Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 25.04.2013, Az.: 1 A 225/12

Auskunftsrecht der kommunalen Abgeordneten zur umfassenden Information

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
25.04.2013
Aktenzeichen
1 A 225/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 55135
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2013:0425.1A225.12.0A

Fundstellen

  • FStNds 2013, 609-612
  • GK 2013, 265-267
  • Gemeindehaushalt 2013, 263
  • NVwZ-RR 2013, 6
  • NVwZ-RR 2013, 731-733

Amtlicher Leitsatz

Das Auskunftsrecht der kommunalen Abgeordneten dient ihrer umfassenden Information. Es muss nicht begründet werden und wird nicht durch das Recht auf Akteneinsicht beschränkt, so dass es sich auch auf den Wortlaut bestimmter Aktenbestandteile erstrecken kann.

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger den Wortlaut der im Schreiben des Beklagten vom 20.08.2012 aufgelisteten Verträge mit den Nummern 5-18, 20-34, 36-38, 40, 41 und 43 mitzuteilen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollsteckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Auskunft.

2

Am 07.05.2012 beantragte die Fraktion der Piratenpartei im Rat der Stadt Braunschweig, deren Fraktionsvorsitzender der Kläger ist, Akteneinsicht "in alle Verträge der Stadt, die im Zeitraum 2001 bis heute rechtskräftig sind oder waren und die mit juristischen oder natürlichen Personen, in deren Namen der Bestandteil E. vorkommt, geschlossen wurden". Die Einsicht sollte durch den Kläger wahrgenommen werden. Mit Schreiben vom 07.06.2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, das Akteneinsichtsrecht diene als Kontrollrecht des Rates ausschließlich zum Zweck der Überwachung der Durchführung der Beschlüsse des Rates und des sonstigen Ablaufs von Verwaltungsangelegenheiten. Das Recht bestehe insbesondere nicht zur allgemeinen Informationsbeschaffung und im Rahmen der kommunalpolitischen Arbeit. Daher sei in dem Antrag auf Akteneinsicht grundsätzlich zu begründen und glaubhaft darzulegen, dass die Einsichtnahme ausschließlich zu Überwachungszwecken erfolgen solle. In dem Antrag des Klägers sei ein das Einsichtsverlangen rechtfertigender Überwachungszweck nicht dargelegt. Daher entspreche der Antrag derzeit nicht den gesetzlichen Anforderungen und sei abzulehnen.

3

Am 04.06.2012 verlangte der Kläger nunmehr in eigenem Namen (als Ratsmitglied) vom Beklagten Auskunft zu der Frage, "welche Verträge der Stadt, die im Zeitraum 2001 bis heute rechtskräftig sind oder waren und die mit juristischen oder natürlichen Personen, in deren Namen der Bestandteil E. vorkommt, geschlossen wurden, existieren und welchen Wortlaut sie haben".

4

Nach internen Recherchen übersandte der Beklagte dem Kläger unter dem 28.08.2012 eine chronologische Auflistung von Verträgen, in denen der Namensbestandteil E. vorkommt. Diese Auflistung wurde mit der Bitte übermittelt, darzulegen, für "welche konkreten Fragestellungen der Tätigkeit im Rat oder in den Fachausschüssen welche Auskunft aus welchen Verträgen begehrt werde". Danach werde entschieden, in welcher Art und Weise dem Auskunftsersuchen entsprochen werde. Die Auflistung enthielt 43 Verträge.

5

Unter dem 10.09.2012 bat der Kläger erneut um den Wortlaut der im Schreiben vom 28.08.2012 genannten Verträge mit den Nummern 5 bis 18, 20-34, 36-38 sowie 40, 41 und 43. Das sei zur Klärung der Fragestellung, inwieweit sich die Stadt Braunschweig in ihren Handlungsmöglichkeiten, auch im Detail, durch Verträge mit Dritten, hier konkret den F., eingeschränkt habe und eingeschränkt sei, welche Gegenleistungen die Stadt dafür im Detail erhalten habe sowie welche Kündigungsbedingungen und schriftliche Nebenabsprachen in den zugrunde liegenden Verträgen enthalten seien, erforderlich. Der Beklagte erwiderte, aus dem Auskunftsrecht ergebe sich kein Anspruch auf eine bestimmte Form der Auskunft und mithin auch kein Anspruch auf Mitteilung des Wortlauts der Verträge. Das Auskunftsrecht beinhalte lediglich den Anspruch, Tatsachen mitgeteilt zu bekommen. Die Antwortform liege im pflichtgemäßen Ermessen. Er habe freiwillig eine Auflistung der entsprechenden Verträge zusammengestellt. Um dem Auskunftsverlangen entsprechen zu können, würden konkrete Tatsachennachfragen zu den Verträgen benötigt.

