Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 14.09.2017, Az.: 2 A 214/16
Drittschutz; Geruchsimmission; Pferd; Landwirtschaft; Privilegierung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 14.09.2017
- Aktenzeichen
- 2 A 214/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53643
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 35 Abs 3 Nr 3 BauGB
- GImRL ND
- VDIRL 3894
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Pferdepaddocks.
Der Kläger bewohnt das Grundstück B. 2, Flurstück 98/28 der Flur 14 in der Gemarkung C.. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 1 der Gemeinde C. vom 5. August 1964; die Fläche ist darin als Dorfgebiet ausgewiesen. Südlich an das klägerische Grundstück grenzt die Straße L. an. Südlich angrenzend an diese Straße befinden sich die im Eigentum des Beigeladenen stehenden Flurstücke 101 und 102 der Flur 14 in der Gemarkung C., auf denen der Paddock mit Weidehütten errichtet werden soll. Jenseits der Straße L., und somit auch auf den Vorhabenflächen, handelt es sich nach dem unstreitigen und durch Kartenmaterial in den Akten belegten Vortrag der Beteiligten um Flächen außerhalb geschlossener Ortschaften.
Im Juli 2015 hatte der Beigeladene vom Beklagten eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Reithalle am nordöstlichen Ortsrand von C. erhalten. Im Zusammenhang mit diesem Vorhaben hat die Landwirtschaftskammer M. zu der Frage Stellung genommen, ob es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen um Landwirtschaft handelt oder nicht. In zwei Stellungnahmen vom 26. Juni 2014 und 15. Juli 2015 hat sie dies bejaht, unter der Voraussetzung, dass der Kläger noch weitere Flächen im Umfang von 5,5 bis 7 Hektar, bzw. 4 Hektar, so die letzte Stellungnahme, hinzukauft. Mittlerweile bewirtschaftet der Beigeladene nach eigenem, unbestrittenem Vortrag ca. 30 Hektar Land, wobei er im Vergleich zu der Zeit der Genehmigung der Reithalle noch 7 Hektar hinzu gepachtet haben will. Er hält derzeit nach eigenem Vortrag 20 Rinder und 20 Pferde. Die Freiflächen, zu denen auch der streitige Paddock gehört, werden von den Einstallern des Beigeladenen benutzt bzw. erhalten deren Pferde hier die Möglichkeit, auf Freiflächen zu laufen.
Am 25. Januar 2016 beantragte der Beigeladene bei der Beklagten eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Pferdepaddocks mit Weidehütten auf dem genannten Grundstück. In der dem Antrag beigefügten Betriebsbeschreibung (Bl. 20 der Beiakten 001) gab der Beigeladene an, auf dem Paddock würden bis zu 10 Pferde gehalten.
Unter dem 4. März 2016 gab das für Immissionsschutz zuständige Fachamt des Beklagten eine immissionsschutzrechtliche Stellungnahme zu dem Bauvorhaben ab. Diese Stellungnahme kam im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass belästigungsrelevante Geruchsstundenhäufigkeiten von maximal 6,9 bis 7,2 % zu erwarten seien und dass damit die zulässige Geruchsstundenhäufigkeit in dem genannten Wohngebiet von 10 % der Jahresstunden nicht überschritten sei. Hierbei ging das Fachamt davon aus, dass auf der Fläche 7 Ponys und drei Großpferde gehalten würden. Den sog. Gewichtungsfaktor nahm der Beklagte dabei mit 0,5 an. Auch die für ein Wohngebiet geltenden Lärmgrenzwerte würden nach den durchgeführten Berechnungen eingehalten.
