Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 02.03.2017, Az.: 4 A 149/14
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 02.03.2017
- Aktenzeichen
- 4 A 149/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53577
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Untersagung der gewerblichen Sammlung von Altkleidern im Stadtgebiet der Beklagten.
Die I. (J.), ein Eigenbetrieb der Beklagten, begannen im Jahr 1998 damit, ein Sammelsystem für Alttextilien einzuführen. Hierzu stellten sie Altkleidercontainer im Stadtgebiet der Beklagten auf. Mitte 2013 standen an 69 Standplätzen Alttextiliencontainer der J. neben Altglascontainern an deren Standplätzen. Im Herbst 2013 erweiterten die J. ihr Sammelkonzept für Alttextilien, indem sie weitere 85 Container aufstellten. Seitdem steht an jedem Standplatz mit Altglascontainern zumindest ein Alttextiliencontainer. Der für die Erweiterung notwendige Wirtschaftsplan war zuvor im November 2012 im Betriebsausschuss beraten und im Dezember 2012 im Rat der C. beschlossen worden. Die Dichte des Containersystems soll gewährleisten, dass die Entfernung zu einem Standplatz für jeden Bürger nicht mehr als 500 Meter beträgt und nicht mehr als 1.000 Einwohner an einen Standplatz angeschlossen sind.
Die Klägerin führt bundesweit Sammlungen von Alttextilien durch das Aufstellen von Altkleidercontainern durch - im Jahre 2012 im Umfang von ca. 12.000 t. Sie betreibt einen eigenen Sortierbetrieb und beschäftigt ca. 140 Mitarbeiter. Die gesammelten Altkleider, Schuhe und Haushaltstextilien werden an Verwertungsbetriebe weitergegeben oder im Ausland verkauft.
Am 13.8.2013 zeigte die Klägerin der Beklagten an, dass sie beabsichtige, im Zuständigkeitsbereich der Beklagten Alttextilsammlungen durch Aufstellen von Containern durchzuführen. Geplant seien ca. 100 Container und eine Sammelmenge von 200 t. Die Sammlung sei auf Dauer, mindestens aber für drei Jahre geplant. Bislang sei im Zuständigkeitsbereich der Beklagten kein Container aufgestellt worden.
Mit Bescheid vom 24.3.2014 untersagte die Beklagte der Klägerin nach entsprechender Anhörung die Sammlung und drohte ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 € an.
Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Entscheidung beruhe auf § 18 Abs. 5 Satz 2 2. Alt. KrWG. Die Untersagung der Sammlung sei erforderlich, da dieser überwiegende öffentliche Interessen im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG entgegenständen. Durch die Sammlung der Klägerin werde die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG gefährdet. Denn die Beklagte unterhalte ein eigenes getrenntes Sammelsystem für Altkleider mittels Container. In ihrem Abfallwirtschaftskonzept seien u.a. die separate Erfassung und Verwertung von Alttextilien als ein wichtiger Baustein ihrer Abfallwirtschaft festgelegt worden. Der im November 2012 beschlossene Wirtschaftsplan habe zudem Mittel für die Erweiterung des Sammelsystems auf derzeit 154 Container flächendeckend im Stadtgebiet vorgesehen. Seit August 2013 seien die Standplätze für Alttextiliencontainer auf 150 im Stadtgebiet erhöht worden, so dass an jedem Altglascontainerstandplatz auch ein Container für Alttextilien zu finden sei. Durch die Verdichtung des Containernetzes würden kürzere Entsorgungswege von maximal 500 Meter gewährleistet. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger führe daher im Ergebnis eine haushaltsnahe und hochwertige Erfassung und Verwertung der Abfälle durch. Die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung würde durch weitere gewerbliche Sammlungen wesentlich beeinträchtigt werden. Zudem sei auch eine Gefährdung der Gebührenstabilität des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers anzunehmen. Die erwirtschafteten Überschüsse von derzeit 500 € pro 1000 Kilogramm würden in die Gebührenkalkulation (Quersubventionierung) für die Abfallentsorgungsgebühren eingehen. Hierdurch würde derzeit über 1 % des Gebührenbedarfs gedeckt werden. Die von der Klägerin angegebene Sammelmenge von 200 t jährlich mache rund 48 % der Sammelmenge des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers aus. Dieser habe im Jahr 2013 ca. 420 Tonnen Alttextilien gesammelt. Die Sammlung der Klägerin sei jedoch auch im Zusammenwirken mit anderen, bereits bestehenden gewerblichen Sammlungen im Stadtgebiet der Beklagten zu sehen. Das Sammelvolumen aller bestehenden gewerblichen Sammlungen werde auf derzeit 420 Tonnen geschätzt und entspreche damit der Sammelmenge des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Die Zulassung eines weiteren Sammlers würde für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu einem unrentablen Missverhältnis der Sammelmenge im Altkleiderbereich führen.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 30. Juni 2014 zurück. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen die Argumente des Ausgangsbescheides.
