Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 10.06.1982, Az.: 4 VG D 19/82

Antrag auf Gewährung von Leistungen für ein minderjähriges Kind; Anforderungen an Unterhaltsvorschußleistungen

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
10.06.1982
Aktenzeichen
4 VG D 19/82
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1982, 17750
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1982:0610.4VG.D19.82.0A

Verfahrensgegenstand

Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz

Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes

Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat
am 10. Juni 1982
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das vorliegende Verfahren wird abgelehnt.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin, die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz begehrt, ist das am ... 1980 geborene außereheliche Kind der Frau ....

2

Auf einen am 5. November 1980 gestellten Antrag der Mutter der Antragstellerin auf Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz zahlte der Antragsgegner auf Grund seines Bescheides vom 17. November 1980 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz in Höhe von 188,- DM, gemindert um den Kindergeldanteil in Höhe von 25,- DM. Bei der Stellung des Antrages hatte die Mutter der Antragstellerin als deren Vater Herrn ... angegeben, gegen den der Antragsgegner daraufhin in seiner Eigenschaft als Amtspfleger ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft durchführte. Im Laufe dieses Verfahrens wurde vom Amtsgericht Helmstedt ein Blutgruppengutachten eingeholt (vgl. Amtsgericht Helmstedt, Az. 3 C 677/80). Die Gutachter kamen dabei zu dem Ergebnis, daß Herr ... offenbar unmöglich der Erzeuger des Kindes Isabelle sein könne, ebenso wie die von Herrn ... benannten Mehrverkehrszeugen ... und ... Lediglich bezüglich der Herren ... und ... könne die Vaterschaft nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

3

Angesichts dieses eindeutigen Gutachtens nahm der Antragsgegner die Klage gegen Herrn ... am 30. Juni 1981 zurück und erhob stattdessen Klage auf Feststellung der Vaterschaft gegen Herrn ... unter gleichzeitiger Streitverkündung gegenüber Herrn ... (Amtsgericht Helmstedt, Az. 3 C 470/81).

4

Da in diesem Verfahren die Mutter der Antragstellerin bei ihrer Aussage blieb, daß sie in der gesetzlichen Empfängniszeit nur mit Herrn ... verkehrt habe, wurde auch in diesem Verfahren die Klage zurückgenommen, da wegen der Aussage der Mutter der Antragstellerin keine Vermutung für die Vaterschaft der Herren ... und ... sprach und die Rechtsverfolgung deshalb keine Aussicht auf Erfolg bot. Dementsprechend war auch ein Prozeßkostenhilfeantrag vom Amtsgericht Helmstedt abgelehnt worden.

5

Weil die Mutter der Antragstellerin angesichts des vorliegenden Gutachtens Herrn ... offensichtlich fälschlicherweise als Vater benannt hatte und auch keinen zweiten möglichen Erzeuger nannte, ging der Antragsgegner davon aus, daß die Mutter der Antragstellerin sich weigere, bei der Feststellung der Vaterschaft ordnungsgemäß mitzuwirken. Demgemäß erließ er am 26. August 1981 einen Bescheid, durch welchen er mit Ablauf des Monats August 1981 die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz für die Antragstellerin einstellte.

6

Gegen diesen Einstellungsbescheid legte die Antragstellerin, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, am 4. September 1981 Widerspruch ein, den die Bezirksregierung Braunschweig durch Widerspruchsbescheid vom 04. März 1982 als unbegründet zurückwies.

7

Am 05. März 1982 hat die Antragstellerin durch ihren Prozeßbevollmächtigten einen Antrag auf Gewährung einstweiligen REchtsschutzes gestellt und am 01. April 1982 Klage gegen den Bescheid des Landkreises Helmstedt und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung erhoben.

8

Sie trägt vor, daß ihre Mutter nur über ein monatliches Einkommen in Höhe von 700,- DM aus Arbeitslosenhilfe verfüge. Darüber hinaus werde ihrer Mutter lediglich ein Zimmer kostenlos von den Großeltern zur Verfügung gestellt. Demgemäß sei sie dringend auf Unterhaltsvorschußleistungen angewiesen, da sonst ihr Lebensunterhalt nicht ausreichend sichergestellt sei. Der Vorwurf, ihre Mutter sei bei der Feststellung der Vaterschaft nicht mitwirkungsbereit, treffe nicht zu, da sie als möglichen Vater Herrn ... benannt ... und mit keinem weiteren Mann geschlechtlich verkehrt habe. Das Blutgruppengutachten könne nicht mit 100 %iger Sicherheit den Beweis dafür erbringen, daß ... nicht der Vater sei. Ein Vollbeweis könne lediglich durch ein Abstammungsgutachten erbracht werden, was jedoch vor Vollendung des dritten Lebensjahres nicht erstellt werden könne.

9

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

  1. 1.

    den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr weiterhin Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz in Höhe von 163,- DM monatlich zu gewähren,

  2. 2.

    ihr Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts Wilhelm Abry aus Helmstedt zu bewilligen.

