Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 26.04.2010, Az.: 1 B 39/10

Anerkennung; EU-Ausland; EU-Führerschein; Europarecht; Fahrerlaubnis; Führerschein; Führerscheingeltung; Polen; polnische Fahrerlaubnis

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
26.04.2010
Aktenzeichen
1 B 39/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 47960
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz gegen den Bescheid vom 12.02.2010, mit dem der Antragsgegner festgestellt hat, dass die dem Antragsteller erteilte polnische Fahrerlaubnis vom 21.08.2009 nicht zum Führen von fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt (Nr. 1), und den Antragsteller zur Vorlage des polnischen Führerscheins zwecks Eintragung eines Sperrvermerks aufgefordert (Nr. 2) sowie für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 250,00 Euro angedroht hat (Nr. 3). Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheides angeordnet.

2

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Dies gilt nach § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch für feststellende Verwaltungsakte. Die aufschiebende Wirkung entfällt hier jedoch, weil der Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung hinsichtlich der Nr. 1 und der Nr. 2 des Bescheides angeordnet hat. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 64 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG.

3

Der Antragsgegner hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung vom 12.02.2010 in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet. Er hat ausgeführt, dass es im besonderen öffentlichen Interesse erforderlich sei, dass die Polizei bei Verkehrskontrollen über die Gültigkeit eines Führerscheins nicht getäuscht werden dürfe. Zur Minimierung möglicher Sicherheitsrisiken für andere Verkehrsteilnehmer sei eine gültige Fahrerlaubnis notwendig. Der Antragsteller habe bisher nicht durch ein unabhängiges Gutachten die Wiederherstellung seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nach einer früheren negativen Prognose nachgewiesen. Eine mögliche Teilnahme am Straßenverkehr bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens sei mit nicht hinnehmbaren Risiken für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer verbunden. Diese Formulierung geht über formelhafte Wendungen hinaus und lässt in hinreichender Weise erkennen, warum der Antragsgegner dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs den Vorrang vor dem Interesse des Antragstellers eingeräumt hat, seinen polnischen Führerschein weiter zu nutzen.

4

Die in materiell-rechtlicher Hinsicht im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentliche Interesse an der Gewährleistung der Verkehrssicherheit und dem privaten Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung der angeordneten Feststellung verschont zu bleiben, geht zu Lasten des Antragstellers aus. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat in aller Regel Erfolg, wenn sich bei summarischer Prüfung ergibt, dass der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache voraussichtlich obsiegen wird, weil die angegriffene Verfügung offenkundig rechtswidrig ist. Denn an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein legitimes öffentliches Interesse bestehen. Erweist sich die Verfügung hingegen als rechtmäßig, so dass der Antragsteller voraussichtlich in der Hauptsache unterliegen wird, und besteht an der sofortigen Vollziehung ein über das Erlassinteresse hinausgehendes öffentliches Interesse, so hat das einstweilige Rechtsschutzverfahren keinen Erfolg.

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Im vorliegenden Fall erweist sich die angegriffene Verfügung weder als offenkundig rechtmäßig noch als offenkundig rechtswidrig. Vielmehr wirft der Rechtsfall gemeinschaftsrechtliche Fragen auf, die bislang gerichtlich noch nicht abschließend geklärt sind. Die vor diesem Hintergrund - von der Erfolgsprognose unabhängig - durchzuführende Interessenabwägung führt dazu, dass dem öffentlichen Interesse an der Gewährleistung der Verkehrssicherheit Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers einzuräumen ist.

6

Die Feststellung der Berechtigung des Antragstellers, von seiner am 21.08.2009 ausgestellten polnischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, richtet sich nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, Sätze 2 und 3 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) in der seit dem 19.01.2009 gültigen Fassung (Änderung durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 07.01.2009, BGBl. I S. 27). Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV gilt die Berechtigung nach Absatz 1, Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, nicht für Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 kann die Behörde nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung erlassen. Nach § 28 Abs. 4 Satz 3 FeV ist Satz 1 Nr. 3 FeV nur anzuwenden, wenn die dort genannten Maßnahmen im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht nach § 29 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) getilgt sind.