Am 11. Juli 2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor:
Die Beklagte sei für den Erlass des Bescheides bereits nicht zuständig gewesen. Da sie selbst eine Sammlung betreibe, befinde sie sich in einem Interessenkonflikt. Darüber hinaus sei es bedenklich, dass die Beklagte die Antragsunterlagen den J. übergeben und damit Geschäftsgeheimnisse preisgegeben habe.
Materiellrechtlich könne sich die Beklagte bereits deshalb nicht auf das Überwiegen öffentlicher Interessen berufen, weil die Klägerin eine wesentlich höherwertige Sammlung durchführe. Der von der Beklagten errechnete Umfang der Sammlung der Klägerin von 1 % des öffentlich-rechtlichen Gebührenbedarfs sei unerheblich. Nach ihren Erfahrungen müsse sich für das Stadtgebiet der Beklagten zudem ein höheres Sammlungspotential ergeben. Dies belege auch eine Restabfallanalyse der Beklagten. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass die vollständige Untersagung unverhältnismäßig sei. Die Beklagte hätte die Sammlung mit Bedingungen oder Auflagen versehen können.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2014 aufzuheben,
sowie die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ihre Zuständigkeit ergebe sich ebenso aus dem Gesetz wie die Beteiligung der J. im Verwaltungsverfahren. Materiellrechtlich sei die Verfügung nicht zu beanstanden. Die J. gäben das Sammelgut an zertifizierte Sortierbetriebe weiter, in denen es in bis zu 300 Fraktionen sortiert werde. Dies werde von der J. vor Ort überprüft. Die Vermarktung und Wiederverwertung erfolge nach dem neuesten Stand der Technik. Die Sammelmenge der J. habe im Jahre 2015 ca. 580 t betragen. Die Sammlung der Klägerin erreiche einen Anteil von ca. 34 % des öffentlich-rechtlichen Sammelvolumens. Die vollständige Untersagung sei auch nicht unverhältnismäßig. Wenn eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit vorliege, handele es sich um eine gebundene Entscheidung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Verfügung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Als Rechtsgrundlage für die angefochtene Untersagung kommt allein § 18 Abs. 5 Satz 2 2. Alt KrWG in Betracht. Hiernach hat die zuständige Behörde die Durchführung der angezeigten Sammlung zu untersagen, wenn Tatsachen bekannt sind, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Anzeigenden oder der für die Leitung und Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen ergeben, oder die Einhaltung der in § 17 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 oder Nummer 4 genannten Voraussetzungen anders nicht zu gewährleisten ist. Letztere Norm ist als Ausnahmeregelung zu den grundsätzlich bestehenden Überlassungspflichten (§ 17 Abs. 1 KrWG) konzipiert. Die Überlassungspflicht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG für Abfälle aus privaten Haushaltungen besteht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG nicht für Abfälle, die durch eine gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit überwiegende öffentliche Interessen dieser Sammlung nicht entgegenstehen.