6

Die zwischenzeitlich vom Kläger eingeschaltete Kommunalaufsicht beim Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport teilte unter dem 25.10.2012 mit, der Beklagte sei mit der Übersendung der tabellarischen Übersicht der abgeschlossenen Verträge seiner Auskunftsverpflichtung in ausreichendem Maße nachgekommen. Im Übrigen bestehe die Möglichkeit, Einsichtnahme in die Verträge zu erhalten, indem ein Antrag auf Akteneinsicht nach den gesetzlichen Vorgaben gestellt werde.

7

Unter dem 12.11.2012 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, der Rat der Beklagten sei als oberstes Organ der Kommune in der Pflicht, die Handlungen der Verwaltung im Sinne der Bürger zu lenken und zu überwachen. Zu diesen Handlungen gehöre auch die Begründung und Auflösung von Rechtsgeschäften der Stadt. Um dieser Pflicht nachkommen zu können, müssten die Ratsmitglieder u. a. Kenntnis darüber erlangen können, welche Rechtsgeschäfte die Stadt tatsächlich eingehe und wie diese konkret auch im Detail ausgestaltet seien. Das Auskunftsrecht bestehe für alle Angelegenheiten der Kommune. Es sei seinem Zweck nach auch nicht auf die Überwachung der Verwaltung beschränkt, sondern könne zum Zwecke der eigenen Unterrichtung verwendet werden. Damit solle dem einzelnen Ratsmitglied ein wesentlich umfassenderes Auskunft- und Informationsrecht zugestanden werden. Einschränkungen gebe es nicht. Daher könne er die Übermittlung der Akten oder die Anfertigung von Kopien verlangen. Die Verwaltung habe den wesentlichen Arbeitsaufwand bei der Zusammenstellung der Verträge bereits bewältigt. Es dürfe keine Bereiche geben, die der Kenntnis und somit der effektiven Kontrolle des Rates entzogen wären. Der Beklagte habe in seinem Antwortschreiben vom 28.08.2012 gerade nicht alles Wesentliche und Interessierende mitgeteilt. Zweck der verschiedenen Auskunftsrechte gegenüber dem Hauptverwaltungsbeamten sei die Kontrolle der Verwaltung. Daher könne nicht entscheidend sein, was der Hauptverwaltungsbeamte für das Wesentliche und Interessierende halte, sondern wie die Mitglieder der Vertretung dies beurteilten.

8

Der Kläger beantragt,

9

den Beklagten zu verurteilen, ihm den Wortlaut der im Schreiben des Beklagten vom 20.08.2012 aufgelisteten Verträge mit den Nummern 5-18, 20-34, 36-38, 40, 41 und 43 mitzuteilen.

10

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

12

Er erwidert, er habe dem Auskunftsverlangen des Klägers entsprochen, indem er ihm eine Auflistung aller gewünschten Verträge habe zukommen lassen. Seine Auskunftspflicht sei auf Tatsachenbenennungen beschränkt, für die er unmittelbar und mittelbar verantwortlich sei oder die den Zuständigkeitsbereich des Rates oder der Ausschüsse berührten. Daher sei der Kläger durch das Schreiben vom 28.08.2012 rein vorsorglich aufgefordert worden, bei der Darlegung der konkreten Tatsachenfrage zugleich mitzuteilen, für welche konkreten Fragestellungen der Tätigkeit im Rat oder in den Fachausschüssen er die Auskunft begehre. Der vom Kläger geltend gemachte Umfang des Auskunftsrechts liefe faktisch auf eine Akteneinsicht hinaus. Dieser Anspruch müsse aber unter Einhaltung der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen geltend gemacht werden. Wenn der Kläger seinen Auskunftsantrag nunmehr auf konkrete Tatsachen präzisiere, werde er eine unbeschränkte Antwort erhalten.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sie waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

14

Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage ist begründet. Der Kläger kann beanspruchen, dass der Beklagte ihm den Wortlaut der benannten Verträge mitteilt, die die Stadt Braunschweig mit juristischen und natürlichen Personen geschlossen hat, die den Namensbestandteil E. tragen.