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Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmungen sind zwar erfüllt, denn den Antrag des Antragstellers vom 17.01.2008 auf Wiedererteilung seiner Fahrerlaubnis lehnte der Antragsgegner infolge eines negativen medizinisch-psychologischen Gutachtens mit Bescheid vom 17.09.2008 ab. Die bestandskräftige Versagung ist ausweislich eines Verkehrszentralregisterauszugs vom 03.03.2010 auch im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht nach § 29 StVG getilgt.

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Bei summarischer Prüfung kann aber nicht abschließend beurteilt werden, ob gemeinschaftsrechtliche Regelungen der Anwendung von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV entgegenstehen. Der gemeinschaftsrechtliche Maßstab ergibt sich aus der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein (ABI L 403 S. 18), der sog. 3. Führerscheinrichtlinie. Nach Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. Führerscheinrichtlinie, der nach Art. 18 Satz 2 der 3. Führerscheinrichtlinie seit dem 19.01.2009 gilt und folglich im Falle einer - wie hier - nach diesem Zeitpunkt in einem EU-Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis anzuwenden ist, lehnt ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ab, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist.

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Auch wenn Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. Führerscheinrichtlinie als Maßnahmen ausdrücklich nur die Einschränkung, Aussetzung oder Entziehung der Fahrerlaubnis nennt, steht die Regelung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV, nach dem die Berechtigung zum Führen eines fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeuges auch nach bestandskräftiger Versagung der Fahrerlaubnis nicht gilt, inhaltlich mit den Vorgaben des Art. 11 Abs. 4 der 3. Führerscheinrichtlinie in Einklang. Denn die bestandskräftige Versagung ist den ausdrücklich genannten Maßnahmen gleichzustellen. Es macht keinen Unterschied, ob die Nichtanerkennung auf der eignungsmängelbedingten Entziehung als solcher oder auf der Versagung der Neuerteilung wegen fortbestehender oder neuer Eignungsmängel beruht. Denn beiden Fällen ist gemeinsam, dass die Bedenken gegen die Fahreignung des Betroffenen nicht nach dem nach inländischem Recht geltenden Maßstab in dem hierfür erforderlichen Verfahren ausgeräumt worden sind. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass der Betroffene im Fall der bestandskräftigen Versagung einen missglückten Versuch zur (Wieder-) Erlangung der Fahrerlaubnis unternommen hat. Dieser Umstand kann ihn aber nicht privilegieren. Vielmehr zeigt er, dass Eignungsbedenken weiterhin bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.01.2010 - 10 S 2391/09 - juris, Rn. 23).

10

Unter Geltung der Vorgängerrichtlinie 91/439/EWG (sog. 2. Führerscheinrichtlinie) war anerkannt, dass § 28 Abs. 4 FeV aus europarechtlichen Gründen nur eingeschränkt angewendet werden kann. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Art. 8 Abs. 4 der 2. Führerscheinrichtlinie, wonach ein Mitgliedstaat es ablehnen kann, die Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins anzuerkennen, wenn auf dessen Inhaber in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme der Einschränkung, der Aussetzung, des Entzugs oder der Aufhebung der Fahrerlaubnis angewendet wurde, in ständiger Rechtsprechung als eng auszulegenden Ausnahmetatbestand vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung (Art. 1 Abs. 2 der 2. Führerscheinrichtlinie) verstanden (vgl. EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-476/01 - “Kapper“, NJW 2004, 1725 Rn. 70 u. 72; EuGH, Beschluss vom 06.04.2006 - C-227/05 - „Halbritter“, NJW 2006, 2173 Rn. 26; EuGH, Urteil vom 26.06.2008 - C-329/06 - „Wiedemann“, NJW 2008, 2403). In der Rechtssache "Kapper" hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf Art. 8 Abs. 4 der 2. Führerscheinrichtlinie berufen kann, um einer Person, auf die eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer früher von ihm erteilten Fahrerlaubnis angewendet wurde, auf unbestimmte Zeit die Anerkennung der Gültigkeit einer von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnis zu versagen. Wurde auf eine Person in einem Mitgliedstaat eine Maßnahme des Entzugs der Fahrerlaubnis zusammen mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis angewendet, so erlaube es Art. 8 Abs. 4 der 2. Führerscheinrichtlinie diesem Mitgliedstaat nicht, nach Ablauf der Sperrfrist die Anerkennung der Gültigkeit des Führerscheins, der dieser Person nach Ablauf dieser Frist von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde, abzulehnen. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine würde geradezu negiert, hielte man einen Mitgliedstaat für berechtigt, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins unter Berufung auf seine nationalen Vorschriften unbegrenzt zu verweigern (vgl. EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-476/01 - “Kapper“; a.a.O. Rn. 76 ff.). In der Rechtssache "Kremer" hat der Europäische Gerichtshof diese Rechtsprechung weiterentwickelt und entschieden, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung erst Recht gelte, wenn die Maßnahme des Entzugs der ursprünglichen Fahrerlaubnis nicht mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis verbunden war (EuGH, NJW 2007, 1863 Rn. 34). Danach sind die deutschen Behörden verpflichtet, die Gültigkeit einer in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnis ohne vorherige Prüfung anzuerkennen, wenn keine Fahrerlaubnissperre bestand, insbesondere darf die Anerkennung der Fahrerlaubnis nicht von der Vorlage eines positiven Fahreignungsgutachtens abhängig gemacht werden (vgl. EuGH, Beschluss vom 28.09.2006 - C-340/05 -, "Kremer"; a.a.O. Rn. 37).