Die angefochtene Untersagungsverfügung ist formell rechtmäßig, insbesondere war die Beklagte für ihren Erlass zuständig.
Nach § 42 Abs. 1 NAbfG sind für Entscheidungen und Maßnahmen auf Grund des Kreislaufwirtschaftsgesetzes die unteren Abfallbehörden zuständig. Die Beklagte ist als Stadt, auf die die für kreisfreie Städte geltenden Vorschriften anzuwenden sind, untere Abfallbehörde im Sinne dieser Vorschrift (vgl. § 41 Abs. 2 NAbfG, §§ 16 Abs. 2, 18 und 6 Abs. 1 Satz 1 NKomVG).
Ihre sachliche Unzuständigkeit folgt auch nicht aus der Zuständigkeitsbestimmung in § 42 Abs. 4 NAbfG in der Fassung vom 31. Oktober 2013 (Nds. GVBl. S 254). Danach geht als Ausnahme zu § 42 Abs. 1 NAbfG die sachliche Zuständigkeit auf die oberste Abfallbehörde und damit gemäß § 41 Abs. 1 NAbfG auf das für die Abfallwirtschaft zuständige Ministerium über, wenn eine Körperschaft als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger Antragstellerin oder Adressatin eines Verwaltungsaktes in einem Verwaltungsverfahren ist, für das sie als untere Abfallbehörde zuständig wäre. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor (vgl. schon VG Göttingen, Beschluss vom 22. Mai 2014 - 4 B 83/14 - n.v.).
Das Gericht erachtet die landesgesetzliche Zuständigkeitsregelung auch nicht als europarechtswidrig (vgl. hierzu ausführlich VG Oldenburg, Beschluss vom 5. November 2014 - 5 B 2302/14 -, Juris, Rn. 89 ff.). Die Zusammenfassung der Aufgaben des Vollzugs des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers in oder bei einer Behörde ist zwar aus rechtsstaatlichen Gründen, namentlich unter den Gesichtspunkten des Gebots der fairen Verfahrensgestaltung und der Neutralitätspflicht, nicht bedenkenfrei, da es bei der Wahrnehmung der unterschiedlichen Aufgaben zu einem Interessenkonflikt kommen kann. Eine neutrale Aufgabenwahrnehmung, die den rechtsstaatlichen Anforderungen Rechnung trägt, ist aber dann gegeben, wenn behördenintern für eine hinreichende organisatorische und personelle Trennung beider Aufgabenbereiche gesorgt ist (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 18. März 2009 - 9 A 39.07 -, BVerwGE 133, 239, und vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 -, BVerwGE 141, 171; OVG Münster, Urteil vom 7. Mai 2015 - 20 A 2670/13 -, Juris, Beschluss vom 9. Dezember 2013 - 20 B 205/13 -, Juris; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 4. März 2014 - 10 S 1127/13 -, GewArch 2014, 245, und vom 9. September 2013 - 10 S 1116/13 -, DVBl. 2013, 1537).
Nach Auffassung des Gerichts erfolgt im konkreten Fall die Aufgabenwahrnehmung durch die Beklagte als untere Abfallbehörde in einer Weise, die rechtsstaatlichen Anforderungen genügt. Die erforderliche organisatorische und personelle Trennung der Zuständigkeit für den übertragenen Vollzug des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der eigenen Aufgabe der Abfallwirtschaft ist bei der Beklagten gegeben. Diese nimmt die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers mit der gesamten Abfallentsorgung durch einen rechtlich unselbständigen Eigenbetrieb wahr, der schon nach § 130 Abs. 1 Nr. 3 NKomVG als Sondervermögen außerhalb der allgemeinen Verwaltung zu führen ist. Nach dem im Internet abrufbaren Organigramm der Stadtverwaltung Göttingen (Stand: 1. Dezember 2015) sind beide Bereiche organisatorisch und personell getrennt. Die J. sind keinem Dezernat der Beklagten untergeordnet. Demgegenüber nimmt der im Dezernat D (Planen und Bauen) angesiedelte Fachbereich Stadtgrün und Umwelt - Fachdienst Umwelt - die Aufgaben der unteren Abfallbehörde wahr. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die unterschiedlichen Aufgaben auf Sachbearbeiter- oder Vorgesetztenebene nicht getrennt voneinander erfüllt werden.
