Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 11.04.1979, Az.: I A 130/77
Anforderungen an Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten ; Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ; Religiöse und konfessionelle Neutralität des Staates; Erhebung von Steuern durch Kirchen
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 11.04.1979
- Aktenzeichen
- I A 130/77
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1979, 17458
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1979:0411.I.A130.77.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 137 Abs. 6 WRV
- Art. 140 GG
- § 3 Abs. 2 Nr. 2 c KiStRG
- § 7 Abs. 2 KiStRG
- § 11 Abs. 4 KiStRG
Verfahrensgegenstand
Kirchensteuer
Die I. Kammer Braunschweig des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat
ohne mündliche Verhandlung
am 11. April 1979
durch
den Präsidenten Dr. Burmeister als Vorsitzenden,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Bock,
die Richterin Dr. Haas sowie
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der durch Anrufung des örtlich unzuständigen Gerichts entstandenen, die der Beklagte zu tragen hat.
Gründe
I.
Die Kläger gehörten bis zum Jahre 1975 der römisch-katholischen Kirche an. Am 29. Mai 1975 trat der Kläger zu 1) aus der katholischen Kirche aus. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er 417,85 DM Kirchensteuer im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens entrichtet. Nach seinem Austritt aus der Kirche erhielt der Kläger zu 1) in der zweiten Jahreshälfte des Jahre 1975 neben seinem Arbeitslohn noch Sonderzahlungen von erheblicher Höhe. Mit Ablauf des Jahres 1975 wurden die Kläger zur Einkommensteuer veranlagt. In dem Einkommensteuerbescheid für die Ehegatten vom 14. Dezember 1976 wurden für den Zeitraum Januar bis Mai 1975 für den Kläger zu 1) ein 417,85 DM über Zeigender Betrag als Kirchensteuer festgesetzt. Gegen die Festsetzung und Einbehaltung der Kirchensteuer über den bereits bezahlten Betrag von 417,85 DM hinaus haben sich die Kläger im Vorverfahren erfolglos gewandt.
Zur Begründung der fristgerecht erhobenen Klage tragen die Kläger im wesentlichen vor, die Kirchensteuerpflicht ende mit Ablauf des Monats, in dem der Kirchenaustritt wirksam werde. Nach diesem Zeitpunkt bestehe für den aus der Kirche Ausgetretenen keine Verpflichtung zur Zahlung von Kirchensteuer mehr. Der Bescheid verstoße auch gegen den Gleichheitsgrundsatz. Lägen bei einem anderen Arbeitnehmer die gleichen Voraussetzungen vor, hätte er aber die Sonderzahlungen nicht erhalten, so hätte dieser Arbeitnehmer keine Kirchenstreuer nachzuzahlen gehabt.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
- 1.
den Kirchensteuerbescheid des Finanzamtes Wölfenbüttel für das Kalenderjahr 1975 vom 14. Dezember 1976 und den Widerspruchebescheid des Beklagten vom 20. Juni 1977 insoweit aufzuheben, als ein 417,85 DM übersteigender Betrag für den Kläger zu 1) als Kirchensteuer festgesetzt wird
und
- 2.
den Beklagten zu verpflichten, an die Kläger den einbehaltenen Betrag von 357,85 DM zurückzuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Bescheide für rechtmäßig.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien, den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten. Sie waren Gegenstand der Beratung.
II.
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
1.
Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach §40 VwGO ist für das Klage begehren des Klägers eröffnet.
Der Rechtsstreit betrifft keine Innere Angelegenheit des Beklagten, für die wegen der Eigenständigkeit der Kirchen in ihren eigenen Angelegenheiten der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nicht gegeben ist. Die Kirchen sind aber als Körperschaften des öffentlichen Rechts Träger abgeleiteter staatlicher Kompetenzen und Rechte. Durch die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gliedert der Staat jedoch nicht die Religionsgesellschaft in das Staatsgefüge ein, sondern macht sie lediglich zum Träger bestimmter Kompetenzen und Rechte (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 2. Aufl. 1969, Art. 140 Rdnr. 5). Angesichts der religiösen und konfessionellen Neutralität des Staates nach dem Grundgesetz, bedeutet nämlich diese zusammenfassende Kennzeichnung der Rechtsstellung der Kirchen keine Gleichstellung mit anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die in den Staat organisatorisch eingegliederte Verbände sind, sondern nur die Zuerkennung eines öffentlichen Status, der sie aber keiner besonderen Kirchenhoheit des Staates oder gesteigerten Staatsaufsicht unterwirft (so BVerfGE 18, S. 385 (387) [BVerfG 17.02.1965 - 1 BvR 732/64][BVerfG 17.02.1965 - 1 BvR 732/64]; Scheuner, ZevKR 7, S. 258).
