Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 24.01.2020, Az.: L 12 R 193/18

Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
24.01.2020
Aktenzeichen
L 12 R 193/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 72445
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 13.08.2014 - AZ: S 51 R 300/11

In dem Rechtsstreit
A.
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
B.
gegen
Deutsche Rentenversicherung Bund, vertreten durch das Direktorium,
Ruhrstraße 2, 10709 Berlin
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
hat der 12. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen ohne mündliche Verhandlung am 24. Januar 2020 in Bremen durch den Berichterstatter, Richter am Landessozialgericht C.,
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 13.8.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 30.4.1963 geborene Klägerin hat keine abgeschlossene Berufsausbildung und war zuletzt bis Juni 2009 als Pflegeassistentin beschäftigt. Mit Bescheid vom 2.2.2012 stellte die DAK-Gesundheit - Pflegekasse - bei der Klägerin die Pflegestufe I ab dem 1.3.2011 fest. Nach eigenen Angaben der Klägerin stellte die Pflegekasse für den Zeitraum ab November 2012 die Pflegestufe II fest. Mit Bescheid vom 5.12.2016 leitete Pflegekasse die Klägerin mit Wirkung ab dem 1.1.2017 von der Pflegestufe 2 in den Pflegegrad 4 über. Bereits mit Bescheid vom 12.6.2013 stellte das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie zudem bei der Klägerin ab dem 6.2.2013 einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 fest und erkannte die Merkzeichen G, B und H zu. Mit Bescheid vom 11.4.2019 erhöhte sie den GdB ab dem 12.12.2018 auf 90.

Am 12.8.2009 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Als die ihrer Meinung nach die Erwerbsminderung begründenden Gesundheitsstörungen gab sie Depressionen und Rückenleiden an.

Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens holte die Beklagte zunächst ein nervenärztliches Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. D. vom 14.10.2009 ein. Danach kann die Klägerin mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von sechs Stunden und mehr überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen ausüben. Anschließend holte die Beklagte eine Stellungnahme ihres beratungsärztlichen Dienstes (BÄD, Dr. E.) vom 20.10.2009 sowie einen Befundbericht der behandelnden Ärztin F., Fachärztin für Psychiatrie, vom 21.12.2009 sowie von der G. -Klinik in Bad Zwischenahn vom 3.4.2010 ein. Der Beklagten lag des Weiteren ein Ärztlicher Entlassungsbericht der H. vom 2.6.2010 über eine Rehabilitationsmaßnahme vom 21.4. bis 2.6.2010 vor. Danach kann die Klägerin leichte Arbeiten, zeitweise im Stehen und Gehen sowie überwiegend im Sitzen in einem Umfang von sechs Stunden und mehr ausüben. Häufiges Bücken, Hocken, Knien, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten von mehr als zehn Kilogramm, inhalative Belastungen, Hautkontakt mit Allergenen und Reizstoffen, langes Gehen, Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Kontaktfähigkeit, Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung, Treppensteigen und überwiegendes Stehen sollten vermieden werden. Letztlich holte die Beklagte noch eine weitere Stellungnahme des BÄD (Dr. I.) vom 19.8.2010 ein.

Mit Bescheid vom 2.9.2010 lehnte die Beklagte schließlich den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Einschränkungen, die sich aus den Erkrankungen oder Behinderungen der Klägerin (Posttraumatische Belastungsstörung, lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie, Asthma bronchiale sowie schädlicher Gebrauch von Alkohol) ergäben, nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung führten, da die Klägerin in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.

Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin am 27.9.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass ihre Erkrankungen und deren Auswirkungen nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Diesbezüglich nahm sie Bezug auf ärztliche Atteste der behandelnden Ärztin F. vom 27.9.2010 und Dr. J., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 28.10.2010, die darin ihre Auffassung zum Ausdruck brachten, dass die Klägerin erwerbsunfähig sei.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte zunächst Befundberichte von der Psychiaterin F. vom 7.12.2010, von Dr. Becker vom 10.2.2011 sowie von dem Pneumologen Dr. K. vom 18.2.2011 ein. Des Weiteren lag ein Entlassungsbericht des L. Dr. M. - Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik - vom 20.5.2011 über eine dort vom 24.3.2011 bis 20.5.2011 durchgeführte stationäre Behandlung vor. Auf Anforderung der Beklagten erstattete der Orthopäde N. am 19.8.2011 ein fachorthopädisches Gutachten. Danach kann die Klägerin leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitweise im Stehen, Sitzen und Gehen vollschichtig ausüben. Zu vermeiden seien schweres Heben und Tragen, Überkopfarbeiten sowie Knien und Belastung auf Leitern. Am 1.9.2011 erstattete zudem der Neurologe und Psychiater Dr. O. ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten. Danach kann die Klägerin leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitweise im Stehen, Gehen und Sitzen vollschichtig ausüben. Zu vermeiden seien zu hohe Anforderungen an das Reaktions- und Konzentrationsvermögen, die Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sowie schweres Heben und Tragen und Zwangshaltungen. Die Beklagte holte letztlich noch eine Stellungnahme vom BÄD (Dr. P.) vom 13.9.2011 ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9.11.2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Aus dem Entlassungsbericht der Q. Klinik vom 2.6.2010 sowie aus den zusätzlich in dem Widerspruchsverfahren eingeholten Befundberichten und Gutachten ergäben sich keine weiteren Befunde, die zu einer Änderung der in dem Rentenverfahren bereits getroffenen sozialmedizinischen Beurteilung führen könnten.

Am 30.11.2011 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Zu deren Begründung hat sie zunächst auf ihren bisherigen Vortrag verwiesen. Sie sei weiterhin der Auffassung, dass sie keine Tätigkeiten von nennenswertem wirtschaftlichen Wert verrichten könne. Sie beziehe seit dem 1.3.2011 Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I, seit November 2012 der Pflegestufe II. Hinsichtlich des Ergebnisse der seitens des SG eingeholten Gutachtens werde auf die Stellungnahmen von Dr. J. vom 13.12.2013 und von Dr. R. vom 26.11.2013 verwiesen.

Die Beklagte hat demgegenüber erwidert, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung weiterhin nicht erfüllt seien. Der nach dem SGB IX festgestellte GdB sei ohne Rücksicht auf dessen Höhe bei der Prüfung des Antrages auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht entscheidend. Der GdB sei ein Maß für die Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Die Feststellung der Erwerbsminderung werde hingegen ausschließlich unter Zugrundelegung der in §§ 43, 240 SGB VI gesetzten Leistungsgrenzen und ggf. unter Beachtung des für den Versicherten maßgeblichen Berufes getroffen.

Das SG hat zur Aufklärung des Sachverhaltes zunächst Befundberichte des Orthopäden Dr. S. vom 2.4.2012, des Facharztes für Nervenheilkunde T. vom 3.5.2012 und von Dr. J. vom 24.5.2012 eingeholt. Des Weiteren hat Dr. U., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, auf Anforderung des SG am 23.12.2012 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten erstattet. Danach kann die Klägerin aus neurologischer Sicht und auch unter Berücksichtigung der benannten nicht nervenärztlichen Diagnosen körperlich leichte, nur vereinzelt noch mittelschwere Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr ausüben. Sie sei geistig in der Lage, nur Tätigkeiten mit einer einfachen Beanspruchung auszuüben. Sie könne solche Tätigkeiten nicht dauerhaft im Gehen oder Stehen verrichten, dauerhaft nur im Sitzen. Sie könnte solche Tätigkeiten jedoch wechselweise im Gehen, Stehen oder Sitzen ausüben. Solche Tätigkeiten könnten in geschlossenen Räumen, auch im Freien, dort allerdings nur unter Witterungsschutz, ausgeübt werden. Die Klägerin könne nicht ständig, sondern nur vereinzelt in gebückter oder sonstiger Zwangshaltung tätig sein. Gleiches gelte für Tätigkeiten im Knien oder Hocken sowie bei Überkopfarbeiten. Das Heben und Tragen von Lasten bis fünf Kilogramm, vereinzelt bis zehn Kilogramm, sei zumutbar. Aufgrund der psychiatrischen Erkrankung seien Tätigkeiten unter einem besonderen Zeitdruck oder Stress nicht zumutbar. Akkordtätigkeiten seien strikt zu meiden. Tätigkeiten am Fließband und an laufenden Maschinen seien ansonsten möglich, jedoch keine Tätigkeiten in Nacht- oder Wechselschicht. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nicht eingeschränkt; Tätigkeiten auf Gerüsten, Leitern und Treppen seien ebenso möglich.