Am 14. März 2016 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen für sein Bauvorhaben eine Baugenehmigung. In Nummer 13 der Nebenbestimmungen zu dieser Genehmigung regelte der Beklagte, der Paddock sei so zu errichten und zu betreiben, dass die durch dessen Nutzung verursachten Geräusche in ihrer Gesamtheit im Bereich der nächst benachbarten Wohnhäuser „B. 1 und 2“ folgende Schallimmissionswerte nicht überschritten:
Tagsüber (6.00 bis 22.00 Uhr) 50 dB (A)
Nachts (22.00 bis 6.00 Uhr) 35 dB (A).
In Nr. 14 der Nebenbestimmungen wird darauf hingewiesen, dass bei der Berechnung der Immissionswerte von einem täglichen Weidegang der Pferde von 8 Stunden ausgegangen worden sei.
Hiergegen hat der Kläger als Mitglied einer Interessengemeinschaft am 19. März 2016 Einwände erhoben und am 8. April 2016 durch seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch erheben lassen. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, der Beigeladene sei kein Landwirt, so dass sein Vorhaben im Außenbereich nicht privilegiert sei.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2016 zurück.
Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, der Beigeladene betreibe Landwirtschaft und die von dem Vorhaben ausgehenden Immissionen seien vom Kläger hinzunehmen. Nach dem einschlägigen Bebauungsplan Nr. 1 der Gemeinde C. handele es sich bei dem vom Kläger bewohnten Gebiet um ein Dorfgebiet. Zugunsten des Klägers sei bei der Geruchsimmissionsberechnung davon ausgegangen worden, dass er in einem Wohngebiet lebe. Dennoch würden die Grenzwerte eingehalten. Auch unzumutbare Lärmimmissionen entstünden nicht. Hierzu würden insbesondere auch die Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung beitragen.
Am 28.Juni 2016 hat der Kläger Klage erhoben.
Zu deren Begründung trägt er vor, sein Wohngrundstück liege nur 10 Meter vom Vorhabengrundstück entfernt. Der Beklagte habe die Lärm- und Geruchsbelästigungen falsch eingeschätzt. Bei der Berechnung der Immissionen sei nicht berücksichtigt worden, dass es sich bei dem Vorhabengelände um ein nach Süden abfallendes, hängiges Gelände handele. Dies habe zur Folge, dass sich die Pferde überwiegend auf dem höchstgelegenen, weil flachsten Teil des Grundstücks aufhalten würden. Dieser Teil sei seinem Grundstück nächstgelegen. Auch der Zu- und Abgangsverkehr sei vom Beklagten falsch berücksichtigt worden.
Der Beigeladene betreibe auch kein privilegiertes Vorhaben, da er nicht über genügend eigene Futterfläche verfüge. Auch seine persönliche Eignung zur Führung des Betriebes sei zweifelhaft, da er einen anderen Beruf als Landwirt ausübe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 14. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2016 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist unter Berufung auf die eingeholten Stellungnahmen der Landwirtschaftskammer M. der Auffassung, der Beigeladene betreibe eine Landwirtschaft. Von dem Vorhaben gingen weder Geruchs- noch Lärmbelästigungen unzumutbarer Art aus.
Ergänzend legte der Beklagte eine weitere Berechnung der Geruchsstundenhäufigkeiten sowie eine neue Ermittlung der Schallimmissionen unter Berücksichtigung des An- und Abfahrtsverkehrs vor. Die Berechnung der belästigungsrelevanten Geruchsstundenhäufigkeiten beruhte nun auf der Annahme, dass sich die Pferde ausschließlich auf der Fläche des geplanten Paddocks aufhalten. Hierbei ergaben sich für das klägerische Grundstück leicht erhöhte Geruchsstundenhäufigkeiten, die jedoch nicht über 10 % der Jahresstunden hinausgingen. Auch diese Berechnung ging davon aus, dass sich auf der Fläche 7 Ponys und 3 Großpferde aufhalten werden. Hinsichtlich der Lärmimmissionswerte errechnete der Beklagte für das Grundstück des Klägers einen Beurteilungspegel von 52,3 dB (A).