Soweit aber die Kirchen vom Staat verliehene Befugnisse ausüben, betätigen sie mittelbar auch staatliche Gewalt mit der Folge, daß ihre Selbstbestimmung eine in der Sache begründete Einschränkung erfährt. Dies ist für das Besteuerungsrecht, das den Kirchen als öffentlich-rechtlichen Körperschaften nach Art. 137 Abs. 6 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG vom Staat verliehen worden ist, der Fall. Von diesem ihr vom Staat verliehenen Hoheitsrecht kann die Kirche nur nach Maßgabe landesrechtlicher Vorschriften Gebrauch machen. Das Besteuerungsrecht der Kirchen zählt daher zu den gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche (vgl. u.a. BVerfGE 19, S. 206 (217); Rüfner, NJW 1971, S. 15 (16)). Insoweit nehmen die Kirchen außerhalb ihres vom Staat verfassungsrechtlich gewährleisteten Bereichs der inneren Ordnung unter Beteiligung staatlicher Behörden und Organe Funktionen wahr, die der staatlichen Sphäre zugerechnet werden müssen und daher auch der Rechtskontrolle durch staatliche Gerichte unterliegen (BVerwGE 7, S. 189[BVerwG 01.08.1958 - VII C 51/57] (190, 191); 21, S. 330; OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Oktober 1967 - V OVG A 26/64 -).
Dieser Rechtslage trägt §10 Abs. 2 des Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch Kirchen, andere Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften (Kirchensteuerrahmengesetz) - KiStRG - vom 10. Februar 1972 (GVBl. S. 109) dergestalt Rechnung, daß Klage vor den Verwaltungsgerichten zu erheben ist, wenn das Verfahren über den nach der kirchenlichen Steuerordnung gegebene Rechtsbehelf gegen den die Kirchensteuer betreffenden Bescheid ohne Erfolg geblieben ist. Da der Kläger sich vorliegend gegen die Berechnung der Kirchensteuer, nicht aber gegen die der Kirchensteuer zugrunde liegende Einkommensteuer wendet, ist der Verwaltungerechtsweg eröffnet.
2.
Die Klage ist auch zutreffend, gegen den Beklagten gerichtet worden.
Zwar erfolgte die Festsetzung und Erhebung der Kirchensteuer nicht durch den Beklagten selbst, sondern durch die Finanzämter (§11 KiStBG). Steuergläubiger ist jedoch der Beklagte. Ihm allein stehen auch alle die Kirchensteuer betreffenden Entscheidungen zu; so entscheidet er nach §11 Abs. 4 KiStRG über Stundung, Niederschlagung, Erlaß sowie Erstattung der Kirchensteuern. Die Aufgabe des Finanzamtes beschränkt sich auf Erfüllungsdienste (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Oktober 1967 - V OVG A 26/64 - "Schreibstube").
3.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 14. Dezember 1976 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 6 Weimarer Reichsverfassung ist der Beklagte berechtigt, aufgrund der bürgerlichen Steuerlisten nach Haßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Rechtsgrundlage für die Forderung des Beklagten auf Zahlung der Kirchensteuer sind §§3 und 7 KiStRG, §3 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Kirchensteuerrahmengesetzes - KiStDV - vom 8. Dezember 1972 der (GVBl. S. 492) und §10 der Kirchensteuerordnung für die Diözese Hildesheim (Bistumsteil Niedersachsen) - KiStO - vom 6. Dezember 1972 (Kirchlicher Anzeiger für das Bistum Hildesheim 1973, S. 75).
Zu Recht gehen die Parteien davon aus, daß der Kläger zu 1) noch bis Ende Mai 1975 der Kirchensteuerpflicht unterlag. Nach §3 Abs. 2 Nr. 2 c KiStRG endete die Zugehörigkeit des Klägers zu 1) zur katholischen Kirche mit Ablauf des Kalendermonats, in dem seine Erklärung über den Kirchenaustritt wirksam geworden war (ebenso §3 des Kirchenaustrittsgesetzes vom 4. Juli 1973 (GVBl. S. 221)). Dies war der Monat Mai 1975. Für die auf den Monat Mai folgenden Monate war der Kläger als Nichtmitglied nicht mehr kirchensteuerpflichtig und somit von dem Beklagten auch nicht mehr zur Kirchensteuer heranzuziehen.