Ebenso bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die organisatorische und personelle Trennung im vorliegenden Fall tatsächlich nicht beachtet worden sein könnte. Die entsprechenden Schreiben der unteren Abfallbehörde bzw. der J. enthalten einen unterschiedlichen Briefkopf und stammen von unterschiedlichen Sachbearbeitern.
Die Übermittlung der Antragsunterlagen an die J. entspricht § 18 Abs. 4 KrWG. Die Kenntnis der Antragsunterlagen ist Voraussetzung für eine substantiierte Stellungnahme, insbesondere zu den Auswirkungen auf die eigene Sammlung.
Materiell-rechtlich ist die Verfügung nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 5 Satz 2 2. Alt. KrWG liegen vor. Die gewerbliche Sammlung der Klägerin ist zu untersagen, weil ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG).
Die nähere Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der entgegenstehenden überwiegenden öffentlichen Interessen enthält § 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG. Danach stehen der gewerblichen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegen, wenn diese Sammlung in ihrer konkreten Ausgestaltung, auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen, die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers oder des von diesem beauftragten Dritten gefährdet. Eine solche Gefährdung der Funktionsfähigkeit ist nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG anzunehmen, wenn die Erfüllung der nach § 20 KrWG bestehenden Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert oder die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt wird. Letzteres wiederum ist nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG insbesondere anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung u.a.
1. Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt, oder
2. die Stabilität der Gebühren gefährdet wird.
§ 17 Abs. 3 Satz 3 Nrn. 1 und 2 KrWG gelten nicht, wenn die vom gewerblichen Sammler angebotene Sammlung und Verwertung der Abfälle wesentlich leistungsfähiger ist als die von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder dem von ihm beauftragten Dritten bereits angebotene oder konkret geplante Leistung (§ 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG).
Im vorliegenden Fall greift allein die Nr. 1 des § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG ein, nicht dagegen die Nr. 2. Die Beklagte kann sich auf eine Gefährdung der Gebührenstabilität nicht berufen.
Unter Zugrundelegung der durch die Beklagte ermittelten Zahlen werden mit den durch die J. erzielten Erlöse aus der Alttextiliensammlung gerade einmal rund 1,2 % des Gebührenbedarfs für die Abfallentsorgung aus dem häuslichen Bereich gedeckt. Bei einer Verminderung des Erlösaufkommens der Abfallwirtschaft der J. durch die angezeigte Sammlung der Klägerin kann die Auswirkung auf die Gebührenhöhe nur weit unter der anzunehmenden Erheblichkeits- bzw. Toleranzschwelle liegen. Hierbei orientiert sich das Gericht an der zu § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG ergangenen Rechtsprechung, der zufolge jedenfalls geringfügige Gebührensteigerungen, die sich im Rahmen der üblichen Gebührenschwankungen bewegen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22. April 2008 - 4 LB 7/06 -, Juris, Rn. 49, bei einer Erhöhung von 5,3 %) und die nicht von signifikanter Größenordnung sind (vgl. Hamburgisches OVG, Beschluss vom 8. Juli 2008 - 1 Bs 91/08 -, Juris, Rn. 16, bei Erhöhung von 3 %), kein öffentliches Interesse begründen (vgl. hierzu insgesamt Schmehl, GK-KrWG, 2013, § 17, Rn. 150, m.w.N.).