Auf weitere Anordnung des SG hat sodann die Orthopädin V. am 20.8.2013 ein fachorthopädisches Gutachten erstellt. Nach deren Einschätzung sei die Klägerin aus orthopädischer Sicht noch in der Lage körperlich leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mit geistig normaler Beanspruchung und in gelegentlichem Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von sechs Stunden und mehr zu verrichten. Auszuschließen seien häufiges Arbeiten in vornübergeneigter oder gebückter Körperposition oder anderweitigen Zwangshaltungen des Rumpfes, das Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm, häufiges Überkopfarbeiten, Arbeiten mit häufigen Kopfumwendbewegungen, manuelle Belastungen des rechten Armes, Gewichtbelastungen des rechten Armes, häufiges Arbeiten in kniender oder hockender Körperposition, das häufige Besteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten sowie eine Haltungskonstanz im Sitzen über zwei Stunden und im Stehen und Gehen über 60 Minuten. Die Wegefähigkeit sei nicht in rentenrelevanter Weise aufgehoben.

Die Klägerin hat weiterhin u.a. einen Bericht des W. - Rheumazentrum - vom 12.6.2012 über eine stationäre Behandlung vom 14.6. bis 22.6.2012 sowie ärztliche Atteste der behandelnden Ärzte Dr. R., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 26.11.2013 und Dr. J. vom 13.12.2013 beigebracht.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.8.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es damit begründet, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung habe, da sie nicht mindestens teilweise erwerbsgemindert sei. Im Vordergrund stünden bei der Klägerin in erster Linie Gesundheitsbeeinträchtigungen auf psychiatrischem, in zweiter Linie auf orthopädischem Fachgebiet. Unter Berücksichtigung der während des Verwaltungs- und des Gerichtsverfahrens beigezogenen ärztlichen Unterlagen und insbesondere der eingeholten Gutachten des Dr. U. und der Frau V. sei die Klägerin weiterhin in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr tätig zu sein. Die vom SG beauftragten Sachverständigen hätten die Klägerin eingehend untersucht und alle Befunde sorgfältig bewertet. Die Gutachter leiteten nachvollziehbare und überzeugende Folgerungen aus den Untersuchungsergebnissen ab. Die Gutachten seien insbesondere auch hinsichtlich der geäußerten Einschätzung zum Restleistungsvermögen plausibel und kongruent. Zur seitens der Sachverständigen Goeing angeregten Einholung eines schmerztherapeutischen Zusatzgutachtens sehe sich das SG nicht veranlasst, zumal die Einordnung von Schmererkrankungen und deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit in das Fachgebiet der Psychiatrie fielen und umfassend von Dr. U. gewürdigt worden seien. Die im Nachgang zu den Begutachtungen vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen vermögen die gründlichen und im Einzelnen nachvollziehbaren gerichtlicherseits eingeholten Gutachten nicht wesentlich zu erschüttern. Eine atypische Summierung von Leistungseinschränkungen oder schwere spezifische Leistungsbehinderungen lägen nicht vor. Aus der Feststellung des GdB von 80 ergebe sich keine andere Entscheidung hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Klägerin, da diese nicht gleichbedeutend mit einem entsprechenden Herabsinken der Erwerbsfähigkeit sei.