Mit dem Vorstehenden ist aber lediglich der für den Steuertatbestand maßgebliche Zeitraum umschrieben. Nichts ist dagegen gesagt über die Höhe des Kirchensteueranspruchs des Beklagten im maßgeblichen Zeitraum, nämlich der von der Kirchensteuerschuld zu unterscheidenden Kirchensteuerzahlungsschuld (vgl. Marré-Hofacker, Das Kirchensteuerrecht im Land Nordrhein-Westfalen, 1969, S. 182).
Die Höhe der Steuerforderung des Beklagten richtet sich nach der in §7 Abs. 2 KiStRG in Verbindung mit §2 Abs. 1 Nr. 1 Kirchensteuerordnung geregelten Bemessungsgrundlage, wonach die Kirchensteuer in einem Vomhundertsatz der Einkommensteuer erhoben wird. Dieses Verfahren unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Zum einen war der Landesgesetzgeber kraft verfassungsrechtlicher Regelung nach §140 GG in Verbindung mit §137 Abs. 6 WRV für die von ihm vorgenommene rahmenrechtliche Regelung der Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer zuständig (vgl. zur Kirchensteuergesetzkompetenz der Länder: BFH, Urteil vom 28. Februar 1969 - VI R 163/67 -, NJW 1969, S. 2031 ff). Als gleichrangiges Verfassungsrecht wird der über Art. 140 GG in das Grundgesetz inkorporierte Art. 137 Abs. 6 Weimarer Reichsverfassung nicht von den allgemeinen Grundsätzen der Steuergesetzgebungskompetenz des Grundgesetzes erfaßt, sondern steht daneben.
Die Abhängigkeit der Kirchensteuer von der Einkommensteuer steht auch im Einklang mit der Verfassung. Die Zulässigkeit der Anknüpfung ergibt sich unmittelbar aus Art. 137 Abs. 6 WRV, der den Religionsgesellschaften das Recht verleiht, Kirchensteuer "aufgrund der bürgerlichen Steuerlasten" zu erheben, "Bürgerlicher Steuerlasten" im Sinne dieser Bestimmung der Weimarer Reichsverfassung sind die amtlichen Zusammenstellungen der Ergebnisse der Veranlagungen zu den Bundes-, Landes- und Gemeindesteuern (vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.8.1919, 14. Aufl., Art. 137 Anm. 11). Derartige Listen werden insbesondere für die Einkommensteuer geführt. Indem der Grundgesetzgeber den Religionsgesellschaften den Gebrauch der bürgerlichen Steuerlisten uneingeschränkt zuerkannt hat, hat er ihnen das Recht zugebilligt, Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer zu erheben (wie hier: BFH Urteil vom 28. Februar 1969 - VI R 163/67 - NJW 1969, S. 2031, (2032)). Dies begegnet auch im Hinblick auf andere Verfassungsnormen, insbesondere dem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG keinen Bedenken. Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet mit der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit einen von staatlicher Einflußnahme freien Rechtsraum, in dem jeder sich eine Lebensform geben kann, die seiner religiösen und weltanschaulichen Überzeugung entspricht (BVerfGE 12, S. 1 (3) [BVerfG 08.11.1960 - 1 BvR 59/56]). Insoweit gestaltet Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 6 WRV den Art. 4 Abs. 1 GG näher aus. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen das Verfahren, die Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer zu erheben, als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen (BVerfGE 19, S. 253 (258) [BVerfG 14.12.1965 - 1 BvR 571/60][BVerfG 14.12.1965 - 1 BvR 571/60]; BVerfG, Beschluß vom 20. April 1966 - 1 BvR 16/66 - NJW 1966, S. 1161 und BVerfGE 20, S. 40 (43) [BVerfG 20.04.1966 - 1 BvR 16/66][BVerfG 20.04.1966 - 1 BvR 16/66]; 44, S. 103 (104)). Das Bundesverfassungsgericht hält aber darüber hinaus durchaus auch andere Besteuerungsverfahren wie die Festsetzung nach Einheitssätzen oder aber auch nach Einschätzung (vgl. dazu auch Pr. OVG 84, S. 232; 87, S. 238) für mit der Verfassung vereinbar (BVerfG 19, S. 253 (258)).
Die Einkommensteuer, an die die Kirchensteuer als Bemessungsmaßstab anknüpft, wird auf Einkommen sowohl aus selbständiger sowie aus unselbständiger Arbeit erhoben (§2 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG) und ist eine Jahressteuer (§2 Abs. 7 EStG). Grundlage für ihre Festsetzung ist das Einkommen, das der Steuerpflichtige während des Kalenderjahres bezogen hat (§25 EStG).