Dagegen liegt eine wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung vor, weil die Beklagte für Alttextilien eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung durchführt (§ 17 Abs. 3 Satz 2, Satz 3 Nr. 1 KrWG).
Das von den J. bereitgestellte System stellt eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung von Abfällen i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG dar.
Zwar ist unter einer „haushaltsnahen“ getrennten Erfassung von Abfällen in erster Linie ein Holsystem beim privaten Haushalt zu verstehen. Über das Tatbestandsmerkmal der „sonstigen hochwertigen getrennten Erfassung “ werden aber auch sonstige Erfassungssysteme erfasst, soweit sie nach ihrer räumlichen Ausgestaltung, ihrer Beschaffenheit und ihrem konkreten Betrieb die werthaltigen Abfälle aus den privaten Haushalten in gleichem Umfang, gleicher Qualität und gleicher Effizienz erfassen können und somit das Ressourcenpotential der werthaltigen Abfälle effizient nutzen. Dies schließt ein Bringsystem mit flächendeckend aufgestellten Sammelcontainern ein, soweit für sämtliche Einwohner des Entsorgungsgebiets eine mit zumutbarem Aufwand erreichbare Möglichkeit der Abgabe der Abfälle besteht (Bay. VGH, Beschluss vom 30. Januar 2017 - 20 CS 16.1416 -, Juris, m. w. N.).
Diese Voraussetzungen werden mit dem von der Beklagten praktizierten Bringsystem erfüllt. Die Container der J. sind flächendeckend im Stadtgebiet sowie in den Vororten der Beklagten aufgestellt, so dass von jedem Einwohner ein Container in maximal 500 m Entfernung aufgesucht werden kann und nicht mehr als 1000 Einwohner an einen Standplatz angeschlossen sind. Die Container für Alttextilien wurden an den Standplätzen von Altglascontainern aufgestellt, für die in den 80er Jahren ein flächendeckendes Erfassungssystem entwickelt worden war. Damit ist für jeden Einwohner ein Alttextiliencontainer in zumutbarer Entfernung erreichbar. Die von den J. eingesammelten Alttextilien werden einem zertifizierten Verwertungs- und Sortierbetrieb übergeben.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das von der Beklagten durchgeführte Erfassungssystem auch bedarfsgerecht. Dies ergibt sich bereits aus der flächendeckenden Aufstellung von Containern, die unter zumutbarem Aufwand erreicht werden können. Dem steht nicht entgegen, dass sich nach einer im Herbst 2013 durchgeführten Abfallanalyse der Beklagten hochgerechnet noch ca. 4,5 kg Alttextilien pro Einwohner und Jahr im Restabfall befanden. Das rechnerisch noch vorhandene Potential im Restabfall von 585 t (bei 130.000 Einwohnern) lässt nicht den Schluss auf eine bislang nicht bedarfsgerechte Ausgestaltung des Sammelsystems zu. Dies ergibt sich aus den aus der Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 1. Februar 2017 ersichtlichen Sammelmengen der Jahre 2012 bis 2015. Danach wurden 2012 von Privaten (gemeinnützig und gewerblich) und den J. insgesamt 805,54 t (Private: 385,54 t, J.: 420 t) und im Jahr 2013 insgesamt 725,88 t gesammelt (Private: 253,88 t, J.: 472 t). Da die J. die Anzahl der Alttextiliencontainer Ende 2013 um 85 erhöhten, wäre eine entsprechende Erhöhung der Gesamt-Sammelmenge zu erwarten gewesen - bei zu erwartenden Sammelmengen von 2 t pro Container (vgl. Antrag der Klägerin) um ca. 170 t. Tatsächlich wurden jedoch 2014 insgesamt 804,93 t (Private: 240,93 t, J.: 564 t) und 2015 insgesamt 813,11 t (Private: 232,11 t, J.: 581 t) gesammelt. Die Gesamt-Sammelmenge blieb somit nahezu gleich. Dies lässt darauf schließen, dass eine zu geringe Zahl von Containern nicht ursächlich für den noch vorhandenen Anteil von Alttextilien im Restabfall ist. Da zudem eine Verschiebung der Sammelmenge von den Privaten zur J. stattfand, kann auch dem Argument der Klägerin, die J. habe ihre Container an unattraktiven Standorten aufgestellt, nicht gefolgt werden. Dass Altkleiderspenden eher in gewerbliche Container eingeworfen werden, die häufig auf Parkplätzen von Supermärkten oder Einkaufszentren aufgestellt sind (nach Angaben der Klägerin ca. 50 gewerbliche Container im Zuständigkeitsbereich der Beklagten), ist danach nicht feststellbar. Andernfalls hätte sich der Anteil der gewerblichen Sammlungen nicht zugunsten der öffentlich-rechtlichen Sammlung verringert. Zudem führte die Klägerin noch in ihrem Antrag aus, dass sich vorhandene Stellflächen von Glascontainern bestens für die Aufstellung von Alttextiliencontainern eignen.