Gegen den ihr am 20.8.2014 zugegangenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 1.9.2014 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung trägt sie vor, dass sie weiterhin geltend mache, dass sie aufgrund ihrer Erkrankungen auf psychiatrischem und orthopädischem Fachgebiet, jedoch auch wegen ihrer Asthmaerkrankung, auch leichteste Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr verrichten könne. Die Leistungsbeurteilung der erstinstanzlichen Gutachter werde nicht geteilt. Die Gutachterin V. habe angeführt, dass im Zweifelsfall die Einholung eines schmerztherapeutischen Gutachtens diskutiert werden könne, welches die Wechselwirkungen zwischen neurologisch-psychiatrischen Beeinträchtigungen und Veränderung des Bewegungsapparates näher beleuchten könne. Dies sei jedoch nicht geschehen. Aus der eingereichten Bescheinigung von Dr. J. sowie dessen Befundbericht ergebe sich, dass aufgrund des Schmerzsyndroms sowie der seit Jahren bestehenden Depression, welche auch nach mehreren stationären Behandlungen nicht habe gebessert werden können, die Klägerin bis auf weiteres zumindest mittelfristig über ein ausreichendes berufliches Leistungsvermögen nicht mehr verfüge. Seit dem Jahr 2011 sei eine deutliche Verschlechterung eingetreten. Nach Auffassung von Dr. J. stelle das Ergebnis des Gutachtens nur eine Momentaufnahme dar, welche nicht dem seit langer Zeit bestehenden Krankheitsbild mit allen seinen Belastungen, Schmerzen und Funktionseinbußen entspreche. Des Weiteren verweise sie auf die Stellungnahme von Frau F., die eine traumaspezifische Behandlung für dringend erforderlich erachte und die Ablehnung einer Erwerbsminderungsrente auf Zeit aus fachärztlicher Sicht vollkommen unverständlich sei und jeglichen Behandlungserfordernissen widerspreche.

Sie [die Klägerin] weist darüber hinaus erneut darauf hin, dass bei ihr ein GdB von 80 bzw. 90 festgestellt und ihr die Nachteilausgleiche "G", "B" und "H" zuerkannt worden seien. Zudem erfülle sie ausweislich der Bescheide der Pflegekasse die Voraussetzungen für die Pflegestufe II bzw. den Pflegegrad 4. Die Klägerin verweist im Übrigen auf die im Berufungsverfahren eingereichten Befunde behandelnder Ärzte. Soweit eine Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Versicherungsfall ab dem 2.7.2013 zu verneinen sei, vertritt sie die Meinung, dass bereits vor dem 1.7.2013 von einer Erwerbsminderung auszugehen sei. Dies sei, neben den medizinischen Befunden, auch daraus ersichtlich, dass die Gutachter in den Fahrtkostenabrechnungen die Gutachtertermine betreffend bescheinigt hätten, dass eine Begleitung erforderlich sei bzw. die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für nicht zumutbar gehalten werde. Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe II) und der GdB von 80 bestünden zudem schon seit November 2012 bzw. Februar 2013.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 13.8.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 2.9.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.11.2011 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen Erwerbsminderung gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist hinsichtlich der seitens der Klägerin beigebrachten medizinischen Befunde im Wesentlichen auf die eingeholten Stellungnahmen des BÄD vom 10. und 14.11.2014 sowie 29.10.2015 (Dr. X.). Nach Würdigung des Ärztlichen Entlassungsberichts der Y. sei zwar von einer vollen Erwerbsminderung auf Zeit vom 22.5.2017 (Datum der Reha-Antragstellung) bis zum 31.12.2020 aus medizinischen Gründen auszugehen. Allerdings könne eine Rente mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht bewilligt werden. Im fraglichen Fünf-Jahreszeitraum lägen keinerlei Pflichtbeiträge vor.

Die Klägerin hat dem Senat Entlassungsbriefe des Z. in Brake vom 19.8.2014 über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 13. bis 16.8.2014 sowie des AA. in Varel vom 24.10.2014 über eine stationäre Behandlung vom 21. bis 25.10.2014, eine Stellungnahme des behandelnden Psychotherapeuten Dr. AB. vom 13.1.2016, Arztbriefe der AC. vom 20.10.2017 über die dort stattfindende ambulante Behandlung und vom 11.4.2018 über eine stationäre Behandlung vom 29.3. bis 12.4.2018 sowie einen Befundbericht der AC. vom 1.12.2017 vorgelegt. Des weiteren hat ein Ärztlicher Entlassungsbericht der Fachklinik AD. in Oldenburg vom 28.11.2018 über eine vom 15.8. bis 28.11.2018 durchgeführte Entwöhnungsmaßnahme vorgelegen. Danach sei die Klägerin aus nervenärztlicher Sicht sowohl für ihre letzte berufliche Tätigkeit als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur unter drei Stunden leistungsfähig.

Dem Senat haben zudem Versicherungsverläufe / Kontoübersichten der Beklagten vom 12.6.2015, 21.6.2017 und 7.1.2019 vorgelegen.