Bei Einkünften aus unselbständiger Arbeit wird Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (§38 EStG). Diese wird jeweils mit dem auf den Lohnzahlungszeitraum fallenden Teilbetrag der Jahreslohnsteuer erhoben, die sich bei Umrechnung des laufenden Arbeitslohns auf den Jahresarbeitslohn ergibt (§38 a Abs. 3 EStG). Die Abzüge werden also im Einblick auf die voraussichtliche Jahreslohnsteuer bzw. voraussichtliche Einkommensteuer erhoben. Sie sind quasi Abschlagszahlungen, die auf eine in ihrer Höhe noch nicht feststehende Schuld gezahlt werden. Wird der Lohnsteuerpflichtige zur Einkommensteuer veranlagt und steht nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes die Höhe der Einkommensteuer fest, werden die Abzüge nach Haßgabe des §36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die Einkommensteuer angerechnet. Entsprechendes gilt auch für die Kirchensteuer (§12 Abs. 5 und 6 KiStRG), wenn sie im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens (§5 Abs. 1 Satz 2 KiStRG) ebenfalls als Abschlag auf die in ihrer Höhe von der Einkommensteuer abhängigen und deshalb noch nicht feststehende Kirchensteuer erhoben worden ist. Denn erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums steht fest, in welcher Höhe tatsächlich der Steuerpflichtige zur Einkommensteuer heranzuziehen ist. Somit steht auch erstmals in diesem Zeitpunkt fest, in welcher Höhe der Steuerpflichtige Kirchensteuer zu zahlen hat.
Ist der Kirchensteuerpflichtige nicht das ganze Jahr über Mitglied der Kirche gewesen, so ist er nach §3 Abs. 1 KiStDV in Verbindung mit §17 Nr. 4 KiStRG und §10 KiStO nur zu dem der Dauer der Kirchensteuerpflichtigkeit entsprechenden Bruchteil des Jahresbetrages der Kirchensteuer zur Kirchensteuer heranzuziehen.
Die nach diesen Vorschriften vorzunehmende Quotelung unter Zugrundelegung der Zeit der Kirchenmitgliedschaft des Steuerpflichtigen begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere steht Art. 4 Abs. 1 GG einer solchen Regelung nicht entgegen. Art. 4 Abs. 1 GG gewährleistet dem Bürger einen von staatlicher Einflußnahme freien Rechtsraum in dem er sich eine Lebensform geben kann, die seiner religiösen und weltanschaulichen Überzeugung entspricht (so BVerfGE 12, S. 1 (3) [BVerfG 08.11.1960 - 1 BvR 59/56]). Dies schließt die Freiheit ein, einer Glaubensgemeinschaft nicht anzugehören, oder aus ihr auszutreten. Für die Einzelverpflichtungen, die die Mitgliedschaft zur Voraussetzung haben, insbesondere die an die Mitgliedschaft anknüpfen wie die Pflicht zur Leistung öffentlicher Abgaben, hat dasselbe zu gelten (BVerfGE 44, S. 37 (49)). Deshalb umfaßt Art. 4 Abs. 1 GG auch das Recht, grundsätzlich nicht zu öffentlichen Abgaben herangezogen zu werden, die nur von Kirchenmitgliedern erhoben werden dürfen (BVerfGE 44, S. 38 (49); einschränkend BVerfGE 44, S. 59 ff [BVerfG 08.02.1977 - 1 BvL 7/71]), wenn es dort heißt: ("Die Heranziehung eines aus der Kirche Ausgetretenen zur Kirchensteuer bis zum Ablauf des auf die Austrittserklärung folgenden Kalendermonats ist mit dem Grundgesetz vereinbar"). Verfassungswidrig ist die Nachbesteuerung demnach nur dann, wenn der Kirchensteuerpflichtige an seiner Mitgliedschaft oder an der Steuerpflicht über das verfassungsmäßig zulässige Maß hinaus festgehalten und zur Kirchensteuer herangezogen wird.