Unterhält der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger - wie hier - ein hochwertiges und bedarfsgerechtes Erfassungs- und Verwertungssystem, besteht gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG bei unionsrechtskonformer Auslegung eine widerlegliche Vermutung dafür, dass der Marktzutritt gewerblicher Sammler die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wesentlich beeinträchtigt und damit dessen Funktionsfähigkeit gefährdet. Die Prüfung, ob eine Ausnahme von der in § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG normierten Regelvermutung vorliegt, hat sich daran auszurichten, ob Anhaltspunkte gegeben sind, die den Schluss zulassen, dass die dort vorausgesetzten negativen Auswirkungen auf die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers aufgrund besonderer Umstände nicht zu besorgen sind. Nach der Gesetzesbegründung soll von Bedeutung sein, ob der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger durch die Sammlung zu einer wesentlichen Änderung oder Anpassung seiner Entsorgungsstruktur gezwungen wäre (vgl. BT-Drs. 17/6052 S. 88). Es kommt folglich darauf an, ob durch einen Marktzugang des gewerblichen Sammlers im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen die Grundstrukturen der Entsorgung, die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger zur Gewährleistung einer sachgerechten Aufgabenerfüllung nach Maßgabe seiner organisatorischen Grundentscheidungen ins Werk gesetzt hat, wesentlich umgestaltet werden müssten (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2016 - 7 C 4/15 -, Juris).
Ob dies der Fall ist, bemisst sich in erster Linie nach den Auswirkungen auf die vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu erzielende Sammelmenge. Hierzu ist zunächst der status quo zu ermitteln, dh. der Anteil des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers am Gesamtaufkommen der Sammlungen. In die Berechnung einzubeziehen sind neben der öffentlich-rechtlichen Sammlung die bereits rechtmäßig durchgeführten gewerblichen und gemeinnützigen Sammlungen mit ihren tatsächlichen Sammelmengen.
Der beabsichtige Marktzutritt des gewerblichen Sammlers ist nicht isoliert, sondern im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen zu beurteilen. Für die Prognose der Veränderungen durch die streitgegenständliche Sammlung sind deshalb weitere angezeigte, aber insbesondere wegen einer sofort vollziehbaren Untersagungsverfügung noch nicht durchgeführte Sammlungen einzubeziehen. Denn diese entfallen als mögliche Zusatzbelastung erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung. Maßgeblich ist die Sachlage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, auf die zeitliche Reihenfolge der Anzeigen kommt es nicht an.
Die ermittelten Sammelmengen privater Sammler sind den tatsächlichen bzw. aufgrund konkreter Planungen erwarteten Sammelmengen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gegenüberzustellen. Die Schwelle, unterhalb derer wesentliche Änderungen der Entsorgungsstruktur typischerweise nicht zu erwarten sind, liegt bei 10 bis 15 %. Wird diese Irrelevanzschwelle - gegebenenfalls nach deren Modifikation bei ganz außergewöhnlichen Konstellationen - überschritten, bleibt es bei der Regelvermutung (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2016 - 7 C 4/15 -, Juris, s. zum Ganzen auch: Bay. VGH, Beschluss vom 30. Januar 2017 - 20 CS 16.1416 -, Juris).