Mit Beschluss vom 6.2.2018 hat der Senat die Berufung auf den Berichterstatter übertragen. Mit weiterem Beschluss vom 9.2.2018 hat der vormalige Berichterstatter auf Antrag der Beteiligten das Ruhe des Verfahrens bis zur Beendigung der der Klägerin mit Bescheid der Beklagten vom 24.1.2018 bewilligten medizinischen Rehabilitation angeordnet. Auf Antrag der Klägerin vom 28.11.2018 ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen L 12 R 193/18 fortgesetzt worden.

Mit Schriftsätzen vom 29.3. und 10.4.2019 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung zugrunde gelegen haben.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte über die Berufung gemäß § 155 Abs. 3, 4 SGG durch seinen Berichterstatter als Einzelrichter und gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis damit erklärt hatten.

Die zulässige Berufung ist unbegründet, da das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Zutreffend hat sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt nach § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI voraus, dass der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert im Sinne einer vollen oder teilweisen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 bzw. 2 SGB VI ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Hinsichtlich eines etwaig anzunehmenden Leistungsfalles nach dem 1.7.2013 liegen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bereits deshalb nicht vor, da die Klägerin in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorweisen kann (vgl. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI). Insofern verweist der Senat zunächst auf die Hinweise der vormaligen Berichterstatter vom 2.9.2015 und 24.10.2016, auf die beigebrachten Versicherungsverläufe bzw. Kontoübersichten der Beklagten sowie deren diesbezügliche Ausführungen, die nach Aktenlage nicht zu beanstanden sind. Allein ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch unter Berücksichtigung der seitens der Agentur für Arbeit Brake gemeldeten Zeiten für die Jahre 2016 und 2017 die erforderlichen 36 Monate Pflichtbeitragszeiten ebenfalls nicht erfüllt werden, weil es sich bei den gemeldeten Zeiten nicht um Pflichtbeitragszeiten oder diesen gleichgestellte Zeiten (vgl. § 55 Abs. 2 SGB VI) handelt. Darüber hinaus kommt die Verlängerung eines bei einem späteren Leistungsfalls entsprechend später anzunehmenden Fünf-Jahres-Zeitraums durch die genannten Zeiträume nicht in Betracht, da diese nicht nach § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI als Anrechnungszeiten zu bewerten sind, da sie nicht i. S. v. § 58 Abs. 2 SGB VI eine der dort genannten Zeiten unterbrochen haben bzw. keinen Anschluss an diese aufweisen. Mangels Erfüllung der erforderlichen "Drei-Fünftel-Belegung" für einen Leistungsfall nach dem 1.7.2013 ist unerheblich, ob und inwieweit sich das Leistungsvermögen der Klägerin nach diesem Zeitpunkt entwickelt hat. Die diesbezüglich im Rahmen des Berufungsverfahrens beigebrachten, den Zeitraum ab 2014 betreffenden Entlassungsberichte vermögen daher, selbst wenn aus ihnen sich eine andere Beurteilung des Leistungsvermögens ergäbe, keinen Rentenbezug begründen.

Hinsichtlich des Zeitraumes bis zum 1.7.2013 sind die Beklagte und das SG unter Berücksichtigung der oben zitierten Rechtsgrundlagen und der von ihnen (ergänzend) veranlassten medizinischen Sachaufklärung rechtsfehlerfrei zu der Beurteilung gelangt, dass die medizinischen Voraussetzungen für den von der Klägerin verfolgten Rentenanspruch nicht vorliegen. Der Senat macht sich diese Ausführungen nach eigener Prüfung zu Eigen und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen darauf zunächst Bezug (§§ 136 Abs. 3, 153 Abs. 2 SGG). Das Vorbringen der Klägerin und die Überprüfung der Sach- und Rechtslage in dem Berufungsverfahren rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Dies gilt zunächst insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin bezüglich der bei ihr festgestellten GdB und Pflegebedürftigkeit. Ob und ggf. in welcher Höhe für eine Person ein GdB festgestellt wurde, steht mit der Frage, ob bei ihr nach rentenrechtlichen Vorschriften eine (volle) Erwerbsminderung besteht, in keinerlei Wechselwirkung, weil die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen vollkommen unterschiedlich sind (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 8.8.2001 - B 9 SB 5/01 B). Gleiches gilt für die Feststellung der Pflegestufen / Pflegegraden bzw. der Pflegebedürftigkeit nach §§ 14, 15 SGB XI (a. F.), für die ebenfalls andere Kriterien gelten (vgl. dazu: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 19.10.2006 - 12 B 04.2692).