10

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

11

Er ist der Auffassung, daß auf Grund des vorliegenden Blutgruppengutachtens davon ausgegangen werden müsse, daß die Mutter der Antragstellerin nicht mitwirkungsbereit bei der Feststellung der Vaterschaft sei.

12

Darüber hinaus sei, angesichts der Einkünfte von 700,- DM, über die die,Mutter der Antragstellerin verfüge, auch nicht glaubhaft gemacht worden, daß ohne die begehrten Unterhaltsvorschußleistungen eine existenzielle Notlage bestehen würde.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners sowie die beigezogenen Gerichtsakten des Antsgerichts Helmstedt (3 C 677/80 und 3 C 470/81) Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.

14

II.

Der auf den Erlaß einer einstweiligen Anordnung gerichtete Antrag der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet.

15

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann ein streitiges Rechtsverhältnis durch eine gerichtliche Anordnung vorläufig geregelt werden, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die besondere Dringlichkeit der begehrten Regelung und ein entsprechender Anspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

16

Der Antrag ist zulässig. Antragstellerin ist das minderjährige Kind ... da/diesem der Unterhaltsanspruch zusteht (vgl. §§ 1, 9 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfalleistungen vom 23. Juli 1979, BGBl. I S. 1184). Der von dem Prozeßbevollmächtigten eingereichte Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung bezeichnet zwar Frau ... als Antragstellerin.

17

Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich aber, daß es sich offensichtlich um einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz für das minderjährige Kind ... handeln soll. Demgemäß ist davon auszugehen, daß hier das minderjährige Kind ... als Antragstellerin auftritt; die von dem Prozeßbevollmächtigten eingereichte Antragsschrift ist nach Auffassung der Kammer in diesem Sinne auszulegen.

18

Der Antrag ist jedoch in der Sache nicht begründet. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin fehlt es bereits an der für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Eilbedürftigkeit. Es ist von der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht worden, daß die Nichtgewährung von Leistungen nach dem Unterhaltevorschußgesetz zu einer erschlechterung ihres Gesundheitszustandes oder zu einer Existenzgefährdung führen würde. Es fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, daß bei Nichtgewährung der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz der Lebensunterhalt des Kindes nicht mehr im erforderlichen Umfang bestritten werden kann. Es mag zwar sein, daß für die Antragstellerin angesichts der geringen finanziellen Mittel ihrer Mutter keine zusätzlichen, über den Grundbedarf hinausgehenden Dinge gekauft werden können. In Anbetracht der Tatsache, daß der zur Zeit für Mutter und Kind zur Verfügung stehende Betrag von 700,- DM noch über demjenigen liegt, den die Mutter der Antragstellerin und diese selbst als Sozialhilfe beanspruchen könnten, muß aber davon ausgegangen werden, daß der Lebensunterhalt der Antragstellerin nicht gefährdet ist, zumal für die Unterkunft keine Mittel aufzubringen sind. Darüber hinaus steht der Antragstellerin aller Voraussicht nach kein Leistungsanspruch nach dem Unterhaltsvorschußgesetz zu. Voraussetzung für die Gewährung eines Unterhalsvorschusses ist nämlich u.a. gemäß § 1 Abs. 3 Unterhaltsvorschußgesetz, daß die Mutter der Antragstellerin bei der Feststellung der Vaterschaft mitwirkt. Diese Mitwirkungspflicht bei der Vaterschaftsfeststellung umfaßt nicht die bloße Angabe, daß eine bestimmte Person der Vater sei, sondern vom Sinngehalt des Gesetzes her ist zu fordern, daß es sich um eine zutreffende Angabe zur Vaterschaft handelt. Der Angabe der Mutter der Antragstellerin, Herr ... sei der Vater, steht das eingeholte Blutgruppengutachten entgegen, nach welchem ... unmöglich der Vater der Antragstellerin sein kann. Es entspricht der gefestigten zivilgerichtlichen Rechtsprechung, daß auf Grund eines Blutgruppengutachtens ein negativer Vaterschaftsbeweis erbracht werden kann (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 38. Auflage, Einführung vor § 1591 BGB Anm. 3). In Anbetracht der Tatsache, daß die bei der Erstellung des Gutachtens untersuchten Blutproben nach ärztlicher Bestätigung von der Gutachterin selbst entnommen worden sind, ist auch die Möglichkeit einer Manipulation oder Verwechslung der Blutproben als ausgeschlossen zu erachten; demnach ist durch das vorliegende Blutgruppengutachten bewiesen, daß Herr ... nicht der Vater sein kann und demgemäß die Aussage der Mutter der Antragstellerin unzutreffend ist.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

20

Da der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung aus den vorgenannten Gründen erfolglos bleiben muß, war auch der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für das einstweilige Rechtsschutzverfahren wegen fehlender Erfolgsaussichten abzulehnen (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

21

III.

Gegen beide Entscheidungen ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft. Sie ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe dieses Beschlusses beim Verwaltungsgericht in Braunschweig schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Oberverwaltungsgericht eingeht.

gez. Ungelenk
gez. Prilop
gez. Dr. Vetter