Auf Bitten des Gerichts legte der Beklagte schließlich mit Schriftsatz vom 13. September 2017 eine weitere Berechnung der belästigungsrelevanten Geruchsstundenhäufigkeiten vor. Diese Berechnung berücksichtigte nunmehr, dass sich auf der Vorhabenfläche 10 Großpferde aufhalten werden und diese ausschließlich im Bereich des Paddocks stehen. Diese Berechnung kam zu dem Ergebnis, dass auf dem Grundstück des Klägers bis zu 10 % der Jahresstunden eine belästigungsrelevante Geruchsstundenhäufigkeit gegeben ist.
Der Beigeladene, der einen Antrag nicht stellt, schließt sich in der Sache den Ausführungen des Beklagten an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 14. März 2016 und sein Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2016 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Als Nachbar kann sich der Kläger gegen eine einem Dritten, hier dem Beigeladenen, erteilte Baugenehmigung nur wenden, wenn diese Genehmigung gegen Vorschriften verstößt, die jedenfalls auch zum Schutz der Nachbarn dienen. Derartige drittschützende Normen sind hier nicht verletzt.
Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob der Beigeladene Landwirt und die Errichtung des Paddocks mit Weidehütten ein privilegiertes Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist, kommt es nicht an. Die Frage, ob ein Bauvorhaben im Außenbereich errichtet werden darf, weil es privilegiert ist, zielt auf Normen, die als solche nicht drittschützend sind. Ob der Außenbereich, der von der gesetzlichen Grundidee her von Bebauung frei gehalten werden soll im Ausnahmefall bebaut werden darf, ist eine Frage von allgemeinem städtebaulichem Interesse. Nachbarschutz vermittelt sie nicht.
Allerdings, dies jedoch unabhängig von der Frage, ob es sich um ein privilegiertes Vorhaben handelt oder nicht, vermitteln § 35 Abs. 1 BauGB für privilegierte Vorhaben und § 35 Abs. 2 BauGB für nicht privilegierte Vorhaben über das Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Belangs, der nicht beeinträchtigt sein darf, Drittschutz. In Verbindung mit § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange nämlich insbesondere vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird. Für alle Arten von Außenbereichsvorhaben hat das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf „schädliche Umwelteinwirkungen“ in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB eine ausdrückliche Regelung erfahren. Hieraus folgt, dass das Vorhaben des Beigeladenen vorrangig an § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB zu messen ist. Die Vorschrift verweist auf die Begriffsbestimmung der schädlichen Umwelteinwirkung in § 3 Abs. 1 BImSchG, worunter sowohl Lärm- wie auch Geruchsimmissionen fallen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (BVerwG, Urteil vom 27.06.2017 - 4 C 3/16 -, juris Rn. 11 f.).
Unter welchen Voraussetzungen Geräuscheinwirkungen in diesem Sinne schädlich sind, wird durch die auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassene TA-Lärm vom 26.08.1998 (GMBl. S. 503) bestimmt. Der TA-Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Für die Prüfung baurechtlicher Vorschriften - hier des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB - misst sich die TA-Lärm als an die Immissionsschutzbehörde gerichtete Verwaltungsvorschrift zwar keine Geltung bei; dass sie auch insoweit zu beachten ist, ergibt sich nach der vom Niedersächsischen OVG geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber aus dem Baurecht, dass mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen auf das Immissionsschutzrecht verweist (BVerwG, Urteil vom 29.08.2007 - 4 C 2/01 -; OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.05.2011 - 4 ME 60/11 -, juris).
Ist die Schwelle der Erheblichkeit - wie bei Geruchsimmissionen - nicht durch Gesetz, Rechtsverordnung oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften bestimmt, kommt es darauf an, ob die Immissionen das nach der gegebenen Situation zumutbare Maß überschreiten. Die Zumutbarkeitsgrenze ist aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalles und insbesondere der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweiligen Baugebiets zu bestimmen. Dabei ist geklärt, dass für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Tiergerüchen als Orientierungshilfe auf die Geruchsimmissionsrichtlinie (vgl. Nds. Ministerialblatt 2009, S. 459 ff.) zurückgegriffen werden darf. Eine schematische Anwendung bestimmter Immissionswerte verbietet sich dabei allerdings. Etwaige Vorbelastungen sind schutzmindernd zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 27.06.2017, a.a.O. Rn. 12 f., juris).