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In Anwendung dieser Rechtsprechung stünde dem Antragsteller die Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs in der Bundesrepublik Deutschland zu. Denn nach dieser Rechtsprechung durften die deutschen Behörden die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Führerscheins nur dann verweigern, wenn dieser nach Entzug der Fahrerlaubnis und innerhalb einer angeordneten Sperrfrist erworben wurde. Hier verzichtete der Antragsteller am 29.05.2001 während eines verwaltungsbehördlichen Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens infolge eines negativen medizinisch - psychologischen Gutachtens freiwillig auf seine Fahrerlaubnis. Das AG Einbeck verhängte durch Strafbefehl vom 08.10.2002 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine isolierte Fahrerlaubnissperre für 12 Monate, die am 28.10.2003 ablief. Im Jahre 2004 und 2005 wurde der Antragsteller erneut u.a. wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt, jedoch ohne Anordnung einer Fahrerlaubnissperre. Seinen Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis vom 17.01.2008 lehnte der Antragsgegner infolge eines negativen medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 21.04.2008 am 17.09.2008 ab. Am 21.08.2009 erwarb der Antragsteller die polnische Fahrerlaubnis. Zu diesem Zeitpunkt bestand in Deutschland keine Fahrerlaubnissperre. Somit hätte der Antragsgegner unter Geltung der Rechtsprechung zur 2. Führerscheinrichtlinie wegen der Unvereinbarkeit von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV mit dem Anerkennungsgrundsatz aus Art. 1 Abs. 2 der 2. Führerscheinrichtlinie die Feststellung der Nichtberechtigung nicht treffen dürfen.

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Zweifel bestehen, ob die unter der Geltung des Art. 8 Abs. 4 der 2. Führerscheinrichtlinie vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten einengenden Voraussetzungen für eine Nichtanerkennung ausländischer Fahrerlaubnisse in der Bundesrepublik Deutschland in Fällen vormaliger Entziehung einer Fahrerlaubnis und des Fortbestehens der seinerzeit zutage getretenen Eignungsbedenken auch nach Inkrafttreten von Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. Führerscheinrichtlinie fortgelten.