15

Nach § 56 Satz 2 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) kann jede oder jeder Abgeordnete/r zur eigenen Unterrichtung von der Hauptverwaltungsbeamtin oder dem Hauptverwaltungsbeamten Auskünfte in allen Angelegenheiten der Kommune verlangen; dies gilt nicht für Angelegenheiten, die der Geheimhaltung unterliegen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 NKomVG). Die Vorschrift entspricht der früheren Regelung in § 39 a Satz 2 der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO).

16

Die vom Kläger begehrte Auskunft betrifft Angelegenheiten der Kommune. Es geht um Verträge, die im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung geschlossen worden sind. Vertragsgegenstand sind u. a. Erbbaurechte an städtischen Grundstücken, Pacht von Grundstücken, Schenkungen oder Vereinbarungen über die finanzielle Förderung von denkmalpflegerischen Projekten. Das Auskunftsbegehren des Klägers richtet sich auch auf die Mitteilung von Tatsachen, über die der Beklagte im Rahmen seiner Zuständigkeit Kenntnis erlangt hat oder erlangen kann. Diese Tatsachen unterliegen nicht der Geheimhaltung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 NKomVG.

17

Der Kläger ist nach Auffassung des Gerichts nicht verpflichtet, die Motive für seine Fragestellung darzutun - was er ohnehin in seinem Schreiben vom 10.09.2012 schon getan hat. Er muss keinen konkreten Anlass für sein Auskunftsbegehren haben. Das Auskunftsverlangen darf auch nicht von der Formulierung konkreter Einzelfragen oder Tatsachenbenennungen abhängig gemacht werden.

18

In Anbetracht der besonderen Bedeutung des Informationsrechts des einzelnen Ratsmitgliedes für eine verantwortungsvolle Erfüllung der Aufgaben ist eine derartige Begrenzung des Informationsanspruchs nicht gerechtfertigt.

19

Das Nds. OVG führt in seinem Urteil vom 03.06.2009 - 10 LC 217/07 -, [...] aus:

20

"Das Auskunftsrecht der Ratsfrauen und Ratsherren zum Zwecke der Unterrichtung ist - wie der Informationsanspruch von Abgeordneten gegenüber der Landesregierung (vgl. dazu: SaarlVerfGH, Urt. v. 31.10.2002 - Lv 1/02 - NVwZ- RR 2003, 81; BayVerfGH, Entscheid. v. 17.7.2001 - Vf. 56- IVa- 00 - NVwZ 2002, 715 [VerfGH Bayern 17.07.2001 - Vf. 56 IVa/ 00] = BayVBl 2001, 657) - Ausfluss der Mitgliedschaft im (Kommunal- ) Parlament, dem im demokratischen Rechtsstaat vor allem die Aufgabe zukommt, an der Gesetzgebung mitzuwirken und die Kontrolle über die Exekutive auszuüben; einer ausdrücklichen Regelung des Informationsanspruchs in § 39a Satz 2 NGO hätte es daher nicht zwingend bedurft (vgl. auch Wefelmeier in: KVR- NGO, Stand: Dezember 2008, § 39a NGO, RdNr. 19, m.w.N.). Dem Ratsmitglied kommen - ebenso wie dem Abgeordneten im Landtag - aufgrund seines Mandats das Recht und die Pflicht zu, eigenverantwortlich an den Aufgaben mitzuwirken, die der Rat - bzw. das Parlament - zu erfüllen hat. Zu einer effektiven Wahrnehmung der Aufgaben, mit denen Ratsmitglieder und Parlamentarier vom Wähler beauftragt sind, in Gemeinderat bzw. Landtag sowie in deren Ausschüssen sind Ratsmitglieder ebenso wie Parlamentarier auf Landesebene angesichts der Vielzahl und Komplexität der dort zu beurteilenden Gegenstände auf Informationen aus dem Bereich der Verwaltung angewiesen."