Die seitens der Klägerin und ihrer behandelnden Ärzte geäußerten Bedenken hinsichtlich der erstinstanzlich erstellten Gutachten vermag der Senat nicht zu teilen. Diese sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der Senat verweist diesbezüglich insoweit zunächst erneut auf die Ausführungen des SG, macht sich diese zu Eigen und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab.

Der Argumentation der die Klägerin behandelnden Ärzte, dass es sich bei den Gutachten nur um Momentaufnahmen handele, welche dem seit langer Zeit bestehenden Krankheitsbild der Klägerin nicht entsprächen, vermag der Senat nicht zu folgen. Sowohl der Sachverständige Dr. U. als auch die Sachverständige V. haben die Krankengeschichte der Klägerin bei der Erstellung ihrer Gutachten berücksichtigt. Des Weiteren haben sie die Klägerin nach ihren Beschwerden befragt und eine Untersuchung durchgeführt. Daher ist auch die Kritik der behandelnden Ärztin F. an den Gutachten nicht nachvollziehbar. Für die seitens der Klägerin behauptete deutliche Verschlechterung des Beschwerdebildes gibt es nach den Gutachten ebenfalls keine Anhaltspunkte.

Zwar trägt die Klägerin hinsichtlich des Gutachtens der Sachverständigen V. richtigerweise vor, dass diese ausgeführt habe, dass im Zweifelsfall die Einholung eines schmerztherapeutischen Gutachtens diskutiert werden könne, welches die Wechselwirkungen zwischen neurologisch-psychiatrischen Beeinträchtigungen und Veränderung des Bewegungsapparates näher beleuchten könnte. Allerdings führt die Gutachterin V. unmittelbar zuvor auch aus, dass der Sachverhalt im Grunde sowohl auf neurologisch-psychiatrischem als auch auf orthopädischem Fachgebiet geklärt sei, und unmittelbar anschließend, dass es fraglich sei, ob sich die bei der Klägerin bestehende Situation des Antriebsmangels durch eine schmerztherapeutische Begutachtung eindeutig klären lasse. Daher und aufgrund dessen, dass sich der Gutachter Dr. U. mit den somatoformen Störungen und den bei der Klägerin bestehenden Depressionen bereits auseinandergesetzt hatte und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht für erforderlich hielt, war der Sachverhalt nicht durch Einholung eines schmerztherapeutischen Gutachtens weiter aufzuklären. Letztlich folgt aus den vorgelegten Fahrtkostenabrechnungen der Gutachter, in denen sie eine Begleitung zum Termin für erforderlich bzw. die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für nicht zumutbar hielten, keine andere Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin. Die Gutachter Dr. U. und V. haben die Wegefähigkeit der Klägerin, insbesondere auch bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, in ihren Gutachten ausdrücklich bejaht.

Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 9.5.2012 - B 5 R 68/11 R) oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 5 RJ 64/02 R) sind nicht ersichtlich.

Der Klägerin waren in dem hier relevanten Zeitraum bis einschließlich 1.7.2013 leidensgerechte Erwerbstätigkeiten unter Berücksichtigung der in den Gutachten im Einzelnen aufgezeigten qualitativen Einschränkungen noch in einem Umfang von werktäglich mindestens sechs Stunden zumutbar. Diese Einschränkungen reduzierten die Erwerbsmöglichkeiten der Klägerin zwar in qualitativer, nicht jedoch in quantitativer Hinsicht, auch nicht in einem Maße, dass der Arbeitsmarkt für sie als verschlossen betrachtet werden musste.

Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit kommt vorliegend nicht in Betracht, da die Klägerin nach dem 1.1.1961 geboren worden ist (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Sie muss sich daher auch insoweit auf sämtliche, ihr gesundheitlich noch zumutbare Erwerbstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Das Risiko einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu finden, fällt nicht in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern gehört zu demjenigen der Arbeitsverwaltung (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 27.4.1979 - 4 RJ 107/77).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.