Dies vorausgeschickt belasten den Kläger weder die vom Vorhaben ausgehenden Lärm- noch die Geruchsimmissionen unzumutbar.
Maßgeblich für die Beurteilung der Lärmimmissionen ist die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 14. Februar 2017 vorgelegte Berechnung. Diese berücksichtigt weitergehend als die im Verwaltungsverfahren eingeholte Stellungnahme vom 4. März 2016 alle vom Vorhaben ausgehenden und möglichen Geräuschquellen. Diese Berechnung, gegen die Richtigkeitszweifel weder vom Kläger erhoben worden sind noch für das Gericht ersichtlich sind, kommt zu dem Ergebnis, dass mit einem Beurteilungspegel auf dem klägerischen Grundstück von 52 dB (A) zu rechnen ist. Kurzzeitige Geräuschspitzen liegen bei 79,3 dB (A). Diese Werte sind vom Kläger in Anwendung der Regelungen der TA-Lärm als ihm zumutbar hinzunehmen. Maßgeblich sind insoweit die für ein Dorfgebiet geltenden Werte der Nr. 6.1 c) TA-Lärm. Welchem Immissionsort das Grundstück des Klägers zuzuordnen ist, bestimmt sich gemäß Nr. 6.6 TA-Lärm nach den Festlegungen in den Bebauungsplänen. In dem hier maßgeblichen Bebauungsplan C. Nr. 1 ist das Wohngebiet des Klägers als Dorfgebiet ausgewiesen. Hier gelten Immissionsrichtwerte von tags 60 dB (A) und nachts 45 dB (A). Einzelne Geräuschspitzen dürfen gemäß Nr. 6.3 TA-Lärm 90 dB (A) betragen, so dass die Ausführungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 14.02.2017 zutreffend sind. Mit unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen des Klägers ist nicht zu rechnen.
Gleiches gilt im Ergebnis auch für die Geruchsbelästigungen. Da es um von Pferden ausgehende Gerüche geht, ist es zutreffend, dass der Beklagte bei seiner Berechnung von einem Gewichtungsfaktor von 0,5 ausgegangen ist. Zwar sieht die GIRL in Abschnitt 4.6 dadurch, dass für Pferde ein Gewichtungsfaktor nicht in Tabelle 4 festgelegt wird vor, dass deren tierartspezifische Geruchshäufigkeit in die maßgebliche Berechnungsformel ohne Gewichtungsfaktor einzusetzen ist. Indes hat das Nds. OVG, insoweit dem Bayrischen Verwaltungsgerichtshof folgend, in seinem Beschluss vom 14.06.2017 - 1 ME 64/17, 1 ME 66/17 -, juris Rn. 22 ff.) ausgeführt, dass bei Pferden von einem Gewichtungsfaktor von 0,5 auszugehen ist. Das Gericht hat wie folgt erkannt:
„Mit diesen Immissionswerten hat es indes nicht sein Bewenden. In ihrer Nr. 3.1 am Ende führt die GIRL vielmehr aus, regelmäßiger Bestandteil der Beurteilung, ob Geruchsbelästigungen erheblich sind, habe die Prüfung zu sein, ob Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Prüfung nach ihrer Nr. 5 (Beurteilung im Einzelfall) bestünden. Solche sind nach Nr. 5 lit. b) der GIRL namentlich dann gegeben, wenn trotz Überschreitung der Immissions-(= Häufigkeits-) Werte eine erhebliche Belästigung der Nachbarschaft nicht zu erwarten sei wegen Vorliegens eindeutig angenehmer Gerüche. Denn wesentlicher Teil der Neuregelung der GIRL ist, Gesichtspunkte der Hedonik zu berücksichtigen. Im Falle eindeutig angenehmer Gerüche bestehe die Möglichkeit, deren Beitrag zur Gesamtbelastung mit dem Faktor 0,5 zu gewichten.