21

Im Anschluss daran hat das VG Lüneburg in seinem Urteil vom 16.03.2011, AZ 5 A 60/10 ergänzend ausgeführt:

22

"Der Sinn des Fragerechts, die für die (kommunal-)parlamentarische Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen, ist - ebenso wie die ihm außerdem zukommende Kontrollfunktion - ohne eine korrespondierende Antwortpflicht nicht erreichbar. Der bloße Anspruch auf Teilhabe an ohnehin vorgelegten Informationen genügt diesen Zwecken nicht, vielmehr besteht die diesem Anspruch korrespondierende Pflicht, Anfragen in der Sache zu beantworten, wobei grundsätzlich die Beschränkung auf eine nur formale Antwort unzulässig ist. Wegen des Anspruchs auf umfassende Information besteht die Pflicht zur vollständigen und zutreffenden Antwort (vgl. NW VerfGH, Urteil v. 4.10.1993 - VerfGH 15/92 -, NVwZ 1994, 678 f. zum Informationsanspruch von Landtagsabgeordneten). Der Informationsstand des einzelnen Ratsmitgliedes ist von entscheidender Bedeutung. Nur wenn er so umfassend wie möglich unterrichtet ist, kann er seine Mitwirkungsbefugnisse voll ausschöpfen (vgl. zum Fragerecht des Abgeordneten BVerfG, Beschl. v. 10.5.1977 - 2 BvR 705/75 -, BVerfGE 44, 308)."

23

Zwar wird vielfach betont, dass die kommunale Vertretung nicht ein Parlament, sondern ein Verwaltungsorgan sei. Diese Feststellung ist jedoch zum einen darauf bezogen, dass den Mitgliedern der kommunalen Vertretung die üblichen parlamentarischen Rechte wie Immunität und Indemnität nicht zustehen, und zum anderen darauf, dass die Rechtsetzungstätigkeit der Kommunen keine originäre, verfassungsunmittelbar legitimierte Gesetzgebung, sondern gesetzlich begründete Verwaltungstätigkeit ist. Gleichwohl hat die kommunale Vertretung als unmittelbar demokratisch legitimierte Vertretung des Volks (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 57 Abs. 2 NV) insofern dieselbe Aufgabe wie ein Parlament auf Staatsebene, als sie die Kontrolle über die Exekutive ausübt. Der wirksame Einsatz dieser Kontrollinstrumente und ihre präventive Funktion setzen, wie auf Landes- und Bundesebene, eine gewisse Grundinformiertheit der Volksvertreter voraus. Allgemein lässt sich dies auch mit dem Rechtsstaatsprinzip begründen (Johanna Wolff, Grenzen der Heimlichkeit, NVwZ 2012, 205, 213 m.w.Nw.).

24

Somit erwächst dem Kläger aus seinem Status ein Recht darauf, dass ihm diejenigen Informationen nicht vorenthalten werden, die ihm eine sachverständige Beurteilung er-möglichen. Der Mitgliedschaft in der Vertretung, dem Hauptorgan der Kommune (§ 45 Abs. 1 Satz 1 NKomVG), kommt nach § 40 Abs. 1 und Abs. 4 NKomVG vor allem die Aufgabe zu, die grundlegenden Ziele der Entwicklung der Kommune und die Richtlinien, nach denen die Verwaltung geführt wird, zu bestimmen, das kommunale Recht zu setzen und die Kontrolle über die Exekutive auszuüben. Daher darf nicht der zu kontrollierende Hauptverwaltungsbeamte dem zur Kontrolle berufenen Rat Regeln und Voraussetzungen für das Auskunftsrecht vorgeben (vgl. dazu ergänzend Urteil der Kammer vom 25.04.2013 - 1 A 28/13). Vielmehr bedürfen Abgeordnete einer umfassenden Information, um ihren Aufgaben genügen zu können; dies gilt insbesondere für parlamentarische Minderheiten.

25

Nicht zuletzt mit Blick auf den Verfassungsrang des Auskunftsrechts können sich Einschränkungen dieses Rechts, die über die in § 56 Satz 2 NKomVG genannten tatbestandlichen Voraussetzungen hinausgehen, nur aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben, etwa dann, wenn Fragen rechtsmissbräuchlich, nur zum Schein oder ohne jeglichen realen Hintergrund und ohne Bezug zum Mandat gestellt werden (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 22.02.01 - 1 S 786/00, NVwZ 2002, 229, 230).