Für die Berechnung des Anteils der Beklagten an der Sammelmenge in ihrem Zuständigkeitsbereich legt die Kammer die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 1. Februar 2017 übersandte Tabelle zugrunde. Dabei ist nachvollziehbar, dass der Beklagten wegen der ausstehenden Meldungen der Sammelmengen durch die privaten Sammler zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch keine verlässlichen Daten für das Jahr 2016, erst recht nicht für das Jahr 2017, vorlagen. Abzustellen ist deshalb auf die Zahlen für das Jahr 2015. Hieraus ergibt sich folgendes:
Private Sammlungen (gemeinnützig u. gewerblich):
232,11 t
J. Sammlung:
581,00 t
Gesamtmenge:
813,11 t
Anteil der Beklagten:
71,45%
Bei einer beabsichtigten Sammlung von 200 t würde sich die Sammelmenge der privaten Sammler entsprechend erhöhen und den Anteil der öffentlich-rechtlichen Sammlung auf 46,85 % senken. Dies entspricht einer Reduzierung um rund 34 %. Dieser Betrag überschreitet bereits für sich genommen die Irrelevanzschwelle, so dass es auf weitere angezeigte Sammlungen nicht ankommt.
Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ausnahme von der Regelvermutung hat die Klägerin nicht vorgetragen. Ihr Argument, es sei noch eine erhebliche Steigerung der Abfallmengen möglich, greift nicht durch. Wie bereits ausgeführt, war eine Erhöhung der Containerzahl in der Vergangenheit nicht geeignet, eine Erhöhung des sortenreinen Abfallaufkommens herbeizuführen. Die Angabe der Klägerin, es seien nach einer Studie des Bundesverbands Sekundärstoffe17 kg pro Einwohner und Jahr zu erwarten (bei 130.000 Einwohnern: 2.210 t), ist von ihr nicht belegt worden und angesichts der von der Beklagten festgestellten Mengen an Alttextilien im Restabfall auch unwahrscheinlich.
Dass ihre Sammlung gegenüber derjenigen der Beklagten leistungsfähiger wäre, hat die insoweit darlegungspflichtige Klägerin nicht hinreichend dargetan. Die Klägerin plant eine flächendeckende Aufstellung von Containern im Stadtgebiet, abhängig von der Bevölkerungsdichte und dem Aufkommen. Dies entspricht dem System der Beklagten, die allerdings ca. 50 % mehr Container aufgestellt und auch die Vororte an das Entsorgungssystem angeschlossen hat. Die Sortierung führt die Beklagte zwar nicht selbst durch, jedoch ist nicht erkennbar, dass die Sortierung und anschließende Verwertung durch die Klägerin höherwertiger ist als die von der Beklagten veranlasste.
Die Verhältnismäßigkeit hat die Beklagte beachtet. Die Untersagung einer Sammlung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG ist als gebundene Entscheidung nur als ultima ratio zulässig. Sie ist unverhältnismäßig, wenn als milderes Mittel eine Maßnahme nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KrWG in Betracht kommt, mit der die Einhaltung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KrWG genannten Voraussetzungen gewährleistet werden kann. In welcher Weise Auflagen oder Befristungen öffentliche Interessen und die von der Klägerin geplante Sammlung in Einklang bringen könnten, ist angesichts der erheblichen Sammelmenge nicht ersichtlich.
Die Androhung eines Zwangsgeldes findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 64, 67 Nds. SOG.
Da die Klägerin unterliegt, hat sie gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens, einschließlich des Vorverfahrens, zu tragen. Über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren braucht deshalb nicht mehr entschieden zu werden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.