Dabei führt die GIRL in ihrer Nummer 4.6 „Auswertung“ mit der Tabelle 4 selbst Gewichtungsfaktoren für einige Tierarten auf. Mit dem Gewichtungsfaktor (f) 1,5 ist danach Mastgeflügel (Puten und Masthähnchen) zu belegen. Zum Vorteil der Mäster von Schweinen sind Mastschweine und Sauen demgegenüber mit einem Gewichtungsfaktor von 0,75 zu versehen, Milchkühe mit Jungtieren einschließlich Mastbullen und Kälbermast, sofern diese zur Geruchsimmissionsbelastung nur unwesentlich beitragen, sogar mit einem Gewichtungsfaktor von 0,5.
Das hat Folgen für die Behandlung von Pferden. Richtig ist zwar, dass es in Nummer 1 ganz am Ende des Einführungserlasses vom 23. Juli 2009 - 33-40500/201.2 - heißt:
Für alle in der Tabelle 4 nicht aufgeführten Tierarten ist der Gewichtungsfaktor 1 heranzuziehen.
Das begegnet jedoch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung unüberwindlichen Bedenken. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte dazu in seinem Beschluss vom 16. Juli 2014 (- 15 CS 13.1910 -, JURIS-Rdnr. 24 das Folgende überzeugend ausgeführt:
(3) Schließlich ist es wohl nicht vertretbar, dass für die Pferdehaltung ein Gewichtungsfaktor von 1 angesetzt wurde. Dies entspricht zwar einer konformen Anwendung der GIRL (vgl. Nr. 4.6 GIRL; ebs. VDI 3894 Blatt 2 Anhang F), führt aber zu einer kaum zu rechtfertigenden negativen Bewertung des Belästigungsgrads von Gerüchen aus der Pferdehaltung im Verhältnis zur Schweine- (Gewichtungsfaktor 0,75) oder zur Milchkuhhaltung (Gewichtungsfaktor 0,5). Aus der fehlenden Bewertung des Ausmaßes der Geruchsbelastung für die Tierart „Pferd“ in der Untersuchung „Geruchsbeurteilung aus der Landwirtschaft“ (vgl. Sucker/Müller/Both, Bericht zu Expositions- Wirkungsbeziehungen, Geruchshäufigkeit, Intensität, Hedonik und Polaritätenprofile, Materialienband 73, Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, S. 31, 41), aus der die tierartspezifischen Gewichtungsfaktoren für die Tierarten Mastgeflügel, Mastschweine und Milchkühe in der GIRL 2008 abgeleitet wurden, darf nicht der Schluss gezogen werden, Gerüche aus der Pferdehaltung lösten eine stärkere Belästigungsreaktion aus als Gerüche aus der Schweine- oder Milchkuhhaltung. Genau dies unterstellt die GIRL im Ergebnis aber, wenn gefordert wird, dass für Tierarten, die nicht in der Tabelle 4 enthalten sind (also z.B. Pferde), kein Gewichtungsfaktor (also Faktor 1) einzusetzen ist. Sofern von Seiten des Gutachters dargelegt wird, nach Aussage von maßgeblich am Projekt „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“ (a.a.O.) Beteiligten gebe es derzeit keine wissenschaftlich fundierten Daten, die u.a. Abschläge für Pferde rechtfertigten, wirft dies die Frage auf, ob die GIRL damit überhaupt auf Tiergerüche aus der Pferdehaltung anwendbar ist. Denn neben der relativen Geruchshäufigkeit wird in der GIRL 2008 beim Geruch