26

Derartige Einschränkungen sind für das Auskunftsverlangen des Klägers nicht gegeben. Er hat sein Begehren vielmehr hinreichend (und bereits mehr als erforderlich) konkretisiert. Die Fragestellung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der Kläger hat nämlich nachvollziehbar vorgetragen, dass er als Ratsherr auch die Pflicht habe, Kenntnis über die Begründung und Auflösung von der Stadt geschlossener Verträge zu erlangen. Zusätzlich hat der Kläger in seinem Schreiben vom 10.09.2012 dem Beklagten auch mitgeteilt, warum er diese Auskunft benötige; nämlich zur Klärung der Frage, inwieweit sich die Stadt Braunschweig in ihren Handlungsmöglichkeiten durch Verträge mit Dritten eingeschränkt habe bzw. eingeschränkt sei und welche Gegenleistungen die Stadt dafür im Detail erhalten habe.

27

Wenn es Funktion des Fragerechts ist, Auskunft über Fakten zu gewinnen, damit die Mitgliedschaft im Gemeinderat und in den Ausschüssen effektiv wahrgenommen werden kann, so korrespondiert - wie ausgeführt - mit dem Anspruch auf umfassende Information notwendigerweise die Pflicht zur vollständigen und zutreffenden Antwort. Die Auskunftserteilung ist hier nur dann umfassend, wenn dem Kläger der Wortlaut der von ihm im Einzelnen benannten Verträge mitgeteilt wird. Nur so kann der Informationsanspruch sinnvoll erfüllt werden.

28

Die Mitteilung des Wortlauts der benannten Verträge stellt für den Beklagten auch keinen unzumutbaren Aufwand dar. Schon gar nicht beeinträchtigt sie in unzumutbarer Weise die Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Es steht außer Frage, dass die Verwaltung ihre Arbeitskraft (auch) in den Dienst der Abgeordneten zu stellen hat. Das Argument des "Mehraufwands" ist daher ohnehin nicht zulässig. Vorliegend sind die Verträge bereits aus dem gesamten Bereich der Verwaltung zusammengetragen und aufgelistet worden. Durch Anfertigung von Kopien oder durch Zurverfügungstellung der Akten kann dem Kläger mit geringem zusätzlichem Arbeitsaufwand der Wortlaut der von ihm benannten Verträge zugänglich gemacht werden.

29

Der Kläger darf nicht auf das nur den Fraktionen und Gruppen zustehende Akteneinsichtsrecht (das der Beklagte zuvor der Fraktion der Piratenpartei verweigert hatte) verwiesen werden. Akteneinsicht ist nach § 58 Abs. 4 Satz 3 NKomVG zu gewähren, wenn ein Viertel der Mitglieder der Vertretung oder eine Fraktion oder Gruppe dies verlangt. Dieses Recht stellt, wie der Beklagte offenbar meint, keine Begrenzung des Auskunftsrechts, um das es hier geht, dar. Es ist auch nicht umfassender als das Auskunftsrecht. Vielmehr stehen beide Rechte bezüglich ihrer Anforderungen und Zielsetzungen gleichwertig nebeneinander Das Auskunftsrecht dient - wie dargelegt - der gezielten Information des einzelnen Ratsmitglieds zur Wahrnehmung seiner Aufgaben und setzt auch eine ggf. notwendige Wiederaufarbeitung oder Auswertung der Akten durch die Verwaltung voraus. Das ist genau das, was der Kläger mit seiner Frage nach den so genannten G. begehrt.

30

Für das den Fraktionen und Gruppen zustehende Akteneinsichtsrecht sind einzelne Abgeordnete zu benennen. Diese besonderen Anforderungen für das Akteneinsichtsrecht sind nicht etwa wegen einer damit verbundenen umfassenderen Informationsmöglichkeit geboten, sondern aus praktischen Gründen und im Interesse der Funktionsfähigkeit der Verwaltung vorgesehen. Sie erfordert die Verfügbarkeit der Akten. Könnte jedes einzelne Ratsmitglied jederzeit Einsicht in die Originalakten verlangen, so hätte das möglicherweise eine eingeschränkte Verfügbarkeit im laufenden Verwaltungsbetrieb zur Folge.

31

Der Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

32

Die Berufung ist nicht zuzulassen. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs.1 VwGO zu. Unbeschadet einer womöglich weitreichenden Bedeutung einer Entscheidung kann eine grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung nur angenommen werden, wenn die zu entscheidende Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Dies ist sie nicht, wenn sie sich ohne weiteres und unmittelbar aus dem Gesetz heraus beantworten lässt und keine Zweifel bestehen (vgl. Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, § 123 Rn. 10 m.w.Nw.) Das ist hier der Fall.

33

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.