Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 19.06.2002, Az.: 3 A 1132/01

Beförderung; Beförderungsrichtlinien

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
19.06.2002
Aktenzeichen
3 A 1132/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43470
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

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Der Kläger begehrt seine Beförderung zum Polizeihauptmeister.

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Der 1959 geborene Kläger ist Polizeiobermeister ( Bes. Gr. A 8 ). Er stand seit dem 19.09.1983 als Polizeimeister in den Diensten des Landes B.. Dort wurde er mit Wirkung zum 01.07.1992 zum Polizeiobermeister befördert. Aus persönlichen Gründen wurde der Kläger mit Wirkung zum 01.10.1998 nach Niedersachsen versetzt; gleichzeitig wurde ein niedersächsischer Beamter nach B. versetzt. Aus Gründen der Amtgleichheit bei diesem Stellentausch wurde der Kläger zu dem genannten Datum in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 7 ( Polizeimeister ) eingewiesen. Mit diesem Verfahren hatte er sich zuvor einverstanden erklärt. Mit Wirkung zum 01.04.1999 erfolgte erneut die Beförderung zum Polizeiobermeister.

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Bei den anstehenden Beförderungen zum Polizeihauptmeister im März 2001 wurde der Kläger nicht berücksichtigt. Hiergegen wandte er sich mit seinem Schreiben vom 07.03.2001. Unter dem 13.03.2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die vom Kläger gesammelten Erfahrungen in der Laufbahn und die Erfahrung im Amt entsprechend den Beförderungsrichtlinien bei der Beförderung zum Polizeiobermeister berücksichtigt worden seien. Im folgenden Schriftwechsel zwischen den Beteiligten - der Kläger hatte unter dem 14.03.2001 Widerspruch gegen seine Nichtberücksichtigung eingelegt - wies der Kläger insbesondere darauf hin, dass seine Erfahrungen im Amt des Polizeiobermeisters im Land B. nicht berücksichtigt worden seien, sondern hinsichtlich der Stehzeit im Amt ausschließlich auf den Zeitraum seit der Beförderung zum Polizeiobermeister in Niedersachsen abgestellt werde.

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Unter dem 25.07.2001 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 14.03.2001 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Erfahrung im Amt als Polizeimeister und als Polizeiobermeister in B. bereits bei der erneuten Beförderung zum Polizeiobermeister im April 1999 berücksichtigt worden sei, um die für den Kläger bestehenden Nachteile aus der Rückstufung im Zusammenhang mit seiner Versetzung möglichst schnell auszugleichen. Eine erneute Berücksichtigung dieser Dienstzeiten, nunmehr im Zusammenhang mit der Beförderung zum Polizeihauptmeister könne nicht erfolgen, weil sie einerseits zu einer nicht gerechtfertigten doppelten Berücksichtigung dieser Dienstzeiten führe und andererseits nicht der gefestigten Verwaltungspraxis im Bezirk entspreche. Bereits zeitlich vor Ergehen des Widerspruchsbescheides hatte die Beklagte dem Kläger mehrfach zugesagt, eine Planstelle als Polizeihauptmeister bei der PI V. bis zur Beendigung des Verfahrens freizuhalten.

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Am 30.08.2001 hat der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage erhoben. Er macht geltend, dass sich die Beklagte in Anwendung ihrer Beförderungsrichtlinien widersprüchlich verhalte. Hinsichtlich der Beförderung zum Polizeiobermeister seien, wie die Beklagte in Übereinstimmung mit den Richtlinien zunächst selbst vortrage, die Dienstzeiten im Amt des Polizeimeisters zu berücksichtigen gewesen. Insoweit habe die Beklagte auch die entsprechenden Dienstzeiten in B. berücksichtigt. Dem widerspreche es jedoch, wenn die Beklagte sodann geltend mache, bei der Beförderung zum Obermeister auch die in B. verbrachten Dienstzeiten des Klägers im Amt eines Polizeiobermeisters berücksichtigt zu haben. Dies stehe nicht im Einklang mit den Beförderungsrichtlinien und hätte den Kläger bei der bereits erfolgten Beförderung unzulässig bevorzugt.

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Wenn hiernach die Dienstzeiten als Obermeister bei der vergangenen Beförderung nicht hätten berücksichtigt werden dürfen, müssten sie richtigerweise bei der begehrten Beförderung zum Hauptmeister berücksichtigt werden, wie dies auch für die Dienstzeiten als Polizeimeister erfolgt sei; das Problem einer etwaigen doppelten Berücksichtigung stelle sich damit nicht. Unter Berücksichtigung dieser Dienstzeiten verschiebe sich die Position des Klägers auf der maßgeblichen Orientierungsliste, so dass seine Beförderung erfolgen müsse.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13.03.2001 und des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2001 zu verpflichten, den Kläger zum Polizeihauptmeister ( Bes. Gr. A 9 ) zu ernennen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie meint, dass die Berücksichtigung der gesamten Dienstzeit in B. bei der Beförderung zum Obermeister habe erfolgen dürfen. Zum einen sei beabsichtigt gewesen, den Nachteil der Rückstufung im Zusammenhang mit der Versetzung möglichst schnell auszugleichen. Zum anderen verstoße dies auch nicht gegen die Beförderungsrichtlinien, denn die Erfahrung im Amt des Obermeisters ( A 8 ) beinhalte die dienstlichen Erfahrungen im niedrigeren Amt des Polizeimeisters ( A 7 ). Vor diesem Hintergrund erweise sich die Auffassung des Klägers über eine fehlerhafte Berücksichtigung von Dienstzeiten im Zusammenhang mit seiner Beförderung zum Polizeiobermeister als treuwidrig, weil dies zu seinen Gunsten erfolgt sei; andererseits führe sein Begehren zu einer nicht zulässigen doppelten Berücksichtigung von Dienstzeiten.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Die ergangenen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten; einen weitergehenden Anspruch hat der Kläger nicht ( vgl. § 113 Abs. 5 VwGO ).