aus Tierhaltungsanlagen durch Einführung eines belästigungsrelevanten Kennfaktors eben auch berücksichtigt, welche tierartspezifische Geruchsqualität auftritt. Dem liegt der genannte Forschungsbericht „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft“ zugrunde, wonach die nach Tierarten (Geflügel, Schwein, Rind) differenzierte Geruchsqualität immissionsseitig eindeutig wirkungsrelevant ist (vgl. dort z.B. Nr. 5 Punkt 3,). Weshalb dies bei der Tierart Pferd anders sein soll, erschließt sich nicht. Insbesondere ist wohl nicht zu erwarten, dass die Geruchsqualität für die Tierart Pferd im Vergleich zur Tierart Rind eine stärkere Belästigungsreaktion auslöst. So erscheint es nach den „Abstandsregelungen für Rinder- und Pferdehaltung“ (Arbeitspapiere des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“, Stand 10/2013, Kap. 3.3.2) nicht sachgerecht, für Pferde als in der Tabelle 4 der GIRL nicht genannten Tierart einen Faktor f von 1 anzusetzen, weil die Techniken der Pferdehaltung in Bezug auf Aufstallung, Lüftung, Entmistung und Mistlagerung aus der Rinderhaltung bekannt und vergleichbar sind und die Geruchsintensitäten in der gleichen Größenordnung (wie bei der Rinderhaltung) liegen. Der charakteristische Geruch dieser Tierarten (Rind und Pferd) sei zwar unterschiedlich, die hedonische Geruchswirkung (Anm.: i.S.v. „Lästigkeit“ und damit vergleichbar mit der Belästigungswirkung anhand der tierartspezifischen Geruchsqualität nach GIRL) sei jedoch ähnlich. Für Pferde sei daher derselbe tierartspezifische Faktor wie für Rinder anzusetzen (vom Bayerischen Arbeitskreises wird ein Gewichtungsfaktor 0,4 für Milchkühe mit Jungtieren, Mastkälberhaltung und Pferdehaltung empfohlen). Diesen nachvollziehbaren Erwägungen trägt die Begutachtung durch D... keine Rechnung.
Dies entspricht im Übrigen der Senatsrechtsprechung. In seinem unveröffentlichten Beschluss vom 3. November 2011 - 1 ME 136/11 - hatte der Senat ausgeführt:
Richtig ist, dass auch Pferdehaltung geruchsintensiv und nach ständiger Rechtsprechung des Senats deshalb z.B. in Wohngebieten nicht zulässig ist. Zwischen den Gerüchen verschiedener Tierarten ist jedoch zu differenzieren. Das hebt die GIRL 2008 nunmehr durch Vergabe von "Gewichtungsfaktoren" für Geflügel, Schweine und Rinder hervor. Pferde sind - erstmals - in der VDI-Richtlinie 3894 für Schweine, Rinder, Geflügel, Pferde angesprochen. Nach Abschnitt 6 in Verbindung mit Tabelle 3 liegen die Emissionskonventionswerte bei Pferden deutlich niedriger als bei Schweinen und Geflügel, sogar unter denjenigen von Rindern. Infolgedessen wäre hier - unter Berücksichtigung der Tieranzahl und der Abstände zum Bauplatz - besonders begründungsbedürftig, weshalb die Pferdehaltung einen erheblichen Beitrag zu den Geruchsbelastungen bewirken könnte; substantielle Anhaltspunkte hierfür sind nicht ersichtlich.