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Diese Frage wird in der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Der VGH Baden-Württemberg hat angeführt, dass der restriktiven Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Boden entzogen sei, da Art. 11 Abs. 4 der 3. Führerscheinrichtlinie anders als Art. 8 Abs. 4 der 2. Führerscheinrichtlinie eine zwingende Verpflichtung der Mitgliedstaaten und nicht mehr eine in deren Ermessen stehende Ermächtigung zur Nichtanerkennung enthalte. Aus Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der 3. Führerscheinrichtlinie ergebe sich, dass der Anerkennungsgrundsatz dort seine Grenzen finden solle, wo er zur Umgehung strengerer inländischer Eignungsvorschriften führe (vgl. Beschluss vom 21.01.2010 - 10 S 2391/09 -, juris Rn. 24). Mit denselben Gründen hat auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Übertragung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur 2. Führerscheinrichtlinie auf die 3. Führerscheinrichtlinie abgelehnt (vgl. Beschluss vom 10.11.2009 - 10 CS 09.2082 -, juris Rn. 25ff.). Auch nach der Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen kommt eine Übertragung der vom Europäischen Gerichtshof zur 2. Führerscheinrichtlinie entwickelten Rechtsprechung auf die 3. Führerscheinrichtlinie nicht in Betracht. In seinem Beschluss geht das Gericht auf die Richtlinienhistorie sowie das Normsetzungsverfahren ein und beruft sich auf das durch die europäischen Gremien fortwährend geäußerte Anliegen, den Führerscheintourismus wirkungsvoll einzudämmen, welches nunmehr in der zwingenden Bestimmung des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. Führerscheinrichtlinie seinen Niederschlag gefunden habe. Bedeutsam sei insbesondere der Umstand, dass die beteiligten Gremien - anders als der Europäische Gerichtshof - den wesentlichen Ansatzpunkt für die Unterbindung des Führerscheintourismus nicht in der strikten Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses gesehen hätten. Dem entspreche, dass eine im Entwurf an den Wohnsitzverstoß anknüpfende Bestimmung nicht Eingang in die am 18.12.2006 verabschiedete Schlussfassung der 3. Führerscheinrichtlinie gefunden habe. Darüber hinaus ergebe sich aus dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. Führerscheinrichtlinie nicht, dass nur zeitlich beschränkte Maßnahmen im Hinblick auf eine Fahrerlaubnis (Entziehung mit anschließender Sperrfrist für die Wiedererteilung) zum (zeitweiligen) Verbot einer Neuerteilung im Ausland oder zur Pflicht zur Nichtanerkennung einer nach dem Fristende im Ausland neu erteilten Fahrerlaubnis führten (Beschluss vom 20.01.2010 - 16 B 814/09 -, juris Rn. 6 ff.).

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Demgegenüber hat das OVG Rheinland-Pfalz angeführt, dass sich die mangelnde Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 8 Abs. 4 Satz 2 der 2. Führerscheinrichtlinie auf Art. 11 Abs. 4 Satz 2 der 3. Führerscheinrichtlinie nicht mit dem auf Rechtsfolgenseite vollzogenen Übergang von der Befugnis zur Nichtanerkennung zur Verpflichtung hierzu begründen lasse. Die vom Europäischen Gerichtshof vorgegebene enge Auslegung des Art. 8 Abs. 4 Satz 2 der 2. Führerscheinrichtlinie und die durch diese enge Auslegung entwickelte Rechtsprechung beruhe auf dem Regel-Ausnahme-Verhältnis dieser Vorschrift zum Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung (Art. 1 Abs. 2 der 2. Führerscheinrichtlinie) und betreffe allein die tatbestandlichen Voraussetzungen für die eingeräumte Befugnis zur Nichtanerkennung. Sie mache diese Befugnis von der Erfüllung eines weiteren Tatbestandsmerkmals, nämlich der Führerscheinerteilung während des Laufs einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates, abhängig. Der Tatbestand der 3. Führerscheinrichtlinie sei aber unverändert. Auch der Umstand, dass die 3. Führerscheinrichtlinie die Unterbindung des Führerscheintourismus bezweckt hätte, führe nicht dazu, dass die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bedeutungslos würde. Denn eine Verschärfung liege auch schon bereits im Übergang von der Befugnis zur Nichtanerkennung unter den vom Europäischen Gerichtshof genannten Einschränkungen zur Verpflichtung hierzu. Hinzu komme die weitere Verschärfung, dass Art. 11 Abs. 4 Satz 1 der 3. Führerscheinrichtlinie es den Mitgliedstaaten erstmals untersage, einem Bewerber, dem der Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen wurde, einen Führerschein auszustellen (vgl. Beschluss vom 17.02.2010 - 10 B 11351/09 -, juris Rn. 6 ff.). Ebenfalls unter Berufung darauf, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen dieselben geblieben seien, gelangt der Hessische VGH zu der Überzeugung, dass die alte zu Art. 8 Abs. 4 Satz 2 der 2. Führerscheinrichtlinie entwickelte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach wie vor von Bedeutung und auf die 3. Führerscheinrichtlinie zu übertragen sei (vgl. Beschluss vom 04.12.2009 - 2 B 2138/09 -, juris).