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Ein Beamter hat grundsätzlich weder einen Rechtsanspruch auf Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens noch auf Beförderung. Er kann lediglich beanspruchen, dass über seine Bewerbung ohne Rechtsfehler entschieden wird (stRspr; vgl. z.B. Urteile vom 26. Juni 1986 - BVerwG 2 C 41.84 - Buchholz 237.4 § 8 LBG Hamburg Nr. 1 S. 2 und vom 26. November 1987 - BVerwG 2 C 41.87 - Buchholz 310 § 142 VwGO Nr. 10 S. 4)( so BVerwG, Beschluss vom 07.08.2001, 2 VR 1/01, zitiert nach juris ). Damit stellt sich im vorliegenden Verfahren allein die Frage, ob die Vorgehensweise der Beklagten aufgrund der Beförderungsrichtlinien vom 01.03.2000 fehlerhaft ist, wie der Kläger meint, weil er nach seinem unbestritten gebliebenen Vortrag unter Berücksichtigung seiner Dienstzeit als Polizeiobermeister in B. an Rangstelle 4 der Orientierungsliste zum Stichtag 28.02.2002 zu führen und mithin zu befördern gewesen wäre.

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Diese Frage ist jedoch zu verneinen. Die Kammer hat in ihrem Beschluss vom 21.05.2002 ( 3 B 657/02 ) zu den genannten Beförderungsrichtlinien folgendes ausgeführt:

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Die Beförderungsrichtlinien enthalten zu der Frage, welche der Vorgehensweisen anzuwenden ist, keine abschließende und eindeutige Regelung. Dennoch verbietet sich insoweit eine Auslegung der Richtlinien nach den für gesetzliche Vorschriften geltenden Grundsätzen, auch wenn sie für die Auffassung des Antragstellers sprechen würde. Vielmehr sind für die Auslegung von Richtlinien die Grundsätze maßgebend, die für Auslegung von Willenserklärungen gelten ( vgl. § 133 BGB ). Dabei ist der wirkliche Wille zu erforschen. Die Richtlinien legen die für die Beförderung der Beamten geltenden Maßstäbe fest und sind für alle von ihnen betroffenen Beamten in gleicher Weise anzuwenden. Für die Fälle, in denen die Richtlinien keine oder unklare Regelungen enthalten, kommt der tatsächlichen Verwaltungspraxis eine modifizierende, den Gleichheitsgrundsatz wahrende Bedeutung zu ( vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.05.2000, 5 L 3298/99 zur Frage der Auslegung von Beurteilungsrichtlinien ). In Anwendungen dieser Überlegungen ist die Vorgehensweise der Antragsgegnerin, die Orientierungsliste nach der Auswahl jedes einzelnen, zur Beförderung anstehenden Beamten neu zu erstellen und anhand der maßgeblichen Kriterien den nächsten Beamten auszuwählen ( zu dynamisieren, wie der Antragsteller formuliert ), nicht zu beanstanden. Dies ist die ständige Verwaltungspraxis; dies hat der Vertreter der Antragsgegnerin dem Gericht telefonisch am 16.05.2002 bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall wäre, sind weder von Amts wegen ersichtlich noch hat der Antragsteller derartiges vorgetragen.

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Diese Ausführungen gelten hier entsprechend. Ausdrückliche Bestimmungen, wie in der vorliegenden Fallkonstellation vorzugehen wäre, enthalten die Richtlinien vom 01.03.2000 nicht. Damit kommt es abschließend auch hier allein auf die Frage der Verwaltungspraxis an. Anhaltspunkte dafür, dass der entsprechende Vortrag der Beklagten über eine ständige Verwaltungspraxis in dem von ihr dargestellten Sinne fehlerhaft wäre, hat der Kläger nicht vorgetragen; derartiges ist auch von Amts wegen nicht ersichtlich.

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Die von der Beklagten gewählte Vorgehensweise führt auch nicht zu - gemessen am Leistungsgrundsatz - schlechthin untragbaren Ergebnissen. Vielmehr erscheint es auch aus Fürsorgegründen sachgerecht, durch die Einbeziehung von Dienstzeiten auch aus einem höheren Amt den betreffenden Beamten bei der ersten möglichen Beförderung zu bevorzugen, um den Nachteil im Zusammenhang mit der Versetzung auszugleichen. Umgekehrt ist es aus Fürsorgegründen nicht geboten, eine gesplittete Berechnung der Vordienstzeiten - ggf. sogar innerhalb eines Amtes - vorzunehmen. Diese Vorgehensweise, für die die Richtlinien, wie dargestellt keinen Ansatz bieten, würde den auf eigenen Wunsch versetzten Beamten nochmals gegenüber den bereits zuvor im niedersächsischen Landesdienst befindlichen Beamten bevorzugen. Wenn hiernach die Vordienstzeiten bei der ersten Beförderung berücksichtigt worden sind, stellt sich in der Tat die Frage einer doppelten Berücksichtigung von Dienstzeiten zu Lasten der Beförderungskonkurrenten, die richtigerweise nicht erfolgen darf.