Daran ist festzuhalten. Der Weißdruck der VDI 3894, Blatt 1 (Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen - Haltungsverfahren und Emissionen Schweine, Rinder, Geflügel und Pferde) vom September 2011 behandelt an verschiedener Stelle die mit der Pferdehaltung verbundenen Immissionen. Maßgebliche Quelle der Geruchsbelästigungen sind danach die tierischen Ausscheidungen. Als besonders nachbarverträglich wird daher das Festmistverfahren (3.2.3 der VDI 3894, Bl. 1) angesehen. Saugfähiges Material wie etwa Stroh ist geeignet, Kot und Harn zum Vorteil der Nachbarschaft zu binden (aaO, S. 30 oben). In allen eingestreuten Haltungssystemen könnten durch häufiges Nachstreuen (sofern dieses möglich ist) die Geruchsstoffemissionen deutlich gesenkt werden (aaO, S. 64 oben).
Das sind keine im Sinne des Verwaltungsgerichts „unwissenschaftlichen“, mehr oder minder aufs Geradewohl gemachten Annahmen. Vielmehr nimmt der Verband deutscher Ingenieure auf Seite 60 unten seiner Richtlinie 3894 Bl. 1 (Weißdruck) für sich in Anspruch:
Basis der hier angegebenen Konventionswerte sind der Stand der Haltungstechnik sowie die gute fachliche Praxis. Sie sind repräsentativ für eine über das Jahr angenommenen Emissionen unter Berücksichtigung der typischen Betriebsabläufe und von Standardservicezeiten. Alle Werte werden als Jahresmittelwert angegeben.
Daraus folgert der Verband der Ingenieure (aaO S.46 unten):
Die Haltung von Pferden ist im Vergleich zu anderen Tierarten emissionsarm, da hier die spezifische Einstreumenge pro Tier am größten ist.
und auf Seite 61 unten:
Pferde werden in der Regel hinsichtlich der Geruchsstoffemissionen wie Milchvieh oder günstiger beurteilt, da die Ställe zumeist stärker eingestreut werden.
Das korrespondiert mit den in Tabelle 22 (S. 62 VDI 3894, Bl. 1) zusammengetragenen Werten. Danach beträgt der Geruchsstofffaktor bei Schweinemast in Tiefstreuverfahren 30, bei Milchvieh- und Mutterkuhhaltung in allen Haltungsverfahren 12, bei Pferden hingegen nur 10, bezogen auf die Zeit der Stallhaltung (Anm. e).
Aus diesen Gründen wird aller Voraussicht nach den Ausführungen des Bay. VG München vom 22. März 2012 (- M 11 K 10.1016 -, JURIS-Rdnr. 76) zuzustimmen sein, bei Pferden sei keinesfalls ein höherer Geruchsfaktor als bei Rindern anzunehmen. Selbst bei der von der GIRL veranlassten worst-case-Betrachtung sei daher zu berücksichtigen, dass geruchsbedingte Störungen durch Pferde(stall)haltung grundsätzlich als deutlich geringer anzusehen sei als bei der Haltung von Schweinen oder von Rindern.
Es kann nicht zum Nachteil des Beigeladenen unberücksichtigt bleiben, dass auch der Bad.-Württ. Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 10. Oktober 2003 (- 5 S 1692/02 -, BWVBl. 2004, 181, JURIS-Rdnr. 47 aE) diese Auffassung jedenfalls im Ausgangspunkt teilt.
Ob das der gutachterlichen Praxis der Landwirtschaftskammer oder des TÜV Nord (vgl. etwa dessen im Netz aufzufindendes Gutachten vom 4.12.2013 für einen Betrieb in Hessisch Oldendorf, OT Hemeringen) entspricht, ist irrelevant. Es ist eine von den Gerichten zu entscheidende Frage, wie man die Orientierungshilfe handhabt, welche die GIRL in ihrer Fassung 2008/2009 an die Hand gibt. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen hatte hier dementsprechend beide Berechnungsarten nebeneinander gestellt.
Danach ist es auch/gerade hier jedenfalls für das Eilverfahren nicht zu rechtfertigen, dem Beigeladenen den Vorteil des Gewichtungsfaktors von 0,5 einstweilen vorzuenthalten.“
Dieser Rechtsprechung schließt sich die erkennende Kammer an.
