr nach Serbien unvermindert fortbestehen würde und sich durch dort mögliche Maßnahmen nicht beseitigen ließe (vgl. dazu VG Braunschweig, Urt. vom 28.03.2006 - 6 A 446/04 -).

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Aus den vorliegenden ärztlichen Angaben zur psychischen Erkrankung der Klägerin ergeben sich unabhängig davon keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die erforderliche Behandlung im Kosovo wegen unzureichender medizinischer Versorgung nicht fortgeführt werden könnte und die Klägerin im Falle einer Rückkehr daher mit einer Verschlimmerung der Erkrankung zu rechnen hätte. Depressionen sind im Kosovo grundsätzlich behandelbar (Deutsches Verbindungsbüro Kosovo, Auskunft vom 02.10.2006 - Az. RK 516.80-E 208/06 -). Nach den gegenwärtig vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, dass die danach mögliche Versorgung nicht genügen würden, um eine Leib oder Leben der Klägerin erheblich und konkret gefährdende Verschlimmerung der Erkrankung zu verhindern. Die Klägerin nimmt nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung gegenwärtig gegen die Erkrankung lediglich ein Beruhigungsmittel ein, um besser schlafen zu können. Die Antidepressiva Opipramol und Trimipramin nehme sie auf Empfehlung ihrer Ärztin dagegen nicht mehr ein. Das Gericht kann daher offen lassen, inwieweit diese Medikamente für die Klägerin im Kosovo verfügbar oder jedenfalls durch andere verfügbare Medikamente zu ersetzen wären. Nach den Angaben der Klägerin gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass ihre psychische Erkrankung eine weitergehende Behandlung erforderlich macht.

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Soweit sich aus dem Attest vom 16. November 2006 ergibt, dass die Klägerin „wegen Schmerzen“ behandelt wird, ist schon nicht ersichtlich, dass sich aus den gesundheitlichen Problemen erhebliche Gefahren für Leib oder Leben der Klägerin ergeben und welche Maßnahmen im Einzelnen erforderlich sind. Auch die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung im Übrigen nicht vorgetragen, wegen der Schmerzsymptomatik gegenwärtig besondere Medikamente einzunehmen oder in sonstiger Weise gesondert behandelt zu werden. Dass sich aus ihren Klinikaufenthalten im Jahr 2006 ein weiterer Behandlungsbedarf ergibt, dem im Kosovo nicht entsprochen werden kann und der im Fall einer Rückkehr daher zu konkreten erheblichen Gefahren für Leib oder Leben der Klägerin führen würde, lässt sich den ärztlichen Bescheinigungen nicht entnehmen. Ob die regelmäßigen ärztlichen, insbesondere frauenärztlichen Kontrollen, die die Klägerin nach eigenen Angaben durchführen lässt, im Kosovo sichergestellt wären, kann offen bleiben. Nach den vorliegenden Erklärungen und Unterlagen ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass ein Wegfall der Kontrollen zu einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben der Klägerin führen würde. Auch in der Bescheinigung des Facharztes C. vom 11. Mai 2006 werden der Klägerin weiterführende gynäkologische Kontrollen lediglich „empfohlen“, ohne dass sich konkrete Anhaltspunkte für die Folgen unterbleibender Kontrolluntersuchungen ergeben.

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3. Auch aus den Regelungen in Art. 15 Buchst. b und Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 lässt sich im Hinblick auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin kein weitergehender Anspruch auf Abschiebungsschutz herleiten. Nach diesen Bestimmungen kann von einer Abschiebung gemäß Art. 18 der Richtlinie abzusehen sein, wenn dem Betreffenden im Herkunftsstaat eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch nichtstaatliche Akteure droht. Das Gericht kann offen lassen, ob diese Regelung für den Fall von Gesundheitsgefahren infolge unzureichender Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der Abschiebung durch die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes (§ 60 Abs. 7 Satz 1, Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK) vollständig in deutsches Recht umgesetzt ist und für eine unmittelbare Anwendung daher kein Raum besteht. Denn jedenfalls sind die Voraussetzungen für eine Schutzgewährung nach den genannten Bestimmungen der Richtlinie nicht erfüllt.

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Es ist nicht ersichtlich, dass der Richtliniengeber dem Begriff der „unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung“ einen anderen Inhalt als der wortgleichen Formulierung in Art. 3 EMRK geben wollte. Eine den Abschiebungsschutz auslösende „unmenschliche“ oder „erniedrigende“ Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK liegt jedoch nur vor, wenn die physische oder psychische Integrität des Betroffenen nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles schwerwiegend beeinträchtigt ist (vgl. EGMR, Urt. vom 25.09.1997, NVwZ 1998, 161 f.; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Rn. 97 f.; Grabenwarter, EMRK, 2. Aufl., S. 135 f.; Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 3 Rn. 3, 8, jeweils m. w. N.). Dies ist hier unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Erkrankungen und der Behandlungsmöglichkeiten in der Heimat der Klägerin aus den dargelegten Gründen jedenfalls nicht ersichtlich. Daher kann offen bleiben, ob eine unmenschliche oder erniedrigende „Behandlung“ im Sinne des Art. 3 EMRK und des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie eine durch zielgerichtetes Handeln herbeigeführte Rechtsgutsbeeinträchtigung voraussetzt und die Regelungen damit keinen Schutz vor einer unzureichenden medizinischen Versorgung im Zielstaat der Abschiebung begründen können (gegen die Anwendung der Richtlinien-Vorschrift bei unterlassenen Maßnahmen: Hessischer VGH, Beschl. vom 21.10.2005 - 7 ZU 2005/05.A -; für Art. 3 EMRK im Ergebnis ebenso BVerwG, Urt. vom 27.04.1998, NVwZ 1998, 973 f., anders EGMR, aaO., zum Streitstand s. Hailbronner, aaO., Rn. 104 ff., Zimmer/Zimmermann in: Huber, Handbuch des Ausländer- und Asylrechts, Art. 3 EMRK Rn. 118 ff.).