Das ist indessen vorliegend nicht der Fall §10 KiStO legt als den für die Besteuerung maßgeblichen Zeitraum die Zeit der Mitgliedschaft und damit die Zeit der Kirchensteuerpflichtigkeit (§3 KiStRG) fest, indem er eine Quotelung nach Anzahl der Monate der Kirchenmitgliedschaft vorschreibt. Auch die Verwendung des als verfassungsgemäß anzusehenden Bemessungsmaßstabs der Kirchensteuer, nämlich die Einkommensteuer, auch in den Fällen, in denen die Kirchensteuerpflicht nicht das ganze Jahr über besteht, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Kirchensteuer ist, wie alle anderen Steuern auch, an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners orientiert. Seit den Anfängen der Kirche werden die Kirchenmitglieder nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dazu herangezogen, die Arbeit der Kirchen durch ihre finanziellen Beiträge zu unterstützen (vgl. Campenhausen, DÖV 1970, S. 801 (805)). Dem Steuergesetzgeber ist dabei ein gewisser Spielraum eingeräumt, anhand welcher Kriterien er die finanzielle Leistunssfähigkeit des Steuerschuldners ermitteln will, ohne daß sogleich Art. 4 GG oder Art. 2 GG tangiert wäre (vgl. BVerfGE 19, S. 253 (258) [BVerfG 14.12.1965 - 1 BvR 571/60][BVerfG 14.12.1965 - 1 BvR 571/60]). Einer von mehreren möglichen Indikatoren der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners (vgl. Scheuner ZRP 1969, S. 195 (196)) ist die Einkommensteuer. Sie gibt Auskunft über das finanzielle Leistungsvermögen des Kirchensteuerschuldners während des Kalenderjahres, für das während eines bestimmten Zeitraums auch Kirchensteuer zu zahlen ist. Da das Einkommen eines ganzen Jahres der Einkommensteuer zugrunde liegt, vermittelt die Einkommensteuer einen ausgewogenen Eindruck der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners. Daß es solcher Ausgewogenheit bedarf, erhellt folgendes Beispiel: Wären Anknüpfungspunkte der Kirchensteuer nur die Einkünfte während des steuerpflichtigen Monate, so hätte das in dem Falle, daß der Kirchensteuerpflichtige nur während eines Monats kirchensteuerpflichtig wäre und nur in diesem Monat Einkünfte erzielt hatte, aber für den Rest des Jahres überhaupt keine Einkünfte erzielt hatte, zur Folge, daß er gleichwohl zur Zahlung der Kirchensteuer verpflichtet bliebe, weil das der Vermögenslage während des kirchensteuerpflichtigen Zeitraums entsprochen hätte. Eine solche Regelung wäre mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise schwerlich vereinbar.
Entgegen der Auffassung der Kläger verstößt es auch nicht gegen Art. 3 GG, wenn der Kläger zu 1) Kirchensteuer nachzahlen muß, während andere Arbeitnehmer, die zum gleichen Zeitpunkt wie er aus der Kirche ausgetreten sind, deren Einkommen aber konstant geblieben ist, keine Nachzahlung zur Kirchensteuer zu leisten haben. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet lediglich eine willkürliche Behandlung von in wesentlichen Punkten Gleichem. Er ist daher nur dann verletzt, wenn sich für die vorgenommene Differenzierung ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebendes oder sonst einleuchtender Grund nicht finden läßt (BVerfGE 12, S. 326 [BVerfG 09.05.1961 - 2 BvR 49/60] (333, 337 f); 341 (348); 18, S. 121 (124) in ständiger Rechtsprechung). Vorliegend vergleichen die Kläger nicht vergleichbare Sachverhalte. Die wirtschaftliche Lage derjenigen, die keine Sonderzahlungen wie der Kläger zu 1) erhalten haben, ist eben nicht mit der des Klägers zu 1) zu vergleichen, der infolge der Sonderzahlungen finanziell besser gestellt ist. Ungleiches nicht gleich zu behandeln, entspricht aber gerade Art. 3 Abs. 1 GG.
Gegen die korrekte Anwendung der von ihnen angegriffenen Vorschriften haben die Kläger keine Einwände erhoben. Der Beklagte durfte auch noch zu einem Zeitpunkt, als der Kläger nicht mehr Kirchenmitglied war, von diesem noch die Nachzahlung von Kirchensteuer fordern. Wie dargelegt, war die Schuld des Klägers zu 1) in dieser Höhe entstanden, aber erst zu einem Teil erfüllt. Der Beklagte war daher in Abwicklung des nicht mehr bestehenden Mitgliedschaftsverhältnisses berechtigt, den noch ausstehenden Steuerbetrag zu fordern.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§154 Abs. 1, 155 Abs. 5 VwGO. Da der Beklagte den Klägern eine falsche Rechtsmittelbelehrung erteilt hat, was zur Anrufung des örtlich unzuständigen. Gerichts führte, waren dem Beklagten die dadurch entstandenen, zusätzlichen Kosten aufzuerlegen.
III.
Gegen dieses Urteil ist die Berufung an das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft. Sie ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim Verwaltungsgericht in Braunschweig schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb dieser Frist beim Oberverwaltungsgericht eingeht.
gez. Dr. Bock
gez. Dr. Haas