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Die Frage, ob die zu Art. 8 Abs. 4 Satz 2 der 2. Führerscheinrichtlinie entwickelte Rechtsprechung auch auf Art. 11 Abs. 4 Satz 1 der 3. Führerscheinrichtlinie zu übertragen ist, ist vom Europäischen Gerichtshof noch nicht entschieden worden. Die Klärung dieser europarechtlichen Fragestellung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, so dass die Erfolgsaussichten der Klage derzeit offen sind. Dies führt zu einer vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens unabhängigen Interessenabwägung, die zu Lasten des Antragstellers ausgeht. Würde die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die angegriffene Verfügung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wieder hergestellt, erwiese sich jedoch im Ergebnis des Hauptsacheverfahrens, dass der Antragsgegner die Anerkennung des polnischen Führerscheins zu Recht verweigert hat, so dass der Antragsteller während des gesamten Zeitraums kein Kraftfahrzeug in der Bundesrepublik Deutschland hätte führen dürfen, so blieben für diesen Zeitraum die Tatsachen, auf die sich der Antragsgegner bei seiner Versagung der Neuerteilung vom 17.09.2008 stützte, unberücksichtigt. Der Antragsgegner bezog sich bei Versagung der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis auf ein negatives medizinisch-psychologisches Gutachten vom 21.04.2008. Durch die vorläufige Zulassung des Antragstellers zum Straßenverkehr würden aufgrund der durch das Gutachten bestätigten Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers Gefährdungen der Verkehrssicherheit, insbesondere Gefährdungen wesentlicher Rechtsgüter wie Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer in Kauf genommen. Demgegenüber ist das Interesse des Antragstellers, für den Zeitraum bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens am Straßenverkehr in der Bundesrepublik Deutschland teilnehmen zu dürfen, weniger gewichtig. Außerdem hat der Antragsteller mit Schreiben vom 12.04.2010 mitgeteilt, dass er bis zu endgültigen Klärung des Sachverhalts ohnehin nicht beabsichtige, am Straßenverkehr in der Bundesrepublik Deutschland teilzunehmen. Auch im Übrigen ist ein besonderes, insbesondere wirtschaftliches Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens am Straßenverkehr in der Bundesrepublik Deutschland teilnehmen zu dürfen, weder ersichtlich noch ausdrücklich vorgetragen. Dieses damit als gering zu bewertende persönliche Interesse des Antragstellers hat im Ergebnis der Abwägung hinter dem höher gewichtigen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs in der Bundesrepublik Deutschland zurückzutreten.

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Die weitere Anordnung, den polnischen Führerschein zur Anbringung eines Sperrvermerks vorzulegen, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 StVG i. V. m. § 47 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 2 FeV und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Fahrerlaubnis tritt durch den amtlichen Ausweis, den Führerschein, in Erscheinung. Fehlt es - wie hier einstweilen - an der Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen, muss im Interesse der Verkehrssicherheit gewährleistet sein, dass der Inhaber nicht durch Vorlage des Führerscheins den unzutreffenden Eindruck erwecken kann, zur Teilnahme am Straßenverkehr berechtigt zu sein. Dadurch, dass auf dem Führerschein lediglich die Nichtberechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland vermerkt wird, ist der Antragsteller nicht gehindert, mit seinem polnischen Führerschein im Ausland weiterhin Kraftfahrzeuge zu führen. Die hierauf bezogene Zwangsgeldandrohung begegnet gleichfalls keinen rechtlichen Bedenken (§§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2, 67, 70 Nds. SOG).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2004, 1525). Danach ist für den Entzug der Fahrerlaubnis der Klasse B der Auffangwert (§ 52 Abs. 2 GKG) zugrunde zu legen, der im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des gerichtlichen Eilverfahrens halbiert wird.

II.

18

Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, weil die Rechtsverfolgung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aus den oben dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).