Im Übrigen hat die Berechnung durch den Beklagten nach der VDI Richtlinie 3894 vom September 2011, Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen, Methode zur Abstandsbestimmung Geruch (Blatt 2 der Richtlinien) stattgefunden. Diese Richtlinie ersetzt und vereinheitlicht die VDI-Richtlinen 3471 und 3472 die nach Abschnitt 1 GIRL maßgeblich für die Berechnung für Geruchsimmissionen im Bereich der Landwirtschaft sind.
Inhaltliche bzw. methodische Bedenken gegen die vom Beklagten vorgenommene Berechnung sind weder vom Kläger erhoben worden, noch für das Gericht ersichtlich. Das gilt jedenfalls für die mit Schriftsatz vom 13. September 2017 vorgelegte Berechnung. Diese stellt entsprechend der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung darauf ab, dass insgesamt bis zu 10 Großpferde auf dem Vorhabengrundstück gehalten werden und diese sich ausschließlich im Bereich des Paddock an der dem klägerischen Grundstück nächstgelegenen Stelle befinden.
Diese Berechnung gelangt zu dem Ergebnis, dass auf einem Teil des klägerischen Grundstücks eine belästigungsrelevante Geruchsstundenhäufigkeit von bis zu 10 % der Jahresstunden zu erwarten ist. Diese Zahl der jährlichen Geruchsstundenhäufigkeiten entspricht einem Immissionswert IW von 0,10. Welche Immissionswerte maßgeblich sind, ergibt sich aus Abschnitt 3.1 der GIRL. Danach beträgt der Wert in Wohn- und Mischgebieten 0,10, in Dorfgebieten 0,15. Nach der Anlage 2, Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL (Nds. Ministerialblatt, a.a.O., Seite 806), ist maßgeblich für die Geruchsbeurteilung entsprechend der GIRL die jeweils tatsächliche Nutzung. Anders als im Anwendungsbereich der TA-Lärm, kommt es somit nicht auf die bauplanungsrechtliche Festsetzung von C. als Dorfgebiet an. Maßgeblich ist vielmehr die tatsächliche Nutzung und diese stellt sich nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten als Wohn- und Mischgebiet dar. Daraus folgt, dass der nach der GIRL einzuhaltende Immissionswert im Fall des Klägers erreicht ist. Allerdings sehen die Anwendungshinweise (a.a.O., S. 806 zu Nr. 3.1 der GIRL vor, dass am Rande von Dorfgebieten im Übergangsbereich zum Außenbereich in begründeten Einzelfällen Zwischenwerte gebildet werden können. Dies kann analog auch im Übergang vom Außenbereich zur abgeschlossenen Wohnbebauung getan werden. Dementsprechend hat das Nds. Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 14.03.2007 - 1 ME 222/06 -, juris Rn. 9) ausgeführt, dass auch Grundstücke im unverplanten Innenbereich wegen einer anzunehmenden Randlage zum Außenbereich ebenfalls nur den Schutzanspruch genössen, den Wohngrundstücke in einem Dorfgebiet genießen. Zur Begründung gab das Gericht an, der Außenbereich diene in hervorragender Weise insbesondere dazu, landwirtschaftliche Betriebe unterzubringen bzw. seinen Boden in einer Weise zu bewirtschaften, welche zu Geruchsbelastungen der Umgebung führt. Dem schließt sich die erkennende Kammer an. Daraus folgt, dass der Kläger einen Immissionswert von mehr als 0,10 bis hin zu 0,15 hinzunehmen hat, ohne dass von einer unzumutbaren Geruchsbelästigung gesprochen werden könnte. Denn sein Grundstück liegt im Übergang zwischen Innen- und Außenbereich.
Da die Klage erfolglos bleibt, hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig. Sie zu erstatten entspräche nicht der Billigkeit, weil der Beigeladene einen Antrag nicht gestellt und sich somit einem eigenen Prozesskostenrisiko nicht ausgesetzt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.